DAS LAKTATEXPRESS-GLOSSAR

Asphaltfräse

Großes Kettenblatt ab den Dimensionen 55 Zähne plus. Von Wuppertaler Triathleten gerne in Kombination mit 42er Kettenblatt und 11/21-Ritzelpaket genommen, um bei der Transalp Challenge aufzuschlagen.

BDR

»B-Promis Dürfen Ran«, auch Bund Deutscher Radfahrer genannt. Vorsitzender aktuell Rudi Scharping.

Bimbach

Beschaulicher Ort in der Rhön, die Königin aller Rad-Touristik-Fahrten. Siehe auch RTF. Jährlicher Höhepunkt für viele RTF-Junkies.

BnLuL

Abkürzung im Trainingstagebuch für Berge nach Lust und Laune. Aufgepasst, Pulsmesser weggedreht, die besten Bergfahrer pedalieren locker, der Rest hechelt hinterher.

Col de la Verena

Kleine Kuppe im Wuppertaler Stadtgebiet mit höchstem Prestige. Wird von der Barmer Oper aus angefahren. Leicht diffizil zu sprinten, weil der Wertungsstrich eine Vorfahrtsstraße ist. Benannt nach der Finderin.

Compex

Lymphdrainierendes Muskelstimulationsgerät letzter Generation.

Côte de Remlingrade

Etwas kleinere Bergwertung direkt hinter dem Ortsausgang Beyenburg links. Auftakt zum legendären Rüggeberger Karussell.

CTF

Abkürzung für »Crosser, Tourenräder, Fullsuspension«. Vom BDR veranstaltete Schnitzeljagd über schlechte Wegstrecken, um vermeintliche Radsport-Randgruppen durch Anfüttern mit industriell hergestellten Eierwaffeln zum Eintritt in einen Rennradverein zu nötigen.

Dackelleine

Vorrichtung zum Abschleppen des Transalp-Partners. Professionalisiert durch einige Mixed-Teams, mit Rückholfeder, Karabinerhaken und allem Drum und Dran.

Dackelschneider

Extrem dünner, weniger als 19 Millimeter breiter Rennradreifen, möglichst Schlauchreifen mit 12 Bar. Schneidet Wind und herumstreunende Haustiere wie Butter.

Dienstagsrunde

Eigentlich lockerer Rennradtreff. Erholte Trainingskollegen treffen auf vom Wochenende ermüdete Rennfahrer.

DLbdT

Der Langsamste bestimmt das Tempo. Es wird immer gewartet, bis der Schwächste wieder Anschluss gefunden hat, danach wird sofort wieder gnadenlos weitergeballert. So kann man eine Person gleich mehrfach am Tag effektiv demütigen.

Donnerstagsrunde

Eigentlich lockerer Rennradtreff. Erholte Trainingskollegen treffen auf Rennfahrer, die sich für die am Wochenende stattfindenden Rennen schonen wollen.

Doppelzopf

Doppelreihe mit zwei weiblichen, möglichst sichtbar blondbezopften Wesen an der Spitze. Sehr beliebte Konstellation beim Überholen von Männergruppen dies- und jenseits der Midlife-Crisis.

Dr. Ringers Laktatlösung

Regenerationsförderndes Infusionsmaterial, das Augenzeugen zufolge schon mehrfach nach schweren Unfällen im Wuppertaler Klinikum zum Einsatz kam.

Durchlauferhitzer

Wenn du trotz zahlreicher erfolgreicher Überholmanöver in der Ebene keinen mehr am Hinterrad hast.

Eddys Cycle Station

Ehemaliger Kult-Bikeshop in der Nähe vom Elberfelder Hauptbahnhof. Erste Syncros-Teile im Tal. Preisgestaltung war nicht immer transparent. Leider über die Wupper.

Elf-Uhr-Gruppe

Rathaus am Bergischen Löwen, bekannter Wuppertaler MTBT-reff, sehr Trail-lastig.

Flachwurzler

Pinie, Tanne, alles, was zu Zeiten von Sturm »Kyrill« umgekippt ist und auch jetzt noch im Wald und auf Trails störend herumliegt.

Freund Bimbach

Freundliche Umschreibung für einen unverbesserlichen RTF-Troll, der einem bei jeder Ausfahrt ans Sitzleder will.

Fußhupe

Kleiner Hund, der, wenn man im Vorbeifahren auf ihn drauftippt, Zeter und Mordio bellt.

GA3 Spezial

Selbst ausgedachter Trainingsbereich für die, die hinten dranhängen. Entspricht in etwa Entwicklungsbereich oder sogar Rennbelastung.

Gelpe

Naturschutzgebiet zwischen Ronsdorf, Cronenberg und Elberfeld. Liegt zu Füßen des Lichtscheid und hat einen Förster und eine Menge tolle Trails.

Gelpeanstieg

Letzter Trail vor Erreichen des Höhenzuges Cronenberg/Lichtscheid. Der klassische »letzte« Berg.

Herne

Ort im Ruhrgebiet. Der flachste Frühjahrsklassiker unter den Radmarathons.

Hirsch, Dr. Hirsch

Sportmediziner und kongenialer Partner von Herrn Kettmann. Eigener Aussage nach der erste Wissenschaftler, der Athleten unter Volllast den Oberschenkel aufgeschnitten hat, um direkt an der Quelle der Laktatproduktion nachzuschauen, was da so sprudelt. Das hat uns schwer beeindruckt.

