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Nr. 196

– ATLAN exklusiv Band 57 –

 

Der Blaue von Somor

 

Die Mikrowelt zeigt ihre Tücken – Atlan auf der Flucht vor Sklavenjägern und Dämonen

 

Marianne Sydow

 

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Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III., ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Herrschaft antreten zu können.

Gegen den Usurpator kämpft Gonozals Sohn Atlan, Kristallprinz und rechtmäßiger Thronerbe des Reiches, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen, die Orbanaschols Helfershelfern schon manche Schlappe beibringen konnten.

Mit dem Tage jedoch, da der Kristallprinz Ischtar begegnet, der schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, scheint das Kriegsglück Atlan im Stich gelassen und eine Serie von empfindlichen Rückschlägen begonnen zu haben, die schließlich zu einer erneuten Versetzung des Arkoniden in die Mikrowelt führten.

Dort – nach turbulenten und gefahrvollen Abenteuern mit Dophor, Gjeima und den Jansonthenern – hat Atlan weder von Grek 3, dem Erfinder des »Zwergenmachers«, noch von Prinzessin Crysalgira, dem Experimentierobjekt der Maahks von Skrantasquor, bisher eine Spur entdecken können.

Doch Atlan gibt trotz widrigster Umstände nicht auf. Er schlägt sich durch – und sein seltsamer Begleiter auf dem Wege durch die Tücken der Mikrowelt ist DER BLAUE VON SOMOR ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Kristallprinz lernt die Tücken der Mikrowelt kennen.

Beikla und Zickjal – Zwei Bruchpiloten von Somor.

Unao und Saia – Mitglieder eines allzu freundlichen Völkchens.

Vruumys – Ein Raumfahrer des Mikrokosmos.

1.

 

In meinem Kopf dröhnte es, als hätte man darin eine riesige Glocke angeschlagen. Fauler Gestank drang mir in die Nase. Ich fühlte Schlamm unter meinen Händen. Mir war kalt.

Über das Dröhnen in meinem Kopf hinweg hörte ich das Glucksen von fließendem Wasser, dazwischen ein schmatzendes Geräusch. Ich stemmte mich mühsam mit den Armen hoch, und das Schmatzen verstummte. Dafür zerriss ein urweltliches Brüllen mir fast die Trommelfelle. Ein stechender Schmerz raste durch meine Stirn, als ich meine von Schweiß und Schlamm verklebten Augen aufzwang.

Fünf Meter entfernt hatte ein riesiges Tier die säulenförmigen Beine in den Schlamm gerammt. Es hielt den Kopf gesenkt. Tückische, blutunterlaufene Augen starrten mich an, und die Spitzen der gewaltigen Hörner glitzerten vor Nässe. Aus den faustgroßen, violetten Nüstern drangen kleine Dampfwolken. Ein Vorderbein hob sich und schlug ein paar Schlammbrocken aus dem Boden.

Ich tastete an meinem Körper entlang – der Gürtel war leer. Nicht einmal ein Messer steckte in den Schlaufen.

Das Tier unternahm einen kurzen Ausfall in meine Richtung. Es raste auf mich zu, als wollte es mich in den Boden stampfen, aber plötzlich kehrte es an seinen Ausgangspunkt zurück, blieb dort stehen und betrachtete mich wütend.

Ich ignorierte das Dröhnen in meinem Kopf und das schmerzhafte Ziehen in sämtlichen Muskeln. Mit einem wilden Schrei sprang ich auf. Meine Füße fanden keinen festen Halt in dem wässerigen Schlamm, und ich ruderte verzweifelt mit den Armen in der Luft herum. Das wirkte auf meinen Gegner aus irgendeinem Grund furchteinflößend. Der Koloss warf sich beinahe in der Luft herum und stürmte auf die mit graugrünem Gestrüpp bewachsene Böschung zu. Als ich den Kampf gegen die Schwerkraft aufgab und in den Schlamm zurückplumpste, verschwand das gehörnte Ungetüm gerade über den Rand der Böschung.

