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Ein e-book aus dem Verlag

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e-book 033

© Saphir im Stahl

Titelbild: Reimund Bertrams

Vertrieb: bookwire

eISBN: 978-3-943948-73-8

Vlad Hernández

Krieg der Schrecken

Novellen

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Vlad Hernández

Krieg der Schrecken

La guerra contra los Langostas: Emperatriz. Signos de guerra. Langosta pálida.

Übersetzung
Pia Oberacker-Pilick

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Inhaltsverzeichnis

Die Emperatriz

Wesen des Krieges

Die bleiche Schrecke

Die Emperatriz

Da ist es wieder, das Geräusch. Im Finstern sucht sie nach mir, die Emperatriz, diese Kreatur, dieser tödliche, geflügelte Alptraum. In ihrem Bemühen, zu mir vorzudringen, tastet sie sich durch das silberne Leitungsgewirr der Klimaanlage. Ihre komplementäre Optik ist durch die Wärme der Rohre in meiner Umgebung behindert, daher versucht sie mich mit ihren Organen zur elektrischen Orientierung aufzuspüren. Mit geschlossenen Augen sehe ich sie vor mir: Insektoid, so etwas wie eine ungeheure schwarze Gottesanbeterin von zweieinhalb Metern Spannweite. Und sie kommt immer näher. Sie ist äußerst intelligent, und in ihrer Gerissenheit, die einer fremden Welt entstammt, ist sie mir haushoch überlegen.

Vorläufig habe ich in den metallischen Eingeweiden der Escher Zuflucht gefunden, doch nun sitze ich auf meinem eigenen Schiff in der Falle. Von hier aus kann ich nicht einmal die Steuerung kontrollieren. Ich bin genauso blind wie die Emperatriz, die optischen Implantate zeigen mir nur die thermische Barriere, hinter der sich die Kreatur verbirgt; zarte Wärmewellen, die im Rhythmus der Bordsysteme tanzen und über einem Gewaber chromatischer Ausbrüche holografische Gespenster heraufbeschwören. Und da sind auch alfanumerische Codes, die mir verraten, dass ich chemisch abgetastet werde. Es ist die Emperatriz, die mich mit einem Strahl modifizierter Pheromone bombardiert, um meinen Willen zu brechen. Ich bete zu Gott, dass dies bei mir nicht funktioniert, immerhin bin ich keine von denen.

Aber ich weiß, dass mein Widerstand zwecklos ist. Ich schinde nur Zeit. Mich rettet jetzt keiner mehr. Ich bin blind, hilflos und verloren; verloren seit dem Tag, an dem ich mich auf den Vertrag mit Kyle einließ.

Kyle. Schöner, exotischer Kyle.

Möge seine Seele in der Hölle schmoren.

Dass ich mit dem Feuer gespielt habe, ist nicht das Problem. Ich habe mein Leben lang mit Feuer gespielt. Das Problem ist, ich war dermaßen verschossen in Kyle, dass ich nicht einmal gemerkt habe, dass es brennt.

Es dürfte nicht einfach für ihn gewesen sein, mich zu finden. Ehrlich gesagt hat es mich schon gewundert, dass er durch das verzweigte Labyrinth von Strohmännern und Netzwerkprotokollen, in dem ich mich versteckt hielt, bis zu mir vorgedrungen ist. Er hat eine lange Kette von Zwischenhändlern, verteilt über fünf Sonnensysteme, abklappern müssen, um in mein Hauptquartier auf Gadiir zu gelangen.