Hungerast, Hungermacke

Schleichender Konzentrationsverlust, Tunnelblick, kalter Schweiß, Gänsehaut und keinen Riegel mehr in der Trikottasche. Muss man mal gehabt haben – herrlich!

Jeff Hondmeyer

Legendärer deutscher Cyclocrossprofi mit belgischen Wurzeln, ist heute noch in einigen Starterlisten zu finden, soll in Dortmund untergetaucht sein.

K3 (oder auch K2)

Spezielles Kraftausdauertraining am Berg in Intervallform, z.B. 6 x 10 Minuten mit niedriger Trittfrequenz und annähernd Rennpuls, mit entsprechend langer Pause. Gerne von Kettmann verwendetes Trainingsmittel.

Kettmann

Trainingswissenschaftler, der zu DDR-Zeiten interessante Literatur zum Thema Höhentraining verfasst hat. Arbeitete unter dem Firmennamen Medisport zusammen mit Hirsch, Dr. Hirsch. Schrieb die unaufgeregtesten Trainingspläne, aber sie haben immer funktioniert.

Kettmann-Programm

Ein ebenso unaufgeregter Plan für 1:15 Stunden Rollentraining. Kurz, knapp, effektiv. Steigerung siehe auch Viola-Programm.

Kinderteller

Dreifach-Kettenblatt vorne oder unverhältnismäßig große Übersetzung hinten, mindestens 12/27. Meist ab dem zweiten Tag der Transalp Challenge ausverkauft.

Krautscheid, Günther (auch kurz »Krabo« genannt)

Ex-Profi, legendärer Stahlrahmenbauer aus Bochum.

Kuppe

Unterkategorie von Berg. Wird gerne von Fahrern gesprintet, die an langen Anstiegen und im Sprint keine Chance haben.

La Santa

Urlaubs-Ressort exklusiv für Sportler. Vollkommen abgeschieden in den unwirtlichen Lavawüsten Lanzarotes gelegen. Auch liebevoll »White Alcatraz« genannt. Für Triathleten der Himmel auf Erden, weil ein 50-Meter-Becken vorhanden ist. Außerdem kann man dank des Kanaren-Klimas im Frühjahr stilsicher mit schulterfreiem Top und Armlingen flanieren. Muss auch der Nichttriathlet mal gesehen haben.

Latexleine

Siehe Dackelleine. Weniger professionelle Abschleppvorrichtung für Gelegenheitsfälle. Wird einfach um Sattelstütze und Lenker geknotet.

LuF

Der Klassiker: locker und flach. Fahrer mit Endkampfchance auf Kuppe und Ortsschild zahlen es den Bergfahrern heim.

Lupine Loop

Klassische Singletrail-Runde durch das Gelpetal. Wird gerne zwecks Verschärfung der Gruppendynamik mit aufgerüsteten HiEnd-Leuchten in der Dunkelheit gefahren.

Morsbachtal

In Wuppertal sagt man auch »über die Wupper gehen«. So kann auch etwas »mors«, also kaputt gehen. Das Tal mit dem zufällig passenden Namen wird auf langen Wintertouren für den Heimweg genutzt.

Oberbergische

Straße in Wuppertal, die von Unterbarmen zum Lichtscheid führt. Zwei Kilometer lang, exakt 200 Höhenmeter, der beliebteste Trainingsberg in der Stadt.

Orient

Schöne Straße in Mallorcas Bergen, meist die ersten 30 Minuten hochroter Entwicklungsbereich in der frühen Saison. 27 Minuten zu lang, aber Hauptsache Erster!

Ortsschild

Eigentlich zum Zwecke der Orientierung aufgestellt. Wird von an Kuppen und Bergen chancenlosen Fahrern zur Ermittlung des Sprintschnellsten genutzt. Ein gewonnenes Ortsschild zählt 10 Punkte; das Ortsschild des Heimatortes oder das letzte Schild vor Ende der Runde zählt dreifach.

Parkuhr-Syndrom

Ohnmächtiges Gefühl, als chancenloses Opfer ohne konditionellen Verhandlungsspielraum am Straßenrand zu stehen.

Pipistrello

Kultschlauchreifen von Andre Dugast. Diamantprofil, weiße Lauffläche, am besten in der Ausführung Flying Doctor. Der Cyclocrossreifen schlechthin!!

Pizza

Italienische, kohlenhydratreiche Spezialität, aber auch beliebter Belag für Hüfte oder Oberschenkel außen.

Radmarathon

Eine Strecke mit dem Rennrad von mehr als 200 Kilometern, Höhenmeter egal. Meist im Rahmen einer RTF-Veranstaltung. Start noch eine Stunde früher als eh schon. Fünf Euro Aufpreis, dafür Milchreis an einer Verpflegung.

Randa

Sackgasse in der Mitte von Mallorca, die zum gleichnamigen Kloster heraufführt. Jährlich pilgern Tausende mehrfach hier hoch, um K3 zu üben.

