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Treffen in München 2006 am Abend vor dem Meet-The-Power Event. Taylor hatte seine Teilnahme ja zunächst abgesagt und kam dann doch kurz entschlossen nach München.

Deutscher Zuschauerrekord bei einem Darts-Turnier: 3511 Fans kommen am 3. September 2016 in die SACHSENarena nach Riesa.

Eine kleine, bestens eingespielte niederländische Crew ist für den Livestream der European Tour verantwortlich. Spotter, Regisseur, Bildmischer. Zu dritt, ohne einen einzigen Kameramann, produzieren sie mit hoher Qualität das Signal.

Warm Up in Mülheim. Zusammen mit den Walk-On-Girls warte ich auf den Zuschauer, der gerade auf dem Weg zu uns auf die Bühne ist. Diesmal gibt es ein Quiz.

Alle Banane. Und das ist gut so. Bin großer Fan von all den Kostümen bei Darts-Events.

Ein feiner Kerl: Peter Wright. Gerade mit ihm machen die Interviews auf der Bühne große Freude. Weil ein Interview bei den Peter-Wright-Gesängen aber gerade nicht zu verstehen war, bat ich den Fotografen um dieses Foto.

Eine Zeitlang waren wir morgens beim Joggen vor einem European Tour Event eine richtig nette Runde. Hier in Düsseldorf waren der Caller Kirk Bevins, Sebastian Mayer (PDC Europe), meine Freundin Svenja und Justin »The Force« Pipe dabei. Gerade mit Pipe habe ich in den letzten Jahren einige Runden gedreht.

Die etwas anderen Walk-On-Girls.Vor diesem Bild mussten wir einige Sekunden warten, weil jede der sechs Grazien einen kleinen Ventilator unterm Kostüm hatte, um den feinen Zwirn in Spannung zu halten.

Besonderer Dresscode: Einkleidung bei Trachten Angermaier in München im Vorfeld des European Tour Events. Michael van Gerwen und Russ Bray machen selbstverständlich auch hier eine gute Figur. Russ hat in diesem Outfit das Finale gecalled. Zum ersten Mal war damit ein Caller nicht in Stoffhose auf der Bühne.

Es gibt Dinge, die muss jeder Darts-Fan einmal in seinem Leben getragen haben. Die Brille von Blackpool gehört definitiv dazu. Ein wichtiges Accessoire beim World Matchplay, dem zweitwichtigsten Turnier im Jahr.

Eines darf bei der WM nicht fehlen: der Weihnachtspulli mit blinkendem Bambi. Nicht schön, aber sinnvoll ist der Hinweis, dass man diesen Pullover nicht waschen darf – wegen der Batterien, die sich an der Innenseite befinden. Lüften ist angesagt – aber dazu hat man ja gut 11 Monate im Jahr Zeit. Mit Sascha Stein und Tomas Seyler.

Manchmal bekommen auch die Walk-On-Girls Fragen auf der ­Bühne gestellt. Sonia macht selbstverständlich auch dabei eine gute Figur.

Besonders groß ist der Bereich im Pressezelt nicht, den SPORT1 im Ally Pally zur Verfügung gestellt bekommt …

Max Hopp zeigt mir stolz seinen kurz zuvor gewonnen Pokal der World Youth Championship. Damit schrieb der Maximiser ­Geschichte. Das war keinem Deutschen zuvor gelungen!

Hunderte deutscher Fans begeben sich inzwischen jedes Jahr auf den Weg zur WM nach London in den Ally Pally. Die Grüße sind angekommen. Vielen Dank!

Parken überall erlaubt. Der Stopp in der 11-Freunde-Bar in Essen ist ein Muss. Wir sind zu Gast beim Fan-Talk auf SPORT1.

No score. Highlight des Abends ist dieser Fehlwurf von Peter Neururer. Jeder Gast bekam die Gelegenheit, drei Darts zu werfen, Neururer verfehlte knapp.

