Haupttitel

Farid ud-Din Attar

Die Konferenz der Vögel
 

Aus dem Persischen übersetzt von Katja Föllmer
marixverlag
Impressum
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.d-nb.de abrufbar.
 
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Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2011
Übersetzung: Dr. Katja Föllmer, Göttingen
Nach der Ausgabe Mohammad Reza Schafi’i-Kadkani:
Attar-e Neischaburi: Mantiq ut-Tair.
Teheran: Sochan 1384 [2005], S. 233-446.
Korrekturen: Christine Klinger, Usingen
Covergestaltung: Nele Schütz Design, München
Bild-Collage: Nele Schütz Design, München
eBook-Bearbeitung: Medienservice Feiß, Burgwitz
Gesetzt in der Palatino Ind Uni – untersteht der GPL v2
 
ISBN: 978-3-8438-0039-6
 
www.marixverlag.de

Inhalt

Über den Autor

Zum Buch

Vorwort der Übersetzerin

Einleitung

Durch Brotgenuss erworbenes Recht

Zur Beschreibung des Propheten

Das Kind im Mühlbach

Zur Beschreibung Abu Bakrs des Rechtschaffenen

Zur Beschreibung von Omar

Zur Beschreibung von Osman

Zur Beschreibung von Ali

Anekdote über Omar

Anekdote über die Opferbereitschaft Alis

Anekdote über Ali

Anekdote über Bilal

Über die Zuverlässigkeit Alis und Abu Bakrs

Anekdote über Rabi’a

Gebet Mohammads

1. Anfang des Buches: Die Versammlung der Vögel

2. Die Rede des Wiedehopfs zu den Vögeln

Erzählung Simorghs

3. Die Rede der Nachtigall

Die Prinzessin und der Derwisch

4. Die Rede des Papageien

Der Irre und Chidr

5. Die Rede des Pfaus

Der Lehrer und der Schüler

6. Die Rede der Ente

Allegorische Anekdote

7. Die Rede des Rebhuhns

Der Stein des Salomon

8. Die Rede des Geieradlers

Mahmud und der Weise

9. Die Rede des Falken

Der König und sein Sklave

10. Die Rede des Reihers

Der Weise und das Meer

11. Die Rede der Eule

Über die Liebe zum Gold

12. Die Rede des Finken

Erzählung von Jakob

13. Die allgemeine Haltung der Vögel

Fragen der Vögel an den Wiedehopf

Der schöne König

Anekdote von Alexander

Mahmud und Ayaz

14. Die Antwort des Wiedehopfs

Die Geschichte vom Scheich San’an

15. Die Vögel beschließen, zum Simorgh zu gehen

Anekdote von Bayazid

16. Der Abflug der Vögel und die Ausrede des ersten Vogels

Mas’ud und der Fischerjunge

Ein Mörder im Paradies

Mahmud und der Dornensammler

17. Die Ausrede des zweiten Vogels

Anekdote vom Scheich Nuqani

Der nackte Verrückte

Rabi’a auf der Wallfahrt

Vom Irren und den Fliegen

18. Die Ausrede des dritten Vogels

Der reuige Sünder

Gabriel und der Diener Gottes, der ein Christ war

Der Sufi und der Honigverkäufer

Worte Gottes zu Moses

Erbarmen für einen Sünder

Erzählung von Abbase

19. Die Ausrede des vierten Vogels

Schibli im Haus der Ausschweifungen

Streit zwischen zwei Sufis

Der König von Ägypten und der Verliebte

20. Die Ausrede des fünften Vogels

Der Totengräber und die Triebseele

Abbase über die Triebseele

Der König und der Bettler

Die zwei Füchse

21. Die Ausrede des sechsten Vogels

Klage Iblis’ über einen Niederträchtigen

Brotessen als Gehorsam gegenüber Satan

Bitte um Erbarmen

Tod eines frommen Mannes

22. Die Ausrede des siebten Vogels

Gold im Besitz eines Schülers

Der Scheich von Basra und Rabi’a

Die Liebe zur Nachtigall

23. Die Ausrede des achten Vogels

Die Unvollkommenheit des Schlosses

Ein Verrückter lehnt eine Einladung ab

Die Fliege im Netz des Spinne

Der Derwisch in der Wüste

Das Erblicken der Welt und der Tod

Das Verbrennen von Aloeholz

24. Die Ausrede des neunten Vogels

Über den Makel der Liebe

Verkauf einer Geliebten

Der Hund des Königs

Halladsch an der Richtstätte

Dschunaid und der Kopf seines Sohnes

25. Die Ausrede des zehnten Vogels

Die Geschichte vom Phönix

Ein Sohn trauert um seinen Vater

Über den Tod

Bitteres und süßes Wasser aus einer Quelle

Sokrates’ Grab

26. Die Ausrede des elften Vogels

Die Ablehnung eines Getränks

Der verlockende Genuss von bitterem Obst

Brot und Schläge

Eine alte Frau bittet um ein Gebet für den Frohsinn

Eine Frage nach dem Frohsinn

Eine Fledermaus will zur Sonne

27. Die Ausrede des zwölften Vogels

Das geschmückte Gefängnis

Vortritt durch Gehorsam

Dienen ist besser als Herrschen

Von der Vergänglichkeit der Würde

28. Die Ausrede des dreizehnten Vogels

Von der Freude über den Verlust des Sohnes

Die Strafe für die Vorliebe von Auberginen

Die toten Derwische

29. Die Ausrede des vierzehnten Vogels

Eine Frau bietet Garn für Joseph

Erkaufte Würde

Der Scheich unter der Brücke

Die Welt als Schachtel

30. Die Ausrede des fünfzehnten Vogels

Anekdote von Ahmad b. Hanbal

Der indische König und Mahmud

Die Prüfung des Glaubenskämpfers

Die Brüder Josephs

31. Die Ausrede des sechzehnten Vogels

Ein Verrückter und die Diener von Omid

Ein Irrer bekommt einen Ziegel auf den Kopf

Die Entschädigung für einen Esel

Der kühne Verrückte

Der Irre im Aschehaus

Anekdote von Wasiti

32. Die Ausrede des siebzehnten Vogels

Ein Schüler sieht Bayazid im Traum

Leid durch die Liebe zu Gott

Mahmud zu Gast beim Heizer

Das Wasser des anderen

33. Die Ausrede des achtzehnten Vogels

Falscher Stolz

Moses löst das Geheimnis von Iblis

Das Entsagen von Wünschen

Innere und äußere Unreinheit

Die Liebe zum Bart

Der Bart wird zum Verhängnis

Von Wolke und Seife

34. Die Ausrede des neunzehnten Vogels

Von der Liebe zu Gott

Unsterblichkeit durch Liebe

Von der Suche nach Fehlern

Zwei Betrunkene

Der Fehler im Auge der Geliebten

Schläge für einen Betrunkenen

35. Die Ausrede des zwanzigsten Vogels

Die Seele lehnt das Paradies ab

Gott spricht zu David

Ayaz lehnt die Herrschaft ab

Rabi’a spricht zu Gott

Worte Gottes an David

Mahmud vernichtet den Götzen

Mahmud verteilt die Kriegsbeute

36. Die Ausrede des einundzwanzigsten Vogels

Zulaicha prüft Joseph

Wecken zum Gebet

Die Antwort der Paradies- und Höllenbewohner

Das Gebet ohne Gebetsteppich

37. Die Ausrede des zweiundzwanzigsten Vogels

38. Das erste Tal des Suchens

Die Verfluchung Iblis’

