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Sonntag, 21. bis Montag, 22. Januar 2001
 
Detective Red Straker hatte Hunger. Noch kein Frühstück, nur einen schnellen Schluck zu süßen Kaffee, den ihm einer der Uniformierten irgendwann gegen Sonnenaufgang angeboten hatte. Er hatte sich eigentlich schon seit Stunden selbst noch einen besorgen wollen, war aber immer wieder davon abgehalten worden.
Jetzt musste er mit der Dienstbesprechung beginnen, obwohl er zu diesem sechsunddreißig Stunden alten Mord nur verdammt wenig zu sagen hatte. Die anderen Detectives sowie ein paar höherrangige Streifenpolizisten saßen gespannt wartend um den Tisch im Konferenzraum der Polizeiwache in Rye.
Sein ganz persönlicher Eindruck war, dass es bei diesem Fall um etwas ganz anderes ging als um einen bei der Arbeit gestörten Autodieb. Aber von seinem Team, das aus sechs professionell und in der Mehrzahl von ihm selbst ausgebildeten Beamten bestand, konnte er nicht erwarten, dass sie seinem Gefühl vertrauten. Er musste sie über den aktuellen Stand der Ermittlungen informieren, ihre Vorschläge sammeln und daraus einen Aktionsplan für die nächsten Schritte formulieren.
Ohne Essen würde er überhaupt nichts zustande bekommen.
Red Straker stand auf. Er war größer als die anderen, aber spindeldürr, ohne das kleinste bisschen Fett auf den Rippen. Wenn seine Mutter Shirley noch leben würde, dann hätte sie ihn bekocht und ihn mit fetttriefenden Sandwiches versorgt – aber er hätte trotzdem nicht zugenommen.
»Ich weiß nicht, wie’s euch geht, aber ich brauche jetzt unbedingt was zwischen die Zähne«, sagte er.
Detective Mary Sable griff nach dem Telefonhörer. Sie war eins fünfundsiebzig groß, langbeinig und trug einen langen, blonden Pferdeschwanz.
»Ich bestelle, du bezahlst.«
»Heute ist Sonntag. Die Abteilung bezahlt.«
Sie ließ sich wieder auf ihrem Stuhl zurückfallen.
Red sagte: »Heißt das, du bestellst doch nichts?«
Sie lächelte und wies auf die uniformierte Polizistin, die neben ihr saß – braune Haare, blaue Augen und frisch manikürte Hände. »Cassidy bestellt. Stimmt’s, Denise?«
»Befehl ist Befehl«, sagte sie. »Wie wär’s mit Magermilchjogurt natur für alle?«
Während alle durcheinander schrien, nahm sie einen Stift und schrieb die Wünsche der einzelnen Teammitglieder auf. Als sie die Bestellung schließlich aufgegeben hatte, holte Red sein Notizbuch hervor.
»Wir fangen jetzt an und machen eine Pause, wenn das Essen kommt. Esst euch satt, wer weiß, wann wir das nächste Mal was kriegen.«
 
Kurz nach zwei Uhr setzte ein kalter Regen ein. Detective Sable betrachtete die nassen Scheiben an der einzigen Fensterfront des Raumes. Es sah ganz danach aus, als würde ihnen das Wetter den gesamten Fall verhageln. Erst gab es am Tatort weder Matsch noch Schnee und somit auch keine Spuren, und jetzt, zwei Tage später, musste die Suche bei diesem Sauwetter fortgesetzt werden. Nicht, dass es überhaupt noch etwas zu finden gab. Red hatte Recht, wie meistens. Sie mussten hinter die Menschen und die Beziehungen kommen, die mit diesem Mord zusammenhingen. Ein toter Ex-Polizist mit einigen schwarzen Flecken in der Vergangenheit… prominente Familie, der Vater Universitäts-Präsident… die seltsame Mitbewohnerin des Opfers … andere weibliche Wesen scheinen keine Rolle gespielt zu haben, weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit… keinerlei Hinweise auf homosexuelle Verstrickungen …
Mit eingeschlagenem Schädel auf dem Anwesen seiner Eltern bei der Harrison University aufgefunden, im Anschluss an eine Feier anlässlich ihres Hochzeitstages, die im Schwimmbad des Hauses stattgefunden hatte und mehr gekostet haben musste als ein vierjähriges Studium …
 
Red ließ seinen Blick über den Abfall auf dem Tisch gleiten – Einwickelpapier und Brotrinden, eine Hot-Dog-Tüte, seine leere Sprite-Dose.