RTF

Abkürzung für »Rentner Treffen Farbenblinde«. Unseren aktuellen Recherchen zufolge in NRW erfunden, um alternden Profis das Abtrainieren leichter zu gestalten! Startgeld minimal, meist gut ausgeschilderte, sehr schöne Strecken. Waffeln und Pfirsichtee an den Verpflegungsstellen sind Pflicht.

Sektion Burgholz

Der bedingungslos Mountainbike-orientierte Flügel des Laktatexpress, benannt nach dem trailreichen Staatsforst Burgholz im Westen Wuppertals.

Startnummern-Allergie

Eine Krankheit, die alle Leistungsfähigkeit auf Kettenritzelbreite reduziert, sobald es um zählbare Ergebnisse oder gegen die Uhr geht.

Staubsauger-Effekt

Wenn du nach einem langen Teilstück einer RTF oder eines Rennens plötzlich ganz viele Überholte im Windschatten hast.

Team Laktatexpress.de

Der dem Rennsport zugewandte Teil des Laktatexpress. Straßenrennen, Cyclocross oder MTB – mit freundlicher Unterstützung von Xenofit, Rohloff, Schierker Feuerstein.

Team ME

Sehr, sehr ernsthafter Radverein aus dem benachbarten Mettmann. Aus Vereinstradition muss immer ein Vereinsmitglied deutscher Meister sein, egal ob Senioren 2, 3 oder 4 und Straße, Kunstradfahren oder Radball… Wenn nicht, wird auf der Internetseite das Gruppenbild vom Vorjahr bevorzugt.

Trainingsweltmeister

Radsportler, die im freien Training wahrlich Großes zu leisten imstande sind, allerdings unter einer heimtückischen Krankheit leiden. Siehe Startnummern-Allergie.

Treibholz

Lose Ansammlung von früher oder zu schnell gestarteten Einzelfahrern bei RTFs.

Troll

Von Lance A. geprägter Begriff für Menschen, die nicht nett zu einem sind. So ziemlich alle von Contador bis zum Dopingfahnder.

Uelfe

Langes Tal beginnend in Wuppertal-Laaken, endend in Radevormwald. Flachste Strecke, um aus dem Tal der Wupper ins Bergische und zurück zu kommen. Man sagt, es gibt Leute, die können es nicht mehr sehen.

Venga, Venga

Spruch, der eigentlich dem spanischen Teamchef Manolo Saiz zugesprochen werden muss. Im Laktatexpress so eine Art Triggerpunkt, um auf dem Rückweg eine augenblickliche Massenstampede auszulösen.

Vereinsmeister

Höchstmögliche Form der Anerkennung für alle, die die Startnummer zwickt. Siehe Trainingsweltmeister und Startnummern-Allergie.

Verkehrsschild

Bushaltestelle oder sonstige von der Trainingsgruppe ausgesuchte Orientierungsmarken zum Sammeln von Sprintpunkten. In der Regel 5 Punkte. Siehe Ortsschild.

Viola, Viola-Programm

Nicht die Frau von Brägel. Ehemalige Straßenfahrerin, für die Kettmann ein hammerhartes Rollentrainingsprogramm geschrieben hat: dreifache Dosis, unbedingt Handtücher um die Rolle herum legen. Wegen der Wirkung liebevoll Viola genannt.

Waltrop, Sprinter Waltrop

Verein im Ruhrgebiet mit einprägsamem Trikot. Ein Fahrer mit eben jenem Trikot hat sich dauerhaft in die Geschichte des Laktatexpress eingeschrieben, weil er 50 Kilometer lang versucht hat, partout vor den Frauen aus unserer Gruppe zu fahren. Siehe auch Doppelzopf (oder anschließend auch GA3 Spezial).

Zee Alienz

Sehr, sehr entspannter MTB-Verein aus dem benachbarten Hagen. Der Name ist kryonisch und heißt übersetzt »Außerirdische«. Der Verein bekennt sich zur gelebten Grundlagendemokratie, zumindest solange alle machen, was der Präsident sagt. Einfach erkennbar an Flammentrikots, Flammensocken, Flammenhelmen und Flammenrahmendekoren.

Zehn-Uhr-Gruppe, SUZ

Sonntags um zehn. Nicht so bekannter Wuppertaler MTB-Radsporttreff.

Zwei-Meter-Regel

Für Mountainbiker so was wie Abseits für Fußballer. Es gibt die Regel, aber keiner versteht sie. Besagt, dass Mountainbiker nicht weiter in den Wald vordringen dürfen als der Förster mit seinem Stuttgarter Kombi. Also überall hin.

Zwölf-Uhr-Gruppe

Treffpunkt Stadthalle, legendärer winterlicher MTB-Radsport-Treff, meist bis Sonnenuntergang.

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WENN ICH KÖNIG VOM WUPPERTAL WÄR’…

»Ich fühl’ mich gut! Die Form stimmt, der Trainer ist zufrieden. Die Waage zeigt kaum noch Ausschlag. Heute ist mein Tag. Heut mach’ ich sie alle fertig.

Geh’ ich direkt am ersten Berg weg oder lass’ ich sie zappeln und degradier’ sie in der zweiten Hälfte zu Statisten? Ich frag’ mich, was ein schönerer Sieg ist? Aber Vorsicht, der eine war im Höhentrainingslager, und wer weiß, wer gerade noch ’ne heimliche Intensitätswoche absolviert hat. Ich muss aufpassen, nicht zu übermütig gleich am Anfang die Körner zu verpulvern… Ach was, erst drei Wochen Alpen, dann die Superkompensation und gestern die Vorbelastung. Heute passt’s, heute lass’ ich die Glocken klingeln!