Kein Unterschied

Madschnun sucht Laila im Staub

Geduld bei der Suche

Über die Geduld und den Sinn des Suchens

Mahmud und der Staubsieber

Die Tür ist immer offen

39. Das zweite Tal der Liebe

Die Liebe zum Getränkeverkäufer

Madschnun im Schafsfell

Ein Bettler verliebt sich in Ayaz

Der Araber bei den Glücksspielern

Ein Mann will den Geliebten töten

Abraham verweigert die Seele

40. Das dritte Tal der Gotteserkenntnis

Tränen aus Stein

Der schlafende Verliebte

Die Liebe des Wächters

Das Glück der Erkenntnis

Mahmud in der Ruine

41. Das vierte Tal der Unbedürftigkeit

Der Junge im Brunnen

Die Frage nach dem Nutzen

Das Abbild der Welt

Ein Mann lehnt das Angebot Gottes ab

Die Fliege im Honig

Ein Derwisch liebt die Tochter eines Hundehüters

Keine Rede vor Ungewaschenen

42. Das fünfte Tal der Einheit mit Gott

Das Wesen der Welt

Abu Ali und das Goldblatt

Luqman bittet um seinen Freibrief

Die Verliebten im Wasser

Mahmud und Ayaz bei der Parade

43. Das sechste Tal des Erstaunens

Die Prinzessin verliebt sich in einen Diener

Die Trauer um Tote ist besser

Der verlorene Schlüssel

Ein Scheich umkreist einen Feuertempel

Ein Schüler sieht seinen Lehrer im Traum

44. Das siebte Tal der Armut und Vergänglichkeit

Dünn wie ein Haar aus Liebe

Der Traum eines Verliebten

Die Schmetterlinge und die Kerze

Der Genickstoß

Ein Derwisch verliebt sich in den Prinzen

Der Weg zur Vereinigung

45. Das Ende der Reise der Vögel

Das Lob Madschnuns

Fragen an den Schmetterling

Die Brüder Josephs werden mit ihrem Verrat konfrontiert

Die Asche Halladschs

Die Liebe zum Sohn des Ministers

Epilog

Zuhören ist besser als Reden

Aristoteles und der Tod Alexanders

Anekdote

Der letzte Wunsch

Sinnlosigkeit des Lebens

Schibli erscheint im Traum

Die Engel mit Silber und Gold

Ein Betrunkener vor dem Derwischkloster

Worte eines Sufis

Der Käufer der Wahrheit

Salomon fragt die Ameise

Der Schmutz vom Bade

Fußnoten

Kontakt zum Verlag

Vorwort der Übersetzerin


Die Konferenz der Vögel ist wohl das berühmteste epische Werk des islamischen Mystikers Farid ad-Din Attars (ca. 1142-1221 n. Chr.). Eine vollständige Übersetzung des Textes aus dem Persischen ins Deutsche ist bislang nicht erschienen. Auszüge daraus sind von Annemarie Schimmel und Helmut Ritter übersetzt worden. Die einzige vollständige Übersetzung ins Französische erfolgte von Garcin de Tassy, die wiederum die Grundlage für englische Übersetzungen bildete.

Über Attar selbst ist nicht sehr viel bekannt. Er wurde in Nischapur im Nordosten Persiens geboren, zu einer Zeit, als die Ghaznawiden ihre Herrschaft in Chorasan bereits an die Seldschuken abgetreten hatten und die Chwaresm-Schahs ihren Einfluss in der Region vergrößerten, bis sie schließlich durch die Eroberungszüge der Mongolen untergingen. Attar soll bei einem dieser Überfälle umgekommen sein. Er zählt heute neben Dschalal ad-Din Rumi und Sana’i zu den wichtigsten persischen Dichtern der Mystik. 

Die Konferenz der Vögel beschreibt die Reise der Vögel zum Göttlichen, bei der sie mit vielen Schwierigkeiten konfrontiert werden. Die Vögel tragen ihrem Anführer, dem Wiedehopf, zunächst ihre besonderen Eigenschaften und Stärken vor, aufgrund derer sie sich nicht auf die Reise begeben wollen. Doch schließlich gelingt es dem Wiedehopf, sie dazu zu bewegen und sich mit ihm auf den Weg zu machen. Auf der Reise erkennen die Vögel ihre Schwächen und tragen dem Wiedehopf ihre Klagen und Ausreden vor, um den Weg nicht fortzusetzen. Dieser gibt ihnen jeweils eine entsprechende Erwiderung in Form eines Rates oder einer Belehrung, die er mit Anekdoten, Gleichnissen oder Geschichten von bekannten oder weniger bekannten historischen Personen illustriert. So gelangen schließlich dreißig Vögel an ihr Ziel.

Für die Lektüre empfiehlt es sich zunächst, die umfangreiche Einleitung Attars zu überspringen, da sie für die Allegorie selbst von untergeordneter Bedeutung ist. Sie enthält eine Zusammenfassung der Schöpfung der Welt, eine Lobrede an Gott und die Propheten und geht schließlich ausführlicher auf den Propheten Mohammad und seine vier Nachfolger, die rechtgeleiteten Kalifen Abu Bakr, Omar, Osman und Ali, ein.

Die abschließenden Worte Attars im Epilog können dagegen als Einleitung für den Leser dienlich sein. Darin wird deutlich, dass er sein Werk als Ratgeber versteht. Und in der Tat hat so manche Weisheit in ihrem Kern auch heute nicht an Bedeutung verloren.

Diese Prosaübersetzung der Verse Attars basiert auf der Teheraner Textedition von Mohammad Reza Schafi’i-Kadkani, Mantiq at-Tair. Teheran: Sochan 1384 [2005]. Sie ist keine vertiefte philologische Studie, sondern so angelegt, dass sie sich vor allem an den allgemein interessierten Leser richtet. Der Leser wird an der einen oder anderen Stelle die spezifischen Argumentationen, Gedankengänge oder die verwendeten Metapher Attars kennenlernen, die nicht nur einen Blick in die mystische Welt des Dichters erlauben, sondern auch Eigenheiten des Denkens und Verhaltens jener Zeit offenbaren. Begeben Sie sich mit den Vögeln gemeinsam auf die Reise zum Unbekannten und entdecken Sie eine Welt voller Geheimnisse.

