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Hermann Obert

Tamara kalkuliert

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© 2016 Hermann Obert

ISBN
Paperback:978-3-7345-4313-5
Hardcover:978-3-7345-4314-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Der Praktikant

Theo hatte einen gefüllten Terminplan. Aber dieses Gespräch war ihm wichtig. Ein Student der Betriebswirtschaftslehre der Hochschule Donauringen hatte sich bei TT beworben. Er zeigte großes Interesse, in Theos Firma sein praktisches Studiensemester zu absolvieren. Marion und Tamara hatten bereits vor drei Wochen das Bewerbungsgespräch mit Ramon Dinero geführt. Theo hatte damals einen anderen Termin wahrzunehmen und somit hatte seine Prokuristin diese Personalentscheidung alleine getroffen. Einen Studenten für ein Semester zu beschäftigen war von überschaubarer Tragweite für sein Unternehmen und Marion hatte stets eine glückliche Hand bei Einstellungen bewiesen. Theo hatte zwar den Vertrag später mit unterschrieben, aber heute war der erste Arbeitstag von Herrn Dinero und somit Theos erste Gelegenheit, seinen neuen Mitarbeiter persönlich kennenzulernen.

Theo ging in das Besprechungszimmer nebenan. Marion saß bereits am Tisch und reichte Theo nochmals die Bewerbungsmappe und den Vertrag zur Durchsicht. Ramon Dinero war soeben mit seinem Auto hergefahren und Tamara war losgegangen, ihn unten in Empfang zu nehmen. „Weißt du, Theo, eigentlich ist es ganz geschickt, dass wir diesen Studenten für zehn Wochen an Bord haben. Tamara wird sicher einige Zeit investieren müssen, ihm unsere Zahlenwelt und Kalkulationsmethode zu vermitteln. Beim Vorstellungsgespräch hatte ich aber den Eindruck gewonnen, dass dieser Herr Dinero ein ganz aufgeweckter junger Mann ist. Du wirst ihn ja gleich kennenlernen. Wir müssen unsere Tamara doch auch mal Urlaub machen lassen und ich kann mir gut vorstellen, dass unser Praktikant in seinen letzten drei Wochen die Assistenzfunktion bei uns übernehmen kann.

Es klopfte an der Tür und eine strahlende Tamara Engel mit einem etwas unsicher wirkendem Ramon Dinero trat herein.

Marion übernahm die Vorstellung: „Herzlich Willkommen bei TT, Herr Dinero! Darf ich Ihnen Herrn Tüchtig vorstellen. Er ist Geschäftsführer und Eigentümer dieses Unternehmens.“ Theo reichte seinem neuen Mitarbeiter die Hand: „Guten Morgen Herr Dinero! Ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise, bitte nehmen Sie doch Platz.“ Herr Dinero und auch die anderen drei Personen setzten sich an den Tisch. „Ja, die Anfahrt war unproblematisch, das ist der Vorteil des ländlichen Raumes, da steckt man nicht ständig in irgendeinem Stau. Ich möchte mich auch bei Ihnen ganz herzlich bedanken, dass ich diesen Praktikumsplatz erhalten habe. Ich bin ja so gespannt, was ich bei TT alles lernen kann und freue mich vor allem darauf, mein Wissen auch mal in der Praxis anwenden zu können.“ Der zu dieser frühen Stunde übliche Morgenkaffee wurde gereicht und Theo holte sich eine Tasse seines eben erst aufgebrühten Tees. „Nun Herr Dinero, die Damen, meine Prokuristin Frau Bleibtreu und unsere Assistentin Frau Engel haben Sie bereits kennengelernt. Ich muss leider bald wieder weiter, vielleicht können Sie mir aber in drei Minuten schildern, wer Sie sind, was Sie schon gemacht haben und was Ihre weiteren Ziele sind.“

