Eva Demski, geboren in Regensburg an der Donau, erzählt in ihrem neuen Buch über ihren Fluß, über Mama Donau:

»Wer an einem Fluß geboren ist, will wissen, wo er entspringt und wo er endet. Man hat immer Sehnsucht, wenn man am Ufer sitzt oder im Strom schwimmt, nach den anderen Orten und den anderen Ländern.

Ich bin an der Donau geboren, die ist ein Weib und nicht so romantisch wie der Vater Rhein. Sie strömt von Westen nach Osten und zählt 2850 Flußkilometer bei Donaueschingen bis 0 Kilometer in den Weiten des Donaudeltas, in Rumänien.

Das ist, wie so vieles bei ihr, einzigartig. Das Buch erzählt meine Geschichten vom Fluß, von geliebten und fremden Orten, aber auch die allerfremdesten waren vertraut: Wenn man ins Wasser schaute, es hörte und roch.

Mama Donau ist auf und an, auch ein bißchen in ihr entstanden. Es kommen vor: die Nibelungen, Helmut Qualtinger, Walzer und Wälder, Zigeuner, Dichter wie Tibor Déry, Georg Britting und Joseph Roth, Fischer, Fischreiher, alte Waller, neuer Wein, kleine Städte und sehr große, Tote und Lebende. Mondbeglänzte Zaubernächte und Müllhalden, alles, was sich an Vergangenem und Gegenwärtigem an ihren Ufern sammelt. Nicht alles, natürlich – nur was ich gesehen habe.

Man steigt niemals in den gleichen Fluß, aber man erkennt ihn – oder sie – immer wieder.«

Eva Demski

MAMA DONAU

Insel Verlag

eBook Insel Verlag Berlin 2016

Der vorliegende Text folgt der 2. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 3279.

© Insel Verlag Berlin

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Umschlagfoto: mauritius images / Rainer Waldkirch

Umschlag nach Entwürfen von Willy Fleckhaus

eISBN 978-3-458-74560-0

www.insel-verlag.de

Für den Hans

(1903-1984)

Karte

»Ja wirklich, es ist wahrhaftig derselbe Strom,

der mich schon immer durchfloß,

und tatsächlich bin ich, gebeugt und bucklig,

noch immer dasselbe Instrument.

Wie ist das möglich?«

Czesław Miłosz

Inhalt

Sie hat es eilig

Kommt eine Fremdlingin sie

Ausflüge und Nebenflüsse

Das Gedächtnis schwimmet nach oben

Flußgesellschaft

Im Theater gefangen

Grad bei Dürnstein

Die lakierte schöne Frau

Blue Danube

Tibor Dérys Donau

Das alte Bett der Donau

Die Prinzessin fährt nicht nach Constanta

Sie hat es eilig

Sie hält sich nicht auf, höchstens, um schnell etwas zu verschlingen, es kommt ihr nicht drauf an, was. Schafe, Ziegen, Uferbäume, ein Stück Altstadt und besonders gern kleine Kinder. So hat mans uns jedenfalls erzählt, und daß es nur eine Möglichkeit gäbe, wieder herauszukommen, wenn man hineingefallen und in die Strudel geraten ist: Ihr nachgeben, sich totstellen, dann verliert sie die Lust und speit einen wieder aus.

Ich habe mir immer das Geräusch vorgestellt, das entstehen mag, wenn die Donau Kinder einschlürft – ungefähr wie wenn man mit dem Strohhalm auf dem Grund eines Eisbechers angekommen ist und den Rest rauszuzelt, was die Erwachsenen nicht gern hören. Nur lauter. Aber angst hat sie mir nie gemacht, und daß ich beim Schwimmenlernen in der Donau so gebrüllt habe, war, weil es ein kalter Sommer gewesen ist und ich den Schwimmlehrer mit seiner Angel gehaßt habe. Er hieß Hölzl, was für einen Schwimmlehrer ein guter Namen ist.

In einer amerikanischen Illustrierten hatte meine Mutter gelesen, man sollte schon Kleinstkindern das Schwimmen beibringen. Das tat sie, eingedenk der Gefräßigkeit des Flusses, aber sie war grade frisch befreit und konnte nicht so gut Englisch, deswegen hat sie überlesen, man sollte das in warmem Wasser tun. Sie hätte mir das Schwimmen fürs Leben verleiden können, aber nichts war: Ich wurde flußsüchtig und bin es geblieben.

