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Inhalt

Einleitung

1. Wichtiges Basiswissen für Erblasser und Erben

Unangenehme Überraschungen und Streit vermeiden

Auf dem Weg zum Erb-Weltmeister

Die gesetzliche Erbfolge – der Staat entscheidet für Sie

Zwölf wichtige Fragen rund ums Erben & Vererben

2. Sie erben – darauf sollten Sie achten

Wer pflegt, wird belohnt

Nach dem Todesfall – was ist zu tun?

Erbe annehmen oder ausschlagen?

Wie kommen Sie zu Ihrem Erbe?

Die Testamentseröffnung

Niemand kann einfach enterbt werden

Wenn Konflikte das Erbe vernichten

Der Testamentsvollstrecker – verlängerter Arm des Erblassers

Wenn Sie Schwarzgeld erben

3. Sonderfälle: Vorsicht, Fallen!

Sie erben ein Unternehmen oder Unternehmensanteile

Sie erben eine Immobilie

Erben in Europa – die neuen Regeln

4. Was erbt der Fiskus?

Anzeigepflicht gegenüber dem Finanzamt

Das steuerfreie »Familienheim«

Was Sie steuerfrei erben können

Wie wird die Hinterlassenschaft steuerlich bewertet?

Sie erben ein Familienunternehmen

Glossar
Alles zur Erbschaft – von A bis Z

Einleitung

Kein Krieg, keine Hyperinflation, keine größeren politischen und wirtschaftlichen Unruhen – die deutsche und österreichische Nachkriegsgeneration konnte im Gegensatz zu ihren Vorfahren über Jahrzehnte hinweg größere Werte aufbauen. Viele Eltern und Großeltern haben für ihre Kinder und Enkel beachtliche Summen zusammengespart, in vielen Fällen gehören sogar entschuldete Eigentumswohnungen und Häuser zum Vermögen. All dies wird in den nächsten Jahren an die nachfolgende Generation vererbt. Pro Jahr gehen schon heute allein in Deutschland weit über 200 Milliarden Euro an die Erben über. Diese Summe wird sich bis zum Jahr 2024 auf über drei Billionen Euro, also sage und schreibe dreitausend Milliarden Euro, summieren.

Doch längst nicht jede Erbschaft macht glücklich. Entstehen zum Beispiel Erbengemeinschaften, ist der Streit oft programmiert – was gewiss nicht im Sinne des Erblassers lag. Manche Zerwürfnisse aufgrund einer Erbschaft sind ein Leben lang nicht mehr zu kitten. Der Riss geht quer durch Familien. Oder aber der Erbe wird wegen einer steuerlich ungünstigen Regelung vom Finanzamt zur Kasse gebeten. Mitunter gehört auch eine Ferienimmobilie im europäischen Ausland zur Erbmasse. Welches Recht gilt dann bei der Übertragung dieser Immobilie? Das deutsche Erbrecht oder jenes in dem Staat, wo sich das Objekt befindet? Was tun, wenn man plötzlich feststellt, dass der Vater oder Großvater Schwarzgeld hinterlassen hat?

Diese und zahlreiche andere Fragen werden in dem vorliegenden Ratgeber praxisnah beantwortet. Das Büchlein wendet sich zwar in erster Linie an (potenzielle) Erben. Wenn aber der Erblasser durch ein entsprechendes Testament oder einen Erbvertrag rechtzeitig die Weichen richtig stellt, können Streit und unnötige Steuern vermieden werden. Daher enthält dieser Ratgeber auch eine Reihe wichtiger Tipps für Erblasser, die der künftige Erbe vielleicht bei passender Gelegenheit mit dem Erblasser besprechen sollte. Denn auch der dürfte daran interessiert sein, dass seine Hinterlassenschaft konfliktfrei und mit einer möglichst geringen oder gar keinen steuerlichen Belastung an die nachfolgende Generation übergeht.

