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TRIXI SCHUBA

DIE KÜR MEINES LEBENS

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TRIXI SCHUBA

DIE KÜR MEINES LEBENS

Erinnerungen ∙ Tagebücher ∙ Briefe

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Inhalt

Einleitung: „Lieber Papa!”

Vorwort Mag. Hans Peter Doskozil

Vorwort Dr. Karl Stoss

Vorwort Dr. Andreas Mailath-Pokorny

„Der Hund kommt mit, das Kind nicht”

„Bleiben wir doch lieber beim vertrauten ‚Sie’!”

„Lex Schuba”

„Du brauchst dir nichts gefallen lassen”

Transatlantischer Briefwechsel, Sommer 1970

„Schuba muss beim Schaulauf eine Pflichtfigur zeigen!”

Vorolympische Briefwechsel

Olympisches Tagebuch

Karl Schranz: „Ich schätze sie als Sportlerin und Mensch”

„Es ist die erste Goldmedaille für Österreich”

„Sie hätte auch Olympische Schützin werden können”

Vom Amateur zum Profi. Briefwechsel zwischen Mutter und Tochter.

„Sie ist die strenge Version meiner Mutter”

Trixi Schuba geht mit gutem Beispiel voran

Eine Person, die aus der Pflicht die Kür ihres Lebens gemacht hat

Zeittafel

Literaturverzeichnis

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Lieber Papa,

Jahrzehnte sind vergangen, seit wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben. Und sehr oft, wenn sich in den letzten 40 Jahren wichtige Momente in meinem Leben zugetragen haben, dachte ich mir, wie schön es doch wäre, wenn auch Du sie mitbekommen hättest. Auch wenn es der normale Gang der Generationen vorsieht, dass Eltern vor ihrem Nachwuchs sterben – Du bist viel zu schnell aus meinem Leben geschieden. Ich war noch ein Kind, mehr noch, ich war Dein Augapfel, und Deine Liebe und Zuneigung hätte ich gerne viel, viel länger für mich in Anspruch genommen.

Ich will Dir erzählen, was mir vor rund einem halben Jahr Schönes passiert ist. 2015 wurde ich von den Organisatoren der ersten Eiskunstlauf-Pflicht-Weltmeisterschaft in Lake Placid kontaktiert und gefragt, ob ich nicht als Wertungsrichterin dabei sein möge. Die Pflicht, so bedeutend sie in den 1950ern und 1960ern bis hin zu Beginn der 1970er Jahre war, spielt im aktuellen Eiskunstlauf keine Rolle mehr. Eine Olympiasiegerin Schuba würde es im 21. Jahrhundert, nun ja, sagen wir, nur schwer geben. Das Telefonat mit Organisatorin Karen Courtland Kelly hat viele Erinnerungen wachgerufen. Diese Weltmeisterschaft, die von der International Skating Union (ISU) und vom US-amerikanischen Verband nicht goutiert wurde, war für mich persönlich mehr als nur ein sportlicher Anlass.

Karen Courtland Kelly sagte mir, dass das Organisationskomitee einen zusätzlichen Motivationsschub erhalten hätte, als ich zusagte, mit dabei zu sein – so sehr würden mein Fachwissen und meine Expertise geschätzt. Und dass sie sich auf eine lange, fruchtbare Zusammenarbeit freuen würde.

Papa, bei diesen Titelkämpfen, die sich im Laufe der nächsten Jahre etablieren wollen, habe ich tolle Pflichtfiguren gesehen. Respekt an alle Sportlerinnen und Sportler – sie haben ihr Bestes gegeben. Aber ich gebe zu, dass ich noch mehr beeindruckt war von den großen Namen in der Jury: Janet Lynn war da, mit der ich mich um WM-Titel und Olympiagold duelliert habe; Donald Jackson, Tim Wood, Julie Lynn Holmes, JoJo Starbuck waren auch dabei – sie alle haben Medaillen bei Weltmeisterschaften und/oder Olympischen Winterspielen geholt. Als wir vorgestellt wurden, gab es Applaus, und als ich am Ende der Weltmeisterschaft in einem Videoclip gewürdigt wurde, sogar Standing Ovations. „Look at her face, there was no stress“, sagte der ehemalige ABC-Fernsehreporter und Präsentator Doug Wilson. Die Menge hielt gebannt den Atem an, ehe die Jubelstürme losbrachen. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet und Tränen stiegen in meine Augen. Rückblickend würde ich sogar sagen, dass ich 2015 in den USA eine größere Wertschätzung erfuhr als 1972 nach meinem Olympiasieg in Österreich. Diese kleine Polemik wirst Du mir verzeihen, oder?