Die Schwimmpontons in der Donau rochen nach warmem Holz und Karbolineum, der Fluß selber nach grünem Moder, Schlamm und ein bißchen nach Fisch, ein schattiger Geruch. Die jungen Frauen lagen vor ihren Badehütten, ganz kühne in zweiteiligen Badeanzügen, und sprachen vom Braunwerden und von ertrunkenen Kindern. Braun war die Donau von mitgerissenem Schwemmland, und Baumstämme trug sie eilig vorbei, die auf den Wellen Bewegungen machten wie bockende Rösser. Wir Kinder saßen in unseren Sandkuhlen am Ufer, gruben Kanäle, die sich rasch mit dem dunklen Wasser füllten, manchmal geriet ein unglücklicher Stichling in unser Hafensystem, das war toll. Wir erwogen, ob man ihn braten sollte oder mit ihm neue Fische züchten, ob man ihm das Springen beibringen könnte und wie lang er an Land leben würde, bis meine Mutter oder irgendein anderer Erwachsener kam und mit der Handkante einen Zugang ins offene Meer haute. Dann waren wir beleidigt, schauten dem Fisch hinterher und warteten auf vorbeitreibende Wasserleichen.

Die Badeanstalt war ein kilometerlanges Uferstück an der Donau, nicht weit außerhalb der Stadt Regensburg, und sie hieß »die Milli«. Gemma in d’Milli. Man belud Körbe und Strohtaschen, Fahrräder und Bollerwägelchen und zog jeden Nachmittag in d’Milli. Manche hatten Häuserchen am Ufer stehen, nicht einfach Hütten, sondern richtig sündig ausstaffierte Lauben mit bunten Stoffbespannungen an der Wand und Kissen auf den Feldbetten. Wir hatten auch so ein Luxushüttchen, gelb, und an den Wänden war eine Art Tüll gespannt, den jemand mit riesigen Sonnenblumen bemalt hatte. Es gab eine kleine Terrasse und Blumenkästen. Die Flaschen mit weißer Limonade, die man Kracherl nannte, wurden an Schnüre gebunden und in den Fluß gehängt.

Viele Jahre später erfuhr ich den richtigen Namen der Milli, die nämlich eigentlich Militärschwimmschule hieß, und noch später holte sich die Donau unser gelbes Sommerhaus und trug es eilig davon. So war sie, so ist sie immer noch. Erst kurz vor Wörth, hieß es, hätten sie ihr das Haus wieder entreißen können, aber da sah es traurig aus, und der Sonnenblumentüll war nur noch Erinnerung. Sie ist ein Weib, die Donau, und neidisch.

Wieder in einer Zeitung, diesmal gewiß nicht in einer amerikanischen, hatte meine Mutter gelesen, daß dünne Mullbinden eine guter Ersatz für Häkelwolle seien, und so häkelte sie sich einen Bikini. Die nannte man damals, glaube ich, noch nicht lange so, und sie sah prachtvoll aus, meine dunkelhäutige, schwarzhaarige Mutter in ihrem weißen Zweiteiler. Leider ist sie ganz arglos damit in die Donau gegangen, und die verwandelte das schöne Badekostüm in eine sich schnell und spurlos auflösende weiße Wolke. Wie weiland die keusche Jagdgöttin Diana wartete meine entblößte Mutter hinter irgendwelchem Wurzelwerk im Wasser, bis ihr jemand einen Kittel oder einen Bademantel geholt hatte, aber das nützte nichts. Die Regensburgerinnen hatten die nächsten Wochen was zum Tratschen, das taten sie bös und ausgiebig und trösteten sich damit drüber weg, daß sie fett und nicht so schön, braun und fremdartig waren wie meine Mutter.