Zu Gast in Bremen bei der WM-Auftaktparty im Kiepenkerl. Shorty hatte geladen und wir hatten ein paar Phrasenschweine dabei.

Wir treffen dort auch Deutschlands WM-Rekord-Teilnehmer ­Jyhan ­Artut. Leider war das Phrasenschwein kein besonders guter Glücksbringer. Das Aus kam in Runde 1 gegen Stephen Bunting.

Wenige Tage vor Start der Road to Ally Pally sind wir bei einem Autofolierer, um unserem Bus das richtige Design zu geben. Der Alexandra Palace kommt großflächig auf die Seite des Busses.

Unsere erste Station der Road to Ally Pally ist Wien. Wir besuchen Mensur Suljovic in seiner Kneipe, die seinen Spitznamen trägt: The Gentle.

Großzügig, komfortabel. Wir reisen natürlich First Class nach England. Morgens um kurz vor 6 Uhr weckt uns eine Kabinendurchsage.

Erstes englisches Frühstück auf der Insel. Nach einer kurzen Nacht auf der Fähre von Rotterdam nach Hull genau die richtige Entscheidung.

Kurzes Treffen mit Weltmeister Stephen Bunting und David Pallett. Bunting war extra morgens um 5 Uhr losgefahren, um dieses Treffen zu ermöglichen.

Michael van Gerwen treffen wir auf der Road to Ally Pally in ­Oldham. Er spielt dort am Abend eine Exhibition. Nachmittags ­haben wir Zeit für ein ausführ­liches Interview.

Stoke-on-Trent ist nicht irgendein Ort in England. Hier kommen Taylor, Lewis, Hamilton, White und einige andere Topspieler her. Viele Dartskneipen findet man dort dennoch nicht.

Gerne folgen wir der Einladung der Familie Wright. Wie sollte es auch anders sein: Peter »Snakebite« Wright trägt bunte Klamotten. Doch diesmal ist er als Elfe verkleidet …

Peter und seine Frau Joanne haben extra für unser Kommen eine Weihnachtsparty organisiert. Der Baum ist tatsächlich acht Meter hoch.

Wir brechen wieder auf. Kurz vor dem Ziel haben wir einen Unfall. Aber auch davon lassen wir uns nicht aufhalten und erreichen schließlich unseren Sehnsuchtsort!

Wir haben es geschafft: Nach 11 Tagen erreichen wir den WM-Aus­tragungsort, den Alexandra Palace in London. 17 WM-Teilnehmer ­haben wir getroffen, über 4000 km zurückgelegt.

GAME ON!

DIE VERRÜCKTE WELT DES DARTS

Edel Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2016 Edel Germany GmbH,
Neumühlen 17, 22763 Hamburg
www.edel.com


Projektkoordination: Dr. Marten Brandt

Lektorat: Ronit Jariv

Coverfoto: SPORT1

Fotos Bildstrecke:

Privatarchiv Elmar Paulke, sowie

PDC Europe / Stefan Straßenburg

Picture alliance / Jan Haas

SPORT1

Layout Datagrafix GmbH

Covergestaltung und Layout Bildstrecke: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und Passionen mbH | www.groothuis.de

ePub-Konvertierung Datagrafix GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

eISBN 978-3-8419-0526-0

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Strip-Darts für Anfänger

Kapitel 1: Faszination Darts

Kapitel 2: Let The Games Begin

Kapitel 3: Wozu hat man Experten?