Und dann war es auch ziemlich beunruhigend, dass der Deal überhaupt auf diese Weise an mich herangetragen wurde, denn seit über zwanzig Jahren pflege ich solche Dinge selbst einzufädeln. Ich bin in dieser Hinsicht extrem wählerisch. Nur so konnte ich mich in der gefährlichen Welt des illegalen Handels dermaßen breit machen, wobei ich meine Geschäfte immer auf die Lücken im interstellaren Beziehungsgeflecht beschränkt habe. Der Schlüssel zu meinem Erfolg war die Meute von Spürhunden, die ich zu den Planeten und Habitaten der Föderation ausgesandt habe. Sie jagten nach interessanten Informationen, um potentielle Goldfasane aufzustöbern, die es dann zu erbeuten galt. Bis zu diesem Augenblick war mein Überleben immer davon abhängig gewesen, blitzschnell und mit relativ kleinen Gewinnspannen zu operieren, so dass ich den Titanen der Schattenwirtschaft nie in die Quere kam. Wenn du keinen störst, bist du sozusagen unsichtbar, das ist das Erste, was du lernst.

Ich hatte mir unter dem Deckmantel einer Tarnfirma namens Max Enterprises – spezielle und allgemeine Problemlösungen ein kleines Reich geschaffen und war durch die doppelten und dreifachen Subsysteme, mit denen ich jede meiner Aktionen absicherte, bestens vor den föderalen Autoritäten geschützt.

Nichtsdestotrotz hatte sich Kyle bis zu mir durchgeschlagen, unter Umgehung meines Netzwerks. Daraus schloss ich messerscharf auf seine Brillanz. Allein die Tatsache, ihn hier in meinem Büro auf Gadiir vor mir zu haben, sprach dafür, dass er verteufelt diskret, geschickt und überzeugend sein musste. Meine erste Reaktion ist grundsätzlich und immer Misstrauen, aber meine Agenten versicherten mir, er sei kein Bulle, also hörte ich mir an, was er zu sagen hatte.

Ich streite nicht ab, dass mich seine fremdartige Schönheit vom ersten Augenblick an fasziniert hat. Mit jeder seiner Bewegungen sandte er hochemotionale Botschaften aus; er verkörperte eine Kombination aus Genugtuung und dunkler Besessenheit, die etwas in mir zum Schwingen brachte. Damals meinte ich, ihn aus klugem Abstand zu betrachten, mit jener distanzierten Coolness, wie sie im Geschäftlichen normalerweise herrscht; aber mein Unterbewusstes war ihm von Anfang an verfallen.

Kyle war groß und hager, seine extreme Blässe und die scharfen Züge wiesen ihn als typischen Bewohner der Erial-Welten aus, aber seine Kleidung stammte aus der Gegend von Zentauri. Dunkles, glattes Haar fiel ihm wie ein schwarzseidener Mantel auf die Schultern und kontrastierte mit dem Blau seiner Augen, ein himmelfarbenes Flammengezüngel um die Pupillen herum, das immer heller wurde, bis es sich als kieselgrauer Ring im weißen Oval verlor. In diesen Augen pulste ein ansteckender Taumel, der ihnen, bei aller Beherrschtheit, einen solch drängenden Ausdruck verlieh, dass mir Angst und Bange wurde, während sie mich zugleich unwiderstehlich anzogen.

Da saß er also, seltsam und magnetisch, jonglierte mit Worten, entwickelte voller Überzeugungskraft seine Argumentation – und schlug mir das Geschäft des Jahrhunderts vor.

Als Erstes erzählte er mir seine Geschichte. Er sei in einer föderativen Festung in einem der Systeme des Sirius aufgewachsen und Genetiker geworden. Er habe über den von der Renaissance der Bioingenieurskunst ausgelösten Pandora-Effekt geforscht und die längste Zeit seines Lebens in hochgeheimen Militärlabors genomische Hybride zusammengebastelt, sei viele Jahre lang von Projekt zu Projekt gesprungen, bis er schließlich an der wissenschaftlichen Front im Kampf gegen die Schreckeninvasion gelandet sei.

