Grund und Grenzen eines
Marktwirtschaftsstrafrechts

von

Anja Nöckel

 

kein Alternativtext verfügbar

eine Marke der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH

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Grund und Grenzen eines Marktwirtschaftsstrafrechts › Herausgeber

Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht

 

Herausgegeben von

Prof. Dr. Mark Deiters, Münster

Prof. Dr. Thomas Rotsch, Gießen

Prof. Dr. Mark Zöller, Trier

Impressum

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

 

ISBN 978-3-8114-4422-5

 

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(c) 2012 C.F. Müller, eine Marke der Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH
Heidelberg, München, Landsberg, Frechen, Hamburg
Zugl.: Jena Univ., Diss., 2011

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2011 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung wurden bis zum Mai 2011 berücksichtigt. Die erst danach als Band 1 dieser Reihe erschienene Habilitationsschrift von Marco Mansdörfer „Zur Theorie des Wirtschaftsstrafrechts“ konnte daher leider nicht berücksichtigt werden. Zwar nehmen sowohl die Arbeit Mansdörfers als auch die hier vorliegende Dissertation die Überlegungen Alwarts zur Notwendigkeit einer Revision der Paradigmen des Wirtschaftsstrafrechts zum Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen, doch unterscheiden sie sich nicht nur in ihren Ergebnissen, sondern bereits hinsichtlich ihrer methodischen Herangehensweise. Während Mansdörfer einen Paradigmenwechsel durch einen „analytischen Individualismus“ vermeiden will, plädiert die hier vorliegende Arbeit für eine Ablösung von überkommenen Strukturen und eine Hinwendung zu marktwirtschaftlichen Bezügen.

Ganz besonderer Dank gilt Prof. Dr. Heiner Alwart für die Anregung des Dissertationsthemas und seine hervorragende wissenschaftliche Betreuung bei der Entstehung der Arbeit. Darüber hinaus danke ich ihm für seine stets engagierte und interessierte Unterstützung sowie die ermöglichten Freiräume zur Entfaltung meiner Überlegungen. Für die außerordentlich zügige Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Prof. Dr. Dennis Bock.

Ich bedanke mich insbesondere auch bei Prof. Dr. Mark Deiters, Prof. Dr. Thomas Rotsch und Prof. Dr. Mark Zöller, welche die Aufnahme in die Reihe „Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht“ ermöglicht haben.

Danken möchte ich ebenfalls der Doktorandenschule und dem Forschungszentrum „Laboratorium Aufklärung“, die mich während des Entstehungsprozesses dieser Arbeit in vielfältiger Weise gefördert haben. Darüber hinaus danke ich für den großzügigen Druckkostenzuschuss, der mir aus dem Landesprogramm „ProExzellenz“ des Freistaates Thüringen gewährt worden ist.

Mein tiefster Dank gilt jedoch meinen Eltern, denen diese Arbeit in Liebe und Dankbarkeit gewidmet ist.

November 2011

Gera        Anja Nöckel

 

 

„Die Konkurrenz innerhalb des Geschäfts regelt sich selber, die Konkurrenz von einem Punkt außerhalb der Geschäfts gleicht einem Wettrennen, bei dem jemand, der sich am Ausgangspunkt nicht mit aufgestellt hat, an späterer Stelle einspringt, um durch den Vorsprung, den er damit gewonnen hat, die legalen Bewerber, welche den ganzen Weg haben zurücklegen müssen, um ihren verdienten Lohn zu bringen.“

       (Rudoplph von Ihering)