Die Spuren in diesem Fall waren wie dieser Haufen Müll – ein Stückchen hiervon, eine Ecke davon. Die Familie des Verstorbenen, seine Arbeit, das Wohnverhältnis, die narbige Geschichte eines unsteten, zornigen Mannes.
Das alles mussten sie unter die Lupe nehmen.
Officer Elliot Duhart bemerkte Reds Gesichtsausdruck, dachte aber, er gelte dem Durcheinander, und machte sich daran, den Tisch abzuräumen und den Abfall wegzuwerfen. Er war der Jüngste in der Abteilung und achtete sehr darauf, welche Signale sein Chef aussandte. Die anderen Team-Mitglieder warteten schweigend ab, welches Vorgehen er ihnen vorschlagen würde.
Also gut, dachte Red, sie sollen ihre Aktion bekommen. Er griff nach seinem Notizbuch.
»Die Party-Besucher«, sagte er. »Wenn sich beim ersten Gespräch absolut kein Hinweis ergeben hat, dann streicht ihr die Person. Jede andere wird noch einmal vernommen, und zwar von einem anderen als beim ersten Mal. Gebt also die jeweiligen Namen weiter. Im Augenblick sind die Hauptverdächtigen weiterhin der Bruder des Opfers, Sean Fell, sowie die Eltern, die Mitbewohnerin, die Kollegen aus dem Restaurant, das Personal und die beiden Frauen, die während der Feier neben den Brüdern gesessen haben, also die Tante und die Schwägerin, diese Rechtsanwältin. Da ist noch jede Menge zu erledigen.«
Er blickte von seinen Notizen auf. Duhart wischte mit einem Papiertuch den Tisch sauber. Die anderen schrieben mit. So sollte es sein. Das war eines seiner zentralen Gebote: Alles aufschreiben. Das, was man im Kopf hat, wird oft genug verwischt, vermischt, vergessen.
»Elliot«, sagte Red, »in dem Tisch kann man sich schon spiegeln. Schnapp dir einen Stift. Sable bringt dich auf den Stand, sobald ich fertig bin.
Der persönliche Hintergrund des Opfers, damit lässt sich eine Menge machen. James Fell hatte insgesamt elf Jobs in vier verschiedenen Berufen, so viel haben wir zumindest bis jetzt ermittelt. Wenn wir erst mit den Familienmitgliedern und den Partygästen gesprochen haben, stoßen wir wahrscheinlich noch auf mehr. Deshalb gehe ich diesem Fall von vorne nach hinten vor. Okay, dann wollen wir mal die Leute einteilen …«
 
Detective Sable wollte zu »Citywide Olds«, einem Oldsmobile-Händler in Yonkers, aber sie hatte sich verfahren. Es war schon peinlich, wie oft ihr das passierte. Allerdings war der südliche Teil von Westchester auch enger und dichter besiedelt als die mittleren und nördlichen Teile des Verwaltungsbezirks – mehr Straßen, mehr Menschen, stockender Verkehr, schnellere Entscheidungen am Steuer.
Ausfahrt vier vom New York Thruway, das hatte ihr der Geschäftsführer von »Citywide Olds« mit Reibeisenstimme mitgeteilt. Allerdings gab es drei solcher Ausfahrten: Vier A, Vier B und Vier-Nord.