Denn wir haben Krieg. Der dauert jetzt schon fünfzehn Jahre, und es ist der verheerendste Krieg, den die Menschheit je geführt hat. Der Feind ist eine mächtige außerirdische Zivilisation, die plötzlich im Gebiet der Föderation auftauchte und auf ihrem Weg Schiffe und menschliche Habitate zerstörte. Diese Wesen erwiesen sich als tödliche Gegner, denn obwohl sie technisch so hochentwickelt scheinen wie wir, ist ihre Grausamkeit unverständlich, und die unerbittliche destruktive Gewalt, die sie über unsere Welten entfesseln, zeigt ihre absolute Entschlossenheit, die menschliche Spezies auszumerzen. Sie walzen alles nieder, sie machen niemals Gefangene. Keinem scheint es in all diesen Jahren gelungen zu sein, mit ihnen zu kommunizieren, aber es heißt, dass die Invasoren einen religiösen Kreuzzug gegen unseren territorialen Expansionismus führen, der damals gerade Fahrt aufnahm. Die Xenologen und Soziologen faselten etwas von Primärem Kulturschock, doch das war alles reine Spekulation. Irgendwie und gerade noch rechtzeitig lernten wir die schwerste Lektion unserer Geschichte. Zum ersten Mal war ein wahrhaft unberechenbarer Feind aufgetaucht, extrem grausam, ohne jegliches Interesse an Verhandlungen oder Koexistenz. Mit dem einzigen Ziel unserer völligen Ausrottung. Es kostete uns Millionen von Menschenleben und mehrere Kolonien, bis wir das begriffen hatten, aber wir nahmen den Kampf auf und taten alles, was wir konnten, um sie zu stoppen.

Seit zehn Jahren gelingt es uns allmählich, sie zurückzudrängen. Laut aktuellen Nachrichten von der Flotte hat es die Föderation geschafft, dem Krieg die entscheidende Wende zu geben. Wir sind dabei, in ihre Gebiete einzufallen, die verlorenen Systeme zurückzuerobern, die Sphäre des menschlichen Herrschaftsgebiets auszudehnen. Vermutlich haben wir es nur deshalb noch nicht geschafft, sie völlig zu besiegen, weil wir so wenig über sie wissen.

In irgendeiner Welt, ich weiß nicht mal ihren Namen, sind unsere Truppen gerade mit diesen arganosilikoiden Xenomorphen beschäftigt; aber zum Glück liegt die Front weit von unserem Sektor der Föderation entfernt. Im Lauf der Jahre hat der Konflikt beträchtlich an Bedeutung verloren. Gadiir kreist 17 Lichtjahre von der Cygnus-Kapitale, Richtung unterer Spiralarmbogen, um den Roten Riesen Swaink. Hier ist der Krieg gegen die Schrecken inzwischen etwas, das sich in weiter Ferne abspielt und kaum noch jemanden aufregt, ein Ereignis in einer wilden Ecke der Grenzregion, fernab der wichtigen zivilisierten Systeme und selbst jenseits der äußersten Welten unserer Sphäre.

Jedenfalls hatte da jemand, mitten in irgendeinem Scharmützel – vielleicht im Weltraum, vielleicht auf jener Welt, wo die Truppen gerade miteinander kämpfen, ich weiß es nicht – großes Glück gehabt: Den Militärs war es gelungen, eine Emperatriz zu schnappen, die sie nun gefangen hielten.

Eine Schrecken-Emperatriz sei die höchstentwickelte Lebensform, mit der wir es in der gesamten Menschheitsgeschichte je zu tun gehabt hätten, erklärte mir Kyle. Eine Art biologisches Mischwesen, dessen Untersuchung tausende neuer Forschungszweige hervorbringen würde.