Inhaltsverzeichnis

 Vorwort

 Abkürzungsverzeichnis

Teil 1Einführung

 I.Gegenstand der Untersuchung

 II.Ziel der Untersuchung

 III. Gang der Untersuchung

Teil 2Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts

 I.Versuche einer Bestimmung des materiellen Verbrechensbegriffs

  1.Verletzung eines subjektiven Rechts

  2.Verbrechen als Interessenverletzung

  3.Sozialschädlichkeitslehre

  4.Lehre vom Vertrauensschutz

  5.Normgeltungslehre

  6.Kumulationsdelikte

  7.Verhaltensdelikte

  8.„Harm Principle“ und „Offence Principle“

  9.Rechtsgutslehre

   a)Begriff des Rechtsguts

   b)Kollektive und mediatisierte Zwischenrechtsgüter

   c)Personale Rechtsgutslehre

   d)Defizite der Rechtsgutslehre

   e)Gegenwärtige Lage des Rechtsguts im Wirtschaftsstrafrecht

 II.Rechtsgutsbegriff als hemmender Faktor des Wirtschaftsstrafrechts

  1.„Rechtliche“ Funktion des Rechtsgutsbegriffs

   a)Schutz der Wirtschaft

   b)Schutz der Wirtschaftsordnung

   c)Schutz der Sozialen Marktwirtschaft

    aa)Wettbewerb als Grundstein der Wirtschaftsordnung

    bb)Soziale Komponente

    cc)Schutzfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft

  2.„Vorstrafrechtliche“ Funktion des Rechtsguts

  3.Regel als Strafwürdigkeitskriterium

 III.Regelmodell des Marktwirtschaftsstrafrechts

  1.Grundzüge des Regelmodells

  2.Regeln als Ausdruck gesellschaftlicher Wert- und Verhaltensvorstellungen

  3.Regeln der Sozialen Marktwirtschaft

  4.Voraussetzungen des Regelsystems

  5.Reaktion auf Regelverletzungen

  6.Affirmation marktwirtschaftlicher Regeln

 IV.Umfang des Marktwirtschaftsstrafrechts

  1.Abhängigkeit vom Wirtschaftssystem und Verortung in der Rechtsordnung

  2.Legitimierbare Delikte

   a)Tatbestand allgemeiner Wirtschaftsschädigung

   b)Spezielle Deliktsgruppen

 V.Zusammenfassung

Teil 3Funktion des Marktwirtschaftsstrafrechts

 I.Verhaltenssteuerung durch Strafrecht

  1.Funktionen des Rechts

  2.Grundzüge der sozialen Kontrolle

  3.Strafrecht als Teilbereich der sozialen Kontrolle

  4.Grundlagen der Verhaltenssteuerung

  5.Verhaltenssteuerung durch Anreize

  6.Steuerung der Wirtschaft

   a)Historische Entwicklung des Wirtschaftsstrafrechts

   b)Strafrecht und Wirtschaft in der Gegenwart

    aa)Ausdehnung strafrechtlicher Steuerung

    bb)Bestrebungen nach ökonomischer Selbstregulierung

    cc)Positionierung eines modernen Wirtschaftsstrafrechts

   c)Generalpräventive Anknüpfung des Wirtschaftsstrafrechts

 II.Verhaltenssteuernde Funktion des Marktwirtschaftsstrafrechts

  1.Theorie des psychologischen Zwangs

   a)Begriff der Strafe

   b)Aufbau der Straftheorie

   c)Inhalt der Straftheorie

    aa)Strafandrohung

    bb)Strafexekution

   d)Bedingungen und empirische Probleme

    aa)Kenntnis der Norm

    bb)Motivation durch die Norm

    cc)Zugrundeliegendes Menschenbild

     (1)Ablehnung eines Feuerbach‘schen Rationalismus

     (2)Annahme eines Feuerbach‘schen Rationalismus

     (3)Rationalismus im Wirtschaftsstrafrecht

    dd)Einbeziehung in die Kalkulation

   e)Eignung als Präventionsmittel

    aa)Empirische Nachweisbarkeit

    bb)Rechtsstaatliche Probleme

   f)Bewertung

  2.Aktualisierung der Theorie des psychologischen Zwangs

   a)Grundsätzliche Überlegungen

    aa)Kenntnis der Norm

    bb)Rationalität, Motivierbarkeit, Einbeziehung

   b)Bewertung der Nutzungsmöglichkeit

Teil 4Grund des Marktwirtschaftsstrafrechts

 I.Wissenschaftliche Bestimmbarkeit des Gegenstands des Strafbaren

 II.Begriff der Strafwürdigkeit

  1.Allgemeiner Sprachgebrauch

  2.Überblick über Definitionsansätze

  3.Eigenes Verständnis

 III.Kriterien zur Bestimmung der Strafwürdigkeit

 IV.Strafwürdige Regelverletzungen

  1.Legitimationsmöglichkeit

  2.Inhaltliche Präzisierung

  3.Spezifischer ökonomischer Fairnessgedanke

 V.Exemplarische Bestimmung der Strafwürdigkeit

  1.Regelverletzung bei § 266 StGB

   a)Notwendigkeit einer Pflichtverletzung

    aa)Formelle Pflichten

    bb)Materielle Pflichten

     (1)BGH: Pflichtverletzung durch Anerkennungsprämie

     (2)Literatur: Möglichkeit nachträglicher Vertragsänderung

   b)Strafrecht und Vergütungsentscheidungen

    aa)Strafrechtliche Bewertung des am Markt gebildeten Preises

    bb)Vorliegen einer Regelverletzung

  2.Regelverletzung bei § 299 StGB-E

   a)Änderungen im Überblick

   b)Kritik an der Reform

    aa)Bruch der StGB-Systematik

    bb)Nähe zur Untreue und abstrakte Gefährdung

    cc)Vorverlagerung der Strafbarkeit

   c)Stellungnahme

  3.Regelverletzung bei § 299 StGB

   a)Klassische Konstellation der Bestechung

    aa)Grundform der Korruption

    bb)Marktwirtschaftliche Regeln der Käuferbeeinflussung

     (1)Regeln für Anbieter

     (2)Regeln für Abnehmer

    cc)Regelverletzung durch verschleierte Schmiergelder

   b)Korkengeld-Fall des Reichsgerichts

    aa)Marktwirtschaftliche Regeln der Verkäuferbeeinflussung

     (1)Regelverletzung durch Geschäftsherren und Angestellte

     (2)Regelverletzung durch Anbieter

    bb)Konsequenzen einer marktwirtschaftsstrafrechtlichen Bewertung