Es war ein Wiedersehen guter Bekannter. Willy Bietak, ein anderer Eiskunstläufer vergangener Zeiten, sagte einmal, dass die Eiskunstläufer eine große Familie bilden würden. Nicht immer sieht man sich, aber wenn, dann baut man recht schnell wieder eine gute Beziehung auf. Wie wahr! Während meiner Laufbahn als Aktive war ich mit Janet Lynn und anderen nicht befreundet, aber wir haben uns gegenseitig respektiert. Und jetzt, Jahrzehnte später, ohne den Druck, gegeneinander antreten zu müssen und mit der Reife des Lebens, tragen die Keime der Freundschaft Blüten. Wir „Alten“ haben uns wunderbar verstanden; es wurde erzählt, was jeder so macht und gemacht hat, was einem widerfahren ist. Der Gedankenaustausch ging oft weit weg vom Eiskunstlauf und vom Sport, bis hin zu politischen und religiösen Themen, war aber durchwegs geprägt von gegenseitigem Respekt und Verständnis. Es war ein „Eislauf-Klassentreffen“. Nach über 40 Jahren.

In der Halle beobachtete ich, wie Janet Lynn Pflicht-Unterricht gab und dachte mir insgeheim: Na ja, ich habe das irgendwie anders in Erinnerung. Später kam Janet zu mir und gestand, dass sie so nervös gewesen sei, weil ich zugeschaut hätte und sie sich dachte, was sie falsch gemacht haben könnte … Weißt Du, Papa, das sind sehr schöne Momente für mich, wenn eine hervorragende Kürläuferin wie Janet Lynn sich heute auch für die Pflicht starkmacht und sie als Grundlage des Eiskunstlaufs bezeichnet! Es ist einfach schön, dass wir uns nach so langer Zeit gefunden haben. Der Wettbewerb selber war sehr gut organisiert, steckt aber klarerweise in den Kinderschuhen. Gelaufen wurde auf schwarzem Eis, damit man die Linien bestmöglich erkennen konnte, und es gab lediglich Platzziffern, also: diese Pflichtfigur ist die beste, diese die zweitbeste usw. Noten wurden keine vergeben. Und ganz wichtig: Wir Preisrichter und -richterinnen wussten nicht, wer welche Kreise gezogen hatte. Dies schloss zusätzliche „Sympathiepunkte“ für den einen oder die andere aus.

Gesehen habe ich auch Dick Button, den zweifachen Olympiasieger (1948 und 1952) und fünffachen Weltmeister und späteren ABC-Reporter. 1952 in Oslo hatte er über Helmut Seibt triumphiert, meinen ersten Trainer, erinnerst Du Dich? Und bei der abschließenden Eislauf-Party saß ich mit anderen an einem Tisch, als eine Person auf mich zukam, die ich nicht auf Anhieb erkannte. „Schubsi!“, rief sie aus, nannte mich bei meinem Kosenamen, den ich während Revuezeiten hatte. Es war Judy Sladky. Vor 44 Jahren begann ich gemeinsam mit ihr bei der Revue in San Francisco! Sie war, wie viele andere auch, zu diesen Titelkämpfen gekommen, um alte Gesichter wiederzusehen und alte Kontakte neu aufleben zu lassen. Ich fand’s einfach nur toll und Schauer liefen mir über den Rücken.

Die Einladung nutzte ich zu einem ausgedehnten USA-Urlaub. War ja schon länger nicht mehr dort. Und so traf ich in New York beispielsweise Ken Shelley, den Paarlauf-Partner von JoJo Starbuck und habe mit ihm über unseren Sport gefachsimpelt. Ich erzählte, dass ich selbstverständlich zwei Paar Schuhe gehabt hatte, eines für die Pflichtfiguren, eines für die Kürläufe. JoJo war davon sehr überrascht, während Ken trocken kommentierte: „Mein Trainer sagte mir: ‚Save the money‘.“ Bei ihm wurde ein Paar Küreisen auf Pflichteisen umgeschliffen, was für mich unvorstellbar war. (Bei der Pflicht benötigte man Eisen, die nicht so hohl geschliffen waren, um eine kantenreine Drehung zustande zu bringen, und bei denen die untere Zacke weggeschliffen war.) Klar ist mir durch unsere Gespräche und generell bei dieser WM geworden, dass in den USA die Pflicht derzeit verkompliziert wird; die Haltung ist meines Erachtens viel zu verkrampft – die würde ich auch zu meinen besten Zeiten nur schwer zusammengebracht haben. Gefragt wurde ich, ob ich denn nicht Trainerin werden wolle. Ich habe dankend abgelehnt. Momentan reizt es mich sicher nicht auf dem Eis zu stehen.

