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Besessen

Das turbulente Leben von Prince

Alex Hahn

Aus dem Englischen von Kirsten Borchardt

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www.hannibal-verlag.de

Impressum

Der Autor

Alex Hahn schreibt seit vielen Jahren für US-amerikanische Zeitungen wie den Boston Globe und den San Francisco Chronicle. Als Rechtsanwalt hat er sich auf zivilrechtliche Strafverfolgung spezialisiert. Hahn lebt in Boston, Massachusetts.

Titel der amerikanischen Originalausgabe: „Possessed“

© 2003, © 2005 (Update), © 2016 (Update) by Alex Hahn

This edition is published by arrangement with Watson Gutpill

New York, USA. All rights reserved.

© 2016 der deutschen Ausgabe:

Koch International GmbH/Hannibal, A-6600 Höfen

Lektorat: Hollow Skai

Übersetzung: Kirsten Borchardt

E-Book: Thomas Auer, www.buchsatz.com

Coverfoto: © Henrietta Butler/Camera Press/picturedesk.com

ISBN 978-3-85445-611-7

Auch als Hardcover erhältlich: ISBN 978-3-85445-610-0

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt und darf ohne eine schriftliche Genehmigung nicht verwendet oder reproduziert werden. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Inhalt

Widmung

Vorwort zur überarbeiteten Neuauflage

Vorspiel

Erster Teil: Aufstieg 1958–1988

1.: Zuhause

2.: Im Alleingang

3.: Der große Sprung

4.: Der Impresario

5.: Seine lila Majestät

6.: Katerstimmung

7.: Gegenrevolution

8.: Traumfabrik

9.: Alleingang

10.: Die Schwarze

Bildstrecke

Zweiter Teil: Fall 1988–2005

11.: Kampf und Ehrgeiz

12.: Hit

13.: Taktische Spiele

14.: Auf dem Kriegspfad

15.: Flucht

16.: Abgrund

17.: Larry

18.: Comeback

19.: Der Moralist

Nachwort: Wiedergeburt

Nachwort 2016: Vermächtnis

Diskografie

Quellen und Danksagungen

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Widmung

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1939–2016

Your wisdom, inspiration, and love

will be with us always

Vorwort zur überarbeiteten Neuauflage

21. April 2016. Still Raining, Still Dreaming.

Wie viele Bands auf der Welt haben wohl an diesem 21. April 2016 „Purple Rain“ oder einen anderen Song von Prince gespielt, an den verschiedensten Orten, in großen Hallen oder in kleinen Clubs? Wahrscheinlich Tausende.

Am 22.April brachte Bruce Springsteen eine leidenschaftliche und authentische Version von „Purple Rain“. Pearl Jam taten es ihm wenig später nach. DannfolgteJimmyBuffett.Auf dem Coachella Music Festival am 23.April interpretierte der eigenwillige Folkmusiker Sufjan Stevens den Song auf seine ganz eigene Art. Ebenfalls auf diesem Festival, noch am gleichen Abend, fräste sich das TechnoProjekt LCD Soundsystem durch eine schmerzerfüllte, pulsierende Versionvon„Controversy“undschuf damiteineCoverVersion,diePrincevielleicht am ehesten wirklich gerecht wurde.

Es schien, als wollte sich jeder Musiker der Welt von ihm verabschieden.

Mich selbst erreichte die Nachricht von seinem Tod gegen halb zwei am frühen Nachmittag, als ich in Cambridge, Massachusetts, in einem Coffee Shop saß und schrieb. Es war mein 50. Geburtstag. Der Künstler, der so sehr wie kein anderer mein Leben beeinflusst hatte, war von uns gegangen. Schon lange hatte man Prince mit dem Ausdruck „lebende Legende“ bezeichnet – jetzt konnte man nur noch von „Legende“ sprechen.

Eine Legende. Aber was für eine.

Sein Tod und die weltweite Trauer, die er auslöste, unterstrichen nur noch einmal, welche enormen Leistungen Prince als Songwriter, als Liveund Studiomusiker und letztlich als KulturIkone vollbracht hatte. Ein derart einflussreicher und bedeutender Musiker ist vielleicht seit John Lennon nicht mehr für immer von der Rockbühne abgetreten.