  4.Regelverletzung durch Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

   a)Feststellung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

   b)Strafwürdigkeit des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung

   c)Konsequenzen für das Strafrecht

Teil 5Grenzen des Marktwirtschaftsstrafrechts

 I.Interne Grenzen

  1.Fragmentarischer Charakter des Strafrechts

  2.Strafrecht als ultima ratio

 II.Externe Grenzen

  1.Überblick

   a)Wirtschaftsethik

   b)Verhaltenskodizes, Corporate Governance und Compliance

   c)Good Corporate Citizenship

   d)Alternative Sanktionsmöglichkeiten

    aa)Marktteilnehmer

    bb)NGOs

    cc)Staatliche Optionen

    dd)Öffentlichkeit und Publizität

  2.Stellungnahme

 III.Feuerbachs Einfluss auf die Verhaltenssteuerung durch Wirtschaftsstrafrecht

 IV.Abschluss

 V.Thesen

 Literaturverzeichnis

 Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

A.A./a.A.

Andere Ansicht/andere Ansicht

a.E.

am Ende

a.F.

alte Fassung

Abl. EU

Amtsblatt der Europäischen Union

Abs.

Absatz

AEUV

Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

AG

Aktiengesellschaft/Die Aktiengesellschaft

AktG

Aktiengesetz

Alt.

Alternative

AnwBl

Anwaltsblatt (Zeitschrift)

APuZ

Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift)

ArbZG

Arbeitszeitgesetz

Art.

Artikel

AT

Allgemeiner Teil

AuR

Arbeit und Recht (Zeitschrift)

BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BB

Betriebs-Berater (Zeitschrift)

Bd.

Band

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BörsG

Börsengesetz

BRAK

Bundesrechtsanwaltskammer

BR-Drs.

Bundesrats-Drucksache

bspw.

beispielsweise

BT

Besonderer Teil

BT-Drs.

Bundestags-Drucksache

BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

d.h.

das heißt

DBA

Didaktik der Berufs- und Arbeitswelt (Zeitschrift)

DBW

Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)

DCGK

Deutscher Corporate Governance Kodex

DDR

Deutsche Demokratische Republik

ders.

derselbe

Diss.

Dissertation

DR

Deutsches Recht (Zeitschrift)

Dr. (h.c.)

Doktor (honoris causa)

DStR

Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)

Ebf./ebf.

Ebenfalls/ebenfalls

EG-Vertrag

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Einl.

Einleitung

etc.

et cetera

EU

Europäische Union

EU-Dok.-Nr.

Dokumenten-Nummer der Vorschriften der Europäischen Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

f.

folgende

ff.

fortfolgende

FMStFV

Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes (Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung)

Fn.

Fußnote

FS

Festschrift

GA

Goltdammerʼs Archiv für Strafrecht (Zeitschrift)

Gbl.

Gesetzblatt

GBP

Great Britain Pound (ein britisches Pfund)

Gem./gem.

Gemäß/gemäß

GG

Grundgesetz

GK-UWG

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb mit Nebengesetzen Großkommentar

GmbHG

Gesetz betreffend die Gesellschaften mit begrenzter Haftung

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift)

GRUR-RR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift)

GS

Gedächtnisschrift

GWB

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

GwG

Geldwäschegesetz

h.M.

herrschende Meinung

HdK

Handwörterbuch der Kriminologie

HdW

Handbuch des Wirtschaftsstraf- und -ordnungswidrigkeitenrechts

HdWW

Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft

HFR

Humboldt Forum Recht (Internet-Zeitschrift)

HGB

Handelsgesetzbuch

HK-GS

Handkommentar Gesamtes Strafrecht

Hrsg.

Herausgeber

HWSt

Handbuch Wirtschaftsstrafrecht

i.H.v.

in Höhe von

i.S. d.

im Sinne des

i.V.m.

in Verbindung mit

insb.

insbesondere

InsO

Insolvenzordnung

JA

Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift)

JR

Juristische Rundschau (Zeitschrift)

JURA

Juristische Ausbildung (Zeitschrift)

JuS

Juristische Schulung (Zeitschrift)

JuSchG

Jugendschutzgesetz

JZ

Juristenzeitung (Zeitschrift)

KrimJ

Kriminologisches Journal (Zeitschrift)

KritV

Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschrift)

KWG

Gesetz über das Kreditwesen

LG

Landgericht

LK-StGB

Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch Großkommentar

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

MDR

Monatszeitschrift für deutsches Recht (Zeitschrift)

MitbestG

Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer

MschrKrim

Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform (Zeitschrift)

MünchAnw

Münchener Anwaltshandbuch

MK-AktG

Münchener Kommentar zum Aktiengesetz

MK-StGB

Münchener Kommentar zum Strafgesetzbuch

MuW

Markenschutz und Wettbewerb (Zeitschrift)

n.F.

neue Fassung

NGO

Non-Governmental Organisation

NJW

Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift)

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift)

NK

Nomos Kommentar/Neue Kriminalpolitik

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungs-Report

NZG

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht

OLG

Oberlandesgericht

ORDO

Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft

ÖRiZ

Österreichische Richterzeitung (Zeitschrift)

Prof.