Getroffen habe ich mich auch mit Viktor Pfeifer, unserem Olympiateilnehmer 2006, 2010 und 2014, dem ich als Mentorin über Jahre hinweg zur Seite stand und immer noch stehe. Wenn ich sehe, welchen Weg er eingeschlagen hat und wie er sich heute in den USA an der Universität wie auch als Trainer bewährt, zehn Stunden am Tag als Trainer arbeitet, wie er mit Kindern umgehen kann und mit kulturellen Mentalitätsunterschieden klarkommt, dann bin ich auch ein wenig stolz auf mich. Er ist jener Eiskunstläufer Österreichs, der mir am nächsten steht. Nur schade, dass er zu seiner Aktivenzeit wegen seines Studiums nicht (noch) härter an sich und für seinen sportlichen Erfolg arbeiten konnte. Schon interessant: Das, was er heute von seinen Schützlingen verlangt, hätte er vor einigen Jahren auch bei sich selbst umsetzen können. Aber was soll’s – was war, das war. Ich war seit über 20 Jahren nicht mehr in den USA, und wenn ich Vergleiche ziehe, dann fällt mir auf, dass sich die Mentalität nicht sonderlich verändert hat. Amerikaner gehen offen auf andere zu, zuweilen ist es ehrliche Freundschaft, zuweilen auch oberflächliche Freundlichkeit. Das Gesundheitsbewusstsein lässt zu wünschen übrig. Es gibt, charmant formuliert, sehr viele dicke Menschen, die einen Burger in der Hand oder schon im Mund haben und sich auf dem Weg in einen Drugstore befinden, um Nahrungsergänzung zu kaufen.

Papa, die Tage und Wochen, in denen ich im Zug oder Greyhound-Bus durchs Land gefahren bin, werde ich nie wieder vergessen. Ganz besonders jene Stunden, in denen ich durch den Capilano-Park, einen Regenwald in Vancouver, gewandert bin. Die Wanderung durch diesen wolkenverhangenen Park war dermaßen mystisch, dass ich mir wie in einem „Herr der Ringe“-Film vorkam.

Lieber Papa, Du fehlst mir. Du fehlst mir so sehr. Wie gerne würde ich Dir all das persönlich erzählen, doch auch wenn Du zu früh gegangen bist – Du würdest 2017 110 Jahre alt werden, und selbst wenn die Medizin gewaltige Fortschritte macht, sind solche Zahlen noch nicht das Durchschnittsalter eines Menschen in Mitteleuropa. Wenn doch, würde ich Dir erzählen wollen, wie sehr mir dieser neue Wettbewerb am Herzen liegt, wie sehr ich hoffe, dass er überleben wird. Am besten wäre es doch, dass die Pflicht-WM von der ISU als eine ihrer Konkurrenzen integriert würde. Mal schauen, wie sich die Dinge entwickeln.

„Du bist eine Schuba und du brauchst dir nichts gefallen lassen“, hast Du mir oft gesagt, als ich noch ein Kind war, auf Deinen Knien gesessen bin und von Dir „Purzel“ genannt wurde. Ich habe Deine Worte in ihrer besten, edelsten Bedeutung beherzigt und gleichzeitig versucht, ein ausgewogener und abwägender, freundlicher und hilfsbereiter Mensch zu sein. Papa, dieses Buch ist ein Bericht meines Lebens, von alldem, was auf und neben dem Eis geschah und geschieht. Doch halt! Ich höre gerade, dass die Musik noch nicht aufgehört hat zu spielen – also sagen wir zu diesem Werk: Es ist ein Zwischenbericht.

Du würdest ihn mit Freuden lesen, da bin ich mir sicher. Und ich glaube, Du wärst stolz auf mich!

