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Impressum:

C: Verlag Tredition Hamburg

Hannelore Möbus.

Familie W . aus Stettin ,

Dezember 2016

Alle Rechte am Buch liegen bei der Autorin

H. Möbus, Aßlarer Str.1, 60439 Frankfurt

978-3-7345-7622-5 (Paperback)

978-3-7345-7623-2 (Hardcover)

978-3-7345-7624-9 (e-Book

Familie W. aus Stettin
Stellvertretend für viel Familien mit
ähnlichen Biographien

Ein Zeitgeschichtlicher Bericht

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Ich widme diese Aufzeichnungen dem Andenken an unsere Mutter Charlotte, die mir die verwendeten Briefe übergab mit der Maßgabe diese literarisch zu verwerten.

Und an unseren Vater Werner, der in seinem Brief vom September 1945 schrieb: Mein Erleben in diesen vergangenen Tagen ist es wert, in einem Roman festgehalten zu werden.

Unser Erfahren, Mutter und Kinder, in dieser Zeit mit all seinen Schwierigkeiten, der Not und der immerwährenden Angst, aber auch dem Mut das Beste daraus zu machen, stehen dem gewiss nur gering nach. Deshalb will ich dies späteren Generationen wenigstens ansatzweise vermitteln.

Für alle Nichten, Neffen, meinen Sohn und alle Kindeskinder der Familie. Und natürlich alle später Geborenen, die Interesse an unserem damaligen Leben haben..

Vorwort

Briefe und Aufzeichnungen von eigenen Erinnerungen und der unserer Eltern.

Ich habe hier versucht aufzuzeigen, wie auch meine Familie nach der Flucht aus dem Osten 1945 in Franken wieder Fuß gefasst hat und ganz von vorne anfangen musste.

Manchmal war es nicht ganz leicht, da man genau wie heute Flüchtlingen mit großem Misstrauen entgegenkam.

Aber wir haben in den nächsten Jahren auch ganz viele hilfsbereite Menschen getroffen, die uns das Einleben in die neue Heimat erleichterten.

Und schon einige Zeit später gehörten wir einfach dazu und wir Kinder sprachen den Dialekt perfekt.

„Kennen Lernen“ der Eltern und Heirat

Meine Mutter Charlotte hatte im Jahr 1934 eine Tuberkulose auszuheilen. Deshalb fuhr sie zu ihrer Tante Marie, Schwester ihres Vaters, nach Königswalde in der Mark Brandenburg in das Forsthaus ihres Onkels mitten im Wald.

Dort im Ort lernte sie unseren Vater Werner W. kennen. Er führte mit seinem Vater Alfred ein Sägewerk in Königswalde.

In Eckernförde hatte er einige Jahre vorher auf der „Baugewerkschule“ in Eckernförde seinen Abschluss als Bauingenieur gemacht.

Jetzt bereitete er sich in abendlichen Kursen in Frankfurt /Oder auf die Prüfung zum Maurermeister vor.

Auf Festen und sportlichen Veranstaltungen kamen sie sich näher und heirateten am 23.04.1935 in Liegnitz, der Heimatstadt meiner Mutter. Und zwar In der „Liebfrauenkirche“. in der sie schon getauft und konfirmiert worden war.

Geburt meines Bruders Klaus Und warum die Eltern nach Stettin umzogen.

Am 10. Juni 1936 wurde mein Bruder Klaus in Königswalde in der Neumark geboren.

Die Eltern wohnten in einem Haus gegenüber dem der Großeltern.

Unser Klaus wurde in seinem Babykörbchen bewacht von Omas Dackel „Schlumms“.

Im Jahr 1937 brannte das Sägewerk infolge Funkensflug ab.

Großer Kummer und viel Ärger und Schulden.

Mein Vater fand eine neue Stelle beim Heeresbauamt. So kamen meine Eltern Ende 1937 nach Stettin.

Meine Geburt und die ersten Jahre

Am 5. Juni 1938 (Pfingstsonntag) wurde ich in Stettin im „Karolostift“, wie ich jetzt weiß war es damals schon über 200 Jahre alt, um ca. 21.00 Uhr geboren.

Meine Mutter hatte kurz zuvor noch im Garten bei Bekannten Unkraut gejätet. Am Abend wollten die Eltern ins Kino gehen, daraus wurde nichts, denn ich erschien auf der Bildfläche.

Mutti hatte man kurz zuvor gesagt, dass ich gar nicht lebe, sondern die Nabelschur um den Hals hätte. Dementsprechend "blau" war ich auch und wurde erst einmal kräftig verhauen, bevor ich anfing zu leben. Welch ein Trauma! Auch soll ich ein überaus nervöses Baby gewesen sein, meine Mutter behauptete später, man hätte nicht mal eine Stecknadel neben meinem Babykorb fallen lassen dürfen. Schon wäre ich wieder hoch gewesen, in den ersten Wochen mit Gebrüll, später mit wachsender Aufmerksamkeit, denn ich bin ein neugieriger Zwilling. Da ich, wie ich glaube, eine ziemlich typische Vertreterin dieses Sternbilds bin, war ich schon von frühester Jugend an, an allem interessiert, was um mich herum passierte.

Ich habe ein fotographisches Gedächtnis, wie mir ein Bekannter einmal sagte. Mein Neffe Jürgen hat es auch geerbt, von wem wir das haben, weiß der Himmel.