Wer in einem Fluß schwimmen lernt, kann es anschließend. In irgend so einem türkisgrünen Becken, das ist ja nichts. Da lernt man es nicht besser als eine Gummiente. Weil: Schwimmen kann man erst richtig, wenn man weiß, was eine Strömung ist. Und daß man die nicht besiegen, sondern nur benutzen kann. Und wenn man aushält, daß man nicht ahnt, was alles unter einem ist, Lebendes und Totes. Die Donau bringt einem das bei, gleichmütig und gründlich. In der Milli mußte man am Eingangstürchen ins Wasser, damit man ein bißchen Strecke vor sich hatte, bis man dann an der Liegewiese und den paar Duschen ankam, ungeduldig vom lehmigen Wasser mitgerissen.

Quer hinüber auf die andere Seite kamen nur Männer, und längst nicht alle. Einfach reingehen und ein bißchen herumpritscheln ließ sie einen nicht, da war man schneller aus der Stadt draußen, als einem lieb war. An manchen Bäumen hingen feste Stricke, damit man sie unter sich durchrauschen lassen konnte, ohne abhanden zu kommen. Wir lernten erst den sogenannten Hundsdabler. Es war eigentlich unter unserer Würde, mit den Vorderpfoten zu paddeln wie Hunde, das heißt wie die Hunde anderer Leute. Unser Hund war furchtbar wasserscheu, ein großer, kräftiger Boxer, der am Ufer heulte, hin- und herrannte und fremde Männer dazu veranlaßte, uns zu retten. Er hat der Donau nie getraut, Hundsdabler hin oder her, nur abends mochte er Uferspaziergänge gern. Da gingen wir nicht in die Milli, sondern auf die Schillerwiese, und die grüne Dämmerung senkte sich sacht über den Fluß. Seine, nein ihre Ufer waren dicht bewachsen mit allerlei Büschen, und die interessierten unseren Hund sehr. Immer wieder fand er dort interessante Gegenstände, die er mit nach Hause nehmen konnte, Taschen, Flaschen, Tüten und einmal einen rosa Satinbüstenhalter von jener Art und Größe, die man früher auf Jahrmärkten kaufen konnte. Er trug das wunderbare Dessous triumphierend in der Schnauze und ließ es sich für nichts in der Welt abjagen. Die Donau hat leise und hämisch gelacht, und ich wartete, bis es ganz dunkel war, um den Hund und seine Trophäe ungesehen nach Hause zu bringen.

Aber in den Gassen unten an der Donau ist viel Leben, und die jungen Regensburger Herren waren sehr einfallsreich: Fräulein, is des Eahnara? Kannte ich ja schon, aber da hatte ich immer nur den Hund dabei. Jetzt meinten sie nicht den Hund.

In den Büschen an der Schillerwiese sind unter dem Gelächter der Donau viele kleine Regensburger gemacht worden. Um die Bräute zu beeindrucken, sprangen die Buben von der Steinernen Brücke, ungerührt vom Bruckenmanndl übersehen, und manche haben die Mutprobe nicht überlebt. Das Bruckenmanndl schaut zum Dom hinüber, und die Steinerne Brücke war für mich immer die schönste Brücke der Welt. Unzerstörbar schaut sie aus, dieses Herz Regensburgs, der Gürtel der Donau. Ihre Fundamente, große, steinerne Füße, die wie Schiffe geformt sind. Ein wenig steigt sie an, sie ist nicht grade, ihr Scheitelpunkt liegt nicht in der Mitte, nichts weiß sie von der Diktatur, unter der die Neuzeit schmachtet: der des rechten Winkels. Sie ist eine Brücke, keine über den Fluß gelegte Straße.

Wenn nur immer alle gewußt hätten, wie schön sie ist! Dann müßte man jetzt nicht, wenn man im Spitalgarten sitzt, über so einen furchtbaren Beton-Wurmfortsatz wegschauen, den sie ihr in die Seite gebaut haben. Aber sie hat schon viel ausgehalten, die Brücke, und auch den werden sie ihr wieder wegoperieren.