Hast du die Flaschen an der Streckenteilung abgestellt? Gut, okay. Ich fahre mit zwei großen Flaschen, innen mit Farbe die Flüssigkeit angemalt. Die anderen sollen denken, dass ich mit anderthalb Kilo in den Haltern am Start stehe. Aber am ersten Berg werd’ ich sie eines Besseren belehren. Sie sollen sich quälen – ich will das Entsetzen in ihren Augen sehen. Wenn ich mich leichtfüßig absetze, unwiderstehlich wie ein Adler schwerelos aufsteige. Die Satteltasche ist auch mit Luftpolsterfolie ausgestopft. ’Ne Panne wäre fatal, aber ich fahre heute auf Sieg! Sekt oder Selters – heute muss es klappen.

Das Ortsschild wird meines sein. Ach was, der Zwischensprint, die Bergwertung, der Gesamtsieg! Dazu das Trikot des aggressivsten Fahrers – und das des besten Jungseniors. Alle übereinander, das wird mollig warm. Ach ja, schön so im Rampenlicht! Erst das Sieger-Interview, dann gleich die obligatorische Dopingkontrolle – Zielpissen im Stehend-Anschlag kann ich ja. Schließlich raus aufs Podium. Handshake mit dem Bürgermeister, Gruß ans Publikum und dann die Küsschen…

Zwei oder drei? Wie macht der Petacchi das noch? Ich glaube, international sind drei. Mit der linken Seite anfangen. Und die werden scharf auf mich sein, die Mädels. Ich bin der Sieger! Der Beste, der absolute Gewinner. Schampuskaiser! Während ich so da oben stehe, werden die anderen langsam ins Ziel trudeln. Tja, bei so ’ner Bergetappe muss der eine oder andere schon mit dem Zeitlimit kämpfen. Aber Jungs, kommt schon, Kopf hoch, ist doch nur Radsport.

Obwohl, so sicher sollte ich mir nicht sein. Vielleicht klemm’ ich mich anfangs einfach nur hinten ran. Lass’ die anderen arbeiten. Mach’ ein schmerzverzerrtes Gesicht und erzähl’ was von Übertraining. Da werden sie attackieren und ihre Chancen in der Flucht suchen, sich vorne im Wind bei der Tempoarbeit aufreiben, um mich zu zermürben. Aber ich werde wie Phönix aus der Asche steigen und sie alle Lügen strafen!

Heute ist der Tag gekommen, um für Jahre der Demütigung belohnt zu werden. Jahre, in denen ich hinten im Peloton um Anschluss gekämpft habe. Heute wird zurückgezahlt – für all die Tage, an denen ich alleine nach Hause fahren musste, weil die Form nicht für die vorletzte Kuppe reichte. Für die Zeiten, wo mein Name Seiten weiter hinten in den Ergebnislisten auftauchte. Aber ab heute wird alles anders! Sie werden vor mir zittern. Ab jetzt bin ich der Chef des Pelotons, der König der Landstraße, der Patron der Patrone – ähh: der Kapitän der Kapitäne!

Noch ein letzter Check: neue Kette, Laufräder und Hinterbau geputzt. Das neue Trikot zum Zeichen meiner Überlegenheit strahlt in reinstem weiß. Das Sitzpolster ist frisch gecremt. Vier Gels müssten für die Distanz reichen. Auch die Details zählen. Ich bin hochkonzentriert. Dasselbe Ritual wie vor jedem Rennen. Jetzt in den Flow kommen und dann durchziehen. Ein Blick in die Augen der Kontrahenten. Sie sollen spüren, dass der Sieg ab heute nur noch an mich gehen kann. Der Helm, die neue verspiegelte Sonnenbrille, der Pulsgurt… Was ist mit dem Pulsgurt? Oje, der Pulsgurt. Ohne Pulsgurt würd’ ich am ersten Berg überziehen. Garantiert, roter Bereich – und zack! – Krämpfe, vorzeitiges Ende, Abbruch, dasselbe wie immer. »Ich muss noch mal hoch, meinen Pulsgurt holen… Wartet ihr auf mich? Fahrt nicht ohne mich los…!«

»Mein Gott, Gelpe, Mann, jetzt hol endlich deinen Pulsgurt und beeil dich! Is’ ja schon gut, wir warten. Können wir nicht ein Mal pünktlich wie jede andere Radsportgruppe auch zur Dienstagsabend-Trainingsrunde starten?«

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IN ORDER OF APPEARANCE

Am besten lernst du sie gleich mal richtig kennen, die Jungs und Mädels, die das Laktatexpress-Universum bevölkern und dir in den folgenden Geschichten gelegentlich um die Ohren fahren werden. Das also sind sie: die Protagonisten im »Tal der Ortsschildsprinter«. (Ansonsten müssen wir noch betonen: Alle in diesem Buch erwähnten Personen sind natürlich fiktiv, Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind rein zufällig und niemals beabsichtigt! Nie…)

DER HARTE WUPPERTALER KERN

Wuppertal, ja, ja, da wo der Papst mit Loriot ’ne Herrenboutique eröffnet… genau da liegt das Epizentrum unserer Radsportleidenschaft. In den umliegenden Wupperbergen finden sich Myriaden von MTB-Trails und Asphaltrampen, auf denen man die anderen vortrefflich leiden lassen kann. Das Bergische Land vor der Haustür und die Grenzen des Sauerlands sind auch lediglich eine knappe Fahrstunde vom Ortseingangsschild entfernt. Das Tal der Wupper selbst lässt nur eine Möglichkeit zu, »locker und flach« Rennrad zu fahren: durch die »Uelfe« Richtung Remlingrade-Radevormwald. Kein Wunder also, dass man sich hier zwangsläufig irgendwann auf der Abendrunde über den Weg fährt.