Wie aber soll man bestimmen, in welcher Hinsicht Prince den größten Eindruck hinterließ? Waren es die Konzerte, bei denen er in 40 Karrierejahren immer wieder seine Fähigkeiten, seine Hingabe und seine Energie unter Beweis stellte, ohne jemals nachzulassen? Als Schöpfer des Albums und RockFilms Purple Rain, dessen Bedeutung in der RockGeschichte bis heute einzigartig ist? Als MultiInstrumentalist, der Gitarre, Synthesizer, Klavier, Schlagzeug und Bass gleichermaßen souverän beherrschte? Als Komponist unzähliger PopHits, die nicht nur dem Zahn der Zeit erfolgreich widerstanden haben, sondern längst selbst zeitlos geworden sind?

Fans und Musikfreunde haben darauf alle eine eigene Antwort. Und jede davon ist richtig.

Die Beatles setzten Maßstäbe, was den Einsatz von Melodien in Rock und Pop betraf. Jimi Hendrix nutzte die Gitarre auf eine unnachahmliche, bahnbrechende Weise. Aber ebenso groß war die Bedeutung von Prince, dessen Stilmix die Popmusik neu definierte. Er vermischte verschiedene Elemente – den Funk eines James Brown, die Synthesizer und Drumcomputer der New Wave, die Melodien des HitparadenPop, die Energie des Hard Rock und sogar die beklemmende Spannung des Punk. Und das auf eine bislang noch nie dagewesene Weise. Die ersten 90 Sekunden von „Controversy“ – vielleicht der erste definitive Ausdruck seiner Vision – reichten aus, um der Popmusik eine neue Richtung aufzuzeigen.

In den folgenden Jahrzehnten wuchs der Einfluss dieses Sounds exponentiell. Es besteht kein Zweifel daran, dass Prince die Musik des ausgehenden 20. Jahrhunderts maßgeblich veränderte. Aber auch im 21. Jahrhundert stehen nicht nur einige wenige, sondern ein Großteil der zeitgenössischen Künstler in seiner Schuld.

Eine solche Entwicklung war wohl kaum vorhersagbar gewesen. Zum Vergleich: Michael Jackson hatte bereits Grundlagen geerbt, die viel eher erwarten ließen, dass eines Tages ein Star aus ihm würde. Die Beatles waren mit einem solchen Talent für Melodien gesegnet, dass auch ihre bedeutende Entwicklung gewissermaßen zwangsläufig erschien. Der Weg von Prince verlief anders und war weit weniger offensichtlich. Nichts war diesem schüchternen, schwarzen Jungen aus Minneapolis in die Wiege gelegt worden, diesem dürren motherfucker mit der hohen Stimme und der riesigen Afrofrisur. Er hatte Erfolg, weil sein bereits enorm großes Talent noch von seiner Arbeitsmoral und seiner unaufhaltsamen Energie übertroffen wurde.

Zwar ist es bisher niemandem gelungen, auf ähnliche Weise zum Superstar aufzusteigen, aber dennoch hat Prince eine Richtschnur vorgegeben, die scheinbar für jeden hätte funktionieren können. Man brauchte sich nur einen MehrspurRekorder zuzulegen, um damit die eigenen Ideen aufzunehmen, und eine Band zu gründen, in der männliche und weibliche, schwarze und weiße, homound heterosexuelle Musiker gleichermaßen vertreten waren. Jeden willkommen heißen – und alles zulassen.

Aber Prince lehrte uns auch noch etwas anderes: Wenn man Musik aufnimmt, dann kann man das ganz allein tun. Man sollte es sogar. Ganz und gar auf die eigene Kraft vertrauen und die eigene Vision umsetzen, ohne einen Mittelsmann zwischen sich und dem Mischpult. Ein Musiker muss ein einsames Leben führen, ebenso wie Dichter oder Schriftsteller, allein mit seiner Kunst.

Von diesen Grundsätzen ist Prince niemals abgewichen. Höchstwahrscheinlich hat kein anderer Musiker seit der Einführung der Tontechnik so viele Stunden allein mit dem Aufnehmen und Songwriting zugebracht. Seine Lektion für aufstrebende Musiker war stets diese: Man muss sich von niemand anderem abhängig machen.