K. Föllmer

1. Anfang des Buches: Die Versammlung der Vögel

Willkommen, zum Leiter gewordener Wiedehopf, der in Wahrheit Bote jeden Tales ist. Bis zur Grenze von Saba ging deine Reise und dein Vogelgespräch mit Salomon ist gut verlaufen.60 Du bist der Herr der Geheimnisse Salomons, von seiner Prahlerei bis zur Unterdrückung. Halte den Dämon in Fesseln und Gefängnis, solange du Salomons Vertrauter bist. Wenn du den Dämon einsperrst, wünsche für Salomon ein kaiserliches Zelt.

Bravo, Moses gleichender Fink, komm und spiele auf zur inneren Weisheit. Aus der Seele machte er einen Musiker, dank der melodischen Weise der Schöpfung. Du sahst wie Moses das Feuer von weitem. Zweifellos bist du ein Fink auf dem Berg Moses’.61 Entferne dich vom brutalen Pharao und komme zur festgesetzten Zeit und werde ein Vogel des Berges. Rede ohne Sprache und Geschrei, verstehe ohne Verstand und höre ohne Ohren.

Willkommen, Papagei auf dem Paradiesesbaum in einem grünen Kleid mit einem feurigen Halsband. Der Feuerring steht für die Hölle, das Kleid für das Paradies und das ist großmütig. Wer wie Abraham vor Nimrod gerettet wird, der kann gut über dem Feuer sitzen. Schlage Nimrod den Kopf ab wie einem Stift und setze den Fuß ins Feuer wie der Freund Gottes. Wenn du von der Tyrannei Nimrods frei bist, du im Paradieseskleid, wozu dann die Frucht vor deinem feurigen Halsband.

Bravo, graziöses Rebhuhn, voller Freude vom Berg der Gnosis schreitend. Lache über die Methode des Weges und schlage den Ring am Tor Gottes. Schmelze deinen Berg aus Hungersnot ein, damit daraus eine Kamelstute kommt. Wenn du eine unversehrte junge Kamelstute findest, siehst du Milch und Honig fließen. Reite die Stute, wenn der Friede zu dir kommt. Salih selbst wird kommen, dich zu empfangen.62

Willkommen, neidischer Falke, wie sehr willst du noch wütend sein. Binde den Brief der ewigen Liebe an den Fuß und löse die Fessel dieses Briefes bis in Ewigkeit nicht. Tausche den angeborenen Verstand mit dem Herzen, damit du siehst, dass anfangslose und endlose Ewigkeit eins sind. Zerstöre mannhaft den Rahmen der Natur und lege die Einheit in das Innere der Höhle. Wenn sie dort ist, wird der Anfang der Welt, Mohammad, für dich ein Freund der Höhle.

Bravo, Frankolinhuhn der Himmelsfahrt. Du hast auf dem Haupt des bale (›Ja, wir bezeugen es‹) die Krone des alast (›Bin ich nicht euer Herr‹) gesehen.63 Weil das alast der Liebe auf die Seele hört, nimm vom bale der Triebseele den Überdruss. Wenn das bale der Triebseele der Strudel des Leids ist, wie kann sich dann darin deine Angelegenheit richten? Verbrenne die Triebseele wie den Esel Jesus’, werde dann wie Jesus eine Seele und bringe sie zum Leuchten. Verbrenne den Esel und tue etwas für den Seelenvogel, bis der Geist Gottes wieder froh zu dir kommt.

S. 261, Verse 647-666

Willkommen, Nachtigall des Gartens der Liebe. Klage wundervoll vom Schmerz und der Glut der Liebe. Klage David gleich auf wunderbare Weise über den Schmerz des Herzens, damit man über dich jeden Augenblick hundert Seelen streut. Öffne die David gleiche Kehle dem inneren Sinn und führe die Geschöpfe mit der Melodie der Schöpfung. Wieviele Panzerketten die unglückliche Triebseele auch umfassen, schmelze das Eisen wie David zu Wachs.64 Wenn das Eisen dann weich wie Wachs ist, erwärme dich durch die Liebe wie David.

Bravo, Pfau des Gartens mit den acht Toren. Du vergingst durch das Gift einer siebenköpfigen Schlange. Die Rede dieser Schlange ist in dein Blut gelangt und hat dich aus dem Garten Eden geworfen. Sie holte dich vom Lotusbaum des 7. Himmels und Baum des Paradieses und machte dich betrübt durch die Grenzen der Natur. Solange du diese Schlange nicht vernichtest, wirst du der Geheimnisse nicht mächtig. Wenn du dich von dieser schlechten Schlange befreist, wird Adam dich auf besondere Weise ins Paradies zurückholen.

Willkommen, schöner, weit blickender Fasan. Die Quelle des Herzens ist im Meer des Lichtes versunken. Oh, du sitzt im dunklen Brunnen, geplagt von der Beschuldigung. Hole dich selbst aus dem dunklen Brunnen und hebe den Kopf zum Himmelsthron des Erbarmers. Lasse wie Joseph Gefängnis und Brunnen hinter dir,65 damit du in Ägypten die Macht des Königs bekommst. Wenn dir so ein Reich zuteil wird, wird der rechtschaffene Joseph zu deinem Freund.

Bravo, harmonische Turteltaube. Du bist froh gegangen und traurig zurückgekehrt. Traurig bist du, weil du im Blut und in der Enge des Gefängnisses von Jonas warst.66 Oh, im Fisch Triebseele Irrende, wie lange willst du die Böswilligkeit der Triebseele noch ertragen. Schlage dem missgünstigen Fisch den Kopf ab, damit du zum Scheitel des Mondes gelangen kannst. Wenn deine Triebseele vom Fisch befreit ist, wirst du zum Freund Jonas’ an einem besonderen Platz.

S. 262, Verse 667-678

Willkommen, Ringeltaube, stimme deine Melodie an, damit sich der Schatz von sieben Schalen über dich ergießt. Weil das Halsband der Treue um deinen Hals ist, wäre treuloses Handeln schlecht für dich. Wenn von dir nur ein Haar davon so ist, halte ich dich für von Kopf bis Fuß treulos. Wenn du aber aus dir herauskommst, wirst du mit dem Verstand den Weg zum inneren Sinn finden. Und wenn der Verstand dich zu den inneren Bedeutungen bringt, wird Chidr67 dir auch das Wasser des Lebens bringen.

Bravo, zum Flug ansetzender Falke. Er ging hochmütig und kam niedergeschlagen zurück. Sei unbesorgt, wenn du niedergeschlagen bist, und stehe aufrecht, wenn du im Blut ertrunken bist. Du bist gebunden an das Aas der Welt und zweifellos getrennt vom inneren Sinn. Lasse die Welt und das Jenseits hinter dir, nimm die Haube vom Kopf und schaue. Wenn deine Weisheit beide Welten verlässt, wird dein Platz auf dem Arm Alexanders sein.

Willkommen, Goldfink mit der schönen Erscheinung, erwärme dich durch die Arbeit und werde wie Feuer. Was zu dir kommt, vernichte durch die Wärme. Verschließe die Augen vor dem Lob aller. Wenn du alles vernichtest, was zu dir kommt, werden die Gaben Gottes für dich jeden Augenblick mehr. Wenn dein Herz die Geheimnisse Gottes erkannte, gebe dich selbst Gott hin. Wenn du durch Gott zu einem vollkommenen Vogel geworden bist, bleibst du nicht, aber Gott bleibt.