Kapitel 4: Turnieralltag – hinter den Kulissen der European Tour

Kapitel 5: Mentalsport Darts – Erfolg beginnt im Kopf

Kapitel 6: Geschichte(n) – Darts gestern, heute und morgen

Kapitel 7: Presse, Profis, Preisgelder

Kapitel 8: There’s Only One Phil Taylor

Kapitel 9: Darts mit Promis

Kapitel 10: Road To Ally Pally

Check-out

Vorwort MVG:

Darts hat in Deutschland eine beeindruckende Entwicklung genommen. Ich habe das hautnah miterlebt, weil ich kaum ein European Tour Event in den letzten Jahren in Deutschland ausgelassen und ein paar ja auch gewonnen habe. Sobald du Turniere gewinnst, bekommen sie einen besonderen Platz in deinem Herzen. Weil bei uns in den Niederlanden der Darts-Boom rund 15 Jahre früher eingesetzt hat, sind wir verständlicherweise den Deutschen noch ein, zwei Schritte voraus. Ich glaube, dass Darts in Deutschland noch mehr Potential hat und könnte mir vorstellen, dass in ein, zwei Jahren auch ein Premier League Spieltag nach Deutschland kommt. Die Erfahrung, die wir mit der Premier League in Rotterdam gemacht haben, war fantastisch.

Elmar und ich kennen uns nicht nur seit einigen Jahren, zwischen uns ist längst eine Freundschaft entstanden. Neben den großen TV-Turnieren treffen wir uns vor allem bei Turnieren der PDC Europe. Wir haben in der Vergangenheit auch ein paar Exhibitions zusammen gemacht. 2015, im Vorfeld des German Darts Masters in München zum Beispiel, oder 2016 auf der ISPO, der internationalen Fachmesse für Sportartikel, gemeinsam mit Max Hopp. Elmar hat einen großen Anteil daran, dass Darts in Deutschland so gewachsen ist. Dafür bin ich ihm sehr dankbar.

Ich selber bin ja eher zufällig zum Darts gekommen, weil ich einfach an einem Schulturnier teilnahm und es gleich gewann. Der erste Pokal meines Lebens hat mich motiviert, viele, viele Stunden am Board zu verbringen, und das bereits in jungen Jahren. Game On befasst sich ja auch mit der Faszination Darts. Es ist tatsächlich ein Sport, der dich infiziert und dann nicht mehr loslässt.

Ich möchte Elmar zu Game On gratulieren.

Habt viel Spaß beim Lesen!

Michael van Gerwen

Strip-Darts für Anfänger

Es war kein ehrlich gemeintes Lächeln. Eher ein mitleidiges. So, als hätte ich in meiner beruflichen Laufbahn gerade einen herben Rückschlag erfahren. „Ach, du kommentierst ab jetzt Darts. O.k. Ist das Sport?“ Diese Frage habe ich oft gehört – sie war immer rhetorisch, die Antwort „nein“ schon vorausgesetzt. Und auch das Lächeln habe ich jahrelang in den Gesichtern vieler Kollegen gesehen. Sogar in den Gesichtern vieler SPORT1-Kollegen. Sie machten sich lustig über die Bäuche, die Tattoos der Spieler. Über den Abstand von albernen 2,37 m. Über die bierselige Stimmung bei den Events, über die Spitznamen. Letztlich über alles, was The Power, Dennis The Menace, Darts Vader, One Dart, The Tripod, The Artist und die anderen damaligen Topspieler so machten. Am Ende machten sie sich auch über mich lustig. Oder waren sie vielleicht pikiert, weil ich mit der Kommentierung eines Dartsevents die Ehre des Sportjournalismus infrage stellte? Nach dem Motto: Darf einer, der Darts kommentiert, sich eigentlich Sportreporter nennen? TV-Journalisten sind manchmal sehr eitel.

Alles begann im August 2004, als ich von meinem Arbeitgeber Deutsches SportFernsehen gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, Darts zu kommentieren. Der Bereichsleiter Sports, Piet Krebs, kam damals auf mich zu. Haifischen, Billard und Poker waren auch noch in der Verlosung. Haifischen ist kein Witz. Da sind Hochseeangler mit ihren kleinen Bötchen unterwegs und angeln Haie. Das sollte kommentiert werden. Bis da am Ende mal ein paar Fische am Haken hängen, vergehen Minuten. Ich wusste relativ schnell, dass ich nicht Haifischen kommentieren wollte. Das DSF hatte ein großes TV-Rechtepaket der Firma Matchroom eingekauft, wollte neue Sportarten ausprobieren und suchte Kommentatoren. Da wurden zunächst mal festangestellte Mitarbeiter gefragt. Die verursachen keine Extrakosten. Ich kommentierte zu diesem Zeitpunkt ausschließlich Tennis.