Professor

RB (EU)

Rahmenbeschluss des Rates der Europäischen Union

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Rn.

Randnummer

Rs.

Rechtssache

RW

Rechtswissenschaft Zeitschrift für rechtswissenschaftliche Forschung

S.

Satz/Seite

SEC

United States Securities and Exchange Commission (US-Börsenaufsichtsbehörde)

SEV

Sammlung der Europäischen Verträge

SK-StGB

Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch

Slg.

Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz

SoFFin

Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung

sog.

sogenannte, sogenannten, sogenannter, sogenanntes

StGB

Strafgesetzbuch

StGB-DDR

Strafgesetzbuch der DDR

StGB-E

Strafgesetzbuch-Entwurf

StPO

Strafprozessordnung

Str./str.

Strittig/strittig

StraFO

Strafverteidiger Forum (Zeitschrift)

StV

Strafverteidiger (Zeitschrift)

u.a.

unter anderem/und andere

u.ä.

und ähnliches

Univ.

Universität

UNO

Organisation der Vereinten Nationen

USA

Vereinigte Staaten von Amerika

UWG (UnlWG)

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

v.Chr.

vor Christus

Vgl./vgl.

Vergleiche/vergleiche

Vor/Vorb

Vorbemerkung

VorstAG

Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung

wistra

Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht

WpHG

Wertpapierhandelsgesetz

WRP

Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)

WRV

Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Reichsverfassung)

WuB

Wirtschafts- und Bankrecht (Zeitschrift)

WuW

Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift)

z.B.

zum Beispiel

ZBJV

Zeitschrift des Bernischen Juristenvereins

zfwu

Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik

ZGR

Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht

ZgS

Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft

Ziff.

Ziffer

ZIP

Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

ZIS

Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik

Zit./zit.

Zitiert/zitiert

ZRP

Zeitschrift für Rechtspolitik

ZStW

Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft

Teil 1 Einführung

Teil 1 Einführung › I. Gegenstand der Untersuchung

I. Gegenstand der Untersuchung

1

Die Suche nach Grund und Grenzen des Strafrechts ist ebenso zeitlos wie aktuell und bringt seit jeher die unterschiedlichsten Ergebnisse hervor. Naturgemäß werden die Fragen nach der Legitimation des Strafrechts dabei von der gesellschaftlichen Entwicklung beeinflusst, so dass sie nicht nur im Rahmen des „klassischen Kernstrafrechts“ gestellt werden, sondern darüber hinaus stets aktuelle Bedeutung erlangen. So sind es auch und gerade die hochkomplexen Strukturen der Wirtschaftsordnung, die sowohl das Selbstverständnis als auch die Wahrnehmung des Strafrechts oftmals zweifelhaft und sein Potential zur Verhaltenssteuerung nicht selten fraglich erscheinen lassen.

2

Die Bildung des Begriffs eines Marktwirtschaftsstrafrechts mag befremdlich wirken, erfreut sich doch „das Wirtschaftsstrafrecht“ seit mehreren Jahrzehnten nicht nur wachsender gesellschaftlicher Bedeutung, sondern bildet auch den Bereich des Sanktionen auferlegenden Rechts, der wohl der stärksten Kritik unterworfen ist. Dabei werden oft am Einzelfall zunächst die richterliche Entscheidung, dann prozessuale Unzulänglichkeiten und letztlich grundlegende konzeptionelle Mängel im System des (Wirtschafts-)Strafrechts gerügt. Die entsprechenden Äußerungen erfolgen regelmäßig in Momenten großer öffentlicher Erregung und rein punktuell, weshalb es nach Kurzem zu einem Nachlassen des Entsetzens in der breiten Öffentlichkeit kommt. Bisweilen entsteht überdies der Eindruck, dass das Strafrecht Wirtschaftsstraffälle gern selbst derartig handhaben und allein der wirtschaftlichen Selbstregulierung überlassen würde. Abseits der oft unsachlichen medialen Diskussionen zeigt dies aber nur, wie schwer der Strafrechtswissenschaft ein angemessener Umgang mit dem Wirtschaftsstrafrecht fällt. Schwierigkeiten werden jedoch nicht erst in streitbaren Einzelfallentscheidungen, strafprozessualen Hindernissen, Problemen bei der Schaffung neuer Tatbestände oder der Diskussion um die Einordnung bestimmter Normen in das Strafgesetzbuch ersichtlich. Viel schwerwiegender, weil das Wirtschaftsstrafrecht erheblich lähmend, ist die noch immer bestehende und weitreichende Unklarheit seines dogmatischen Fundaments. Der Jahrzehnte währende Kampf um die Klärung des Begriffs selbst und der stete Versuch, dem Rechtsgutsbegriff Herr zu werden, machen letztlich nur deutlich, dass es die grundlegenden Überlegungen sind, die im Bereich des Wirtschaftsstrafrechts zunächst zu Ende oder besser zu einem neuen Anfang geführt werden müssen.