Dies befähigt mich, Euch auch noch nach so vielen Jahren, als ich fünf war verließen wir Stettin, den Wohnblock, Dunckerstraße 35, Stettin Braunsfelde, in dem wir wohnten, zu beschreiben.

Er war 1937 nach modernsten Erkenntnissen gestaltet und würde auch heute noch seine Funktion besser erfüllen, als ein seelenloses Hochhaus, denn es war eine überaus kindgerechte Anlage: Ein Plattenweg in T-Form, unten am „T“' war der Eingang und die beiden oberen Enden führten zu zwei einstöckigen Häusern, mit je zwei Wohnungen auf jeder Etage. Am Hauseingang waren schon elektrische Klingeln und Türöffner installiert.

Zwischen beiden Häusern führte der Plattenweg weiter auf einen weiten Hof mit viel Grün. Hier es gab einen oberen und einen unteren Sandkasten rechts und links. Der obere lag auf einem kleinen Hügel und es stand Kirschbaum dort.

2010 war ich mit Luise meiner Schwägerin dort, genau so war und ist es!!! Ich habe alles wieder gefunden, siehe mein Bericht „Reise in die Vergangenheit“.

Hier auf dem „Hügel“ vom oberen Sandkasten aus, machten wir die ersten Abfahrtsläufe mit unseren Schneeschuhen.

Am unteren Sandkasten stand ein Nussbaum. Wenn im Herbst die Nüsse reif wurden, rannte mein Bruder Klaus mit Mutti oder dem Pflichtjahrmädel morgens nach unten und sammelte die harten Früchte auf. Da diese allgemein begehrt waren, war man sehr im Vorteil, wenn man wie er, ein Frühaufsteher ist, übrigens ein Erbteil seiner/unserer Mutter.

Der Nussbaum steht noch und ist riesengroß geworden, ich bin dort fotografiert, 67 Jahre danach.

Ach ja, da muss ich was erklären: Pflichtjahr Mädel: Das waren junge Mädchen, die aus der Schule kamen, in der Regel mit 14 oder 15 Jahren, wenn sie allerdings die höhere Schule besuchten, mit 16 oder 17.

Sie mussten bevor sie eine Berufsausbildung anfangen konnten, ein so genanntes Pflichtjahr absolvieren in kinderreichen Familien oder auf dem Bauernhof. Unsere Pflichtjahr-Mädels begleiteten uns überall hin, mal zu den Großeltern nach Dresden oder zu unserer anderen Oma nach Liegnitz und wir hatten ein herzliches Verhältnis zu ihnen.

Doch ich war bei der Beschreibung des Blocks stehen geblieben, mit dem schönen Hof und den ca. 5 m X 5 m großen Sandkästen.

Das war noch lange nicht Alles. Dahinter reihte sich ein Block von drei aneinander gebauten Häusern und hinter diesen Häusern gab es einen riesigen Wäschetrockenplatz, den wir aus verständlichen Gründen nicht zum Spielen benützen sollten. Aber was verboten ist, reizt ja besonders.

Denn dieser Trockenplatz wurde begrenzt von einer Hainbuchenhecke (die Blätter riechen so herb wenn man sie ribbelt) und diese Hecke lud förmlich zum Versteck spielen ein, ebenso wie die aufgehängten großen Wäschestücke. Aber da gab es fast immer Krach, wenn eine der Muttis entdeckte, wo wir uns wieder rum trieben.

Bei so vielen Familien in dem Block und da Kindersegen staatlich ausgezeichnet wurde, gab es natürlich Spielgefährten „en masse“. Ich erinnere mich, dass wir regelrechte Kriege zwischen dem oberen und dem unteren Sandkasten ausfochten, es musste doch geklärt werden, wer wo spielen darf.

In dem ersten Haus rechts vom Eingang, wir wohnten links, lebte Herr Hedwig, Onkel Hedwig, mit seiner gelähmten Frau, sie waren zwischen den Kriegen aus dem Baltikum gekommen. Onkel Hedwig war der Schwarm aller Kinder. Er hatte eine glückliche Gabe, er konnte kindergerecht erzählen und malen.

Erschien er auf dem Hof, hingen wir Kinder wie die Trauben an ihm und baten ihn, etwas zu erzählen oder mit uns zu spielen. Er ließ sich nicht lange bitten. Hatte meine Mutter in der Stadt etwas zu tun, wurde ich zu meiner großen Freude meist bei Hedwigs abgegeben. Wenn ich was Süßes wollte, kroch ich unter Onkel Hedwigs Schreibtisch und war dann ein Hundchen und bekam Hundekuchen.

Onkel Hedwig zeichnete ganze Bücher mit den geflügelten Bären Wollbäckchen, Weißflöckchen und Putz.

1946, ein Jahr nach dem Krieg, fanden meine Eltern ihn über das Rote Kreuz in einem Flüchtlingslager in Lüneburg, er schrieb uns einen Brief mit einer Zeichnung mit zwei der Bären, den Brief habe ich noch heute; ich war damals 8 Jahre.

Später habe ich dann etwas hinzu gedichtet und meinem Sohn von den Bären erzählt. Onkel Hedwig ist unsterblich!

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Das waren die ersten sehr friedlichen Jahre, als ich langsam zum Bewusstsein erwachte.