Darts? Ich hatte als Student der Kölner Sporthochschule im Wohnzimmer meiner Zweizimmerwohnung ein Dartboard hängen. Das muss 1994 gewesen sein. Ein Jim-Pike-Board aus Schweinsborsten. Es gab auf der Venloer Straße in Köln Ehrenfeld, in meiner Nachbarschaft, tatsächlich einen kleinen Laden, der neben Angelequipment und Messern auch ein paar Darts und dieses Dartboard hatte. Keine Ahnung, warum ich mir damals ein Board kaufte. Woran ich mich allerdings noch gut erinnere, sind die legendären Dartsabende bei mir zu Hause. Die hatten nichts mit irgendeiner Übertragung aus England zu tun oder mit professionellem Darts. Das waren lustige und nicht immer ganz nüchterne Veranstaltungen unter Freunden und Studienkameraden. Eine davon fand irgendwann an einem warmen Sommerabend nach einem Tag am Baggersee statt. Einige Mädels und wahrscheinlich auch ein paar Typen in der Runde taten sich derart schwer, das Board zu treffen, dass ziemlich schnell ein wildes Lochmuster die Tapete zierte. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber es könnte mein Vorschlag gewesen sein, die Regel einzuführen, dass bei jedem Nichttreffen der Scheibe ein Kleidungsstück abgelegt werden müsse …

Köln Ehrenfeld war Anfang der 90er-Jahre ein eher heruntergekommener Stadtteil. Das rotbraune Mehrfamilienhaus uns gegenüber in der Hansemannstraße hatte einen zwielichtigen Ruf. Je länger unser Match dauerte, desto mehr Köpfe schauten aus den Fenstern dieses angeblichen Stundenhotels in meine Wohnung. Das war uns erst später aufgefallen. Vielleicht hielten sie uns ja für ein konkurrierendes Etablissement. Dieser Strip-Darts-Abend, der auf meine Nachbarn womöglich wie ein Vorläufer der SPORT1-Sexy-Clips wirkte, endete dann aber doch eher unspektakulär. Petra F. aus D. warf den letzten Dart oben ohne. Ich durfte meine Badehose und das T-Shirt anbehalten, weil ich trotz der einen oder anderen Kaltschale das Ziel nie aus den Augen verlor.

Ob dieser Abend ausschlaggebend war für meine Zusage zehn Jahr später? Wohl kaum. Das waren schon eher die vielen Stunden, die ich im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2005 mit Olaf Nies verbrachte, der sich redlich bemühte, mir Darts zu erklären. Olaf war kein herausragender, aber ein guter Dartsspieler, der sich auch mit der internationalen Dartsszene beschäftigt hatte. Er brachte Videos von Weltmeisterschaften mit, wir durchstöberten das Internet nach legendären Momenten, und ich fuhr zu einem Spieltag der Darts-Bundesliga des Deutschen Dart Verbands (DDV). Es war ein Spieltag der Bundesliga-Süd, irgendwo südlich von Frankfurt. Ich war mit der damaligen DDV-Präsidentin Elke Unterberg verabredet. Besonders schmuckvoll war der Austragungsort nicht: zehn Boards, eine kleine Bar, circa 40 Leute insgesamt, kaum Zuschauer. Rauchen war erlaubt, aber die Fenster zu öffnen war wegen der entstehenden Luftbewegung verboten. Das alles hatte nichts mit dem zu tun, was ich bis dahin auf den Videos aus England gesehen hatte. Als Zuschauer stand ich in der zweiten oder dritten Reihe. So richtig viel erkennen konnte ich nicht. Aber ich hörte den Kommentaren, den Geschichten zu. Mir ging es damals vor allem darum, ein Gefühl für Darts zu bekommen. Eher ein Gespür für die Leute als für das Spiel. Matches wurden beendet, Partien an der Theke nachbesprochen. Es waren diese typischen Gespräche, wie sie im Sport überall vorkommen. Spieler erzählten detailliert von Verläufen einzelner Legs – mit vielen Konjunktiven der Marke „Wenn ich die Doppel-8 getroffen hätte, dann wäre der Gegner wahrscheinlich zusammengebrochen und das Match hätte sich in eine ganz andere Richtung bewegt“. Darts wurden verglichen, neue Flights ausprobiert, über unterschiedliches Gewicht der Darts gefachsimpelt. Ich konnte die Begeisterung, die mir überall entgegenkam, überhaupt nicht teilen. Ich merkte nur, dass dieser Sport alle in diesem Laden berührte. Er bedeutete ihnen enorm viel. Und das wiederum berührte mich. Woher kommt diese Faszination? Das wollte ich herausfinden. Noch auf der Rückfahrt nach München rief ich Piet Krebs an, um ihm mitzuteilen, dass ich die Darts-Weltmeisterschaft 2005 kommentieren würde.