Natürlich gibt es auch Bereiche in seinem Vermächtnis, die eine kritische Auseinandersetzung erfordern. Das betrifft vor allem seine umstrittenen Werke aus der Zeit zwischen 2001 und 2016, die vor allem eine Frage aufwerfen, die schon seit Jahren diskutiert wird: Hat er in dieser Zeit Herausragendes erschaffen – oder hat hier ein großer Künstler lediglich eine sehr mittelmäßige Leistung abgeliefert? Dieser Frage widme ich mich im Nachwort zu diesem Buch, das ebenfalls nach dem Tod von Prince verfasst wurde. Aber zunächst ist einmal festzuhalten, dass der ursprüngliche Untertitel der englischen Originalausgabe, „Aufstieg und Fall“, nicht nur aktuell unangemessen zu sein scheint, sondern in vieler Hinsicht nicht mehr zutrifft. Vor allem seine Auftritte in den letzten 15 Jahren haben klar gezeigt, dass er sich zumindest in diesem Bereich eher steigerte, als nachzulassen.

Tatsächlich gab Prince gerade in den letzten Monaten seines Lebens einige der beeindruckendsten Konzerte seiner Karriere. Bei diesen Shows saß er allein am Klavier, präsentierte Songs aus seinem umfangreichen Gesamtwerk und überraschte das Publikum mit seinem ausdrucksvollen Spiel. Nicht nur die HardcoreFans, auch die Gelegenheitshörer waren von seinen Interpretationen von „Purple Rain“, „Condition Of The Heart“ und „Strange Relationship“ oft zu Tränen gerührt. Dass die Konzerte in legendären Hallen wie dem Sydney Opera House stattfanden, unterstrich die bewegende Einmaligkeit vieler dieser Events.

Tatsächlich sollten sie einmalig bleiben.

Und dann war da noch die Art, wie er Gitarre spielte. Von Anfang war das eine seiner stärksten Qualitäten gewesen, und in diesem Bereich konnte er sich in den letzten zehn Jahren seines Lebens sogar noch steigern, gehärtet durch mehr Disziplin und Feeling.

Direkt nach seinem Tod erinnerten Presse und Fernsehen oft an sein Solo bei „While My Guitar Gently Weeps“, das er bei einer Veranstaltung der Rock And Roll Hall Of Fame 2004 abgeliefert hatte. Er war Teil einer Supergroup

gewesen, die Tom Petty zu Ehren George Harrisons zusammengerufen hatte, der posthum von der Hall Of Fame gewürdigt wurde. Prince selbst wurde an diesem Tag ebenfalls in diesen erlauchten Kreis eingeführt, aber sein Solo vermittelte vor allem eine gefühlsmäßige Botschaft: formale Bestätigung ist bedeutungslos, verglichen mit der instinktiven Erschaffung von Musik. George Harrison wäre mit der werkgetreuen Präsentation seiner wehmütigen Komposition sicherlich zufrieden gewesen – auch wenn sie ihn in anderer Hinsicht geradezu von der Bühne fegte.

In den Tagen nach seinem Tod erinnerten sich Fans und Kritiker auch gern an seinen Auftritt beim Super Bowl 2007, einem der größten EntertainmentEvents in den USA, den Prince in jenem Jahr absolut beherrschte. Ein Journalist schrieb später: „Das FootballSpiel haben alle inzwischen längst vergessen. An den Regen aber erinnern sie sich noch – an den purple rain.“

Und vielleicht werden die Jahre von 2000 bis 2016 als eine Zeit in Erinnerung bleiben, in der Prince sich als Entertainer für ein Massenpublikum profilierte, aber so, dass es seinen Ruf als Musiker eher stärkte, als von ihm abzulenken. Ob er in dieser Zeit neue Klassiker einspielte, spielt möglicherweise überhaupt keine Rolle.

Mit 17 saß ich niedergeschlagen in einem Kino, das es inzwischen längst nicht mehr gibt, und dachte deprimiert an ein Mädchen, das mir einen Korb gegeben hatte, um mit einem anderen Jungen auszugehen. Von der Leinwand kam aus einer Wolke leicht rosafarbenen Rauchs ein Schrei, der mich aus meiner Starre riss. Prince wälzte sich erst auf einem Klavier, dann auf einem drekkigen Badezimmerfußboden. Die Schreie wurden mit jeder Sekunde lauter.