Juristen wissen: Neben dem Steuerrecht ist das Erbschaftsrecht am kompliziertesten und birgt am meisten Brisanz. Werden große Vermögen vererbt (zum Beispiel Unternehmen oder Unternehmensanteile), erscheint der Gang zu einem versierten Fachanwalt oder Notar unverzichtbar. Dennoch erhalten Sie mit diesem Ratgeber wichtiges und unverzichtbares Basiswissen, mit dessen Hilfe Sie im Erbfall genau wissen, was zu tun ist, wie Sie Konflikte vermeiden und innerhalb der Familie eine Regelung finden, die auch im Interesse des Erblassers gewesen wäre.

Ich wünsche Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre.

Ihr
Horst Biallo

PS: Bitte beachten Sie, dass sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Erbschaften und für die Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer jederzeit ändern können. Das vorliegende Buch beruht auf dem Rechtsstand April 2017.

1. Wichtiges Basiswissen für Erblasser und Erben

Unangenehme Überraschungen und Streit vermeiden

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an Erben. Im ersten Kapitel möchte ich Ihnen jedoch wichtiges Basiswissen vermitteln, das sowohl für Erblasser als auch für spätere Erben wichtig erscheint. Ab dem zweiten Kapitel gehe ich dann auf die besondere Situation der Erben sowie deren Rechte und Pflichten ein.

Ihr Erbe hatte sich Ilka S. ganz anders vorgestellt. Als einige Jahre nach ihrer Mutter auch ihr Stiefvater starb, ging die (Stief-)Tochter davon aus, das seinerzeit von ihrer Mutter erworbene Haus zu erben. Mutter und Stiefvater hatten vor vielen Jahren ein sogenanntes Berliner Testament geschlossen. Dabei handelt es sich um ein gemeinschaftliches Testament von Ehe- oder Lebenspartnern, mit dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzen. So auch im vorliegenden Fall. Als die Mutter von Ilka S. starb, erbte ihr Stiefvater den größten Teil der Hinterlassenschaft, einschließlich der Immobilie. Die Tochter bekam lediglich ihren Pflichtteil. Später erkrankte auch ihr Stiefvater und bedurfte einer ständigen Pflege. Von einer Sozialeinrichtung wurde ihm eine entsprechende Pflegekraft vermittelt, die bald darauf auch anbot, ihr Mann und ihr Sohn könnten sich um das Haus und den Garten des Kranken kümmern. Ilkas Stiefvater nahm dieses Angebot dankend an – und war offenkundig so zufrieden, dass er das hilfreiche Trio reich entlohnte. Schließlich verkaufte er sogar seine Immobilie und machte vor allem seiner Pflegerin teure Geschenke. Die sonderbare Großzügigkeit kannte offenkundig keine Grenzen. Die Pflegerin und ihre Familie sahnten von dem kranken Mann insgesamt eine sechsstellige Summe ab. Als er später starb, erbte Ilka S. gerade noch 5.000 Euro. Den großen Rest dessen, was er von seiner Frau geerbt hatte, war nicht mehr da. Einfach verschenkt an wildfremde Menschen.

Dabei ist dem Stiefvater – rein rechtlich betrachtet – nicht einmal ein Vorwurf zu machen. Ihm standen die Immobilie und die anderen von seiner Frau hinterlassenen Vermögenswerte zu. Die Tochter hatte lediglich Anspruch auf ihren Pflichtteil. Erst nach dem Tod des Stiefvaters stand Ilka S. als Enderbin das restliche Vermögen zu. Grundsätzlich aber gilt: Bis zu seinem Tod kann der überlebende Ehe- oder Lebenspartner mit dem ererbten Vermögen tun, was er will. Er kann also auch seine Betreuerin und deren Familienangehörigen fürstlich beschenken.