2. Die Rede des Wiedehopfs zu den Vögeln

Die verborgenen und die sichtbaren Vögel der Welt versammelten sich. Sie alle sagten: »In dieser Zeit fehlt in keiner Stadt ein Herrscher. Was ist, wenn unser Land keinen König hat? Dann gibt es nur die Möglichkeit der Herrenlosigkeit. Vielleicht sollten wir zusammenkommen und einen König erbitten. Denn wenn ein Land keinen Herrscher hat, gibt es keine Ordnung im Heer.« Also sind alle zusammengekommen, um einen König zu finden.

Der erstaunte und erwartungsvolle Wiedehopf trat unruhig in die Menge.

S. 263, Verse 689-713

Er trug das Kleid des Weges der mystischen Gotteserkenntnis als Gewand und die Krone der Wahrheit auf seinem Kopf. Er hatte auf dem Weg einen wachen Verstand und kannte das Gute und das Schlechte. Er sagte: »Oh Vögel, ich bin ohne jeglichen Zweifel sowohl der Bote des Herrn als auch des Verborgenen. Ich kam mit der Kunde von ihm und bin von Natur aus Träger der Geheimnisse. Wer die Basmalla68 im Schnabel trägt, kann vielleicht ein paar Geheimnisse finden. Ich verbringe die Zeit im Kummer und niemand hat mit mir etwas zu tun. Weil ich frei von den Geschöpfen bin, sind auch sie zweifellos frei von mir. Weil ich mit dem Schmerz um den König beschäftigt bin, habe ich nie Kummer um das Heer. Wasser nehme ich mir aus meiner Vorstellung und an Geheimnissen kenne ich mehr als genug. Ich sprach mit Salomon, daher bin ich zweifellos mehr als sein Tross. Wer sich aus seinem Reich zurückzog, oh Wunder, der fragte nicht und suchte nicht nach ihm. Weil ich mich einmal von ihm zurückzog, ließ er mich überall suchen. Dass er nicht einen Augenblick über mich erstaunt war, ist einem Wiedehopf bis in Ewigkeit viel Wert.

Ich trug seinen Brief weg und kehrte wieder zurück. Bei ihm bin ich Mitwisser der Geheimnisse hinter dem Vorhang. Wen Gott wohlwollend erwähnt hat, an den reicht kein Vogel auf seinem Weg heran. Wer vom Propheten erwünscht ist, den schmückt es, wenn auf dem Scheitel eine Krone sitzt. Jahrelang suchte ich im Meer und auf dem Land, ging bis ans Ende des Weges. Ich reiste durch Täler, Berge und Wüsten, ging durch die Welt in der Zeit des Sturmes. Ich war mit Salomon auf Reisen und habe die Weite der Welt oft durchquert. Ich kenne den eigenen König. Wenn ich allein gegangen wäre, hätte ich es nicht vermocht. Und wenn ihr mich begleitet, werdet ihr Vertraute des Königs und seines Hofes. So befreit euch von der Schmach des Egoismus. Wie lange noch die Verwirrung des Unglaubens? Wer seine Seele in ihm verlor, ist frei von sich selbst. Er befreite sich auf dem Weg zu den Lieben von Gut und Böse. Gebt die Seele auf, setzt den Fuß auf den Weg und legt freudig den Kopf an diese Schwelle. Wir haben einen unbestrittenen König und hinter diesem Berg ist der märchenhafte Berg Qaf.

S. 264, Verse 714-736

Sein Name ist Simorgh (Dreißigvögel), König der Vögel; er ist uns nah, aber wir sind so fern von ihm. Seine Ruhe liegt im Heiligtum der Großmut, sein Name ist auf keiner Zunge. Er hat mehr als hunderttausend Vorhänge aus Licht und Dunkelheit vor der Tür. In beiden Welten hat niemand so einen Mut, dass er seinen Wert erreichen könnte. Er ist ewig der absolute König, versunken in der Vollkommenheit seiner Würde. Niemand gelangt von selbst dorthin, wo er ist. Wer erreicht je sein Wissen und seinen Verstand? Weder gibt es einen Weg zu ihm noch erstaunlicherweise von ihm. Hunderttausend Geschöpfe sind in Leidenschaft zu ihm entbrannt. Die reine Seele kann ihn nicht beschreiben, der Verstand nicht erfassen. Beide sind zweifellos verwirrt und blieben vor seinen Eigenschaften blind. Kein Wissender sah seine Vollkommenheit, kein Sehender seine Schönheit. Für seine Vollkommenheit gibt es kein entsprechendes Lob, das Wissen reicht nicht und der Blick findet nicht dorthin.

Wenn du alle Arten der Geschöpfe von solcher Vollkommenheit und Schönheit zusammenbringst, sind sie nur eine Hand voll Einbildung. Wer kann den Weg in der Einbildung zurücklegen? Gehst du zum Fisch, wie kannst du dann zum Mond gehen? Wenn hunderttausend von solchen dort sind, gibt es dort auch viele Klagen und viel Weinen. Auf dem Weg gibt es viel Trockenheit und viele Meere und denke nicht, dass der Weg kurz ist. Ein tapferer Mann muss für den Weg erhaben sein, weil der Weg weit ist und das Meer sehr tief. Auf ihm gibt es, was uns zum Staunen bringt. Wir gehen ihn mit Weinen und Lachen. Wenn wir ein Zeichen sehen, ist das Sein Werk. Wenn nicht, ist es eine Schmach, ohne Ihn zu leben. Wem nützt die Seele ohne Geliebten? Bist du ein Mann des Weges, hast du keine Seele ohne Geliebten. Ein solcher Mann muss den ganzen Weg gehen und sein Leben für diese Schwelle opfern. Die Hand muss von der mannhaften Seele rein gewaschen werden, damit man sagen kann, dass er ein Mann des Gotteswerkes ist. Wenn die Seele ohne Geliebten ist, ist nichts von Wert. Opfere deine teure Seele wie die Männer des Weges. Tust du dies auf mutige Weise, wird der Geliebte über dich wieder eine Seele streuen.

S. 265, Verse 737-757

Erzählung Simorghs

Der Beginn des Werkes von Simorgh, oh Wunder: Er zog glänzend um Mitternacht über China. Inmitten Chinas verlor er eine Feder. Jeder Einwohner war sehr erregt. Jeder machte ein Abbild von dieser Feder. Wer ein solches Bild sah, war davon eingenommen. Diese Feder ist jetzt an einem Schauplatz in China. Von ihm ist das ›Sucht das Wissen auch in China‹. Wenn das Abbild dieser Feder nicht sichtbar wäre, würden alle in der Welt beunruhigt. Dies sind alles Kunstwerke von seiner Feder, alles Zeichen seines Abbildes. Von seinen Eigenschaften ist nichts sichtbar, deshalb ziemt es sich, nicht mehr davon zu sprechen. Wer von euch jetzt ein tapferer Mann ist, macht sich auf den Weg.