Ich blieb sitzen und sah mir endlich die Umgebung an, in der ich erwacht war.

Die Schlammbank füllte eine kleine Bucht im felsigen Ufer des Stromes aus. Hinter mir, wo das Wasser um scharfe Klippen gurgelte, klammerte sich ein verkrüppelter Baum mit seinen zähen Wurzeln fest. Einer der untersten Äste hatte den Ballonkorb aufgefangen, in dem ich in der vergangenen Nacht den Fluss hinabgetrieben war. Ein feiner kalter Regen fiel. Der Himmel war von einer dichten, bleigrauen Wolkenschicht überzogen, und das jenseitige Ufer des Stromes verschwamm im Dunst. Mühsam rappelte ich mich auf und watete zu den Überresten des Ballons hinüber. Die hölzerne Gondel war schon vorher nicht gerade wasserdicht gewesen. Jetzt klafften breite Lücken in der Außenwand, und der Innenraum war zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Ich suchte nach Ausrüstungsgegenständen, die die wilde Fahrt überstanden hatten, fand jedoch nichts.

Ein leichter Wind kam auf und trieb mir den Regen ins Gesicht. Ich zitterte vor Kälte. Meine Kombination klebte wie ein nasser Panzer auf meiner Haut.

Ich wandte mich der Böschung zu und folgte den Spuren des riesigen Tieres. Sie brachten mich zu einem Trampelpfad von beachtlicher Breite, der schnurgerade den steilen Hang hinaufführte. Rechts und links wuchsen niedrige Büsche. Sie waren spärlich belaubt, dafür aber mit zahlreichen scharfen Dornen besetzt. Der Aufstieg war äußerst unbequem, denn der Pfad war nicht nur steil, sondern auch ungeheuer glitschig.

Keuchend erreichte ich eine grasbewachsene Fläche, von der aus ich endlich das Gelände hinter der Böschung überblicken konnte. Der Anblick war entmutigend.

Rechts und links kennzeichneten niedrige Felsen und kümmerliche Bäume den Verlauf des Flusses. Landeinwärts erstreckte sich eine weite, leicht gewellte Grasfläche, die stellenweise von graugrünen Buschgruppen und stumpf glänzenden Wasserlachen durchbrochen wurde. Nirgends gab es auch nur eine Spur von Besiedlung. Die unglückselige Fahrt den Fluss hinunter hatte mich in eine menschenleere Gegend dieses Planeten gebracht. Wie sollte ich hier einen Hinweis darauf finden, wohin es die arkonidische Prinzessin Crysalgira und den Wasserstoff-Methan-Atmer Grek 3 verschlagen hatte?

Genau wie ich waren diese beiden ungleichen Wesen durch den »Zwergenmacher« der Maahks in den Mikrokosmos versetzt worden. Ich betrachtete es als selbstverständlich, dass wir auf ein und demselben Planeten des Miniaturuniversums angekommen waren, aber bisher hatte ich vergeblich nach ihnen gesucht. Die einzigen, die mir etwas über ihren Verbleib verraten konnten, waren die Eingeborenen dieser Welt. Ich hatte bereits mit mehreren Stämmen Kontakt gehabt und dabei zum Teil recht unerfreuliche Erfahrungen gesammelt. Von dem Maahks und der Prinzessin wussten sie nichts, aber ich gab die Hoffnung nicht auf. Es ging nicht nur darum, den beiden zu helfen, sondern ich musste auch einen Weg finden, auf dem ich den Mikrokosmos wieder verlassen konnte. Grek 3 kannte sich mit dem Molekularverdichter, dem wir unsere Lage verdankten, bestens aus. Darum hoffte ich, dass er uns auch den Rückweg zu zeigen vermochte.