Kapitel 1
Faszination Darts

Suchtfaktor Darts

Seit Jahren steigen in Deutschland die TV-Einschaltquoten von Dartsübertragungen. Knapp zwei Millionen Zuschauer sahen in der Spitze das WM-Finale 2016, bei dem Gary Anderson im legendären Alexandra Palace seinen Titel verteidigte. Das ZDF berichtete im Heute Journal, ARD, RTL, SAT1, ProSieben sendeten Beiträge. Sogar die Süddeutsche Zeitung nimmt inzwischen von den Herren van Gerwen, Taylor, Anderson und Co. Notiz; bei der Frankfurter Allgemeine Zeitung sind sie schon länger Thema – genau wie in der ZEIT, der Welt und natürlich der BILD. Die Medienwelt hat das Interesse des Zuschauers und Lesers an Darts längst erkannt – teilweise allerdings, ohne das Phänomen wirklich verstanden zu haben. Redakteure starten Selbstversuche und scheitern an der Erklärung, warum sie selber danach immer wieder bei einer Dartsübertragung einschalten. Sie reiben sich zu sehr an Nebensächlichkeiten: am Übergewicht vieler Spieler, an der Oktoberfestatmosphäre, die ihrer Meinung nach nicht zu einem Sportevent passt. Sie weigern sich, Darts als Sport anzuerkennen. Doch es sitzen immer mehr Zuschauer vor den Bildschirmen, wenn eine 180 auf die nächste folgt und die Fans mit ihren Gesängen im Phil-Taylor-Wonderland taumeln. Dieses Interesse kann keine Sportredaktion mehr ignorieren. Und das ist gut so. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man eine Weile braucht, um Darts zu verstehen. Auch ich habe mich in der Anfangszeit durchaus manchmal gefragt, wieso ich dickbäuchigen, tätowierten Männern dabei zusehen soll, wie sie kurze Pfeile über eine kurze Distanz auf eine Zielscheibe von 45 cm Durchmesser werfen. Und das stundenlang. Was bewegt Tausende von Zuschauer, derart ausgelassen auf ein Dartsmatch zu reagieren? Warum hat Darts den Weg aus der Kneipe, aus dem eigenen Hobbyraum auf eine 50 m große Bühne geschafft? Und ins Fernsehen!

Ist Darts Sport?