Da mag mancher denken: Wenn schon das gängige Berliner Testament solche Fallstricke birgt, dann verzichten wir eben auf solche Experimente und verfassen gar kein Testament. In einem solchen Fall gilt die gesetzliche Regelung. Viele Bürger sind der irrigen Auffassung, dann erbe der überlebende Ehepartner das gesamte Vermögen und die Kinder erhielten später, was übrig bleibe. Das freilich ist ein Irrtum. Gilt nämlich die gesetzliche Erbfolge, weil kein Testament vorliegt, dann erbt beim Tod eines Ehepartners zunächst der überlebende Partner. Gibt es hingegen Kinder – egal, ob eheliche oder uneheliche –, so bekommt der überlebende Ehepartner die Hälfte des Erbes, die andere Hälfte fließt zu gleichen Teilen den Kindern zu. Ein Beispiel: Eine Familie hat zwei Kinder. Der Ehemann stirbt. Da kein Testament vorliegt, gilt die gesetzliche Erbfolge. Die Ehefrau des Verstorbenen erhält 50 Prozent des Gesamtvermögens, die Kinder erhalten jeweils 25 Prozent. Und schon befinden sich die Hinterbliebenen in einer Erbengemeinschaft, die nicht selten zu heftigem Streit führt und eigentlich nur die Anwälte freut.

Ein anderes Beispiel: Der Ehemann stirbt, das Ehepaar hatte keine Kinder. Da kein Testament vorliegt, gilt die gesetzliche Erbfolge. Die Ehefrau geht davon aus, dass ihr der gesamte Nachlass zufließt, da keine Kinder zu berücksichtigen sind. Weit gefehlt: Die Ehefrau erhält nur 75 Prozent des Nachlasses, weil noch ein Neffe des Verstorbenen lebt, der ebenfalls bedacht werden muss.

Mit diesen Beispielen möchte ich Ihnen zeigen, wie wichtig ein auf die individuellen Absichten und Ziele zugeschnittenes Testament ist. Und zwar für beide Seiten – für den Erblasser ebenso wie für die Erben, die kein Interesse an einer am Ende vielleicht sogar gerichtlichen Auseinandersetzung haben dürften. Zudem läuft der Erblasser Gefahr, dass infolge der gesetzlichen Erbfolge vielleicht ausgerechnet jener den Hauptnutzen hat, der sich nie um die betreffende Person kümmerte und der am allerwenigsten von der Hinterlassenschaft profitieren sollte.

Auf dem Weg zum Erb-Weltmeister

Wie relevant das Thema Erben & Vererben ist, spiegelt die Statistik wider. Nach einer im Herbst 2015 veröffentlichten Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) wird bis zum Jahr 2024 die sagenhafte Summe von 3,1 Billionen (!) Euro an die Nachfahren übergehen. Schon heute werden jährlich weit über 200 Milliarden Euro vererbt – bei deutlich steigender Tendenz. In den westlichen deutschen Bundesländern gehören zu jeder zweiten Erbschaft Immobilien, in den östlichen Bundesländern spielen Häuser, Wohnungen und Grundstücke nur in einem von drei Erbschaftsfällen eine Rolle. Wird eine Immobilie vererbt, erhöht sich das Erbschaftsvolumen in aller Regel signifikant. Die Höhe des Nachlasses liegt dann meist bei über 150.000 Euro.

Vielleicht wundern Sie sich ein wenig angesichts dieser Zahlen. In der Tat: Die statistische Wahrscheinlichkeit erscheint groß, dass Sie erheblich weniger erben. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass eben nur wenige Erbschaften in Millionenhöhe ausfallen. Die oberen zwei Prozent aller Hinterlassenschaften vereinen etwa ein Drittel des gesamten Volumens auf sich. Doch auch bei kleineren Erbschaften sollten Erblasser und Erben wissen, wie die Vermögensübertragung so gestaltet werden kann, dass es im Interesse aller Beteiligten ist und Streit in Erbengemeinschaften, der häufig genug vor den Gerichten landet, vermieden wird. Denn bedenken Sie: Kein anderes Rechtsgebiet in Deutschland ist so kompliziert und voller Fallstricke wie das Erbrecht. In seiner Komplexität ist es allenfalls noch vergleichbar mit dem Steuerrecht. Vielleicht haben Sie sich auch schon gewundert, dass es so viele Fachanwälte für Erbrecht gibt. Nun wissen Sie es.