Deine Purzel

„Ich habe den Namen Trixi Schuba schon sehr, sehr lange gekannt. Als ich 12, 13 Jahre alt war, hatte ich Trainer, die Schuba verehrten und die immer wieder von ihr sprachen. In meiner Trainingsgruppe war die Österreicherin eine feste Größe als beste Pflichtläuferin aller Zeiten. Ja, ich wollte bei Olympischen Winterspielen teilnehmen, Gold gewinnen, wie Trixi Schuba. Ich liebe Sportgeschichte, ich setze mich mit der Vergangenheit auseinander, und ihre damalige Dominanz überdauert die Zeiten, ist heute noch präsent. Umso schöner ist es für mich, sie 2015 endlich persönlich kennen gelernt zu haben. Was ich am meisten schätze ist, dass man mit Trixi Schuba eine sehr direkte Kommunikation haben kann. Sie sagt, was sie denkt, und ehrliche Worte von einer Expertin sind immer eine sehr gute Angelegenheit. Hinzu kommt, dass sie immer nicht nur 100, sondern 110 Prozent gibt, wenn ihr die Sache wichtig ist. Ihre Arbeitsmoral ist einmalig, und deswegen ist es auch eine Freude, mit ihr als Olympiasiegerin, Expertin, Person in Kontakt zu sein.“

Karen Courtland Kelly,

Organisatorin der ersten Pflicht-Weltmeisterschaft in Lake Placid (USA) 2015

Vorwort

Mag. Hans Peter Doskozil

„Erst kommt die Pflicht, dann kommt die Kür!”

Was jahrzehntelang als faktischer Ablauf jeder Eiskunstlaufkonkurrenz galt, hat sich bis heute als geflügeltes Wort in unserem Sprachgebrauch gehalten. Der Pflichtbewerb wurde schon vor vielen Jahren aus dem Programm gestrichen und musste dem Kurzprogramm weichen. Für Sportnostalgiker ist das ein wenig schade, denn selten gab es in einer Sportart solch eine klare Veranschaulichung zweier wesentlicher und untrennbar miteinander verbundener Parameter: der konsequenten und präzisen Ausführung hochkomplexer Übungen sowie der spektakulären Performance der auf diesen Übungen basierenden sportlichen Leistungsstärke.

Die 1951 geborene Österreicherin Trixi Schuba gilt unbestritten als beste Eiskunstlauf-Pflichtläuferin aller Zeiten. Und deshalb gehört sie selbstverständlich auch zu den besten Eiskunstläuferinnen aller Zeiten. Diesen Sport, der Österreich in früheren Zeiten eine Vielzahl an internationalen Titeln bescherte, prägte sie Anfang der Siebzigerjahre mit zwei Weltmeistertiteln, zwei Europameistertiteln und einem Olympiasieg. Ihre Goldmedaille in Sapporo 1972, übrigens unsere einzige bei diesen Spielen, sollte bis heute das letzte österreichische olympische Eiskunstlaufgold bleiben. Ihre Dominanz in besagtem Pflichtbewerb und die daraus folgende Regeländerung ist als „Lex Schuba“ in die Sportgeschichte eingegangen.

Die vorliegende Autobiographie Trixi Schubas gibt interessante Einblicke in das Leben dieser Ausnahmesportlerin und späteren verdienten Funktionärin. Tagebucheintragungen, sehr persönliche Erinnerungen an Kindheit und Karrierebeginn, aber auch sehr offene Gedanken zu Politik und Gesellschaft, machen dieses Buch von der ersten Seite an lesenswert. Sehr eindrucksvoll wird auch der frühe Zugang der gebürtigen Wienerin zum Eiskunstlauf geschildert. Die Ausübung dieses Sports wurde der späteren Weltklasseathletin keineswegs in die Wiege gelegt. Es waren zuallererst die Vorbilder aus dem Fernsehen, zu Beginn jenes des dreifachen Olympiasiegers Toni Sailer, dann jenes ihrer Eislauf-Vorgängerinnen, durch welche sich ihre Begeisterung für den Sport entwickelte. Dies ist auch ein interessanter Aspekt für die gestaltende Politik, welche auch heute noch die Vorbildwirkung des Spitzensports und seiner Akteure hoch schätzen soll und entsprechende Schlüsse daraus ziehen muss. Vorbild ist jedenfalls auch Trixi Schuba in den letzten Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht geworden.

In einer Textpassage wird mit leichter Ironie angemerkt, dass die Olympiasiegerin manchmal bei ihren Auftritten außerhalb Österreichs mehr Aufmerksamkeit bekommen habe als im eigenen Land. Ich bin hingegen überzeugt davon, dass ihre Meinung zum Eiskunstlauf und zum gesamten Sportumfeld auch bei uns nach wie vor allseits hoch geschätzt wird. Ich wünsche diesem Buch jedenfalls sehr viele Leserinnen und Leser.