Alle Vögel kamen an den Platz, aufgeregt wegen der Großmut dieses Königs. Die Leidenschaft zu ihm begann in ihren Seelen zu arbeiten und machte jeden von ihnen sehr ungeduldig. Sie wollten den Weg gehen und traten vor. Verliebt in ihn waren sie sich selbst Feind. Weil der Weg aber sehr lang und weit war, litt jeder auf seiner Reise. Obgleich für den Weg jeder geeignet war, suchte jeder nach einer Entschuldigung.

3. Die Rede der Nachtigall

Die Nachtigall war aus Liebe vollkommen betrunken und konnte aus Vollkommenheit der Liebe weder leben noch sterben. Sie hatte den inneren Sinn in jedem ihrer tausend Gesänge, und hinter jedem Sinn verbarg sich eine Welt von Geheimnissen. Sie klagte über die Geheimnisse der Bedeutungen und lies die Vögel verstummen. Sie sprach: »Durch mich werden die Geheimnisse der Liebe besiegelt. Die ganze Nacht wiederhole ich die Liebe. Niemand hat sich so bemüht wie David, damit ich das Buch der Liebe in klagender Weise singe. Das Klagen der Flöte kommt durch meinen Gesang. Sie ist gefangen von meinem klagenden Weinen. Die Rosengärten sind erfüllt von mir. In den Herzen der Verliebten brodelt es wegen mir. Zu jeder Zeit erzähle ich ein anderes Geheimnis und singe in jedem Zehntel einer Stunde eine andere Melodie. Wie die Liebe meiner Seele Kraft verleiht, dementsprechend aufgewühlt ist das Meer meiner Seele. Wer meine Leidenschaft sieht, verliert sich. Obgleich er sehr vernünftig ist, wird er betrunken. Wenn ich den vertrauten Freund ein Jahr lang nicht sehe, schweige ich und teile niemandem ein Geheimnis mit. Macht er mich im Frühling verliebt, verstreut sich sein Moschusduft über die Welt. Ich bin mit ihm glücklich und mein Problem kann durch seinen Anblick gelöst werden. Ich bin auch noch verliebt, wenn er wieder geht und ich, die erregte Nachtigall, wenig singe. Während nicht jeder mein Geheimnis findet, kennt die Rose bestimmt das Geheimnis der Nachtigall. Ich bin so sehr in die Liebe zur Rose versunken, dass ich aus mir selbst absolut verschwunden bin. In mir gibt es so viel Liebe zur Rose, weil ich so sehr nach der hundertblättrigen roten Rose verlange. Die Nachtigall hat nicht die Macht des Simorgh, aber genug Zuneigung zur Rose. Wenn mein Geliebter hundert Blätter hat, wie kann mein Streben dann blattlos sein. Wenn die Rose dann herzerweichend blüht, lacht sie mich so wunderbar an. Kommt sie hinter dem Vorgang hervor, wird das Lachen über die Natur sichtbar. Wie kann die Nachtigall nur eine Nacht ohne Liebe zu solch einem Lachen sein?«

Der Wiedehopf sprach: »Du bist dem Anblick verhaftet. Kokettiere nicht mehr mit der Liebe zur Schönheit. Die Liebe zur Rose hat für dich viele Dornen. Der Schöpfer aber ist über dir und lenkt dich. Obgleich die Rose viele Schönheiten hat, sind sie innerhalb einer Woche vergangen. Wenn die Liebe zu etwas vergänglich ist, bringt sie den vollkommenen Verdruss. Auch wenn dich das Lachen der Rose so anzieht, hat es dein klagendes Weinen zur Folge. Lasse ab von der Rosse, die jeden Frühling blüht. Denn sie lacht dich schamvoll aus, aber lacht dich nicht an!«

Die Prinzessin und der Derwisch

Ein Herrscher hatte eine Tochter so schön wie der Mond. Sie hatte eine Welt voller Verehrer und Verirrter. Für den Wachen war sie eine Versuchung, weil ihre halbschlafenden Augen trunken waren.

S. 267, Verse 780-802

Sie hatte ein Gesicht aus Kampfer und Locken aus Moschus. Der feuchte Rubin ihrer Lippen ließ die Lippen aus Durst danach trocken werden. Wenn nur ein wenig ihrer Schönheit sichtbar wurde, war der Verstand beschämt davon, dass er es nicht begreifen konnte. Wer den süßen Geschmack ihrer Lippen kennen würde, würde vor Scham erstarren und vergehen.

Ein Derwisch war plötzlich von ihr ergriffen, weil sein Blick auf den glänzenden Mond gefallen war. Der Arme hatte gerade ein Stück Brot in der Hand, aber er hatte es vergessen. Weil sein Blick auf das Gesicht jenes Mondes fiel, war ihm das Brot aus der Hand auf die Erde gefallen. Das Mädchen ging an ihm wie ein Feuer vorbei, lachte ihn an und ging vorüber. Als der Bettler ihr Lachen gesehen hatte, sah er sich im Staub, ertrunken in Blut. Er hatte nur ein halbes Brot und eine halbe Seele und wurde von beiden auf einmal frei. Weder Tag noch Nacht fand er Ruhe. Er sprach nicht mehr vor Weinen und Brennen. Erinnerte er sich an das Lachen jener Herrscherin, begann er um sie wie eine Wolke der Klage zu weinen. Sieben Jahre war er voller Unruhe und schlief mit den Hunden des Mädchens. Alle Diener des Mädchens wussten davon und diese Peiniger hatten die Absicht, dem Bettler den Kopf wie einer Kerze abzuschlagen. Insgeheim rief ihn das Mädchen zu sich und sagte: »Weil du den Übermut hattest zu behaupten, dass wir ein Paar würden, hat man die Absicht, dich zu töten. Fliehe und sitze nicht an meiner Tür, sondern steh auf und geh.« Der Bettler sprach: »An jenem Tag habe ich meine Seele verloren, weil ich wegen dir trunken wurde. Hunderttausend Seelen sind wie ich rastlos. Mögen sie jede Stunde über dich gestreut werden. Da sie mich ungerechtfertigt töten und mir den Kopf abschlagen wollen, beantworte mir bitte eine Frage: Warum lachtest du mich jener Zeit an?« Sie erwiderte: »Weil ich dich so unbeholfen fand, lachte ich über dich, du Ahnungsloser. Über dich zu lachen ist üblich, aber dich anzulachen ein Fehler.« Nachdem sie das gesagt hatte, ging sie an ihm wie Rauch vorbei. Alles, was es ursprünglich gab, hatte sich in Nichts aufgelöst.