Herr Dinero stellte die Tasse ab und atmete tief durch. Den Job hatte er ja sicher, aber einem Geschäftsführer gegenüber zu sitzen war für ihn etwas Neues. „Also, ich heiße Ramon Dinero und komme aus Hattingen. Ich studiere Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Donauringen. Vier Fachsemester habe ich bereits erfolgreich studiert und möchte nun mein praktisches Studiensemester in Ihrem Unternehmen absolvieren. Ich habe bei einer Genossenschaftsbank in Salamanca eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht und bin im Anschluss daran wieder zu meinen Eltern gezogen. Hattingen ist ganz in der Nähe von meinem Studienort, so hat sich das einfach angeboten.“ Theo hatte eine Frage: „Herr Dinero, Sie sprechen perfekt Deutsch und haben in Spanien eine Lehre gemacht, wie ging das?“ Herr Dinero hatte seine Nervosität inzwischen verloren und berichtete gerne: „Mein Vater ist gebürtiger Spanier und meine Mutter ist Deutsche. Während meiner Kindheit waren wir oft in den Ferien bei der Familie meines Vaters und so konnte ich quasi zweisprachig aufwachsen.“ Tamara hatte eine nicht ganz ernst gemeinte Idee: „Dann könnten Sie bei uns auch noch Spanisch Unterricht erteilen. Das wäre eine gute Vorbereitung für den nächsten Urlaub.“ Herr Dinero musste lachen. „Ja klar, nach Feierabend könnten wir da sicher noch etwas organisieren. Aber vielleicht hat TT auch Geschäftsbeziehungen zu spanischen Partnern, da könnte ich bei der Korrespondenz gerne mitwirken. Auf Ihre Frage hin Herr Tüchtig: Das ist eines meiner Ziele, einmal in einem deutsch-spanischen Umfeld zu arbeiten.“

Marion ging darauf ein: „Wir haben gegenwärtig keine Beziehungen im spanischen Sprachraum. Die Tage hätten wir eher Italienischkenntnisse gebraucht.“ Damit spielte sie auf Tamaras Buchungsbemühungen in der norditalienischen Hotellerie an. Theo griff den Gedanken aber auf. „Ja, wer weiß, vielleicht gestalten wir mit Ihrer Unterstützung dereinst einen Messeauftritt in Madrid. Aber das ist noch Zukunftsmusik, jetzt absolvieren Sie erst einmal Ihr Praktikum bei uns. Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Sie werden hauptsächlich mit Frau Engel zusammenarbeiten. Sie wird Ihnen alles erklären was Sie wissen müssen und ich wünsche Ihnen einen guten Anfang bei TT. Ich darf mich dann aus dieser Runde verabschieden.“

Theo musste zu seinem Fertigungsleiter. Julius wollte mit ihm noch einige Details zur Aufstellung der neuen Maschine besprechen. Die erforderliche Samstagsarbeit war mit der Betriebsrätin abgestimmt. Irene Friedmann unterstützte die Expansionsbemühungen und die Mitarbeiter freuten sich über das Zusatzeinkommen gleichermaßen.

Marion und Tamara geleiteten ihren neuen Mitstreiter in ihr Büro. „Nun haben Sie unseren Chef auch mal kennengelernt. Wir hatten bei Ihrem Vorstellungsgespräch bereits erwähnt, dass TT einen großen Auftrag akquiriert hat und wir mächtig zu tun haben, das neue Projekt zu realisieren. Das treibt unseren Chef natürlich auch um, deswegen hatte er nur wenig Zeit für Sie. Ich bin mir aber sicher, dass Sie spätestens beim Mittagstisch Gelegenheit haben werden, mit ihm näheres zu bereden.“

Marion holte ein Formular aus ihrem Pultordner. „Herr Dinero, in Ergänzung zu Ihrem Arbeitsvertrag möchte ich Sie bitten, diese Vertraulichkeitserklärung durchzulesen und mir unterschrieben zurückzugeben. Wenn Sie dazu Fragen haben, beantworte ich sie Ihnen gerne. Im Rahmen Ihrer Tätigkeit bei uns erhalten Sie Zugriff zu Kennzahlen der Fertigung und betriebswirtschaftlichen Daten. Diese Informationen sind absolut firmenvertraulich und dürfen das Haus auf keinen Fall verlassen. Sie dürfen auch nicht mit unseren Mitarbeitern darüber reden.“ Herr Dinero nahm das Schreiben in die Hand und überflog den Inhalt. „Wenn es Ihnen Recht ist, schaue ich mir das noch genauer an. Aber so etwas Ähnliches hatte ich bei meinem Ausbildungsbetrieb auch gehabt.“