Mit sportlichen Grüßen

Mag. Hans Peter Doskozil

Österreichischer Sportminister

Vorwort

Dr. Karl Stoss

Goldenes Zeitalter

Hand aufs Herz: Wussten Sie, dass Österreichs Eiskunstläufer mit insgesamt 20 Olympiamedaillen – davon sieben in Gold – nur vom Österreichischen Skiverband in Sachen Edelmetall übertroffen werden? Oder dass Österreich im ewigen Medaillenspiegel bei Winterspielen in der Sparte Eiskunstlauf, hinter Russland und den USA, nach wie vor auf dem beachtlichen dritten Platz liegt.

Wer hierzulande vom Eiskunstlauf spricht, der kommt an einem Namen mit Sicherheit nicht vorbei. Trixi Schuba gilt auch mehr als vier Jahrzehnte nach ihrem glanzvollen Olympiasieg als unumstrittene Grand-Dame des österreichischen Eiskunstlaufsports. Seit damals, seit Sapporo 1972, hat Österreich bei Olympischen Spielen im Eiskunstlauf keine Medaille mehr gewonnen.

Man schrieb den 7. Februar 1972. Die ÖOC-Delegation in der ausverkauften Makomanai-Arena in Sapporo hatte ein Plakat gebastelt: „TRIXI, BRING DU DAS GOLD!“ Gesagt, getan. Die damals 20-Jährige, ihres Zeichens bereits Welt- und Europameisterin, hielt dem Erfolgsdruck stand, lief die vielleicht beste Kür ihres Lebens und sicherte sich in souveräner Manier den Olympiasieg. Es sollte die einzige Goldmedaille für das „Olympic Team Austria“ in Japan bleiben. Fast postwendend beendete Trixi ihre Amateurlaufbahn, wechselte zu „Holiday on Ice“ und trat sechs Jahre lang vor einem Millionenpublikum in den USA und Europa auf.

Dem heimischen Eiskunstlaufsport hat die zweifache Olympiateilnehmerin (1968 belegte sie Rang fünf) stets die Treue gehalten. Von 2002 bis 2006 stand sie dem Österreichischen Eiskunstlaufverband als Präsidentin vor, im ÖOC wirkte sie bis 2009 als Rechnungsprüferin. Bei ihrem Stammverein WEV war Trixi Schuba bis vor wenigen Jahren Vorstandsmitglied, beim Grazer EV fungiert sie als Vizepräsidentin. Ihr Wort hat in der heimischen Szene großes Gewicht.

Noch immer wartet die Grande Dame auf eine legitime Nachfolgerin (wenn es um Olympia-Edelmetall geht). Bleibt zu hoffen, dass die frühere Verbandspräsidentin in den nächsten Jahren noch den ein oder anderen rot-weiß-roten Achtungserfolg auf internationaler Ebene genießen darf. Von der 21. Eiskunstlauf-Olympiamedaille dürfen wir derzeit leider nur träumen …

Dr. Karl Stoss,

Präsident des Österreichischen Olympischen Kommittees

Vorwort

Dr. Andreas Mailath-Pokorny

Sehr geehrte Frau Schuba!

Sie sind Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Europameisterin, Staatsmeisterin. Ihre sportlichen Stationen lösen Bewunderung in uns aus. Jahrelang waren Sie unter den weltbesten Eiskunstläuferinnen und sind auch heute noch eine geachtete Größe in Ihrer Disziplin. Ihr Buch handelt vom Sport, ist aber keine klassische Sportler-Biografie, in der sich alles um den Wettkampf dreht. Im Gegenteil. Ihre Erfolge erzählen zwar von einem Menschen, der das Privileg hat, seine Leidenschaft zu leben. Das alleine wäre aber zu einfach: Wer den Stil Ihres Eiskunstlaufs noch in Erinnerung hat, der weiß, dass ein Buch aus Ihrer Feder wohl nicht weniger spannende Wendungen bereit hält.

Ich danke Ihnen dafür, dass Ihnen gleichsam von Ihrer Warte aus, die Abstraktion auf die gesamte Gesellschaft gelingt: Das Werk ist ein kluges, glühendes Plädoyer für den Sport. Seine positiven Aspekte für die Persönlichkeit des Einzelnen, vor allem aber auch seine Wichtigkeit für das Zusammenleben. Toleranz, Integration und Fairness sind Schlüsselbegriffe und Grundpfeiler unserer Gesellschaft, die eng mit dem Sport verwoben sind – anders gesagt, durch ihn getragen und vermittelt werden können. Danach haben Sie zeitlebens in zahlreichen Sportfunktionen gelebt. Darin bleiben Sie uns ein Vorbild!