S. 268, Verse 803-821

4. Die Rede des Papageien

Der Papagei trat hervor mit einem Mund voll Zucker, einem pistazienfarbenen Kleid und einem goldenen Halsband. Die Mücke wurde wegen seiner Pracht zu einem Habicht überall dort, wo das Grün seiner Feder auftauchte. Er begann auf süße Weise zu reden, denn im Zuckeressen ist er ein Frühaufsteher. Er sprach: »Jeder Schwermütige und jeder Niemand baut mir einen Käfig aus Eisen. Und ich sitze in dem eisernen Gefängnis, aufgelöst in dem Wunsch nach dem Wasser des Lebens. Da ich der Chidr der Vögel und grün gekleidet bin, vielleicht kann ich vom Lebenswasser trinken. Für den Simorgh kann ich keine Leidenschaft aufbringen. Mir ist das Wasser aus der Quelle Chidrs genug. Auf den Weg begebe ich mich wie ein aus Liebe Rasender und gehe überall hin wie ein Vagabund. Wenn ich ein Zeichen vom Wasser des Lebens finde, gibt man mir die Herrschaft in der Gefangenschaft.«

Der Wiedehopf antwortete: »Oh, du hast vom Glück keinen Hinweis. Niemand ist ein Mann des Weges, der nicht opferbereit ist. Daher ist deine Seele damit beschäftigt, einen Augenblick dem Geliebten zu begegnen. Das Wasser des Lebens willst du und ein Freund bist du. Wenn du aber keinen Verstand hast, bist du niedrig. Was willst du mit der Seele? Gib sie für den Geliebten hin, gib sie auf dem Weg zum Geliebten hin wie die Männer des Weges.«

Der Irre und Chidr

Es war ein hochrangiger Irrer, zu dem sagte Chidr: »Oh vollkommener Mann, bist du damit einverstanden, mein Freund zu sein?« Er antwortete: »Mit dir habe ich nichts zu schaffen, weil du mehrmals das Wasser des Lebens getrunken hast, um ewig zu leben. Ich bin dabei, mich von der Seele loszusagen, denn ohne Geliebten habe ich keine Kraft. Während du dein Leben bewahren willst, opfere ich es jeden Tag. Es ist besser, wenn wir voneinander fernbleiben wie die Vögel vom Netz.«

S. 269, Verse 822-842

5. Die Rede des Pfaus

Danach kam der goldene Pfau, das Abbild seiner Federn schimmerte hundert-, nein hunderttausendfach. Er verbreitete einen Glanz wie eine Braut, weil jede seiner Federn schimmerte. Er sprach: »Damit der Maler von meinem Verborgenen ein Bild malt, wurde den Chinesen der Stift zu einem Finger an der Hand. Obgleich ich der Gabriel der Vögel bin, ist mir plötzlich nichts Gutes widerfahren. Die schlechte Schlange wurde mir einmal zum Freund, bis ich in Schande aus dem Paradies verstoßen wurde. Als man meinen angenehmen Ruheplatz änderte, wurde das Brett unter meinem Fuß zu meiner Pflicht. Ich möchte, dass mir ein Führer den Weg von diesem düsteren Ort zum Paradies weist. Ich bin zwar niemand, der zum Herrn gelangt, aber mir genügt es, wenn ich wieder ins Paradies komme. Wann hatte Simorgh meine Sorge? Solange war der hohe Paradiesgarten mein Platz. Ich habe nichts auf der Welt außer diesen Wunsch, dass er mir noch einmal den Weg zum Paradies zeigt.«

Der Wiedehopf sprach: »Oh, du bist wegen dir selbst verloren. Was ist besser: ein Haus vom König zu wollen oder die Nähe zu ihm? Das Paradies voller Begierden ist das Haus der Triebseele. Nur das Haus des Herzens ist der Ort der Aufrichtigkeit. Gott ist ein tiefes Meer und das Paradies der Gnade ist nur ein kleiner Tropfen. Ein Tropfen ist es für jeden, der das Meer hat. Was Teil des Meeres ist, ist Leidenschaft. Wenn du den Weg zum Meer finden kannst, warum solltest du dann zum Tau gehen? Wer weiß, spricht mit der Sonne der Geheimnisse. Denn wie kann etwas von einem Atom übrigbleiben? Wer das Ganze wurde, was hat der dann noch mit dem Teil zu tun? Wer zur Seele wurde, was hat er noch mit den Körperteilen zu schaffen? Wenn du ein Mann des Ganzen bist, sieh das Ganze, fordere das Ganze, sei das Ganze, werde das Ganze und wähle das Ganze.«

Der Lehrer und der Schüler

Ein Schüler fragte den Lehrer: »Warum wurde Adam aus dem Paradies verstoßen?« Er antwortete: »Adam war der höchste Schatz, weil er im Paradies genügsam war.

S. 270, Verse 843-864

Eine unsichtbare Stimme rief laut: Das Paradies hat dich auf hundertfache Weise gebunden! Wer sich in beiden Welten mit etwas anderem außer mir begnügt, dem bringe ich alles Verderben, gegen die er ohne den Freund nichts tun kann. Beim Geliebten gibt es hunderttausend Plätze. Wo ist der Platz für die ohne Geliebten? Wer außer für den Geliebten lebt, wird vertrieben, auch wenn alle Adam wären. So erhielten die Paradiesbewohner Nachricht, dass sie sich dort dem erstbesten hingegeben hatten. Weil sie keine Kenner von Geheimnissen sind, haben sie auch vom Leiden wieder abbekommen.«

6. Die Rede der Ente

Die Ente trat hundertfach sauber aus dem Wasser unter die Menge in einem wunderschönen Kleid. Sie sagte: »In beiden Welten gibt es keine Nachricht von einem, der ein reineres Aussehen hat als ich. Jeden Augenblick führe ich in Rechtfertigkeit eine rituelle Waschung des ganzen Körpers durch und gehe nach dem Gebet ins Wasser zurück. Auf dem Wasser gibt es keinen Besseren als mich und niemand hat Zweifel an meinem Edelmut. Ich bin der Fromme unter den Vögeln mit reiner Absicht. Ich habe immer ein reines Kleid und einen reinen Ort. Ohne Wasser finde ich auf der Welt keinen Nutzen, weil mein Dasein im Wasser ist. Obgleich ich im Herzen eine Welt voll Kummer habe, wasche ich ihn aus dem Herzen, weil ich das Wasser zum Freund habe. Das Wasser ist hier ständig Teil meiner Suche. Wie kann ich da den Wunsch nach dem Trockenen hegen? Wenn das Wasser mein Element ist, wie kann da ich vom Wasser abweichen? Vom Wasser lebt alles immerfort, was ist. Daher kann ich mich nicht vom Wasser lossagen. Woher soll ich wissen, wo der Weg durch das Tal zu Ende ist, da ich nicht mit Simorgh fliegen kann? Wem das Wasser eines Kruges ausreicht, wie kann der den Wunsch nach Simorgh hegen?«

Der Wiedehopf sagte: »Oh, du bist durch das Wasser schön geworden. Für deine Seele ist das Wasser wie Feuer geworden. Im Wasser kannst du gut träumen. Kommt ein Tropfen Wasser, trägt er dich weg. Das Wasser gibt es wegen jedes ungewaschenen Gesichts. Wenn du ein ungewaschenes Gesicht hast, suche das Wasser.