Ich musste niesen, und das brachte mich zu der Einsicht, dass ein ganz anderes Problem im Augenblick Vorrang hatte. Ich brauchte einen Unterschlupf, in dem ich mich und meine Kleider trocknen konnte.

Rechts ragte in geringer Entfernung ein Gewirr von Felsbrocken auf, in dem ich ein trockenes Plätzchen zu finden hoffte. Kurz vor dem Ziel sah ich einen kleinen Baum, an dessen dürren Zweigen faustgroße, goldgelbe Früchte hingen. Der bloße Anblick brachte meinen Magen zum Knurren. Gierig riss ich eine Frucht ab – und schleuderte sie mit einem Fluch ins Gras.

Meine Hand brannte, als hätte ich weißglühendes Metall berührt, und eine Welle von Schmerzen jagte durch meinen rechten Arm. Hastig wischte ich die Hand an einem Büschel Moos ab, und die Schmerzen ließen etwas nach. Ich schlug einen beachtlichen Bogen um den gemeingefährlichen Baum.

Einige Sekunden darauf vergaß ich den Vorfall, denn plötzlich bemerkte ich ein Geräusch, das nicht in diese Einöde passte. Ich blieb stehen und lauschte. Das ferne Brummen schwoll allmählich an und ließ sich wenig später deutlich identifizieren. Es handelte sich um das Arbeitsgeräusch eines Motors und kam eindeutig aus der Luft.

Ein Flugzeug?

Ich starrte nach oben, aber die dicken Regenwolken hingen tief herab, und ich sah nichts. Dafür mischte sich in das Brummen ein hohes, dünnes Pfeifen. Als die Quelle des Geräusches über mich hinwegzog, duckte ich mich unwillkürlich, und dann endlich sah ich die seltsame Maschine.

Sie schwebte höchstens zwanzig Meter über den letzten Ausläufern der Felsen, es musste in Kürze eine harte Landung geben. Zwar verringerte sich die Geschwindigkeit, aber der Winkel, in dem das Flugzeug sich dem Boden näherte, war ausgesprochen gefährlich.

Ein merkwürdigeres Flugzeug als dieses hatte ich noch nie zu Gesicht bekommen. Es mochte zehn Meter lang sein und bestand hauptsächlich aus einem Gewirr von aneinandergefügten Metallstreben. Im vorderen Teil dieses langgestreckten Gitterkäfigs saßen zwei fast kugelrunde Gestalten. Nur daran, dass der eine der beiden Flugkünstler aufgeregt mit den Armen herumfuchtelte, erkannte ich, dass es sich bei den Kugeln überhaupt um Lebewesen handelte. Ich sah den wirbelnden Kreis eines Propellers und die beiden viel zu kleinen Tragflächen und wunderte mich darüber, dass dieses Gerät sich überhaupt in die Lüfte erhoben hatte.

Einer der beiden Piloten bemühte sich verzweifelt, die Nase der Maschine aufzurichten, aber der Versuch scheiterte kläglich. Das hochbeinige Fahrgestell berührte kurz den Boden und brach mit einem hässlichen Knirschen ab. Schwerfällig wie ein verwundeter Vogel tat das Flugzeug einige Sprünge, bei denen die Insassen von ihren Sitzen geworfen wurden, dann rutschte es noch ein Stück durch eine ausgedehnte Schlammpfütze und drehte sich dabei auf die Seite. Als es endlich zum Stillstand kam, ragte die eine Tragfläche steil in die Höhe, während die andere zweifellos abgebrochen war.

Ich rannte durch das kniehohe Gras zu der Unglücksstelle. Als ich das Wrack erreichte, gab der Motor gerade eine letzte Serie blubbernder Geräusche von sich, dann verstummte er, und dafür erklang ein wildes, absolut unverständliches Schnattern.

Ich spähte in das Gewirr der Streben und entdeckte einen der kugelrunden Passagiere.