Frank R., genannt »Sprengmeister«

Erfahrener Ex-Rennfahrer, hat sich schon mit Bart Brentjens in Baal bei Sommerrennen gekloppt. Seine Fahrweise ist immer dynamisch, Beschleunigung nach der roten Ampel Ehrensache. Dass er alles mit Akribie vorbereitet, ist sein Markenzeichen, cellophanierte, sorgfältig gefaltete Trikotsätze für die einzelnen Etappen der Transalp sind ein Gerücht. Die Sprintattacken kommen dagegen vollkommen ohne Vorwarnung. Seine Wohnung liegt zufällig am Ende der Dienstagabendrunde, und er hat immer guten Espresso und kalte Getränke im Ausschank.

Rainer W., die »isländische Nähmaschine«

Gefürchtet wegen seiner gnadenlosen Trittfrequenz. Ehrenmitglied der »Sektion Burgholz«. (Das ist die Truppe, die jeden Sonntag durch das größte Waldgebiet zwischen Solingen und Wuppertal streift.) Der unverbesserliche Mountainbiker kennt restlos alle Verbindungsstrecken durch unser allerliebstes Naherholungsgebiet. Immer nach dem Motto: Je steiler, desto geiler. Der Unterschied zwischen einer 28-prozentigen Waldschneise und einem flachen Forstweg will ihm partout nicht einleuchten. Nebenbei ist Rainer noch für seine Grundlagenausdauer bei Salsa-Tanzevents bekannt, was manchmal zu lustigen Leistungseinbrüchen am späten Sonntagnachmittag führt.

Daniela B., »Erste Frontfrau«, auch Dani genannt

Wo sie ist, ist vorne. Bei Trainingsrunden immer auffällig unauffällig. Mindestens zwei, drei Mal im Jahr haut sie einen raus, da fragt sogar der Trainer, wo das herkommt. Kann sechs Stunden lang drei Schläge unter Maximalpuls halten. Trägt seit mehreren Jahren das modische Trikot der NRW-Landesmeisterin über die Marathondistanz – und lässt sich auch von schiefen Bandscheiben oder querenden Motorrädern nur kurzfristig aufhalten. Bevorzugt im Gelände 14 Gänge und trinkt leidenschaftlich Isoplörre aus Tutzing. Ende der Werbepause.

Markus »der Reverend« B.

Startet prinzipiell bedächtig von hinten aus dem letzten Startblock, um mehr Leute überholen zu können. Haut nach hinten immer einen raus wie Don Camillo und Peppone. Autorisierter Kurzstreckenreporter der Laktatexpress-Website: Wenn seine Bewertung eines Marathons negativ ausfällt, sinken im nächsten Jahr die Anmeldezahlen. Ist bei Veranstaltern deshalb gefürchteter als ein Restaurantkritiker beim Sternekoch. Aufgepasst, er verirrt sich in letzter Zeit öfter auf die längeren Strecken. Wenn er auf dem Rennrad zu sehen ist, hat es vorher zwei Wochen nicht geregnet.

Markus »Schledde« M.

Transalp-Challenge-Finisher aus Köln. Hat schon mehr Radfahrer gestoppt als die Polizei! Er arbeitet nämlich bei einer bekannten Zeitmessungsfirma. Kann da aber nichts für Jedermänner regeln, also bitte keine Zuschriften ;-).

Jörg »the lightning« H.

Tempohart wie ein Stück Asphalt aus der Kürtener Sülz. Man sagt, er ist zur Verbesserung seiner anaeroben Fähigkeiten ins Oberbergische gezogen. Live high, work low, bike sometimes. Wir sind gespannt.

Roger »Venga« H.

Online auch unter dem anglizierten Namen Rohan unterwegs, aktuell wohnhaft in Bochum. Unser Online-Auktionshaus-Experte, weiß immer, wo es was zu schnappen gibt. Weigert sich als einziger Fahrer, weißen Helm und weiße Schuhe zu tragen, hat außerdem einen Hang zu Mottotrikots und andersfarbigen Regenjacken. Und das, obwohl der stilsichere »Sprengmeister« sein langjähriger, kongenialer Teampartner ist.

Manfred »the beast from the east« K.