S. 271, Verse 865-885

Wie oft willst du wie dein klares Wasser das Gesicht jedes Ungewaschenen sehen?«

Allegorische Anekdote

Ein Mann fragte einen Irren: »Was sind die zwei Welten in den Vorstellungen?« Er antwortete: »Die beiden Welten, hoch und niedrig, sind ein Tropfen Wasser, der weder ist noch nicht ist. Von Beginn an ist der Wassertropfen da, und er ist ein Tropfen in mehreren Bildern. Jedes von ihnen war von der Wasseroberfläche. Und wären alle aus Eisen, würden sie dennoch zerstört. Nichts ist härter als Eisen. Aber sieh, es ist auch über dem Wasser gebaut. Alles, was auf Wasser gegründet ist, auch wenn es Feuer ist, ist ein Traum. Denn niemand hat das Wasser jemals fest gesehen, wie kann dann ein Gebilde über dem Wasser fest sein?«

7. Die Rede des Rebhuhns

Das Rebhuhn kam heiter, anmutig schreitend, stolz und trunken aus dem Bergwerk. Es hatte einen roten Schnabel und war schön gekleidet. Das Blut geriet bei seinem Anblick in Wallung. Mal schnitt sie ohne Klinge das Bergmassiv, mal stolzierte sie zum Bergkamm. Sie sagte: »Ich suche im Bergwerk nach vielen Schätzen. Ich bin verbunden mit Schwert und Schild, um Herr über den Schatz sein zu können. Die Liebe zum Schatz hat in mir ein Feuer entfacht, und dieses schöne Feuer war oft in mir. Sobald die Hitze des Feuers aufkommt, macht sie die Kieselsteine in mir zu Blut. Hast du je ein Feuer gesehen, dass solch eine Wirkung hatte und den Stein sofort zu Blut machte? Ich bin unter Stein und Feuer mal untätig, mal erregt. Kieselsteine esse ich in Hitze und Glut. Mit einem Herzen voll Feuer lege ich mich auf dem Stein schlafen. Öffnet die Augen, meine Freunde, und schaut auf meine Speise und meinen Schlaf. Wer Steine isst und auf Steinen schläft, warum soll man mit so jemandem kämpfen? Das Herz ist deswegen hundertfach betrübt, weil meine Liebe zu dem Schatz an den Berg gebunden ist.

S. 272, Verse 885-907

Wer etwas anderes als den Schatz liebt, dessen Besitz ist vergänglich. Der Besitzer des Schatzes hat immer ein Heer, und seine Seele ist immer mit dem Berg verbunden. Ich bin der Herr des Berges und der Mann des Schatzes. Ich bin nicht einen Augenblick ohne Schild und Schwert. Weil der Bergkamm Schätze in sich trägt, suche ich ständig danach. Ich finde keinen Schatz wie diesen, keinen wertvolleren als ihn. Weil der Weg Simorghs beschwerlich ist, bin ich dem wertvollen Stein verhaftet. Wie kann ich je den mutigen Simorgh erreichen, wenn ich hilflos die Hände über dem Kopf zusammenschlage. Ich löse mich nicht wie das Feuer vom Stein. Entweder sterbe ich oder bekomme den Schatz in die Hände. Mein Schatz muss sichtbar werden. Was kann ein Mann ohne Schatz tun?«

Der Wiedehopf antwortete: »Oh, du bist wie ein Schatz voller Farben. Wie oft stolzierst du, wie viele falsche Entschuldigungen bringst du mir. Deine Beine und dein Schnabel sind voller Herzblut. Du bist wegen des Steins ohne Schatz geblieben. Was ist der Ursprung des Schatzes? Das Färben des Steins. Du bist so schwermütig aus Leidenschaft zum Stein. Wenn die Farbe verblasst, ist der Schatz nur ein Stein. Ohne Stein ist, wer sich der Farbe hingibt. Wer bei ihm ist, will keine Farbe, weil ein Mann des Schatzes keinen Stein begehrt.«

Der Stein des Salomon

Kein Herr hatte solch einen Schatz, wie Salomon ihn an seinem Finger trug. Wegen dieses in einen Ring eingelegten Steins gab es zahlreiche Gerüchte. Er selbst war von sehr geringem Gewicht. Weil Salomon diesen Schatz zu einem Stein im Ring machte, kam auf seinen Befehl hin alles auf die Erde. Als er sah, wie groß sein Reich war, sah er alles unter seinem Willen. Sein Zelt war 40 Farsang69 groß und der Wind trug ihn auf sein Geheiß. Auch wenn das Zelt so groß war, war es doch nur auf einen Stein von geringem Gewicht gebaut. Er sprach: »Wenn dieses Reich mit allem vom Wert eines kleinen Steins ewig steht, möchte ich nicht, das jemandem in der Welt und im Glauben ein solches Reich vorenthalten bleibt.

S. 273, Verse 908-928

Oh König, ich habe mit den Augen des Einflusses den Sturz dieses Reiches deutlich gesehen. Es ist sofort zerfallen. Gib es niemandem danach noch einmal. Ich habe mit Heer und Reich nichts zu tun und wähle lieber das Netze-Knüpfen.«

Obgleich Salomon durch diesen Schatz zum König geworden ist, so hat dieser ihn an den Weg gebunden. Denn er hat 500 Jahre nach den Propheten mit dem Garten Eden Bekanntschaft gemacht. Wenn dieser Schatz so etwas mit Salomon gemacht hat, wie kann er einem Verwirrten wie dir Gehorsam zeigen? Wenn der Schatz ein Stein ist, schlage nicht so viele Mineralien heraus, sondern gebe deine Seele nur für das Antlitz des Geliebten hin. Trenne dein Herz vom Schatz, Schatzsucher, und sei für den Schatz lieber ständig auf der Suche.

8. Die Rede des Geieradlers

Der Schatten spendende Geieradler trat vor die Menge. Den Königen war sein Schatten ein Geschenk. Denn er kam vom sehr glücklichen Geieradler, der in der Würde am größten war. Er sprach: »Oh Vögel zu Lande und in der Luft, ich bin kein Vogel wie die anderen. Mir sind die hohe Würde und der Rückzug von den Geschöpfen zuteil geworden. Ich verachte den Seelenhund ganz gewiss. Durch mich erhielten Faridun und Dschamschid ihren Ruhm. Die Könige sind in meinem Schatten groß geworden und nicht jeder Bettler ist meiner würdig. Dem Seelenhund gebe ich einen Knochen und dem Geist vor dem Hund Sicherheit. Weil ich der Triebseele immer Knochen gab, erhielt meine Seele einen so hohen Rang. Wenn sich der König aus dem Schatten seiner Federn erhebt, dann dreht sich einem der Kopf von seiner Pracht. Alle müssen unter seinen Federn sitzen, um ein wenig von seinem Schatten abzubekommen. Wie kann der stolze Simorgh mein Freund werden, wo ich so oft vom König ausgezeichnet wurde?«

Der Wiedehopf sprach: »Oh, zügele deinen Hochmut und höre auf, Schatten zu verbreiten und mehr noch: lache nicht über mich. Du hast jetzt kein Königsedikt, sondern bist wie der Hund mit dem Knochen.