Sie entschied sich für Vier A und merkte sofort, dass ihre Entscheidung falsch gewesen war. Allerdings konnte sie jetzt nicht mehr zurück, sondern musste das Kleeblatt einmal umfahren, bevor sie einen neuen Versuch starten konnte. Sie hatte keinen Streifenwagen genommen, also behandelten die anderen Verkehrsteilnehmer sie genau so rücksichtslos wie alle anderen auch. Als sie am Ende der Auffahrt langsamer wurde, sah sie im Rückspiegel, wie ihr eine junge Frau in einem Chevrolet Geo den gestreckten Mittelfinger zeigte und mit den Lippen ein deutlich erkennbares »Arschloch« formte.
Schließlich war sie in der Gegenrichtung wieder auf dem Thruway. Hier gab es nur eine Ausfahrt Vier, und die erwies sich als die richtige. Vielleicht hatte der Geschäftsführer ja versehentlich gedacht, sie käme aus Richtung Norden.
Möglicherweise war er auch einfach nur ein Idiot.
Sie entdeckte den Autohändler auf der rechten Seite und zwang sich, langsamer zu fahren und tief durchzuatmen. Aggressivität war jetzt sicherlich nicht förderlich.
Sie stellte ihr Auto ab und betrat den Ausstellungsraum. Tief sog sie den Geruch nach frischem Leder und Wachs und einem Hauch von Abgasen ein. Sie konnte sich noch gut daran erinnern. Während ihrer Zeit als Vorstandsassistentin hatte sie sich alle paar Jahre ein neues Auto leisten können.
»Ich habe einen Termin mit Ivan Lambert«, sagte sie zu der Empfangsdame. »Er erwartet mich. Detective Sable.«
Die Frau drückte auf eine Taste an ihrem Telefon. Daraufhin trat ein Schwarzer mit schütterem Haar aus einem der kleinen, mit Glasscheiben versehenen Büroräume hervor, die sich hinter dem Tresen befanden.
»Mary«, sagte er und reichte ihr die Hand.
Sie seufzte. »Ivan.«
»Kommen Sie rein.«
Als sie sich gesetzt hatten, sagte Ivan: »Es geht also um James Fell. Musste wegen seines Jaguars dran glauben, hm? Wie ist er denn an so einen Wagen gekommen?«
»Ich glaube, es war ein Geschenk.«
Ivan grinste. Dabei ließ er zwei makellose Zahnreihen sehen, die vermutlich schon eine Menge Oldsmobiles verkauft hatten. »Das überrascht mich nicht.«
»Wieso nicht?«
Ivan lehnte sich nach hinten und zeigte auf seine Urkunden und Auszeichnungen an den Wänden des Büros, das kaum größer wirkte als die Büros der Verkäufer. »In diesem Geschäft muss man den Arsch hochkriegen. Jim hat immer gerne dummes Zeug gequatscht. Und herumgemeckert. Man hatte immer das Gefühl, dass er nur so lange Autos verkaufen will, bis er etwas Besseres gefunden hat.«
»Könnten Sie rauskriegen, wie lange er hier beschäftigt war?«, fragte Mary. »Und warum er gegangen ist?«
»Schon passiert. Zehn Monate. Es wäre wahrscheinlich sogar noch kürzer gewesen, aber mein Vorgänger hat sich sehr schwer damit getan, Leute zu entlassen. Ich war damals stellvertretender Verkaufsdirektor. Dabei habe ich auch Jims Kundengespräche mitbekommen. Manchmal hat er genauso viel Mühe auf die Anbahnung neuer Kontakte verwendet wie darauf, Autos zu verkaufen. Aber wer kauft schon bei jemandem ein Auto, der seinen Job hasst? Letztendlich war genau das auch der Grund, weshalb er gefeuert worden ist.«
 
Die Gespräche mit den Kollegen wollte Red selbst führen. Jim hatte für zwei Polizeibezirke in Connecticut gearbeitet – in Stratford, wo er in der Regel Nachtschichten übernommen hatte, und anschließend kurz in Fairfield.
Er wartete bis Montag. Die Leiter der lokalen Polizeiposten waren an den Wochenenden unauffindbar. Kurz vor zehn hatte er Glück und erwischte Chief Don Dean vom Revier in Stratford in seinem Büro.
