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Nr. 327

 

Meister der Magie

 

Aufruhr in der Großen Barriere von Oth

 

von Marianne Sydow

 

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Sicherheitsvorkehrungen haben verhindert, dass die Erde des Jahres 2648 einem Überfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist. Doch die Gefahr ist nur eingedämmt worden, denn der Invasor hat sich auf der Erde etabliert – als ein plötzlich wieder aufgetauchtes Stück des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlantis.

Atlan und Razamon, der Berserker, haben als einzige den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Herren der FESTUNG ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen. Die Männer sind auf einer Welt der Wunder und der Schrecken gelandet. Das Ziel der beiden ist, die Beherrscher von Pthor schachmatt zu setzen, auf dass der Menschheit durch die Invasion kein Schaden erwachse.

Nach vielen gefahrvollen Abenteuern, die am Berg der Magier ihren Anfang nahmen, haben Atlan und Razamon, denen sich inzwischen drei Gefährten angeschlossen haben, das Zentrum der Dunklen Region erreicht und den harten Kampf um das Goldene Vlies siegreich bestanden.

Während unsere Helden sich anschließend in Richtung FESTUNG auf den Weg machen, blenden wir um zur Großen Barriere von Oth.

Dort breitet sich Unruhe unter den Bewohnern aus, als eine Botschaft eintrifft. Die Stunde der Entscheidung naht für die MEISTER DER MAGIE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Koratzo – Ein Magier von der Tronx-Kette.

Querllo, Opkul, Wa, Ssissnu und Haswahu – Koratzos Gefährten.

Copasallior – Oberster Magier von Oth.

Malvenia – Copasalliors ungehorsame Geliebte.

Falkanz, Doptor und Schoßta – Drei Eindringlinge in der Großen Barriere.

1.

 

Koratzo sah der Bestie in die Augen, während er langsam auf sie zuging. Seit über einer Stunde hatte er die magischen Wörter gesprochen, die die Bestien besänftigen und beruhigen sollten. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem er das Experiment mit einem durchschlagenden Erfolg zu krönen gedachte.

Dreißig Meter. Koratzo sprach immer noch. Die Bestie stand ruhig vor ihm. Es war ein mächtiges Wesen mit einem Schuppenpanzer, der an einigen Stellen von hornartigen Auswüchsen und zottigen Haarbüscheln unterbrochen war. Den mächtigen Schädel hatte es leicht gesenkt. Koratzo sah die langen, gelben Zähne, die funkelnden, roten Augen und die scharfen Krallen an den sehnigen Echsenbeinen. Der Stimmenmagier lächelte flüchtig, als er sich daran erinnerte, was seine Freunde von den Bestien hielten. Er fürchtete sich nicht. Er vertraute auf seine Magie. Zahlreiche Experimente hatten ihm bewiesen, dass er auf dem richtigen Weg war. Wenn seine Heilssprache auf dieses hirnlose Ungeheuer wirkte, musste sie beim Einsatz gegen schwächere Wesen noch bessere Resultate erbringen.

Langsam ging er noch näher heran. Er wollte das Ungetüm berühren. Erst dann war sein Erfolg perfekt.

Zwanzig Meter. Die Bestie regte sich nicht. Koratzo sprach weiter, monoton und gleichmäßig, während er die Bestie im Auge behielt. Noch nie war er so nahe an sie herangekommen. Er bewegte sich wie in einem Rausch. Diesmal musste es gelingen!

Im selben Augenblick nieste das Ungetüm. Sand wirbelte auf und drang dem Stimmenmagier in die Augen. Für Sekunden war er fast blind, während ihm die Tränen über das Gesicht liefen. Unter Aufbietung aller Selbstbeherrschung zwang er sich, weiter die magischen Wörter zu murmeln – bis die Welle von Gestank ihn traf, die die Bestie von sich gab.

Koratzo wusste, dass er damit das Spiel verloren hatte. Die Stimme versagte ihm, in seinem Hals würgte es, und er bekam einen Hustenanfall. Gleichzeitig drehte er sich um und stolperte in Richtung auf die Absperrung davon.