Die Wälder östlich von Köln sind sein Jagdrevier. Regelmäßige Platzierungen bei MTB-Marathon- und in letzter Zeit häufiger auch NRW- oder RheinlandCup-Crosscountry-Rennen. Wenn auf den kurzen Strecken nicht immer der Puls so hoch wäre…

Matt »El Capitan O.«

Last but not least: der Webmaster des Laktatexpress. Hatte im November 2001 die fixe Idee, eine Internetseite mit der Endung ».de« ins Leben zu rufen. Schreibt seitdem jeden Monat mindestens einen ellenlangen Bericht. Ist in seinem wahren Leben Semi-Radprofi und betreibt zum Ausgleich an Ruhetagen eine Wuppertaler Design-Agentur. Man sagt, er habe sich mit dem Förster im Gelpetal so zerstritten, dass er neuerdings als Radsportler öffentlich nur noch unter Pseudonym auftritt.

PÄRCHENPOWER ALL OVER DEUTSCHLAND

Dass Radsport keine reine Männerdomäne ist, beweist der Laktatexpress. Wir haben eine stattliche Anzahl gleichberechtigt bikender Paare in unseren Reihen (also nicht solche, wo »sie« sich von »ihm« das Fitnessrad zur Montagsrunde aufpumpen lässt):

Marbod, genannt »Mbod«, und Nina!

Unsere Laktat-Keimzelle im wunderschönen Heidelberg. Leben auf, wenn es lang und bergig wird. Marbod hat einen Hang zu exzessiven Streckenlängen ô la Wuppertal–Berlin, Wuppertal–Stuttgart, Wuppertal–Paris. Seine Geschichten allein würden ein weiteres Buch füllen. Er ist außerdem bekannt für seine unerbittlichen Selbstportraits, durch ihn bekommt das Wort »Pass-Bild« eine vollkommen neue Bedeutung. Marbod brachte den Laktatexpress bundesweit ins Bewusstsein, indem er jahrelang RTFBerichte für die Tour schrieb. Einige wurden tatsächlich auch abgedruckt. Der Liebe wegen ging’s nach Heidelberg, da kann er jetzt mit Nina auch viel längere Touren fahren.

»Dr. Dr.« Sandra J.

Unsere Multisportlerin aus Witten kann sich auf dem Rennrad so klein machen, dass dahinter nur Windschatten bis zur Kniescheibe entsteht. Sandra bestand Teil 1 des Laktatexpress-Aufnahmetests, weil sie ahnungslos bei einer fünfstündigen Grundlagenrunde durch das Bergische die komplette erste Stunde von vorne fuhr – und trotzdem am Ende mit der Gruppe ankam. Liiert mit…

Markus »Horchposten Taunus« H.

Wohnt in einem Dorf der Ahnungslosen, wo Internet und Handy erst noch erfunden werden müssen. Ist aber egal, der Feldberg mit seinen Sahne-Trails ist nicht weit entfernt. Da kann man herrlich entspannt trainieren und grillen, was Teil 2 der Aufnahmeprüfung war.

Lars B. und Silke P., »die Serientäter« aus Essen

Multiple Transalp-Challenge-Finisher. Eigentlich unzertrennlich, nur während der Etappenrennen hat der Teampartner Vorrang im Hotelbett. Lars unter anderem in Kombination mit Bernd aus dem Süden unserer Republik. Silke dauernd auf der Suche nach der richtigen Partnerin. Warum die beiden so viele Transalp Challenges mitfahren? Sie haben einfach übermäßig Erfolg bei Preisausschreiben und Sponsorings. Und wer sagt bei zwei Etappenrennen hintereinander schon nein, wenn der Chef den Urlaub freigibt?

Eberhard und Verena

Wuppertals prominentestes Radsport-Traumpaar. Fahren alle Sorten von Rad – Hauptsache, es gibt viel Windschatten. Waren akut in die Führungsarbeit eingebunden, als der Name Laktatexpress geprägt wurde. Die beiden, kurz »E+V« genannt, sind in ihrem zweiten Leben geistige Anführer eines Dortmunder Radsportvereins mit Spitzengruppe-Ambition. Deswegen war in der Anfangszeit auch eine gewisse Rivalität zu spüren…

DIE »LÜDENSCHEID CONNECTION«

Die Bergfestung im Sauerland, einst eine mächtige Radsport-Bastion gegen all die Windschattenlutscher aus dem Flachland. Hier hat der Laktatexpress seine Qualitäten am Berg erlangt und erste Einblicke in die Welt des gehobenen Amateurradsports erhalten.

Silke und Dieter

Didi war schon NRW-Cup-Führender, als wir noch dachten, Biopace wäre die Zukunft. Sille, Danis Schwester, kann locker bei jeder RTF vorne mitfahren – wenn sie sich mehr zutrauen würde. Sie nennt den ersten wirklich schönen Krautscheid-Renner im neuen Design ihr Eigen. Wenn es keine schönen Stahlrahmen mehr gibt? Muss man halt alles selber machen.

Bariadi

Der braungebrannteste Fahrer der Lüdenscheid Connection hat Erfahrung im »Frauenweitwurf«. Podium Mixed bei der Rennrad-Transalp mit Deutschlands schnellster Postfrau Nicole H. aus Darmstadt. Bariadi findet kleinere Übersetzungen als 42 x 21 im Sauerland einfach lächerlich. Gehörte zur Bergstadt-Profitruppe um Côte-d’Azur-Rundfahrt-Sieger Stefan R., Bergwertungsgewinner Andre R. und Sprinttrikotträger Jörg B. (der neuerdings wieder beim RegioLoop auftauchte – und gewann).