Dr. Andreas Mailath-Pokorny

amtsf. Stadtrat für Kultur, Wissenschaft und Sport in Wien

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„Der Hund kommt mit, das Kind nicht“

300.000 Schilling sind seit der Währungsumstellung nach der Jahrtausendwende rund 22.000 Euro und viel Geld – umso mehr, wenn es das Jahr 1962 ist, umso mehr, wenn der Familienvater nicht mehr da ist, doch auf dem Haus eine Hypothek von ebendieser Summe lastet. Verkauf doch das Haus, rieten Freunde meiner Mutter, doch sie ging ihren eigenen Weg, und für diese Entscheidung bin ich ihr heute noch dankbar. Ich wohne in diesem Haus am Rand von Wien und lebe somit in meiner Heimatstadt und doch abgeschieden. Privatsphäre ist mir wichtig.

Aufgewachsen bin ich allerdings nicht an den Toren von Wien, sondern in der Inneren Stadt. Nachdem ich 1951 mit Kaiserschnitt auf die Welt kam, lebte ich die ersten Jahre mit meinen Eltern am Salzgries. Sie waren 1947 vom Graben dorthin übersiedelt. Das Kinderbett stand im Schlafzimmer der Eltern, doch wenn ich in der Nacht schrie und meine Mutter nicht schlafen konnte, schob sie es von einem Zimmer in das andere, schloss die Doppeltüren und fand somit zur Ruhe. Ich wahrscheinlich weniger. Später wurde im sogenannten „Herrenzimmer“ die Couch zum Bett umfunktioniert, auf dem ich schlief. Das Grundstück am Rande Wiens hatten meine Eltern – Papa Ernst, Mama Berta – während des Zweiten Weltkriegs gekauft. Ab Mitte der 1950er Jahre verbrachten wir die Sommermonate dort. Ich hatte ein kleines Zimmer und war darüber sehr froh. Der Rückzugsort war mir wichtig, doch meine Mama hatte wenig Freude damit: Es sah meistens sehr unordentlich aus und war es auch – ich war ein lebhaftes, burschikoses Mädchen, das auf Puppen verzichtete und lieber im Dreck wühlte. Ordentlich bin ich erst später geworden, aus gegebenem Anlass: Ich wollte in den Hotelzimmern nicht immer über meine eigenen Koffer stolpern.

Vor sechs Jahrzehnten gab es kein Handy und kein E-Mail, kein Facebook und Twitter. Ich tollte mit den Nachbarskindern durch die Straßen, spielte mit ihnen in der Sandkiste oder Cowboy und Indianer, war später Fan von Lex Barker in seiner Rolle als Old Shatterhand. Der heutige Baumeister DI Gerhard Dinstl war und ist einer meiner engsten Kinderfreunde (wir sind immer noch miteinander in Verbindung), und selbstverständlich achteten wir nicht sonderlich darauf, was wir am Ende eines Spieltages ins Haus brachten: Lehm und Kieselsteine an den Schuhen, schmierige Hosen und T-Shirts. Wenn ich schmutzüberzogen vor der Tür stand, fürchtete ich den erhobenen Zeigefinger meiner Mutter, konnte mir aber der Rückendeckung meines Vaters gewiss sein. Mama Berta habe ich meinen Taufnamen zu verdanken, den ich so gar nicht mochte. Sie hätte lieber Beatrix geheißen, doch nachdem dies nicht mehr möglich war, nannte sie ihre Tochter so. Sehr schnell war ich die „Trixi“ und ärgerte mich jedes Mal, wenn mich Eltern, Lehrer, Freunde, wer auch immer, mich Beatrix nannte. Wenn meine Eltern besonders liebevoll waren, nannten sie mich „Purzel“ – ich mochte das Kosewort, denn es symbolisierte für mich eine heile Welt. Diese gab es selbstverständlich nicht immer. Ich erinnere mich, dass meine Eltern einmal ein Wochenende in Aflenz verbachten. Den Boxerhund Igo nahmen sie mit, mich ließen sie daheim beim Kindermädchen, das ich „Tate“ nannte. „Tante“ konnte ich noch nicht aussprechen.