Red sagte: »Ich bin Detective in Rye, New York, und bearbeite den Mord an James Fell. Wenn ich richtig informiert bin, hat er eine Zeit lang für Sie gearbeitet. Kann ich heute im Lauf des Vormittags mal vorbeikommen?«
»Na, klar. Bis jetzt hat uns hier noch keiner eine Leiche gemeldet. Ich bin also im Büro und such schon mal seine Akte raus.«
Als Nächstes rief Red in Fairfield an, aber der dortige Leiter, Chief Vincent Pangia, war unterwegs. Schade, es wäre praktisch gewesen, beide Reviere in einem Aufwasch zu erledigen. Er hinterließ eine Nachricht, dass Pangia sich nach seiner Rückkehr umgehend bei ihm melden solle.
 
Das Polizeirevier in Stratford war ähnlich idyllisch gelegen wie das in Rye – ebenfalls am Long Island Sound und mit einem vergleichbaren Postkartenblick aufs Meer.
»Und ich habe immer gedacht, wir wären das einzige Revier mit guten Muschelfanggründen«, sagte Red zu Don.
»Und die Sonnenuntergänge«, erwiderte der. »Wozu braucht man da ein anständiges Gehalt, angesichts solcher Schönheit?«
Bullenballett, so nannte Red dieses kurze und in der Regel sehr unterhaltsame Geplänkel, bevor man zur Sache kam. Chief Dean war ein hervorragender Tänzer.
»Ich hab sie mir gerade noch mal durchgelesen«, sagte Dean und klopfte mit dem Zeigefinger auf eine Akte auf seinem Schreibtisch, »obwohl es eigentlich nicht notwendig gewesen wäre. Ich kann mich sehr gut an James Fell erinnern. Nicht, dass Sie mich für zynisch halten, aber es haut mich nicht gerade vom Sessel, dass von all meinen ehemaligen Mitarbeitern ausgerechnet er ermordet worden ist.«
»Warum?«
Chief Dean sagte: »Am Telefon haben Sie sich als einfacher ›Detective‹ vorgestellt. Aber Sie leiten die Ermittlungen, stimmt’s?«
»Stimmt.«
»Dann ist das hier für Sie. Ich habe sie kopiert.« Er schob Red die Akte zu.
»Sehr gut, danke. Aber lassen Sie uns noch ein bisschen weiterreden. Wie gut haben Sie Officer Fell gekannt? Was haben Sie von ihm gehalten?«
Dean strich sich die grauen Haare zurück. Sein Gesicht war das eines Mannes, der das, was er erlebte, registrierte und akzeptierte, ohne es unbedingt zu verstehen oder es verstehen zu wollen.
Er sagte: »Ich habe James direkt nach der Ausbildung übernommen. Er war ein Heißsporn, aber ich dachte, dass er nach ein paar Wochen Praxis ein wenig ruhiger werden würde. Trotz der Zweifel seines Ausbilders war ich optimistisch. Und irgendwie hatte ich auch Recht. Er war ein ziemlich guter Polizist. Aber er war voller Zorn. Er hat zornig hier angefangen und hat sich die ganze Zeit über nicht verändert.«
»Zornig worauf?«, fragte Red.
»Wer weiß? Mami und Papi. Gott.«
»Ist er gefeuert worden?«
»Er war kurz davor, und das wusste er auch. War einfach zu aggressiv. Also hat er das einzig Richtige gemacht. Hat sich in ein anderes Revier versetzen lassen, bevor es zu einer Entlassung kommen konnte. Ich glaube, nach Norwalk. Oder nach Fairfield.«
»Fairfield. Mit denen rede ich auch noch.«
»Vinnie Pangia. Wir spielen zusammen Boccia. Richten Sie ihm einen Gruß aus.«
 
Officer Elliot Duhart war stolz auf seine taktischen Fähigkeiten im Verhör. Er war relativ neu bei der Polizei, war aber schon immer ein aufmerksamer und verständnisvoller Zuhörer gewesen.