Der Fremde steckte unmittelbar unter einem der Sessel zwischen zwei Metallstangen und zeterte fürchterlich. Ein kurzes Stück vor ihm lag sein Gefährte bewegungslos zwischen einem Wust von Decken und Ausrüstungsgegenständen.

Ich sah mich vergeblich nach einer Lücke um, die groß genug war, um in den Gitterrumpf einzudringen und den beiden zu Hilfe zu eilen. Das laute Palaver des eingeklemmten Fremden riss keine Sekunde lang ab, und erst als ich mit den Fäusten gegen die Streben hämmerte, wandte er den Kopf in meine Richtung.

Er trug einen Schutzhelm, dessen Sichtteil so mit Schlamm bespritzt war, dass ich von dem Mann selbst vorläufig fast nichts sah. Von seinen lautstarken Anweisungen verstand ich natürlich nichts, und er brauchte eine Weile, um diese Tatsache zu verdauen. Als er in seiner Ratlosigkeit endlich einmal den Mund hielt, versuchte ich es mit der Sprache der Dophor-Sippe.

»Wo ist die Tür?«

Sekundenlang blieb es still, dann ruckte der Arm des Dicken hoch. Ich sah in die angegebene Richtung und entdeckte einen Riegel.

»Nach rechts schieben!«, radebrechte die Kugel mühsam.

Der primitive Mechanismus hatte sich verklemmt. Erst nach einigen Anstrengungen gelang es mir, den Riegel zu verschieben. Ein ohrenbetäubendes Knacken und Rasseln veranlasste mich dazu, schnell zur Seite zu springen. Es war auch höchste Zeit, denn ein beträchtlicher Teil der Gitterwand hatte durch meine Manipulationen den Halt verloren und kippte mir entgegen.

Die Kugel begann schon wieder zu schimpfen.

»Ruhe!«, brüllte ich ungeduldig.

»Du gibst dem Flugzeug den Rest!«, keifte der Kleine zurück. »Wenn du so weitermachst, wird kein Stück davon mehr ganz bleiben!«

Mir stockte der Atem angesichts einer derartigen Unverschämtheit. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und den Fremden seinem Schicksal überlassen.

Sei nicht albern!, schimpfte mein Extrahirn lautlos. Das Flugzeug ist gar nicht so schwer beschädigt. Wenn du mithilfst, es zu reparieren, hast du eine gute Chance, diese menschenleere Gegend schnell zu verlassen.

Schweigend kletterte ich zu den beiden Fremden in die Maschine. Ohne mich um das wütende Geschnatter des Eingeklemmten zu kümmern, durchwühlte ich den Haufen von Werkzeugen, der sich während der Bruchlandung selbständig gemacht hatte, fand einen Schraubenschlüssel und wandte mich damit meinem ersten Opfer zu.

Der Dicke verstummte abrupt, als er das klobige Werkzeug sah. Er zog den Kopf ein, und ich grinste. Der Fremde war nicht ganz so mutig, wie sein Mundwerk erwarten ließ. Ich besah mir die Bescherung und stellte fest, dass alles halb so schlimm war, wie es zuerst ausgesehen hatte.

Eine halbe Stunde später verließen die beiden fremden Piloten schlammverschmiert das Wrack. Ich folgte ihnen erschöpft. Erst jetzt wurde mir die Konsequenz dieser seltsamen Begegnung bewusst: mein Plan, möglichst bald erneut Verbindung mit den Bewohnern dieser Mikrowelt aufzunehmen, war schneller in Erfüllung gegangen, als ich es mir hätte träumen lassen.

 

*

 

Der kleine Fremde, der mich so ausdauernd beschimpft hatte, hörte auf den zungenbrecherischen Namen Beiklanterfaceris, was ich aus Gründen der Rationalisierung rigoros abkürzte. Ich nannte ihn »Beikla«.