Christian G.

Jetzt wohnhaft in Frankfurt. Wurde bei den Transalp Challenges 2002 und 2003 von seinen Teampartnern auf hohem Niveau so platt gefahren, dass er fortan nur noch auf Laufveranstaltungen gesichtet wurde.

DIE EHEMALIGEN

Versenkt, vergrätzt, verzogen und verschollen. Bei einer freiwilligen Gemeinschaft von charakterstarken Individuen bleibt es nicht aus, dass eine gewisse Fluktuation im Gruppengefüge herrscht. Man kann es auch natürliche Selektion nennen. Aber egal, jeder dieser Herren hat einen berechtigten Platz in der Geschichte des Laktatexpress.

Robby »Tobby, the flyin’ Cannondale«

Wenn es das Wort »Freerider« schon vor zehn Jahren gegeben hätte, Robby wäre einer gewesen. Zu seinem Leid geriet er in den Uphill-lastigen Einflussbereich der Sektion Burgholz. Ist nach München verzogen und fährt seitdem kaum mehr – muss ja ein tolles Bike-Gebiet sein da an der Isar…

Carsten S.

Berühmt aus der frühen Laktatexpress-Kolumne »Carsten erklärt die Welt«. War seiner Zeit weit voraus und hat Bowdenzüge fachgerecht mit Lüsterklemmen verlängert – die gute alte bergische Elektroingenieurs-Ausbildung… (Heute steht so was ja als Notfalltipp in jeder Bike-Zeitschrift). Träumt zeit seines Lebens davon, a) einmal schneller als Danielle zu sein, b) ein teureres Rad zu besitzen als Matt O. und c) bei der Rückfahrt aus dem Burgholz nicht auf Rainers Guide-Qualitäten angewiesen zu sein.

F.r.a.n.k.y.b.o.y.

Kam, sah – und ging wieder. Glaubt jetzt an eine andere Konfession und trägt auch deren Trikot, ab und zu.

Thomas L.

Der On/Off-Trikotträger aus Dortmund. Seine Ausreden vor Rennen sind legendär, sein Auftritt beim ersten Bike-Marathon in Wetter war suboptimal. Aber der Kerl ist gefährlich! Hatte mal Trikotgröße L – und fragt jetzt nach S! Jahrelanges Training oder neumodische Schmeichelgrößen?

Carsten B.

Ein Antritt am Berg wie ein Hungerhaken. Im Nachnamen das englische Wort für Bremse. Auf dem Rad aber alles andere als das. Auch wenn er inzwischen vorzugsweise vorher schwimmen und anschließend noch joggen geht.

DIE GEBURTSHELFER

Und dann gab es noch ein paar Radfahrer in unserem Umfeld, die allesamt auf ihre jeweils unnachahmliche Weise den Namen Laktatexpress mitgeprägt haben.

Thommaso »Titanio mi Amore« G.

Guter italienischer Radsportadel mit akuter Titanrahmen-Sammelleidenschaft, jetzt wohnhaft im schönen Allgäu. Unvergessen sein erster Auftritt beim Neuenrader Bergzeitfahren anno tuck. Einzelstart, die Profis alle längst oben, nur noch drei Hobbyfahrer auf der Strecke… also wird schon mal die Siegerehrung gemacht. Während der vermeintlich Erste aufs Podium klettert, kommt ein flatterndes weißes T-Shirt mit Hakenpedalen den Berg hochgeknallt. Bestzeit aller Klassen! Alle Lizenzler einen aufrücken, bitte…

Uwe »Cappelino« K. oder »der Pate von Bochum«

Großgrundbesitzer und Fahrradnarr. Bester Kunde von Krautscheid Bicycles. War an der Entstehung des Begriffs Laktatexpress unmittelbar beteiligt. Irgendwann war ihm die Vorherrschaft auf allen RTFs der Region zu wenig und er gründete eine Nachwuchs-Rennsport-Gemeinschaft, die unter dem dubiosen Namen »Team Sieben Steine« den deutschen Zwergenradsport nachhaltig aufwirbelt.

»Gott«

Gefeierter mehrfacher Vereinsmeister aus Dortmund, tauchte am Tag nach einer Tequila-Party beim legendären 12.00-Uhr-Stadthallentreff auf. Es gab eine MTB-Ausfahrt in die Wupperberge, bei der unerbittlich alle vorhandenen Kräfte gemessen wurden. Der Tag endete mit der besinnlichen Suche nach »Gott« in den weiten Hanglagen unter der imposanten Eisenbahnbrücke von Remscheid nach Solingen.

Ralf »Yeti« K.

Berühmt geworden durch seine brillanten Zwischenfragen zu bewegenden Radsportthemen: »Was sagst du zum sozialen Hochschulprojekt für Wuppertal?« »Hääh? Was hat dieses Projekt mit Radfahren zu tun?« Rein gar nichts, deswegen streut er derlei bildungsbürgerliche Blendgranaten gerne in die Spitzengruppe – immer dann, wenn am Tremalzo das Tempo mal wieder etwas zu hoch für ihn ist.