Teil 1 Einführung › II. Ziel der Untersuchung

II. Ziel der Untersuchung

3

Forderungen nach klaren gesetzlichen Regelungen, die eine eindeutige Unterscheidung von strafwürdigem und rechtswidrigem aber straflosem Verhalten ermöglichen, können nur dann erfüllt werden, wenn dem Wirtschaftsstrafrecht eine feste dogmatische Basis gegeben wird.

4

Bisher ist der strafrechtstheoretische Hintergrund des Wirtschaftsstrafrechts jedoch weitgehend ungeklärt, feste Prinzipien, welche zur Bestimmung der Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens herangezogen werden, sind nicht vorhanden. Vielmehr erscheinen Urteilsbegründungen oft wie juristische Konstruktionen, welche ökonomische Fakten und die Dynamik wirtschaftlicher Abläufe weder er- noch anerkennen. Diese Fremdheit gegenüber dem Regelungsgegenstand führt zu einer zunehmenden Erosion des Strafrechts, das nicht selten als willkürlich und selektiv empfunden wird und in der Gesellschaft weder auf Verständnis noch genügende Akzeptanz trifft. Abseits aller speziellen materiellen und prozessualen Probleme, welche die Integration des Wirtschaftsstrafrechts in die vorhandene Dogmatik auslöste, stellt dieser Mangel an dogmatischer Festigkeit und Legitimation die größte Schwierigkeit im Umgang mit wirtschaftlichem Fehlverhalten dar. Das vielfache Hinterfragen der Legitimierbarkeit und Legitimation strafrechtlicher Reaktionen auf wirtschaftliches Fehlverhalten ist dabei auch Spiegel und Ausdruck der Herausforderungen, welche die äußerst heterogenen Sachverhalte und Verhaltensweisen, die vom (Sammel-)Begriff des wirtschaftlichen Fehlverhaltens erfasst werden, an das Strafrecht stellen. Ebenso deutlich ist aber auch, dass das bisherige Vorgehen mit den üblichen strafrechtlichen Kriterien und Denkschritten keine zufriedenstellende Lösung für derartige Herausforderungen bietet. Diese Ausgangslage schafft also Bedarf für eine Untersuchung alternativer Legitimationsmöglichkeiten des Wirtschaftsstrafrechts, wobei an den der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegenden Prinzipien der Fairness und Chancengleichheit angesetzt wird. Da die Rechtsgutslehre allein nicht in der Lage ist, die Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens zu begründen, wird mit dem Marktwirtschaftsstrafrecht die Begründungsmöglichkeit der dogmatischen Basis abseits des Rechtsgutsbegriffs im Kriterium der Regelverletzung gesucht. Gleichzeitig wird der Gegenstand, der von diesem Rechtsgebiet Regulierung erfahren soll, in den Mittelpunkt des Gedankengangs gestellt. Für das Marktwirtschaftsstrafrecht als Teilgebiet des Wirtschaftsstrafrechts ist es daher die Soziale Marktwirtschaft, die den Ausgangs- und Bezugspunkt aller Betrachtungen und Bewertungen zu bilden hat.

5

Ziel dieser Verknüpfung ist es, dem Wirtschaftsstrafrecht ein Fundament zu schaffen, das es ihm ermöglicht, seiner gesellschaftlichen Steuerungsfunktion als Ordnungsfaktor nachzukommen. Konsequenzen wird diese Orientierung an der zu regelnden Wirtschaftsordnung jedoch nicht nur für die Legitimation des Wirtschaftsstrafrechts haben, sondern ebenso für die Untersuchung seiner Funktion in der Gesellschaft sowie seine Begrenzung. Mit dem Marktwirtschaftsstrafrecht erfolgt der Entwurf eines Strafwürdigkeitsmodells, das gerade dort, wo die neuen wirtschaftlichen Entwicklungen und Verhaltensweisen an der Grenze von Moral und Anstand mit einem tradierten Verständnis des Wirtschaftsstrafrechts nicht überzeugend erfasst werden können, einen nicht vor einer Loslösung von obsoleten Dogmen scheuenden Umgang mit wirtschaftlichem Fehlverhalten ermöglicht. Die dazu erfolgende Einbettung des Wirtschaftsstrafrechts in die gegenwärtige Wirtschaftsordnung, das System der Sozialen Marktwirtschaft, soll dabei helfen, den materiellen Grund der strafrechtlichen Sanktionierung wirtschaftlichen Fehlverhaltens deutlich zu machen und gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf einen regelbasierten Wettbewerb zu lenken. Obwohl dazu immer wieder wirtschaftliche Bezüge hergestellt werden müssen, die für das Verständnis unerlässlich sind, wird in der gesamten Untersuchung stets das Strafrecht im Vordergrund stehen. Dabei soll es, anknüpfend an die Theorie des psychologischen Zwangs von Paul Johann Anselm von Feuerbach, vor allem um die negativ-generalpräventive Wirkung von gesetzlichen Strafdrohungen auf potentiell strafwürdig handelnde Wirtschaftssubjekte gehen. Feuerbachs generalpräventive Ideen lassen starke Bezüge zu ökonomischen Kosten-Nutzen-Kalkulationen erkennen, so dass eine Verbindung mit der Steuerung wirtschaftlichen Fehlverhaltens naheliegend erscheint. Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Annahme, dass der ökonomisches Handeln prägende Maßstab der Kosten-Nutzen-Kalkulation auf wirtschaftliches Fehlverhalten übertragbar ist und die Entscheidung des potentiellen Wirtschaftsstraftäters über die gesetzliche Strafandrohung durch eine Erhöhung der Straftatkosten beeinflusst werden kann.