Die gesetzliche Erbfolge – der Staat entscheidet für Sie

Wenn Sie nicht selbst in Form eines Testaments oder Erbvertrags die Dinge geregelt haben, entscheidet der Staat für Sie. Das heißt: An die Stelle der Selbstbestimmung tritt die Fremdbestimmung. Die Frage ist, ob Sie das wirklich wollen. Und vor allem, ob Sie wissen, was da mit Ihrem Vermögen im Todesfall passieren kann. Vielleicht sind Sie derselben Auffassung wie die meisten Ehegatten und gehen davon aus, dass zum Beispiel ein gemeinsames Haus nach dem Tod eines der Ehepartner dem Überlebenden allein gehört. Dann ist die Überraschung groß, wenn plötzlich aufgrund der gesetzlichen Erbfolge andere Personen miterben und plötzlich Miteigentümer der Immobilie werden. Das können die eigenen Kinder oder mitunter sogar weiter entfernte Verwandte sein. Auf den folgenden Seiten möchte ich Ihnen daher aufzeigen, wie die gesetzliche Erbfolge funktioniert und wer im Fall der Fälle was und in welcher Höhe erbt.

Gilt die gesetzliche Erbfolge, dann erben die Verwandten entsprechend ihrem Verwandtschaftsgrad. Solange auch nur ein Verwandter der ersten Ordnung zu finden ist, kommen Verwandte der zweiten Ordnung nicht als Erben in Frage. Entsprechendes gilt für weiter entfernte Verwandte (ich werde das gleich anhand von konkreten Beispielen verdeutlichen). Lebt ein Kind oder ein Elternteil noch, sind deren Nachkommen von der Erbschaft ausgeschlossen. Ist ein an sich Erbberechtigter aber verstorben, treten seine Kinder an dessen Stelle.

Ehegatten sind nach dem Gesetz mit dem Erblasser zwar nicht verwandt, verfügen aber über das Ehegatten-Erbrecht. Gleiches gilt für eingetragene Lebenspartner, die inzwischen weitgehend den Ehegatten gleichgestellt sind (siehe § 10 Lebenspartnerschaftsgesetz, LpartG).

Durch die Adoption erlangt ein adoptiertes Kind die rechtliche Verwandtschaft. Das adoptierte minderjährige Kind erhält mithin die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten. Es gehört damit zu den Erben erster Generation (siehe untenstehende Tabelle). Dies bedeutet auch, dass, wenn das Adoptivkind stirbt, die Adoptiveltern Erben des Adoptivkindes werden. Mit der Adoption erlischt das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu den leiblichen Eltern.

Ist kein Testament oder Ehevertrag vorhanden und gibt es überdies keine gesetzlichen Erben oder haben alle Erben die Erbschaft ausgeschlagen, so erbt das Bundesland, in dem der Erblasser zur Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Wohnte der Erblasser also zum Beispiel in Bonn, so fiele die Erbschaft dem Land Nordrhein-Westfalen zu. Lässt sich das Bundesland nicht zuordnen, erbt der Bund. Dabei haftet der Staat für Nachlassschulden übrigens nur beschränkt.

Ziel der gesetzlichen Erbfolge ist es, sicherzustellen, dass diejenigen erben, die dem Erblasser am nächsten standen. Entscheidend ist dabei der Verwandtschaftsgrad. Das Gesetz unterteilt die Verwandten damit in drei sogenannte Ordnungen. Falls Sie es ganz genau und mit juristischer Akkuratesse wissen möchten, schauen Sie einfach im BGB nach § 1930). Was es mit diesen drei Ordnungen auf sich hat, verrät Ihnen der nachfolgende Überblick.