Hanswerner »the Bud«

Er war der Erste und Einzige, der 1990 am Gardasee mit 2,4er Breitreifen rumfuhr – auch wenn die kaum durch den Hinterbau passten, egal. Manche sagen, er war Hellseher, andere monieren: »Damit kam er den Berg überhaupt nicht mehr hoch!« Unvergessen die erste Abfahrt vom Monte Brione an seinem Hinterrad, damals noch direkt an der Abrisskante lang – ohne Absicherungsseil! Wenn Engel fliegen könnten… Und dann war da noch die Aktion mit dem legendären, illegalen MTB-Marathon auf der »Rund um Wuppertal«-Wanderstrecke. Aber da können wir uns nicht mehr dran erinnern, Herr Oberförster. Man sagt, Hanswerner hat umgeschult und illustriert neuerdings Cover von Radsportbüchern.

Frank U.

Unser Mann für die Deutsche Meisterschaft! Ein knallharter Tempobolzer, der uns den Windschatten würdigen lehrte. Brachte sich 2001 bei der allerersten MTB-Hobby-DM in Willingen um den Sieg, weil er die Nacht zuvor unbedingt im Sauerlandstern übernachten wollte, ohne ein Zimmer gebucht zu haben. Am Start hatte er exklusiv drei Friseusen, die ihn frenetisch anfeuerten – aber irgendwie keinen Saft mehr in der Hose.

Mattes B.

Mitbesitzer des wahrscheinlich besten und sicher einzigen Outdoor-Outlets in der bergischen Metropole. Mag seit Ende seiner Karriere als Lizenzfahrer nicht mehr schnell fahren. An seiner schnuckeligen Radsport-Finca in Cronenberg startete einst der »Rund um Wuppertal«-MTB-Marathon… »Welches Rennen, Herr Oberförster? Ich hab’ nur zufällig eine dreistellige Nummer am Lenker.«

Eddy (nicht Merckx)

Inhaber der berühmt-berüchtigten »Cycle Station«. Einziger Radsportladen für sportlichere Betätigung in Wuppertal. In den Vitrinen waren die ersten vollkommen überteuerten Syncros-Teile zu bewundern. Ist vor Jahrzehnten über den ortsansässigen Fluss gegangen.

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I WANT TO RIDE MY BIKE

Wenn du als Kind in den 50er, 60er oder 70er Jahren aufgewachsen bist, ist es zurückblickend kaum zu glauben, dass wir so lange überleben konnten! Als Kinder saßen wir in Autos ohne Sicherheitsgurte und Airbags. Unsere Bettchen waren angemalt in strahlenden Farben voller Blei und Cadmium. Die Fläschchen aus der Apotheke konnten wir ohne Schwierigkeiten öffnen, genauso wie die Pulle mit dem Bleichmittel. Türen und Schränke waren eine ständige Bedrohung für unsere Fingerchen. Auf dem Fahrrad trugen wir nie einen Helm! Wir tranken aus Wasserhähnen oder Bächen und nicht aus antiseptischen CamelBaks oder silberionisierten Bidons.

Wir bauten unseren Puky-Rädern alles Unnötige dran und wieder ab und entdeckten während der ersten rasenden Abfahrt, dass Weinmann-Bremsen doch was Tolles sind. Wir kamen nach einigen Unfällen auch ohne klar. Wir verließen morgens das Haus zum Spielen. Wir blieben den ganzen Tag weg und kehrten erst nach Hause zurück, wenn die Straßenlaternen angingen. Niemand wusste, wo wir waren, und wir hatten nicht mal ein Handy oder GPS dabei!

Ja, das waren lustige Zeiten, als wir in bunten Klamotten den Monte Brione runterheizten oder als Espoirs mit kratzigen Baumwolltrikots im Unterlenker unserer Sieben-Gang-Raleighs hingen. Wir haben uns geschnitten, brachen uns Knochen, Schulterblätter und Zähne, und niemand wurde deswegen verklagt! Es waren eben Unfälle. Niemand hatte Schuld außer wir selbst. Keiner fragte nach Aufsichtspflicht. Kannst du dich noch an »Unfälle« erinnern? Der Surfschüler, der sich erstmalig ein Carpentari-Rad auslieh und sich prompt das halbe Ohr abriss? Wir haben ihm den Lappen unter ein verschwitztes Stirnband gesteckt und sind ins Krankenhaus gefahren. Damit mussten wir alle leben, denn es interessierte niemanden – und keine Fachzeitschrift schrieb uns vor, wie breit der Lenker sein musste! Wir aßen Kekse auf unseren Touren und Brote mit dick Butter. Wir grillten ständig und wurden trotzdem nicht zu fett. Wir tranken mit unseren Freunden aus einer Flasche, und niemand starb an den Folgen.

Wir hatten keine Playstation, kein Nintendo 64, dafür Indexschaltung, BioPace, Deore XT und mehr Spiel im Steuersatz als heutzutage Federweg. Wir hatten im Studium Freunde. Wir gingen einfach raus und trafen sie auf der Straße. Oder wir marschierten einfach zu deren Heim und klingelten. Manchmal brauchten wir gar nicht zu klingeln und gingen einfach hinein. Ohne Terminkalender, Outlook oder SMS. Keiner fuhr mit dem Auto zum Treffpunkt, keiner brachte uns und keiner holte uns, wir nahmen einfach das Rad. Nicht den Crosser, das MTB, das Zeitfahrrad oder den Renner – einfach das Rad. Wie war das nur möglich?