6

Da die Rechtfertigung strafrechtlichen Eingreifens untrennbar mit seinen gesellschaftlichen Aufgaben verknüpft ist, wird dabei deutlich werden, dass die Frage der Legitimierbarkeit stets mit der Verortung von Grenzen verbunden ist. Aufgezeigt wird aber auch, dass die Klärung der Grenzen des Strafrechts auch die Befassung mit seiner Legitimationsgrundlage erfordert. Die Verbindung des durch Aktualität geprägten Wirtschaftsstrafrechts mit einer gut 200 Jahre alten Straftheorie soll jedoch nicht erschöpfende rechtshistorische Ausführungen zum Gegenstand haben, sondern einzelne Grundzüge der psychologischen Zwangstheorie aufnehmen und für das Wirtschaftsstrafrecht aktualisieren.

7

Unumgänglich ist dabei nicht einfach nur das ursprüngliche Modell Feuerbachs zu übernehmen, sondern auch Kritik an seinem Konzept und Entwicklungen der Strafrechtstheorie seit seiner Schaffenszeit zu berücksichtigen. Dazu wird aufgezeigt, dass die Gedanken Feuerbachs durch ein entsprechendes Bewusstsein in einem aktuellen inhaltlichen Kontext für die Gegenwart in gewinnbringender Weise nutzbar gemacht werden können. Gleichwohl eröffnet der Versuch, ein ganzes Rechtsgebiet über ein rechtsgutsfernes Kriterium zu legitimieren, mehr Fragen, als im hier gegebenen Umfang beantwortet werden können. Das Ziel der Arbeit besteht daher ihrem Titel folgend in einer Legitimation und Begrenzung des Marktwirtschaftsstrafrechts. Da weder das tradierte Rechtsgutsdogma noch eine der sonstigen, bisher zur Begründung des Strafrechts angeführten Argumentationen wirtschaftsstrafrechtliches Intervenieren umfassend begründen konnten, wird zur Legitimierung des Marktwirtschaftsstrafrechts das von Alwart eingeführte Regelmodell herangezogen. Zur Begründung der Strafwürdigkeit stellt dieses Regelmodell auf die der Sozialen Marktwirtschaft zugrunde liegende Chancenstruktur sowie das Gebot der Fairness im wirtschaftlichen Wettbewerb ab. Zur Verdeutlichung der Vorzüge dieses Strafwürdigkeitsmodells wird die Verknüpfung der marktwirtschaftlichen Regelstrukturen mit strafrechtlicher Dogmatik anhand exemplarisch gewählter Problemstellungen nachvollzogen. Gleichzeitig wird so gezeigt, dass die Zukunft des Wirtschaftsstrafrechts weder in den von Teilen der Literatur vorgebrachten Forderungen nach einer Reduzierung des Strafrechts auf einen Kernbereich, noch in einer dogmatisch nicht verwurzelten Ausrichtung an den Bedürfnissen der Praxis liegt. Die in einem Teilbereich des Wirtschaftsstrafrechts angestrebte Revision der wirtschaftsstrafrechtlichen Dogmatik soll durch einen neuen Blickwinkel eine bewusste Öffnung für die Wirtschaftsordnung und die durch sie gestellten Anforderungen ermöglichen. Es wird also nicht um vereinzelte Randkorrekturen oder die Abbildung exakter Grenzen der Strafwürdigkeit, sondern um grundlegende Fragen der Legitimations- und Steuerungsmöglichkeiten des Strafrechts gehen. Damit bietet die vorliegende Arbeit eine Grundlage für weitere Untersuchungen zum strafrechtlichen Umgang mit auf die Ausschaltung der ökonomischen Fairness gerichteten wirtschaftlichen Fehlverhalten.