Darts unter Wettkampfbedingungen ist nicht vergleichbar mit ein paar Pfeilwürfen am heimischen Board. Knapp 30 Jahre lang kämpfte der Deutsche Dart Verband um die offizielle Anerkennung seines Spiels. Ist Darts Sport? Ich kenne diese Frage aus zahlreichen Diskussionen. Jeder aktive Spieler in Deutschland hat sich damit wohl schon auseinandersetzen und wahrscheinlich auch für seinen Sport rechtfertigen müssen. Ich empfinde es inzwischen als leidige Diskussion, weil immer nur diejenigen daran zweifeln, die sich mit Darts nicht wirklich beschäftigt haben. Sie sehen es nicht als Sport an, einen Pfeil über eine Distanz von 2,37 m zu werfen. Das sehe ich isoliert betrachtet übrigens ähnlich. Ist Schach Sport? Andere Präzisions- oder Denksportarten kennen diese Kontroverse um die Anerkennung ihres Sports ebenfalls. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) bezeichnet das Kartenspiel Bridge als Sport. Sport ist nicht leicht zu definieren, weil die Grenzen unscharf sind. Es gibt Leute, die sagen, dass die Abgrenzung von allgemeinen Bewegungsformen entscheidend ist. Die Wurfbewegung ist keine allgemeine Bewegungsform, sie ist antrainiert. Unabhängig davon wird Darts im Wettkampf ausgetragen, auch ein entscheidender Faktor, wenn es um die Definition von Sport geht.

Darts ist Sport. Gerade im professionellen Bereich genügt Darts vom mentalen Aspekt her höchsten Ansprüchen. Es ist die Verquickung von drei großen Herausforderungen: der Kampf eins gegen eins, das zielgenaue Agieren unter höchstem mentalen Druck, die Ausübung eines Konzentrationssports vor einer lautstarken Kulisse. Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) erklärte Darts im Dezember 2010 mit der Aufnahme des Deutschen Dart Verbands zum Sport. Ende der Diskussion.

Willkommen in Germany

Selbst Werner von Moltke, der heutige Chef der Professional Darts Corporation (PDC) Europe, dem deutschen Ableger des britischen Profi-Dartsverbands, brauchte Zeit, um sich dem Thema anzunähern. Ende 2005 verbrachte er die Weihnachtsferien mit seiner Familie im Skiurlaub. Weil die Kinder noch klein waren, blieb Familie von Moltke abends häufig im angemieteten Apartment. Im TV lief die Darts-WM: Wayne Mardle „Hawaii 501“ war drauf und dran, den letzten Schritt in seiner Karriere zu gehen, er spielte sein drittes WM-Halbfinale in Folge. Dieses Match zwischen Mardle und Phil Taylor gab für von Moltke den Ausschlag, solch ein Event nach Deutschland zu holen. Mardle führte 4:3 in Sätzen, 2:0 in Legs. Taylor kam wieder ran. Es ging in den Entscheidungssatz. Und wie so oft hatte The Power am Ende die ruhigere Hand. Er versenkte den Match-Dart in der Doppel-20 und hörte gar nicht mehr auf, sich über den Sieg zu freuen. Es war eine Nervenschlacht. Ein brutaler Kampf Mann gegen Mann.

Vier Monate später, im April 2006, war Taylor zum ersten Mal seit 1993 wieder in Deutschland und gewann das erste „Meet The Power“-Event von München. Es war ein Turnier frei nach dem Motto: Phil Taylor gegen den Rest der Welt. Werner von Moltke hatte das Thema Darts nicht mehr losgelassen, obwohl es komplettes Neuland für ihn war. Er nahm diesen Sport ernst. Er war der Erste in Deutschland, der für ein Dartsturnier Eintritt kassierte. Davon hatten ihm die deutschen Spieler und viele Insider abgeraten. Sie alle glaubten nicht an die Stärke, an die Faszination ihres Sports. „Meet The Power“ war ein Erfolg. Es war der Beginn von großen Dartsveranstaltungen in good old Germany, wie man sie bis dahin nur via TV aus Großbritannien kannte.