Die Bestie brauchte ein paar Sekunden, um sich auf die Veränderung einzustellen. Koratzo hatte das Ungeheuer mit seinen Beschwörungen in Trance versetzt – die Bestie hatte keine Ahnung, wie dieser freche Wicht überhaupt in ihre Nähe geraten war. Sie betrachtete das Ding, das sich bewegte und seltene Laute von sich gab, erstaunt und verwirrt. Dann erwachte der Zorn in ihr. Sie erinnerte sich vage daran, dass man sie hier eingesperrt hatte. Sie wollte zurück in die wilden Weiten der Ebene Kalmlech. Der Wicht dort vorne hatte etwas mit den Sperren zu tun, die die Bestie mit all ihrer Kraft nicht durchbrechen konnte.

Das Monstrum brüllte zum Zeichen, dass der Kampf eröffnet war. Es tat den ersten Schritt, und der Boden erbebte leicht. Koratzo rannte so schnell er konnte auf ein Tor zu, hinter dem er sich in Sicherheit bringen wollte. Die Bestie stampfte hinter ihm her, zuerst schwerfällig und langsam, dann aber immer behänder.

Der Stimmenmagier wusste, dass er so gut wie tot war. Das Tor war zu weit entfernt. Da er sich ganz auf seine Fähigkeiten verlassen hatte, trug er nicht einmal die kleinste Waffe bei sich. Er rannte eigentlich nur deshalb weiter, weil er nicht tatenlos auf das Ende warten wollte. Das Ungetüm hinter ihm brüllte abermals, und Koratzo hielt sich unwillkürlich die Ohren zu. Gleichzeitig sah er auf und entdeckte weit über sich, auf dem Plateau vor seiner Wohnhalle, ein paar kleine Gestalten.

Er hatte über seinen Experimenten fast vergessen, dass an diesem Tag ein Treffen stattfinden sollte.

Seine Freunde mussten bemerkt haben, dass in der Schlucht etwas nicht stimmte. Die Hoffnung verlieh ihm neue Kräfte. Er warf sich vorwärts. Hinter ihm schnaufte die Bestie enttäuscht. Sie hatte gerade nach dem Magier geschnappt und ihn nur um wenige Zentimeter verfehlt.

Gleich darauf erhielt das Ungetüm noch mehr Grund, sich zu wundern. Glühende Dinger tanzten vor seiner Nase herum. Sie irritierten die Bestie so sehr, dass sie stehen blieb. Sie versuchte, einen der tanzenden Punkte herunterzuschlagen, aber das Ding war zu schnell. Sie schnappte danach und brüllte entsetzt auf, als der Punkt zu einer leuchtenden Wolke anschwoll. Ängstlich wich die Bestie aus. Die Lichter folgten ihr. Erst als Koratzo die Sperren hinter sich gelassen hatte, verschwanden die Leuchterscheinungen.

Das Ungeheuer sah sich um und stellte fest, dass seine Beute verschwunden war. Ärgerlich stampfte es quer über den Platz und ließ sich gegenüber dem Tor in den Sand fallen. Irgendwann musste das Opfer zurückkehren.

 

*

 

Koratzo stammelte die magischen Worte, durch die allein er die Lücke in der Sperre zu schließen vermochte. Nachdenklich betrachtete er das kaum sichtbare Band, hinter dem die Bestie gefangen war. Fast wäre es schiefgegangen. Warum hatte das Biest auch niesen müssen! Beim nächsten Versuch musste er die Körperfunktion des Ungeheuers besser beobachten und solche Reaktionen rechtzeitig ausschließen.

Koratzo seufzte bei dem Gedanken daran, dass es mit den Ungeheuern von den Horden der Nacht offensichtlich nichts als Ärger gab. Schlagartig erinnerte er sich an die Situation außerhalb der Barriere von Oth. Noch hatten die Herren der FESTUNG den Horden der Nacht den Weg nach draußen nicht ebnen können. Und es schien, der Tag der Göttersöhne kam vielleicht doch, wie es uralte Überlieferungen vorausgesagt hatten.

Die Herren der FESTUNG hatten auf diesem Planeten schon einige böse Überraschungen erlebt. Koratzo gönnte es ihnen. Im Gegensatz zu vielen anderen Magiern billigte er die Untaten der Herren nicht. Und er konnte auch nicht einfach die Augen davor schließen und so tun, als wüsste er nicht, was die Horden der Nacht bei ihren Vernichtungszügen anstellten.