Teil 1 Einführung › III. Gang der Untersuchung

III. Gang der Untersuchung

8

Die Untersuchung gliedert sich in fünf Teile. Im zweiten Teil wird der Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts entwickelt und inhaltlich präzisiert. Unter Berücksichtigung wirtschaftstheoretischer Grundlagen erfolgt dazu eine Auseinandersetzung mit der Rechtsgutslehre als Hemmnis des Wirtschaftsstrafrechts. Die dabei aufzuzeigenden Unvereinbarkeiten von strafrechtsdogmatischer Strenge und ökonomischer Offenheit münden in die Einführung der Regelverletzung als Kriterium der Strafwürdigkeit. Da sich auch wirtschaftliche Regeln nur aus einem bestimmten Zusammenhang erschließen, erfolgt der Entwurf eines Regelmodells unter besonderer Berücksichtigung des spezifischen ökonomischen Fairnessgedankens, welcher dem System der Sozialen Marktwirtschaft immanent ist. Der so inhaltlich angereicherte Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts soll anschließend in seiner Bedeutung geschärft und dazu vom sonstigen (Wirtschafts-)Strafrecht abgegrenzt werden. Auf diese Weise werden zugleich Fundament und Kontext für die nachfolgenden Darstellungen bereitet.

9

Der dritte Teil wird sich mit der Funktion des Marktwirtschaftsstrafrechts befassen. Hauptanliegen ist es dabei, die gesellschafts- und verhaltenssteuernde Wirkung des Strafrechts aufzuzeigen und hinsichtlich ihres Nutzens für das Marktwirtschaftsstrafrecht zu untersuchen. Einführende Erläuterungen zu den Grundzügen der Verhaltenssteuerung sowie den unterschiedlichen Ansichten zur Notwendigkeit (straf-)rechtlicher Regulierung in Recht und Wirtschaft sollen den Leser für die spezifischen Funktionen des Strafrechts in der Gesellschaft sensibilisieren. Darauf aufbauend steht im Mittelpunkt der weiteren Betrachtung die negativ-generalpräventive Wirkung strafgesetzlicher Normen, wobei die Theorie des psychologischen Zwangs von P.J.A. von Feuerbach besonderes Gewicht erhält. Neben Aufbau, Inhalt und Bedingungen der Theorie des psychologischen Zwangs ist über die bisher üblichen Analysen dieser Straftheorie hinausgehend der Rationalismus Feuerbachs Gegenstand der Untersuchung. Dazu wird es notwendig sein, die gewohnten Verständnisschemata der negativen Generalprävention zu verlassen und neue Sichtweisen auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen. Dabei soll verdeutlicht werden, dass die von Feuerbach angenommenen menschlichen Entscheidungsstrukturen rationale Handlungsmuster beschreiben, gleichwohl diese Annahme nicht abschließend naturwissenschaftlich oder psychologisch abgesichert werden kann. Im Anschluss daran erfolgt eine Aktualisierung der Theorie des psychologischen Zwangs für den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts, wobei Feuerbachs Modell insofern als Grundlage für eine Aktualisierung dient, als sie veranschaulicht, dass das Strafrecht nicht allein die Herstellung von Gerechtigkeit verfolgt, sondern auch einen Faktor bei der Beeinflussung menschlichen Verhaltens darstellt. Unter dem Aspekt der Kalkulation von Kosten und Nutzen, welche ökonomischen Entscheidungen zugrunde liegt, wird es darum gehen, die Steuerungsfunktion des Marktwirtschaftsstrafrechts in der Setzung negativer Anreize und damit verbunden einer Steigerung der Straftatkosten zu verorten.