Perfektion auf acht Millimetern

So simpel das Spiel von seinen Regeln her ist, man benötigt Zeit, um sich in seinen Bann ziehen zu lassen. Darts ist viel mehr als 501 Punkte auf Null zu bringen oder drei Pfeile pro Aufnahme zu schmeißen. Es geht nicht nur um das Treffen von 8 mm schmalen Treble- oder Doppelfeldern. Es geht schon eher darum, sie dann zu treffen, wenn der Gegner sie nicht trifft, wenn er Fehler begeht. Es geht um höchsten mentalen Druck, wie er im Sport nur selten vorkommt, weil die Wurfbewegung so kurz und schnörkellos ist. Das mag widersprüchlich klingen, aber wenn die Hauptaktion lediglich das Beugen und Strecken des Arms ist, ergänzt durch einen letzten Impuls aus dem Handgelenk, dann besteht kaum Zeit und Gelegenheit, den Bewegungsablauf zu korrigieren. Kann ich beim Fußball vorübergehend mein fehlendes Gefühl durch erhöhte Laufbereitschaft wettmachen, bleibt mir bei Darts fast nichts anderes übrig, als es beim nächsten Mal einfach besser zu machen. Es sind kleinste, minimale Veränderungen, die die Darts perfekt ins Ziel steuern sollen. Golfspieler kennen diese Problematik. Auch sie haben nur diesen einen Schwung, diesen einen Versuch, der gelingen muss, wenn sich Erfolg einstellen soll. Nicht grundlos reden die Engländer beim Darts vom Golf der Arbeiterklasse.

Was es für den Dartsspieler im mentalen Bereich noch schwieriger macht – auch das mag verwundern –, sind die jeweils nahezu identischen äußeren Gegebenheiten beim Match. Auf der einen Seite vereinfachen sie das Spiel, weil man sich nicht umstellen muss. Auf der anderen haben sie zur Folge, dass Niederlagen nur einen Schuldigen kennen: den Spieler selbst. Du kannst nichts und niemanden für dein Versagen verantwortlich machen. An jedem Spielort dieser Welt hängt der Board-Mittelpunkt 1,73 m hoch. Bei jedem Profiturnier wird penibel auf die Ausleuchtung und die korrekte Lichtstärke am Board geachtet. Kein Dart darf auf dem Board einen Schatten werfen, da Spieler in der Kürze der Zeit Probleme haben könnten zu erkennen, wo genau ihr Spielgerät steckt. Jede minimale Luftbewegung ist ein No-Go, sie verändert die Flugbahn der Darts. Klimaanlagen müssen ausgeschaltet sein. Solche im Regelwerk der PDC festgehaltenen Vorgaben meinen es eigentlich gut mit den Spielern. Nur Ausreden lassen diese Regeln nicht zu. Erst in Formkrisen erkennt man, wie brutal Darts ist. Es gibt eine Reihe von Profis, die innerhalb von ein, zwei Jahren abgeschmiert sind. Hungrige Spieler im besten Alter wie Paul Nicholson oder Wes Newton. Eben noch standen sie in den Top 10, und plötzlich spielen sie keine Rolle mehr.

Wer Darts auf diesem Niveau spielt, nimmt es letztlich mit der Perfektion auf. Ein Kampf, den du bekanntlich nicht gewinnen kannst. Das Fatale ist, dass es trotzdem immer wieder kurze perfekte Momente gibt: bei jeder 180, wenn alle drei Darts in diesem 8 mm schmalen Feld stecken. Oder eben beim perfekten Spiel, dem 9-Darter. Wer mit neun Darts 501 Punkte auf Null bringt, schreibt Geschichte. Neun Darts sind mindestens vonnöten, um ein Leg zu checken. Klingt einfach, gelingt jedoch nur den Allerbesten und macht dich zum Helden. Perfekte Momente lassen dich zudem immer wieder ans Board zurückkehren. Spieler erzählen häufig von einer Sucht, trainieren zu müssen, besonders nach großartigen Momenten. Der Wunsch nach Perfektion treibt an. Wer die Vollkommenheit einmal erlebt, will sie ein weiteres Mal erreichen. Und das geht dem Hobbyspieler nicht anders. Das Gefühl „ich kann es diesmal besser machen als eben“ kennen alle. Jede einzelne 180 motiviert den Kneipenspieler, weiter Darts zu spielen, besser zu werden. Und sie lässt kurz vergessen, dass der nächste Moment des Versagens schon im Hintergrund lauert. Darts ist schwieriger, als es den Anschein macht. Das ist tückisch und faszinierend zugleich.