Das missfiel ihm zwar, aber er wagte es nicht, gegen diese Verschandelung seines Namens zu protestieren. Seit er aus dem Wrack geklettert war, benahm er sich mir gegenüber etwas höflicher. Ich vermutete, dass das mit meiner Körpergröße zusammenhing. Selbst mit dem umfangreichen Schutzhelm auf dem Kopf reichte Beikla mir nur knapp über die Hüften.

Er zeigte sich sehr besorgt um Zickjal, seinen Gefährten, der erst nach intensiven Wiederbelebungsversuchen die Augen aufschlug – oder doch jedenfalls das, was diesen kleinen Piloten als Sehorgan diente. Beikla bettete seinen benommenen Artgenossen auf ein Bündel Decken und begann dann umständlich, sich zu entblättern. Ich sah mir inzwischen das Flugzeug genauer an, um einen Überblick über das Ausmaß der Zerstörung zu gewinnen. Mein Extrahirn behielt wieder einmal recht. Ich schätzte, dass wir knapp zwei Tage für die Reparatur brauchen würden.

Als ich von meinem Rundgang zurückkehrte, erkannte ich Beikla kaum wieder. Er war inzwischen arg zusammengeschmolzen. Zwar konnte man ihn beim besten Willen nicht als schlank bezeichnen, aber er besaß von Natur aus tatsächlich nicht die Form einer Kugel. Neben ihm türmte sich ein Berg von Kleidungsstücken, der fast so groß war wie das Männlein selbst.

»Es ist sehr kalt da oben«, machte Beikla mir klar, als er meinen erstaunten Blick auffing.

»Das kann ich mir vorstellen«, nickte ich. »Wäre es nicht besser gewesen, das Flugzeug mit Wänden auszustatten? Durch das Gitterwerk streicht der Fahrtwind ja völlig ungehindert hindurch!«

»Es handelt sich um einen Prototyp!«, antwortete Beikla würdevoll und zerrte wild an einem Riemen, der sich um seine ausladenden Hüften schlang. »Unsere besten Techniker haben Jahre gebraucht, um dieses Wunderwerk zu bauen. Durch unseren Flug haben wir wertvolle Erfahrungen gewonnen, die uns bei der Planung des nächsten Modells helfen werden.«

»Um diese Erfahrungen den verantwortlichen Technikern mitzuteilen, müsstet ihr aber erst einmal zu ihnen zurückkehren«, machte ich ihn taktvoll auf eine kleine Schwierigkeit aufmerksam.

Beikla gab den Kampf mit dem Riemen auf. Als er aufhörte, am falschen Ende zu ziehen, löste sich das Problem von selbst. Der Riemen verlor seine Spannung, und die wattierte Hose, die den letzten Teil der umfangreichen Schutzkleidung bildete, rutschte dem Kleinen in die Kniekehlen.

»Wir werden das Flugzeug reparieren!«, sagte er.

»Du wirst uns dabei unterstützen!«

Ich war überrascht. Zwar entsprach das genau meinen Vorstellungen, aber die Selbstverständlichkeit, mit der Beikla erwartete, dass ich ihm und seinem Freund half, war verblüffend.

Für Beikla war das Thema damit erledigt. Er wandte sich seinem Gefährten zu und schälte auch ihn aus seinen zahlreichen Hüllen. Ich setzte mich auf eine leidlich saubere Decke und wartete geduldig. Dabei hatte ich Gelegenheit, mir die beiden Bruchpiloten genauer anzusehen.

Ihre makellos glatte, himmelblaue Haut war völlig unbehaart. Arme und Beine wirkten im Verhältnis zu den rundlich geformten Körpern lächerlich dünn und kurz. Die kleinen Hände wiesen fünf Finger auf, die wie Würstchen aussahen, die man am vorderen Ende plattgeklopft hatte. Auf einem kurzen, dünnen Hals saß der kugelrunde Kopf, der sich in alle Richtungen drehen ließ. Ein breiter, dünnlippiger Mund lag über einem kaum angedeuteten Kinn. Wurde er zu einem Lächeln verzogen, so sah man zwei Reihen winziger, nadelspitzer Zähne. Die Nase über diesem Schlitzmund war nicht viel mehr als eine kleine Murmel mit zwei Löchern. Darüber verlief ein Augenband mit einem halben Dutzend Pupillen darin quer über das Gesicht, das zu beiden Seiten von sehr großen, dünnhäutigen, flach an den Schädel gedrückten Ohrmuscheln begrenzt wurde.