Die Donau schert sich sowieso nicht um die Bauwerke, mit denen man ihr in den Jahrhunderten und Jahrtausenden zu Leibe gerückt ist, sie läßt sie eilig hinter sich, beißt da und dort ein Stück weg, unterspült was, schmeißt Kiesel hin, weicht aus. Inseln hat sie und Altarme, es waren auch große Auwälder da, für deren Rest brauchts vielleicht bald ein Museum. Schnell ist sie, schnell. Mir schien immer, sie sei einer der eiligsten Flüsse, die ich kenne. Und damit man nicht traurig ist über ihre große Gleichgültigkeit den Menschen gegenüber, läßt sie hier und da was von sich zurück, träge Flußreste mit undurchsichtig dunklem Wasser, in dem die gelben Köpfe der Mummeln stehen und Molche schwimmen.

In Stadtamhof war die Dult, die ist immer noch da, aber jetzt haben sie auch den Kanal, jenes dümmste Bauwerk seit dem Turmbau zu Babel, wie Dieter Hildebrandt ihn nannte. Die sprichwörtlichen Wogen, die der Bau geschlagen hat, sind verebbt, und jetzt ist schon wieder die Rede vom Donauausbau, damit irgendwelche riesigen Containerverbände sie passieren können. Unter der Steinernen Brücke paßt sowieso nur Kleinzeug durch.

Unter dem zweiten Bogen hat sich meine Cousine durchzuschwimmen getraut, da ist der Strudel noch nicht so stark. Schwimmen im Fluß, das heißt immer Mutprobe und Größenwahn, und die Schulzeit war getränkt mit Geschichten über Siege und Niederlagen in der Donau. Auch Todesgrusel lieferte sie, so die Geschichte des Sohnes von jemandem, den man kannte, weil bei uns die ganze Stadt sich kannte bis zurück zu den Urgroßeltern: Der bedauernswerte Sohn, der Stammhalter, war in einen rostigen Rechen getreten, unter Wasser, auf der Höhe der königlichen Villa (aber das war nur einer von einem Dutzend Orten, die man sich erzählte) – und jetzt geht die Geschichte wieder auseinander, bildet gleichsam Altarme und stille Stellen. Kurzerhand ertrunken sei der Bub, so die einen. Weil er nicht schwimmen hat können, so die anderen. Eine Blutvergiftung habe ihm ein Ende gemacht, das Donaugift in der rostigen Wunde, nach furchtbaren Wochen!

Was wirklich gestimmt hat, läßt sich heute nicht mehr herausfinden, aber tot war er, und die Donau hatte schuld. Was gilt ihr schon ein Kind, eine Schafherde, ein ganzes großes Heer? Seltsamerweise ist nicht von Schätzen, sondern nur von Totem auf ihrem Grund die Rede. Oder kann man sich ein Donaugold vorstellen?

Ich erinnere mich an die Märkte am Ufer, blutige, stinkende, wunderbare Märkte. Der Fischmarkt mit den steinernen Trögen, durch die das Wasser floß, erst rot, dann rosa, dann klar. Schuppen wie Silbermünzen auf dem Pflaster, auf denen man ausrutschte. An Ostern die Lämmer, denen noch zwei Stunden zum Spielen blieben, zum Spielen mit uns Kindern. Wir wußten Bescheid. Lamm rühre ich bis zum heutigen Tag nicht an. Der scharfe Radi, vollgesogen mit Donauwasser, aus Weichs. Dreckige Kartoffeln, krumme gelbe Rüben, warzige Gurken. Auf Geschirrhandtüchern ausgebreitete Steinpilze und Walderdbeeren. Richtiges Essen, dem man die Mühsal ansah und das einem ein schlechtes Gewissen machte, weil man sich nicht dafür hatte bücken müssen und schwitzen, sondern nur den Geldbeutel herausziehen. Heute sind dort die Märkte so voll buntem Dekorationsmaterial wie überall, und man braucht sich nicht mehr zu schämen. Sogar die Blumen, die damals in alten Gurkeneimern angeboten wurden, hatten nichts Leichtfertiges oder Heiteres. Irgendwie erinnerten sie einen an Friedhöfe, obwohl sie bunt und bäuerlich waren, Bündel von struppigen Nelken und im Frühjahr dicke Sträuße von Traubenhyazinthen, die nach Zitronenwasser rochen.