Er öffnete mit einem Schnalzer seiner Finger die Quelle und wusch sich den Staub aus dem Gesicht. Ein weiteres Schnalzen verwandelte das Wasser in eine Flüssigkeit, die wie Wein schmeckte, aber kaum Alkohol enthielt. Dafür war sie mit den belebenden Pollen der Sternblumen versetzt. Koratzo trank, bis der Geschmack nach Staub von seiner Zunge verschwunden war. Dann trat er in die Höhle der Stimmenkristalle. Sein Befehl, ihn nach oben zu tragen, wurde von den Kristallen tausendfach wiederholt, in einem sehr leisen, wispernden Singsang. Gleichzeitig schwebte Koratzo sanft wie eine Feder in die Höhe, bis er das Plateau erreicht hatte.

»Das war knapp, wie?«, fragte Querllo schrill. Koratzo nickte ihm zu. Querllo war ein Zwerg, seine Stimme klang unangenehm, und mit seiner rindenähnlichen Haut bot er keinen sehr erfreulichen Anblick. Aber er war Lichtmagier, und Koratzo war durch seine Künste dem Monstrum entgangen.

»Du solltest dich von den Biestern trennen«, schlug Antharia vor. Ihr Fachgebiet war die Pflanzenmagie. »Warum versuchst du es nicht mit einem von Parlzassels Lieblingen?«

»Sie sind durch den Tiermagier bereits beeinflusst und reagieren nicht spontan genug«, wehrte Koratzo ab. »Lass es gut sein. Ich werde diesen Fehler nicht noch einmal begehen.«

»Das würde ich dir auch nicht raten!«, rief Querllo und kicherte schrill. »Stell dir vor, ich wäre nicht in der Nähe!«

»Ich würde mich gerne einmal für einen Versuch zur Verfügung stellen«, sagte Estrala verträumt. Antharia warf der jungen Frau einen wütenden Blick zu. In letzter Zeit bemühte sich Estrala immer deutlicher um Koratzo. Der Stimmenmagier war mit seiner Arbeit so beschäftigt, dass er es gar nicht zu merken schien. Aber Antharia blieb misstrauisch und vorsichtig. Wenn Koratzo sich für eine Frau entschied, dann zumindest nicht für Estrala, deren Magie nun wirklich denkbar überflüssig war. Welchen Sinn hatte es, so fragte sich Antharia immer wieder, Musik, die in diesem Augenblick irgendwo auf Pthor gespielt wurde, durch magische Mittel in der Barriere von Oth hörbar zu machen?

Da ging es schon wieder los! Und noch dazu handelte es sich um den schmachtenden Gesang eines liebeskranken Dalazaaren!

»Hör auf damit!«, sagte Koratzo ziemlich grob. »Wir haben etwas zu besprechen.«

Der Gesang hörte auf, und Estrala zog einen Flunsch. Antharia lächelte schadenfroh. Als die Gruppe Koratzos Wohnhalle betrat, ging Antharia neben dem Stimmenmagier.

Die Halle war sehr groß. Koratzos freundlichem Charakter entsprechend, spendeten Kristallkugeln ein angenehmes Licht, das die Halle bis in den letzten Winkel beleuchtete, ohne die Augen zu blenden. Es gab keinen scharfen Schatten, in dem sich etwas verbergen konnte.

Sie nahmen an einem großen Tisch mit runder Platte Platz. Auf einen Befehl des Stimmenmagiers hin erschien auf dem Tisch eine Karte von Pthor. Die Karte glich einer Luftaufnahme. Deutlich waren die einzelnen Gebiete des Landes zu erkennen. Mehr noch: Die jüngsten Entwicklungen wurden berücksichtigt. So zeichnete sich das Überschwemmungsgebiet um den Xamyhr ab, und die Eisküste hatte deutlich an Ausdehnung verloren. Nur die FESTUNG wurde selbst auf dieser absonderlichen Tischplatte nicht sichtbar. An ihrer Stelle befand sich ein verwaschener, weißer Fleck mit unbestimmten Konturen. Die Herren der FESTUNG wussten sich vor der Magie zu schützen.

»Wo sind die Odinssöhne?«, fragte Querllo.

Opkul, ein junger Magier, der den Blick in die Ferne beherrschte, dachte kurz nach und deutete dann auf einen Punkt östlich von Donkmoon.

»Sie marschieren tatsächlich zur FESTUNG«, sagte Antharia überrascht. »Es gibt keinen Zweifel mehr. Sie hätten sich sonst nicht so weit von der Straße der Mächtigen entfernt.«

»Da ist noch etwas«, bemerkte Opkul. »Es befinden sich Fremde in Pthor. Ich habe sie schon früher entdeckt, sie aber für unwichtig gehalten, da sie anscheinend ziellos durch das Land zogen. Jetzt stehen sie am Rande der Dunklen Region.«

»Das goldene Vlies wird sie angelockt haben«, vermutete Estrala.