„The Beautiful Ones“ verlieh den Qualen, die ich fühlte, den perfekten Ausdruck. Als Prince diesen Song in Purple Rain sang, erlebte ich Musik so direkt und persönlich wie nie zuvor.

Aber meine Geschichte ist nur eine von vielen. Es ist auch nur eine sehr unbedeutende, verglichen mit denen jener Millionen von Menschen, die auf ähnliche Weise von Prince Rogers Nelson berührt wurden. Wenn Musik eine Sprache ist, die uns die eigenen Emotionen zu erklären vermag, dann war Prince einer unserer größten Übersetzer und wird es auch bleiben.

Während Großereignisse wie der Super Bowl verdeutlichten, dass Prince längst ein Entertainer von Weltrang geworden war, waren es die berühmten „Afterpartys“, bei denen er eine besonders enge Verbindung mit seinen Fans einging. Meistens erschien Prince nach seinen großen Stadionkonzerten gegen drei Uhr morgens noch in einem kleinen, sehr kurzfristig ausgewählten Club. Dieses anstrengende Programm war dann wohl auch der Grund dafür, dass er seine Mitmusiker und RoadManager so schnell verschliss. Aber Prince, der aus der Energie seiner Fans seine eigene Kraft schöpfte, gab gerade bei solchen Gelegenheiten einige seiner intensivsten, bewegendsten Shows.

1988 hatte ich in Boston einmal die Gelegenheit, einen solchen Auftritt mitzuerleben. Der Club war gerammelt voll mit Fans, die kurzfristig von dem „Geheimkonzert“ erfahren hatten. Prince witzelte: „Ich dachte, das sollte eine kleine, entspannende Afterparty werden.“ Wir flippten alle total aus. So viel dazu.

Wie üblich hatte Prince an diesem Abend ein wissendes, leicht arrogantes Lächeln auf den Lippen. Aber einen kurzen Augenblick lang sah ich noch etwas anderes – einen Hauch von Verletzlichkeit in seinem Gesicht und Dankbarkeit in seinen Augen. Er genoss sein Leben, liebte seine Arbeit und wusste es zu schätzen, von seinen treuesten Fans umgeben zu sein.

„Ich hatte noch nie so viele Kumpel“, sagte Prince.

Damit hatte er recht.

Alex Hahn, Juni 2016

Vorspiel

21. April 1996, Chanhassen, Minnesota

Die Probleme im Leben von Prince hatten sich zu einem derartigen Berg aufgetürmt, dass auch sein legendäres Talent, seine Energie und seine Leidenschaft davor kapitulierten. Die Kontrolle – das zentrale Thema in seinem Leben, von dem er geradezu besessen war – drohte ihm an den verschiedensten Fronten zu entgleiten.

Seine Finanzen waren in einem chaotischen Zustand. Nur zwei Tage zuvor hatte er sich gezwungen gesehen, den größten Teil seines Mitarbeiterstabs der Paisley Park Studios, seines Aufnahmekomplexes in Chanhassen, zu entlassen. Dabei war er ausschließlich selbstverschuldet in die roten Zahlen geraten; Prince produzierte ständig teure Musik und Videoprojekte, veröffentlichte sie dann aber anschließend nicht. Zahlreiche lokale und überregionale Unternehmer – Studiobesitzer, Modedesigner, Videoregisseure und andere – mussten feststellen, dass es Prince kaum noch möglich war, ihre Rechnungen zu bezahlen. Prince hatte nicht einmal mehr eine Band. Im März hatte er den Musikern seiner Begleitband, der Power Generation, unvermittelt eröffnet, sie stünden nicht mehr auf der Gehaltsliste.

Zudem stand Prince, der lange ein überzeugter Junggeselle gewesen war, kurz davor, Vater zu werden. Seine junge Frau Mayte Garcia, die er einige Monate zuvor am Valentinstag geheiratet hatte, war schwanger und sollte im November ihr Kind bekommen. Nachdem er sich öffentlich zu Werten wie Monogamie und Familie bekannt hatte, stand Prince nun unter dem enormen Druck, sich an einen Lebenswandel zu gewöhnen, der sich völlig von dem unterschied, dem er sich sein ganzes Erwachsenenleben lang hingegeben hatte.