Vor den Marktfrauen haben wir Kinder uns immer ein bißchen gefürchtet, sie wurden schnell bös, besonders die dürren. Sie regierten keinen Überfluß, und der Markt war nicht, wie wir das heute kennen, gegen Ende genauso voll und üppig wie am Anfang. Die Kunden stritten sich um Waren, die Marktweiber feuerten sie an. Man riß sich ein besonders fettes Hendl aus den Händen, denn es war eben nicht eins wies andere, und wenn Steinpilze oder Himbeeren aus waren, dann hatten Wald und Hecken halt nicht mehr hergegeben.

Manchmal rückte die Donau einen großen, grauen Waller heraus, der wurde dann bestaunt mit seinem schnauzbärtigen Urzeitgesicht und auf den steinernen Bänken zerteilt.

Den kennas ned ham, sagte dann die Fischfrau hämisch, der is vorbstellt.

Nachmittags trug die Donau schnell davon, was übriggeblieben war, Papier, ein paar faule Äpfel, Salatblätter, Fischblut. Und abends gabs dann im Ratskeller, als der noch ein ganz feines Restaurant war, Waller im Wurzelsud. Mir kams vor, als fräßen sie einen König auf.

Im Ratskeller aß ich sowieso keinen Fisch, denn im alten Neptunsbrunnen schwammen Forellen, die man persönlich kennenlernen konnte, bevor man sie blau und krumm, mit weißen Augen, auf den Teller gelegt bekam. Nach einigen durchheulten Restaurantbesuchen traute sich keiner aus der Familie mehr, Forellen zu essen. Höchstens Müllerin. Da sah man es nicht so.

Mein Großvater väterlicherseits entfloh der Familie, um fischen zu gehen. Viele selig verstummte Männer mit Angelruten und Blecheimern saßen da, auf der Stadtamhofer Seite, eine Stunde stadtauswärts am weidengesäumten Ufer. Jeder hatte seinen Lieblingsplatz, und das äußerste an Geschwätzigkeit war: Heut beißens ned.

Für die Würmer gab es ein Zinnhaferl mit einem Deckel und durchlöchertem Boden. Wie viele Ehen mochte das Fischen gerettet oder zumindest erträglich gemacht haben! Ich wurde nicht oft mitgenommen, weil ich so um die Fische heulte. Mein Großvater war ein schwerer Mann mit einem Zwicker am Band, weißem Schnäuzer und einem Hang zu Gedichten. Er schrieb sogar selber welche. Obwohl er in Bayreuth geboren war, liebte er die Donau. Wahrscheinlich hat er ihr seine poetischen Gedanken anvertraut, und sie schenkte ihm dafür das eine oder andere bescheidene Fischchen, als Alibi für daheim. Fisch aß er niemals. In seinen Nachrufen aus dem Jahr 1955 lese ich, daß er ein großer Sportfischer und Schützenkönig gewesen sei, ein Vorbild für die Jugend. Leider sind all seine schönen Schießscheiben verschwunden, ich erinnere mich an grobe, naive Darstellungen von Hirsch und Sau, aber auch an die Steinerne Brücke, den Dom und natürlich die Donau.

So wie auf Schießscheiben und Votivbildern sollte sie immer gemalt werden, ohne Dramatik, ein eiliger, unromantischer Bauernfluß, das Wasser ist das Wasser, die Berge Berge und der Mond eben der Mond.

Der hat sie auch gut gekannt, der uns einst das romantische Glotzen verboten hat, an einem ihrer Nebenflüsse ist er geboren, an einem ihrer Söhne, und wenn er sich dann auch an die Spree davongemacht hat: Die Verwandtschaft hat man ihm doch immer angemerkt, auch sehr weit weg noch, in der Emigration.

»Man soll den Himmel anschaun und so tun / Als ob einen ein Weib trägt, und es stimmt. / Ganz ohne großen Umtrieb, wie der liebe Gott tut / Wenn er am Abend noch in seinen Flüssen schwimmt.«

Ja, das haben wir von Anfang an gelernt, beim Schwimmen im Fluß: Man braucht, grade wie der liebe Gott, gar nichts zu tun. Wenn man am Eingang zur Milli vom Ponton ins Wasser gestiegen ist, hat man sich nur tragen lassen müssen von ihr – und zusehen, daß man wieder rauskam. Flußaufwärts hätte sie einen nicht gelassen.