»Ich glaube nicht, dass es sich um Abenteurer und Schatzsucher handelt«, widersprach Opkul. »Ich fürchte eher, dass sie genau wissen, wo ihr Ziel liegt hier!«

Die anderen zuckten zusammen, als Opkul mit der offenen Hand auf den weißen Fleck der FESTUNG schlug. Koratzo starrte den jungen Magier entsetzt an und räusperte sich.

»Du weißt, welche Folgen das haben kann«, sagte er, und er meinte nicht die Fremden, die ohnehin mit größter Wahrscheinlichkeit die Dunkle Region nicht lebend verlassen würden.

Die FESTUNG und ihre Herren waren tabu. Nicht einmal die Magier durften es sich erlauben, allzu offen über dieses Thema zu reden. Wer die FESTUNG oder ihre Herren darstellte, sei es im Wort oder im Bild, der war des Todes. Selbst die Berührung des weißen Flecks auf der magischen Karte konnte schlimme Folgen nach sich ziehen.

Opkul zuckte verächtlich mit den Schultern.

»Die Herren haben andere Sorgen, als sich mit einem unbedeutenden Magier zu befassen. Die Odinssöhne, die alten Sagen von Ragnarök, die Schwierigkeiten auf diesem Planeten, und dazu auch noch die Fremden – das dürfte ihnen zu schaffen machen.«

»Leider«, murmelte Querllo und brachte das Gespräch damit wieder auf das eigentliche Thema. »Sie werden von uns Waffen fordern.«

»Das stimmt. Nachdem selbst der Kartaperator verlorenging, werden sie zu jedem Mittel greifen, das Erfolg verspricht. Wir hier in der Tronx-Kette sind uns einig darüber, dass unsere Magie nicht weiter im Sinn der FESTUNG eingesetzt werden darf. Sie soll positiv wirken, anstatt zur Vernichtung blühender Welten beizutragen.«

Koratzo hatte sich in Eifer geredet, seine blauen Augen leuchteten. Querllo und die anderen dagegen sahen pessimistisch drein.

»Auf diese Einigkeit würde ich mich an deiner Stelle nicht zu sehr verlassen«, murmelte Opkul düster. »Selbst in der Tronx-Kette gibt es Leute, denen es egal ist, was mit ihren Entdeckungen geschieht. Sie wollen in Ruhe arbeiten, alles andere geht sie nichts an.«

»Sie werden umdenken müssen«, sagte Koratzo hart.

»Das ist leicht gesagt. Auf mich kannst du zählen, auf Querllo auch – aber wie willst du zum Beispiel Copasallior dazu bringen, weiter als bis zum Fuß des Crallion zu denken? Außerdem werden die Herren der FESTUNG ziemlich ungehalten sein, wenn wir ihre Wünsche diesmal nicht erfüllen.«

»Über all das habe ich hundertmal nachgedacht, Opkul«, knurrte Koratzo verärgert. »Wenn ich erst meine Heilsprache voll entwickelt habe, werden sich die Probleme in Nichts auflösen.«

Die anderen schwiegen. Diese besondere Sprache, an der Koratzo unermüdlich arbeitete, sollte Glück und Frieden für alle Lebewesen bringen. Niemand zweifelte daran, dass es Koratzo eines Tages gelingen würde, seinen Traum zu erfüllen, aber bis dahin verging mit Sicherheit noch viel Zeit – zu viel Zeit, denn sie hatten nur noch wenige Tage, bis die Entscheidung fallen musste.

Sie starrten auf die Tischplatte und zerbrachen sich die Köpfe darüber, wie sich die Idee von der positiven Magie verwirklichen ließ, ohne dabei die Herren der FESTUNG auf dumme Gedanken zu bringen. Als freie Magier waren sie vor langer Zeit in dieses Land gekommen, und aus freiem Willen hatten sie beschlossen, die Reisen Pthors mitzumachen. Sie hatten den Herren der FESTUNG das Recht zugesprochen, über Erkenntnisse und Erzeugnisse der Magier zu verfügen.

Wie ließ sich die Freiheit zu forschen behalten und andererseits der Missbrauch der Magie durch die Herren verhindern?

2.