Präzision vs. Party

Für den Zuschauer ist die Faszination Darts ein Mix aus verschiedenen Komponenten: Sport, Party, Fußballgesänge, Genauigkeit, Verkleidung und ein nicht unwesentlicher Teil Ausgelassenheit und Selbstironie. Das macht übrigens auch den Reiz aus, solch einen Wettkampf im Fernsehen zu kommentieren. Auch wenn an allererster Stelle immer der Sport stehen muss: Du kannst und darfst den Rhythmus dieser Veranstaltung leben. Diesen Kontrast zwischen Präzision und Ausgelassenheit, zwischen Historie und Hype, zwischen kleinstem Ziel und großer Kulisse, zwischen Konzentration und Karneval. Darts ist bunt. Darts kommt ohne Hightech aus. Die Pfeile von heute sind letztlich immer noch mit den Holzpfeilen von vor 100 Jahren vergleichbar. Darts bietet so viele Geschichten auch abseits des Boards. Und es hat außergewöhnliche, extrem lautstarke Zuschauer, die ein wichtiger, aktiver Teil der Show sind. Das ist mit Sicherheit ein Geheimnis des Erfolgs von Dartsevents. Die PDC, der Profi-Dartsverband, hat das früh erkannt. Sie bietet dem Zuschauer bewusst eine Bühne und baut dadurch eine besondere Verbindung zwischen Fan und Event auf. Ich habe mich in den letzten Jahren nach einem langen Turniertag oft mit Zuschauern unterhalten, die nicht nur von Taylor, MVG und Co. erzählten, sondern auch von sich selbst, ihren Kostümen und wie die Idee zum Kostüm entstand. Dartsfans sorgen nicht nur für den Jubel, den Applaus, die Buhrufe und die Gesänge, sie werden gekürt für besonders gelungene Outfits oder die witzigste Zeile auf dem 180er-Pappschild. Vielleicht fühlt sich der Zuschauer dadurch auch irgendwie in der Pflicht, für gute Stimmung zu sorgen, und womöglich herrscht deshalb auf Dartsevents diese einzigartige Atmosphäre, die mit keiner anderen Veranstaltung vergleichbar ist, auch mit keiner anderen Sportveranstaltung.

Es beginnt mit den Walk-on-Liedern der Spieler, die gerade von Topstars wie Phil Taylor, Michael van Gerwen, Gary Anderson, Raymond van Barneveld oder Peter Wright perfekt inszeniert sind, mit aufwendiger Lichtshow, einprägsamen Melodien und einem Master of Ceremonies, der stimmgewaltig die Spieler auf die Bühne holt. Und später wird jede einzelne 180 gefeiert, als wäre es die Erste, vielleicht auch die Letzte. Sollte es wegen fehlender Genauigkeit am Oche ein bisschen zäh werden, starten Dartsfans ihr eigenes Fest: „Stand up if you love the darts“ – das ist für jeden unter den paar Tausend Fans die Verpflichtung, sich zu erheben und mitzusingen. Ganze Zuschauerblöcke beginnen plötzlich in Richtung anderer Tribünen zu rufen. Oder sie grölen wie so oft im Taylor-Wonderland: „There’s only one Phil Taylor ...“ Es gab Matches vom 16-maligen Weltmeister Phil „The Power“ Taylor, bei denen pausenlos dieses Lied gesungen wurde. Vor ein paar Jahren in Düsseldorf zum Beispiel: 20, 25 Minuten lang, immer wieder in Schleife „There’s only one Phil Taylor ...“ auf die Melodie von „Winter Wonderland“.