Seine wichtigste Geschäftsbeziehung, die seit achtzehn Jahren bestehende Bindung an Warner Bros. Records, stand vor dem Ende. In den Jahren zuvor hatte sein fanatisches Bestreben, seine Karriere und seine Musik ausschließlich selbst zu kontrollieren, zu einem bitteren, von den Medien weltweit mit großem Interesse beobachteten Rechtsstreit mit dem Label geführt. Er verglich die Geschäftsführer mit Sklavenbesitzern und hatte sich bei öffentlichen Auftritten das Wort „slave“ – Sklave – auf die Wange gemalt. Während er nun in Chanhassen saß und wartete, waren seine Anwälte in Los Angeles damit beschäftigt, in angespannten Gesprächen mit den Warner-Vertretern darüber zu diskutieren, wie man die Verbindung, die für beide Seiten unproduktiv und peinlich geworden war, am besten beenden könnte. Der Vertrag, der Prince für jedes Album, das er ablieferte, eine Million Dollar garantiert hatte, würde damit null und nichtig werden.

In den letzten Monaten hatte Prince öfter unangenehmes Herzklopfen und gelegentlich heftige Brustschmerzen gespürt, und er begann sich ob seiner Herzprobleme zu sorgen. Da er gelesen hatte, Aspirin sei gut fürs Herz, nahm er nun mindestens vier am Tag. In jeder anderen Hinsicht behielt er sein anstrengendes Leben bei. Er arbeitete weiterhin ohne Unterlass, nahm zu jeder Tageszeit Musik auf und gab Konzerte, die erst um fünf oder sechs Uhr morgens zu Ende gingen.

Am Morgen des 21. April wurde das Herzklopfen schlimmer, und Prince trank Wein, um den Schmerz zu betäuben. Er trank eine ganze Flasche, und bei seinem leichten Körperbau und seinem schnellen Stoffwechsel setzte der Rausch recht schnell ein. Er nahm außerdem einige Aspirin ein. Ob er auch etwas aß, weiß man nicht, aber abgesehen davon, dass er schon immer nur sehr wenig zu sich genommen hatte, war er nun auch noch Veganer geworden und hatte alle tierischen Produkte aus seiner Ernährung gestrichen. Die Kombination aus Alkohol, Aspirin, Stress und Schlafmangel wirkte sich auf seinen schmalen, nur eins achtundfünfzig großen und siebenundfünfzig Kilo schweren Körper verheerend aus. Ihn überwältigten Wellen von Übelkeit, und er musste sich übergeben.

Prince wurde in die Notaufnahme des Fairview-Southdale-Krankenhauses im nahe gelegenen Vorort Edina gebracht, wo ihn die Ärzte mit Fragen bombardierten: Hatte er Depressionen gehabt? Hatte er Drogen genommen? Waren schon einmal Herzprobleme festgestellt werden? Trotz seiner schlechten Verfassung war Prince klar genug bei Bewusstsein, um all das zu verneinen, aber für die Ärzte klangen seine Antworten einstudiert, ausweichend und unvollständig.

Zwar war Prince zwei Jahrzehnte lang ein Workaholic gewesen, aber ansons­ten hatte er weit gehend solide gelebt, und daher hätte man annehmen können, dass er von den Stars seiner Generation wohl einer der unwahrscheinlichsten Kandidaten war, wenn es darum ging, den Pfad zur Selbstzerstörung zu beschreiten. Sicher, er war bekannt für seine oft bizarren Aktionen – was die Tatsache, dass er seinen Namen in ein unaussprechliches Symbol geändert hatte, unzweifelhaft bewies –, aber er zählte zu den diszipliniertesten Persönlichkeiten in der Geschichte der Popmusik.

Und dennoch saß er nun hier, in der Notaufnahme eines Krankenhauses, war berauscht und musste sich übergeben. Irgendwie hatte Prince die Kontrolle verloren.

Erster Teil: Aufstieg 1958–1988