Allem Anschein nach haben die Xenomorphen, diese Geschöpfe von überaus fremdartiger Gestalt, eine Technologie entwickelt, die vollständig organisch ist. Ihre gesamte Zivilisation ist in autonomen Schwarmkolonien organisiert und besteht aus extrem spezialisierten Kasten mit einem schutzherrschaftlichen Paar im Zentrum eines jeden Staates. In diesem Paar, Emperatriz und Imperator genannt, sehen die menschlichen Exobiologen die wichtigsten Repräsentanten ihrer Art. Sie beherrschen das Gefüge der mächtigen planetarischen Clans. Von sozialen Schichten bei den Schrecken ist die Rede: Ammen, Krieger, Arbeiter – eine komplizierte Strukur, zusammengesetzt aus Kasten ursprünglichen Typs und aus Unterarten, die per technoevolutiver Manipulation in den Jahrhunderten ihrer interstellaren Ausbreitung erschaffen wurden.

Die Emperatriz, betonte Kyle und klang dabei sehr überzeugend, sei ein Schlüsselelement für unser Verständnis davon, wie die Gesellschaft der Schrecken funktioniert. Durch sie könnten wir etwas über die Grundlagen ihrer Sprache und über ihre Herrschaftsstrukturen erfahren. Über den Besitz der Emperatriz führe der Weg zu einem Bewusstsein, das dermaßen fremdartig ist, dass viele der brillantesten Geister der Föderation meinen, es sei der menschlichen, sprachbasierten Kommunikation überhaupt nicht zugänglich.

So saß nun also die ehemalige Regentin eines vernichteten Clans dieser Außerirdischen eingesperrt in einem Labor der militärischen Division Tantalus, reduziert auf ein Dasein als ultrageheimes Forschungsobjekt, eine höchst begehrte Experimentiermasse, zugedröhnt mit speziellen Drogen, um zu verhindern, dass sie die Kontrolle über ihren Körper erlangte und ihre Selbstzerstörung herbeiführte.

Kyle sagte, er habe zum Team der Exobiologen von Tantalus gehört, das kommunikative Schnittstellen zu der betäubten Emperatriz einrichten sollte, aber irgendwer habe ihn aus dem Spiel genommen. Er ging nicht weiter darauf ein, doch es schien ihn schwer getroffen zu haben. Auf diese Weise kaltgestellt, habe er also beschlossen, sich an Tantalus zu rächen und seine verrückte Idee ausgebrütet. Besessen vom Gefühl der Demütigung, das seinen Zorn am Leben hielt, habe er sich in die Abgründe der Schattenwirtschaft begeben, wo die hehre Wissenschaft schnell zur Handelsware wird und neue – eher unkonventionelle – Anwendungsbereiche findet. Er habe nach einem wahren Könner in dieser Unterwelt gesucht, mit den geeigneten Kontakten, um sein Wissen in finanzielles Vermögen umzuwandeln. Und so sei er auf mich gestoßen.

Er schlug vor, dass wir uns die Emperatriz unter den Nagel reißen und die Außerirdische dann mit meiner Hilfe verschachern sollten.

Das ist Wahnsinn, hielt ich ihm entgegen. Totaler Wahnsinn.

Genau, Max, und gerade deshalb muss es klappen, war Kyles Antwort, während er die Haarrisse sondierte, die sich in meiner skeptischen Abwehr zeigten. Er wusste, dass dieser Idee, gerade wegen ihrer Verrücktheit, etwas greifbar Erfolgversprechendes innewohnte, dem ich schließlich erliegen würde. Er nannte mir Einzelheiten, sprach vom Asteroidengürtel der düsteren G1-M845, wo sich das Tantalus-Labor befand, von den Koordinaten zur Lokalisierung des Standortes, von Codes und Gegenmaßnahmen, mit denen man die militärischen Systeme austricksen und in die Basis eindringen könnte. Er hatte alles fix und fertig im Kopf. Er redete von Beihilfe durch einen Insider und von den Schwachpunkten der Innenverteidigung der Station. Er dekorierte das ganze Panorama mit vielen überzeugenden Details, erwähnte die Gewinnmargen, die wir erzielen könnten, wenn es uns gelang, die Emperatriz in die rechten Hände zu vermitteln, und beobachtete mich dabei, wie ich diese Informationen verdaute.