 

Copasallior, der Weltenmagier, schwebte in sechstausenddreihundert Metern neben dem Gipfel des Crallion und betrachtete zufrieden seine Heimstatt. Er fand, dass ihm als dem obersten und wichtigsten Magier eine imponierende, außergewöhnliche Behausung zustand. Und sein Quartier war wirklich ausgefallen.

Auf dem flachen Gipfel des Crallion füllte eine Quelle einen kleinen See, der drei Wasserfälle speiste. Sie donnerten über viele hundert Meter senkrecht nach unten, ehe sie sich zu einem tobenden Wildbach vereinigten. Eine Serpentinenstraße führte an ihnen vorbei bis zur Gipfelregion des Bergriesen, und in den Gipfel hineingebaut war Copasalliors Wohnung, ein gewaltiger Komplex von Höhlen, die dem Weltenmagier allen erdenklichen Luxus boten.

Copasallior selbst brauchte die Straße eigentlich nicht, aber als Anführer der Magier musste er an die Bedürfnisse der anderen denken, die nicht wie er über die Fähigkeit verfügten, Flugfelder zu erreichen.

Der Crallion bot ein paradiesisches Bild. An seinen gewaltigen Flanken wechselten sich schattige Wälder mit blühenden Wiesen ab. Copasallior liebte die Höhe, nicht aber die Kälte und den Schnee. Darum hatte er für seinen Berg alle sonst gültigen Gesetze abgeschafft. Die Blütenpracht reichte bis an das Plateau mit dem Gipfelsee heran. Und da Breckonzorpf, der Wettermagier, sich hüten würde, es mit dem Weltenmagier zu verderben, bekam Copasalliors Berg nur das Beste vom Besten: Leichten Regen in der zweiten Hälfte der Nacht, milden Sonnenschein am Tage und schützende Wolken, sobald man auf einem Planeten mit zu starker Sonneneinstrahlung landete.

Copasallior ließ das Flugfeld etwas absinken, bis er über einer Lichtung trieb, auf der eine Herde Ortnys weidete. Das waren Tiere, die die Größe und Gestalt von Hirschen besaßen, statt des Geweihs jedoch glänzende, spitze Hörner trugen. Außerdem war ihr Fell mattblau. Der Weltenmagier dachte daran, dass er lange nicht mehr auf die Jagd gegangen war. Daran war unter anderem Malvenia schuld. Seit Wochen trieb sie irgendwelche geheimnisvollen Dinge im Eistal – Copasallior kam einfach nicht dahinter, worum es sich handelte. Jedenfalls war sie zur Zeit noch störrischer als sonst. Manchmal befielen den Weltenmagier ernsthafte Befürchtungen, Malvenia könnte sich einen anderen Geliebten zugelegt haben.

Diese Gedankengänge verdarben ihm die gute Laune, und auch zum Jagen hatte er plötzlich keine Lust mehr. Ungeduldig trieb er das Flugfeld bis an den Eingang zu seiner Höhlenwohnung.

Schon von draußen hörte er ein unangenehmes Brummen. Copasallior erschrak, denn dieses Geräusch kannte er nur zu gut. Hastig eilte er durch verschiedene Räume. Sein weites, dunkles Gewand wehte wie ein düsterer Schatten.

An dem Funkgerät, das die Herren der FESTUNG vor langer Zeit an diesen Platz hatten bringen lassen, glühte ein roter Knopf. Copasallior war so nervös, dass er mit seinen sechs Händen durcheinandergeriet. Endlich gelang es ihm, das Gerät einzuschalten.

Falls die Herren der FESTUNG über die lange Wartezeit verärgert waren, so zeigten sie es wenigstens nicht. Die Stimme, die aus dem Lautsprecher drang, klang seelenlos und dumpf. Dem Weltenmagier, der sich nicht gerade durch übermäßige Sensibilität auszeichnete, lief ein Schauer über den Rücken. Mühsam konzentrierte er sich auf die Botschaft, die er empfing.

»An alle Magier der Großen Barriere von Oth ergeht folgende Weisung: Haltet euch und eure Waffen bereit. Gefährliche Veränderungen kündigen sich an. Ihr werdet mit euren Mitteln der FESTUNG helfen, die Ordnung auf Pthor zu wahren. Wir werden euch rufen, wenn es soweit ist.«

»Aber ...«, begann Copasallior und verstummte dann ärgerlich, denn mit hörbarem Knacken wurde die Verbindung unterbrochen.

Der Weltenmagier murmelte einen Fluch –