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Eine ausführliche Auseinandersetzung mit Begriff und Kriterien der Strafwürdigkeit ist Gegenstand des vierten Teils. Zunächst erfolgt eine kritische Analyse des Begriffs der Strafwürdigkeit, wobei überblicksartig bislang unter diesem Stichwort erfasste Verständnisansätze herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage geht es im Weiteren darum, Kriterien zur Bestimmung der Strafwürdigkeit aufzuzeigen. Die Problematik der strafrechtlichen Erfassung wirtschaftlichen Fehlverhaltens soll dabei über die bereits in der Literatur entwickelten Anhaltspunkte hinaus auf Regelverstöße ausgedehnt werden. Mit dem Maßstab der Regelverletzung orientiert sich das Marktwirtschaftsstrafrecht begrifflich neu, erhält jedoch trotzdem einen Bezug zur bisherigen Strafrechtsdogmatik. Anknüpfend an die wirtschaftstheoretischen Ausführungen des zweiten Teils wird zur weiteren Präzisierung des Regelmodells im Folgenden das Regelgerüst der Sozialen Marktwirtschaft entfaltet. Dieses neue begriffliche Modell soll eine differenzierte Bestimmung der Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens ermöglichen. Besonders Fälle, in denen es zur Ausschaltung der ökonomischen Fairness bzw. einer Beeinträchtigung der marktwirtschaftlichen Chancenstruktur kommt, denen also ein ethisches Fehlverhalten in erkennbarer Weise anhaftet, die aber keinen messbaren Schaden aufweisen, werden so mit strafrechtlichem Instrumentarium besser erfasst. Verdeutlicht wird dieser Vorzug des Marktwirtschaftsstrafrechts durch eine exemplarische Bestimmung der Strafwürdigkeit wirtschaftlichen Fehlverhaltens im Bereich der §§ 266, 299 StGB sowie des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Dabei wird § 266 StGB herangezogen, um anhand des Mannesmann-Falls besonders die Widersprüche übertriebener primärer strafrechtlicher Verhaltenssteuerung aufzuzeigen. Dazu erfolgt zunächst eine Bestandsaufnahme der vom Bundesgerichtshof sowie der Literatur vertretenen Ansichten über die Rechtmäßigkeit nachträglich vom Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft an den Vorstand gewährter Vermögenszuwendungen. Im Folgenden wird die Höhe der Zahlungen als eigentliche Ursache des Unmuts über die Vorgänge bei der Mannesmann-Übernahme identifiziert und die Wirtschaftsordnung auf Vergütungsregeln untersucht. Da die Soziale Marktwirtschaft keine festen Vergütungsregeln kennt, werden die das Wettbewerbsprinzip betreffenden Grundregeln der Wirtschaftsordnung Ausgangspunkt aller strafrechtlichen Betrachtungen. Auf der Grundlage dieses Argumentationsmusters wird anschließend gezeigt, dass Wirtschaftsakteure dort, wo weder Soziale Marktwirtschaft noch Rechtsordnung begrenzende Regeln vorgeben, die Möglichkeit haben müssen, frei von strafrechtlichen Risiken zu entscheiden. Ergänzt werden die exemplarischen Betrachtungen des Regelmodells durch die Untersuchung ausgewählter Aspekte des § 299 StGB. Zunächst wird auf die jüngsten Reformbestrebungen im Rahmen des § 299 StGB eingegangen, wobei der Nachzeichnung des Reformvorhabens eine kritische Auseinandersetzung mit seinen dogmatischen und praktischen Konsequenzen folgt. Anschließend wird anhand der Problematik entschleierter Schmiergelder aufgezeigt, dass allein die konkrete Differenzierung der Beziehungen aller am Fehlverhalten Beteiligten zueinander und zum Wettbewerb sowie die exakte Bestimmung des Regelbruchs innerhalb dieser Verhältnisse die Grundlage für eine angemessene strafrechtliche Reaktion bilden. Dabei kann die Bedeutung des konkreten Handlungssinns eines Fehlverhaltens zum maßgeblichen Kriterium bei der Feststellung der Strafwürdigkeit werden. Abschließend soll der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung Gegenstand von Ausführungen zur Begrenzung des Erklärungspotentials des regelbasierten Strafwürdigkeitsmodells sein.

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Im Anschluss daran werden im fünften Teil die Grenzen des Marktwirtschaftsstrafrechts den Gegenstand der Diskussion bilden. Als limitierend sind dabei interne und externe Faktoren anzusehen, die sich sowohl aus der Stellung des Strafrechts im Rechtssystem als auch aus dem Einfluss nicht(straf-)rechtlicher Reaktionen auf wirtschaftliches Fehlverhalten ergeben. Zur Schärfung der internen Grenzen des Marktwirtschaftsstrafrechts werden der fragmentarische Charakter des Strafrechts sowie seine Rolle als ultima ratio staatlicher Eingriffsmittel beleuchtet. Die externen Grenzen werden dagegen in einer Vielzahl außerstrafrechtlicher und außerrechtlicher Faktoren verortet. Diese werden überblicksartig dargestellt, um anschließend unter Berücksichtigung interner Grenzen das Potential der strafrechtlichen Verhaltenssteuerung in seinem Zusammenspiel mit den externen Reaktions- und Sanktionsvarianten zu beleuchten.

Teil 2 Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts

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Der Begriff des Marktwirtschaftsstrafrechts ist bisher nur vereinzelt in der Strafrechtswissenschaft verwendet worden, eine gründliche Analyse seines Wesens steht daher noch aus.[1] Während der Begriff des Wirtschaftsstrafrechts schon deutlich auf seinen Regelungsgegenstand hinweist, gibt das Marktwirtschaftsstrafrecht sein Regelungsgebiet noch präziser vor. Das Marktwirtschaftsstrafrecht ist dabei ein Teil des Wirtschaftsstrafrechts, der sich mit der Regelverletzung auf ein für den Umgang mit wirtschaftlichem Fehlverhalten neues Strafwürdigkeitskriterium stützt. Die dabei relevanten Regeln werden im Wesen der Sozialen Marktwirtschaft gesucht, doch bevor diese herausgearbeitet werden, soll das Kriterium der Regelverletzung dogmatische Anknüpfung im Rahmen des materiellen Verbrechensbegriffs erhalten.