Unter dem Ansturm von Kyles zwingender Logik und meiner aufgestachelten Vorstellungskraft begann meine Skepsis allmählich zu bröckeln. Vielleicht ließ es sich ja tatsächlich machen. Zuerst einmal galt es, den Weg zu sondieren. Sollte er sich als gangbar erweisen, wäre ich die Brücke, über die der Transport der Ware von dem beraubten Militärkonsortium zu den gierigen illegalen Käufern abgewickelt würde, und zwar ein wirklich schneller Transport, oder ich würde unter dem schieren Ausmaß dieses Handels unweigerlich zusammenbrechen. Wir überschlugen, welcher Gewinn sich aus der Emperatriz herausschlagen ließe. Bis dahin würde man genau wissen, an welche Türen zu klopfen war, und man würde allemal vorsichtig anklopfen müssen.

Nach Kyles Ansicht würden vier Forschungsgebiete am meisten davon profitieren, falls die Schrecken-Emperatriz den Labors der freien Wirtschaft zur Verfügung stünde: Biologische Kriegsführung, Nanotechnologie, Biochips und Hochenergie. Auf Tantalus hingegen seien lediglich die Biowaffen-Abteilung und das Genetiker-Team, zu dem Kyle gehört hatte, an der Sache dran.

In der Zellstruktur der Emperatriz, diesem lebendigen Endresultat einer xenotechnologischen Entwicklung, seien Millionen submolekularer Mikromaschinen eingebettet, biologische Geisterchen, die unserer flügellahm gewordenen Autoreplikations-Nanotechnologie neuen Auftrieb geben würden. Außerdem ließen sich mit ihrer Hilfe tödliche Biowaffen oder intelligente Verteidigungssysteme konstruieren. Kyle hielt mir einen Vortrag über die fortschrittlichen Genochip-Bibliotheken dieser außerirdischen DNA, welche den Schrecken Zugriff auf enorme Datenbanken erlaubten, randvoll mit den Erinnerungen ihrer Gattung, Jahrtausende alten Überlieferungen, viel effizienter und nachhaltiger archiviert als die Grundlagen unseres eigenen Wissens. Gar nicht zu reden von möglichen Informationen über kalte Fusion oder energetische Schutzschilde, erzeugt von lebenden Organismen, alles Angaben, die in diesen Genotheken enthalten sein mochten und uns helfen würden, umweltfreundlichere Formen der Energieerzeugung zu entwickeln.

Hol dir die Emperatriz und du kannst jeden Preis verlangen, sagte Kyle eines schönen Abends am Meer und funkelte mich dabei an. Und ich gab nach, schloss den Vertrag mit ihm, geblendet von dem Vermögen, das er mir in Aussicht stellte, und von der heftigen Leidenschaft, die aus diesen himmelfarbenen Augen blitzte.

Also legten wir los. Wir fuhren zum Mann, dem innersten Swaink-Planeten, ein Edelschmugglerparadies, in dem ich gute Verbindungen zu wichtigen Zwischenhändlern hatte. Ich ließ mein Schiff, die Escher, in einem der Touristendocks des orbitalen Hafens. Wir mieteten eine Wohnblase im Hotel des Raumaufzugs und ließen uns auf einer zweitägigen Reise dem Schwerefeld entgegenfallen.

Ich sehe Kyles Gesicht vor mir, wie es sich in der polarisierten Fensterscheibe der Blase spiegelt, seine ernste Miene, die Augen fest auf Swaink gerichtet, als wolle er den gesamten Photonenstrom dieser todgeweihten Sonne in sich aufsaugen, mit blasser Haut, die Struktur seiner Gesichtsmuskeln überdeutlich im alles beherrschenden Schein des Roten Riesen. Die mächtige Wölbung seines Rückens.