Endlich hatte auch Zickjal sich unter Beiklas Hilfestellung aus seiner panzerartigen Bekleidung befreit. Die beiden Fremden legten dünne, orangefarbene Gewänder an, stärkten sich aus einer Feldflasche, die Beikla aus dem Flugzeug holte, und waren nunmehr dazu bereit, sich mit den anfallenden Problemen zu beschäftigen.

»Wo sind wir eigentlich gelandet?«, wollte Zickjal wissen.

Beikla blickte mich fragend an.

»Ich weiß es nicht«, erklärte ich. »Ich wurde den Fluss hinuntergetrieben und habe keine Ahnung, in welchem Land ich mich finde. Woher kommt ihr?«

»Von sehr weit her!«, verkündigte Beikla wichtigtuerisch. »Wir sind Somorer. Unser Land liegt im Süden, am Blauen Meer. Hast du noch nie von uns gehört?«

»Nein«, erwiderte ich kurz.

Beikla holte tief Luft.

»Die Somorer«, begann er pathetisch, »gehören zu den technisch am weitesten fortgeschrittenen Völkern dieser Welt. Wir haben bereits unzählige Wunder vollbracht, und unser Ruhm reicht bis in die fernen Schneeberge. Aus welcher Fremde kommst du, dass du so unwissend bist?«

»Von jenseits der Schneeberge«, behauptete ich, um die Diskussion abzukürzen. Es hatte wenig Sinn, den beiden die Wahrheit auseinanderzusetzen. Wenn sie diese Karikatur von einem Flugzeug als technisches Wunder betrachten, mussten sie den Mikrokosmos zwangsläufig für ein Märchen halten.

»Jenseits der Schneeberge hausen nur Barbaren und Tiermenschen«, warf Zickjal mit breitem Grinsen ein. »Ich glaube nicht, dass Atlan uns bei der Reparatur helfen kann!«

»Er ist stark«, gab Beikla zu bedenken. »Außerdem glaube ich ihm kein Wort. Der Strom kommt aus der Richtung, in der der große Ruinenwald liegt. Er ist bestimmt ein entsprungener Sklave. Sonst würde er sich nicht ohne Begleitung in dieser gefährlichen Gegend herumtreiben!«

Die beiden unterhielten sich über dieses Thema so ungeniert, als wäre ich gar nicht vorhanden. Sie mussten wirklich sehr von sich überzeugt sein, denn sie kamen überhaupt nicht auf die Idee, dass sie mich etwa beleidigen könnten. Nach einer unergiebigen Diskussion über meinen Wert erhob sich Beikla, kroch in das Wrack und kehrte nach einigen Minuten zurück. Als er die Blätter feierlich entfaltet und auf dem Boden ausgebreitet hatte, sah ich, dass es sich um eine Landkarte handelte. Sie war handgezeichnet und wies eine imponierende Zahl von weißen Flecken auf.

»Das ist der Fluss«, murmelte Beikla im Ton einer geheimnisvollen Beschwörung. »Dort liegt der Ruinenwald, und hier das Blaue Meer. Wir haben den Dreifluss überquert und sind dann nach Norden abgetrieben. Also müssen wir uns jetzt ungefähr hier befinden.«

Seine Froschhand bedeckte ein Gebiet von der Größe eines kleinen Kontinents. Ich beugte mich ebenfalls über die Karte, in der Hoffnung, dort Näheres über dieses Land zu erfahren, aber die wenigen Linien und Zeichen sagten mir nichts.