S. 274, Verse 929-949

Hättest du doch den Königen nichts gezeigt, dann wärst du vernünftiger als ein Knochen. Ich veranlasste selbst, dass alle Könige der Welt nun aus deinem Schatten treten. Aber morgen leiden sie alle ohne ihr Königsamt. Wenn der Herrscher deinen Schatten nicht sieht, wie kann er dann am Jüngsten Tag in Not geraten?«

Mahmud und der Weise

Einer mit reiner Weisheit ging den rechten Weg. Eines Nachts sah er Mahmud im Traum. Er sagte: »Oh, verehrter Sultan der Welt, wie geht es dir im Paradies?« Er antwortete: »Schweig, quäle mich nicht. Was ist schon der Ort eines Sultans? Meine Herrschaft war nur Phantasie und ein Fehler. Wie kann sie mehr als eine Handvoll des Niedrigsten sein? Gott ist der weltbeherrschende König. Ihm gebührt die Herrschaft. Als ich meine Unfähigkeit und Verwirrung bemerkte, schämte ich mich für meine Herrschaft. Wenn du etwas sagst, erwähne nur meine Niedergeschlagenheit. Er ist der König, also nenne mich nicht so. Seine Herrschaft ist die richtige. Ich aber bin zerbröckelt, als wäre ich in Armut zur Welt gekommen. Gäbe es 100 Brunnen, dann wäre ich der Kehrer ohne Rang und kein König. Es gibt jetzt keinen Ausweg: sie verlangen jedes einzelne Korn zurück. Mögen Flügel und Federn des Phönix verdorren, weil er mir in seinem Schatten einen Platz gegeben hat.«

9. Die Rede des Falken

Ein Falke trat mit erhobenem Kopf vor die Versammlung und öffnete den Vorhang zum Geheimnis seiner hervorragenden Eigenschaften. Er prahlte von seiner Heeresführung und seiner Abrichthaube und sprach: »Aus Liebe zum Herrn habe ich meine Augen vor den Geschöpfen der Welt verschlossen. Ich schaue nur unter der Haube hervor, um mich auf den Arm des Königs zu setzen. Ich habe viel über richtiges Verhalten gelernt und bin genügsam wie die Asketen. Bis zu dem Tag, da man mich zu meinem König bringt und mich den Dienst lehrt.

S. 275, Verse 950-971

Wie kann ich Simorgh im Traum sehen und wie sinnlos zu ihm eilen? Ein kleiner Happen aus der Hand meines Königs ist genug. In der Welt genügt mir dieser Rang. Da ich keinen Zugang zum Weg habe, hebe ich den Kopf auf der Hand des Königs. Jeder, der des Königs würdig ist, ist vor ihm alles, was er sagt. Es ist besser, wenn ich des Königs würdig bin, als durch die endlose Wüste zu ziehen. Ehre ist, wenn ich auf dem König sitze und mein Leben dort gut verbringen kann. Mal warte ich auf den König, mal jage ich für ihn.«

Der Wiedehopf sprach: »Oh, du bist vom Sehen zurückgehalten und von den Eigenschaften fern. Wenn der König im Reich einen Ebenbürtigen hätte, wie könnte die Herrschaft schön für ihn sein? Niemand hat die Herrschaft außer Simorgh, weil er darin keinen Ebenbürtigen hat. König ist nicht, wer sich in jedem Land selbst ohne Verstand zum Führer macht. König ist der, der keinen Ebenbürtigen in Treue und Bescheidenheit hat. Wenn man dem König dieser Welt einmal treu ist, hat man zu einer anderen Zeit ein Problem. Denn je näher man ihm kommt, umso mehr verschwindet man. Man sollte vor dem König ständig auf der Hut sein, da sonst das Leben in Gefahr ist. Der König der Welt ist z.B. wie Feuer. Sei weit genug weg von ihm, denn nur aus der Ferne ist es gut. Halte dich daher von den Königen fern. Oh, Nahestehender des Königs, entferne dich!«

Der König und sein Sklave

Es war ein König von hohem Wesen, der sich in einen silbertragenden Bediensteten verliebt hatte. Er war so verliebt, dass er nicht einen Augenblick ohne den Geliebten sein konnte. Er hatte ihm einen höheren Rang unter den Dienern verliehen, damit er ständig in seiner Nähe sein konnte. Wenn der König im Schloss mit dem Bogen schoss, verging der Diener vor Angst. Denn er hatte ständig einen Apfel zum Ziel, den er auf den Kopf des Dieners setzte.

S. 276, Verse 976-993

Spaltete er den Apfel mit dem Bogen, wurde der Diener aus Furcht krank wie ein Gelbsüchtiger. Als der ahnungslose Mann ihn fragte: »Warum bist du so gelb im rosengleichen Gesicht geworden, wo dir doch so viel Ehre vom König zuteil wird? Sage, woher kommt dieses gelbe Gesicht?« antwortete er: »Er legt einen Apfel auf meinen Kopf. Was ist, wenn mich sein Pfeil verletzt? Sagt er dann, so ein guter Diener war er nicht und in meinem Heer gibt es keinen solchen Feigling? Oder wenn der Pfeil richtig fliegt, dann sagen alle, dass es das Glück des Königs war. Ich winde mich zwischen diesen beiden Sorgen. Wofür setze ich mein Leben der Gefahr aus? Für nichts.«

10. Die Rede des Reihers

Dann kam der Reiher nach vorn und sagte: »Meine Vögel und Freunde, mein Platz am Ufer des Meeres ist schön und niemand hat je meinen Gesang gehört. Niemals gibt es ein Wort über meine Qualen. Möge niemand in der Welt von mir gequält werden. Ich sitze schmerzgeplagt am Meeresufer, immer traurig und benommen. Ich bin besorgt vom Wunsch nach dem Wasser. Was mache ich, wenn mir ein Wehklagen entrinnt? Da ich kein Meeresbewohner bin, sterbe ich am Ufer mit trockenen Lippen. Obgleich das Meer auf hunderterlei Weise brodelt, kann ich nicht einen Tropfen daraus trinken. Wenn nur ein Tropfen aus dem Meer fehlt, schmerzt mein Herz aus Eifersucht. Ich besitze so viel Liebe zum Meer, dass mir diese Art der Qual genug ist. Außer den Kummer um das Meer möchte ich nichts. Die Glut nach Simorgh soll zum Schutz nicht sein. Wem der Wassertropfen der Ursprung ist, wie kann er da eine Verbindung zum Simorgh finden?«

Der Wiedehopf sprach: »Oh, du weißt nichts vom Meer. Das Meer ist voller Haie und gefährlicher Lebewesen. Mal ist sein Wasser bitter, mal salzig, mal ist es ruhig und mal voller Gewalt. Es ist stürmisch und haltlos: einmal geht es und dann kehrt es wieder zurück. Vielen Großen hat es das Schiff zerkleinert und viele sind in seine Strudel gefallen und gestorben.

S. 277, Verse 994-1014