Und dann dieser eine, hochexplosive Moment mitten in der Mann-Nacht, die gleitende Hotelkugel drang eben in die obere Atmosphäre ein, als ich mich stöhnend vor Lust unter Kyles heißem Körper wand, gebändigt von seiner Kraft, während sich feuchte Strähnen seines Haars wie kalte Tinte über meine Brust ergossen und etwas Zartes von seinen Wangen fiel, das die wachsende Schwerkraft auf meine Haut herabzwang: Tränen, die still aus einem verschlossenen Winkel seines Wesens tropften.

Auf Mann setzte ich einmal mehr meine gut geschmierte Kontaktmaschinerie in Gang, taxierte das Interesse potentieller Käufer und prüfte, ob die Pfeiler der Brücke, in die ich mich bald verwandeln sollte, auch tragen würden. Es ging voran, also kehrten wir in den Orbit zurück, von wo aus ich meine Leute für den Einsatz zusammentrommelte: Spezialisten, denen ich absolut vertraute, strategische Muskeln, gestählt in den Fährnissen des Geschäfts. Nicco kam als erste, eine durchtrainierte und mit Bioimplantaten gespickte Arkanerin. Sie hatte alles stehen und liegen lassen, womit sie auf Dexstar, sieben Lichtjahre entfernt, gerade zugange war, und einen Expresskreuzer ins Swaink-System genommen. Danach kamen Xing Jian und Antonio, die Unzertrennlichen aus dem Herzen des Erial; Spaßvögel, hart und trotz ihres leicht affektierten Stils für diese Art von Job wie geschaffen. Wachowski ließ eine Woche auf sich warten, und so hatte ich Zeit, vom Dockservice die große Halle der Escher so umbauen zu lassen, dass er hineinpasste. Bei dieser Gelegenheit ließ ich auch die Software, die ihn mit der Brücke verbinden würde, entsprechend rekonfigurieren, denn Wachowski war aufs Empfindlichste hochgerüstet. Im Vergleich mit ihm war die Escher ein besseres Wrack.

Wachowski war ein Falke: ein organisches Menschenhirn, eingeschlossen in die gepanzerte Kommandozentrale eines Sturmboots; acht Meter kybernetischer Korpus, bis an die Zähne bewaffnet, beherrscht von eineinhalb Kilo grauer Zellen, die an künstliche Sinnesorgane gekoppelt waren. Die Flotte hatte im vergangenen Jahrzehnt etwa hundert solcher Navorgs vom Stapel gelassen: hybride Raumjäger mit einem revolutionären Düsensystem und von Plasmawaffen starrend, die wie Igelstacheln in alle Richtungen zielten. In der ersten Angriffswelle gegen die Schrecken hatten sie eine wichtige Rolle gespielt. Als kleine tödliche Kamikazekämpfer waren die Falken eine wahre Plage für die feindlichen Bioschiffe. Aber sie gingen dabei fast alle drauf. Wenige Jahre später hatte die stolze und siegreiche Streitmacht der Föderation jene Patrioten längst vergessen, ihr Heldenmut wurde gerade mal noch auf ein paar Buchseiten über die jüngere Geschichte beiläufig erwähnt. Nur sieben von ihnen hatten den Krieg überlebt. Und jetzt wurden sie nicht mehr gebraucht und drifteten als Söldner auf Abruf durch ein menschliches System, das in ihnen nichts weiter sah als exotische Überbleibsel.

Wachowski war mein Lieblingsagent für diese Sorte Geschäft.

Ich erläuterte ihnen meine Pläne anhand einer dreidimensionalen Ansicht des Zielobjekts und seiner Lage. Ich stellte ihnen hohe Beträge als Gegenleistung für ein bisschen Adrenalin in Aussicht. Sie hörten mir aufmerksam zu. Mit angespannter Miene standen sie um das Hologramm herum und fragten nach Details, entwarfen Routen, skizzierten virtuelle logistische Szenarien und versuchten sich schon einmal all die Variablen vorzustellen, die Kyle ins Spiel brachte.