Er hatte sechs Partygäste auf der Liste, die alle zum zweiten Mal verhört werden sollten. Die taube Dame, mit der er gerade eine anstrengende Stunde verbracht hatte, konnte er streichen. Jetzt stand er auf der Eingangstreppe eines riesigen Backsteingebäudes mit schwarzen Fensterläden in Scarsdale. Er hielt einen Sitzplan der Party in der Hand, woraus hervorging, dass die Dame des Hauses am Nachbartisch direkt neben Sean und Jim Fell gesessen hatte.
»Ihr vollständiger Name lautet Karen Paillard Crawford?« Sie saßen in einem Zimmer, das aussah wie ein Handarbeitsraum. Damit hatte er seine Erfahrungen. Seine Großmutter in der Bronx hatte ebenfalls einen Handarbeitsraum gehabt. Es wusste nicht, ob sie darin tatsächlich viel genäht oder gestrickt hatte, aber es war ihr Zimmer, ihre Zuflucht gewesen, die sie aufgesucht hatte, wenn sie nachdenken oder weinen musste. »Sie sind Nancy Fells Schwester, ist das richtig?«
»Ja«, sagte die Frau. Sie hatte sich ordentlich zurechtgemacht, die Haare saßen so, wie sie sollten. »Ich bin die Tante von Sean und Jim.«
»Ich weiß, dass Sie bereits mit einem anderen Beamten gesprochen haben. Aber ich habe noch ein paar zusätzliche Fragen.«
»Das ist schon in Ordnung.«
Er fragte sie nach der Geschichte der beiden Brüder, wie sie als Kinder gewesen waren. Über die Schulzeit konnte sie nicht viel sagen.
»Ich habe damals die meiste Zeit in San Francisco gelebt. Erst während der letzten fünf Jahre habe ich meine Schwester und die Jungen öfter gesehen, wenn auch nicht sehr oft, aber… auf Familienfeiern und so.«
»So wie letzten Freitag.«
Sie holte Luft. In ihren Augenwinkeln erschienen Tränen. »Ja.«
»Ein Hochzeitstag ist ein sehr fröhlicher Anlass«, sagte Elliot, »sollte man zumindest meinen. Jedenfalls keiner, an dem Brüder sich streiten sollten.«
Vorsichtig sagte die Frau: »Ich glaube, Jim konnte gar nicht anders.«
Elliots Erwiderung kam genauso vorsichtig. »Inwiefern?«
»Er… er wusste sich einfach selbst nicht zu helfen, im Gegensatz zu den anderen in der Familie. Manche Menschen sind eben so. Sie müssen sich Anregung, Nahrung, Anteilnahme ständig von außen holen. Andere haben das nicht nötig.«
»Also«, meinte Elliot mit Blick auf ihre fest gefalteten Hände. »Wie haben Sie das gemeint: Er konnte nicht anders?«
Eine Träne bahnte sich ihren Weg ihre Wange hinab und zog eine Spur durch das Rouge. »Wir haben uns schon immer Sorgen um Jim gemacht. Er war so rastlos. Ständig hat er alles kaputtgemacht … wurde wütend, fing Streit an. Jede Kleinigkeit hat er sofort als Beleidigung aufgefasst, und dann musste er gleich auf sein Gegenüber losgehen. In solchen Fällen hat er gesagt: ›Wenn du mich schlägst, dann schlage ich doppelt so hart zurück.‹ Er war richtiggehend stolz darauf, wie ein Kind.«
Elliot beugte sich nach vorne. »Was genau war es, was Jim nicht ändern konnte?«, wiederholte er sanft.
»Sein Verhalten gegenüber Sean. Sean hat ihn immer unterstützt und ihm geholfen. Und seine Eltern genauso. Aber er hat es einfach nicht geschafft, seiner Familie gegenüber dankbar zu sein, ja, er konnte nicht einmal ihre Güte akzeptieren. Es war, als hätte er gar keine Vorstellung davon, was Güte ist. Sie können sich nicht vorstellen, wie gewalttätig sich Jim an diesem Abend aufgeführt hat. Man konnte ihn quer durch das ganze Schwimmbad hören …«