Cover

Über dieses Buch:

Er ist der Schatten der Lagunenstadt – entlang der stillen Kanäle und dämmrigen Säulengänge folgt er der Spur der Schuldigen … Als Meisterdetektiv von Venedig hat Kater Caruso einen Ruf zu verteidigen. Als ihn eine Katzendame in Not um Hilfe bittet, stürzt er sich darum Hals über Kopf in die Aufklärung einer haarsträubenden Mordserie: Im Kloster der Stadt geht der Tod um, und einzig Caruso scheint ihm das Handwerk legen zu können. Einen Schuldigen hat die Polizei zwar schon gefunden, doch Caruso ermittelt getreu seinem Motto: Menschen haben keine Ahnung – hier braucht es einfach den richtigen Riecher!

Über die Autorin:

Christiane Martini, geboren in Frankfurt am Main, ist Diplom-Musiklehrerin und Absolventin des Konzertexamens. Sie leitet ihre eigene Musikschule »CasaMusica« und ist Dozentin für Blockflöte, Querflöte und Klavier. Neben eigenen Kompositionen hat sie auch zahlreiche musikalische Lehrwerke verfasst. Christiane Martini ist nicht nur Musikerin, sondern als Autorin in verschiedenen Genres zu Hause. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Nähe von Frankfurt und wurde von ihrer Heimatstadt Dreieich mit einem kulturellen Förderpreis für Musik und einem Stipendium ausgezeichnet.

Christiane Martini veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Romane »Mops Maple« und »Saitensprung mit Kontrabass«, den historischen Roman »Die Meisterin aus Mittenwald«, die Katzenkrimis um Kater Caruso sowie die heiteren Kriminalromane »Tote Oma im Weihnachtsfieber«, »Tote Oma mit Schuss«, »Tote Oma auf Eis« und »Tote Oma Ahoi!«. Die letzten drei »Tote Oma«-Bände sind im Sammelband »Mord mit Seebrise« erhältlich.

»Tote Oma mit Schuss« ist zudem Teil des Sammelbands »Morden im Norden - Vier Krimis in einem eBook«.

Die Reihe um den schlauen Kater Caruso und seine Katzenbande umfasst die folgenden Bände:
»Meisterdetektiv auf leisen Pfoten – Carusos erster Fall«
»Venezianischer Mord – Carusos zweiter Fall«
»Die venezianische Schachspielerin – Carusos dritter Fall«
»Schatten über der Serenissima – Carusos vierter Fall«
Alle vier Fälle sind auch im Sammelband erhältlich:
»Mord in der Lagunenstadt – Kater Caruso ermittelt in Venedig«

***

Originalausgabe Februar 2016

Copyright © 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Maria Seidel, www.atelier-seidel.de, unter Verwendung von istockphoto/bellabrend, neyro2008, Erhan telik, chaoss, LavandaPrint

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-469-6

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Schatten über der Serenissima« an: lesetipp@dotbooks.de (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Christiane Martini

Schatten über der Serenissima

Carusos vierter Fall

dotbooks.

Für Matthias, der nascht und gerne mal ein Schlückchen trinkt, und Frank, der die Oper so liebt.

Prolog

Tief verzweifelt ging Maria Barutti durch das Sestiere San Marco der alten Serenissima. Die morbiden Gerüche des Kanalwassers begleiteten sie in der finsteren Nacht. Unter einer Laterne blieb sie stehen und senkte den Kopf. Ihre wallenden roten Haare loderten im Schein der Laterne wie Feuer. Maria flüsterte beruhigende Worte, denn auf ihrem Arm trug sie, in eine Decke gehüllt, ein kleines Baby. Es war kaum zwei Stunden alt. Doch diese zwei Stunden waren Maria Barutti wie eine Ewigkeit erschienen, voller Schmerz, Angst und Beklemmung. Nun hob sie den Kopf und erblickte an der Hauswand gegenüber ein Konzertplakat, das die Monteverdi-Oper L’incoronazione di Poppea ankündigte. Das Intrigenspiel um Liebe und Abhängigkeit, das auch in ihrem Leben zu einem realen Schreckgespenst geworden war.

Die Namen der Künstler, Selva Tebaldi und Gianantonio Labroqua, verschwammen vor ihren Augen, die sich mit Tränen gefüllt hatten. Ein Gefühl der Ohnmacht ergriff sie. Maria sah die Liebesszene der Poppea vor sich, in der die Arme ihres Geliebten jene Frau umschlangen, die Maria den Mann und den Vater des Kindes, das sie in ihren Armen hielt, entrissen hatte. Maria begann zu laufen und stolperte, fast entglitt ihr das neugeborene Kind. Doch sie fing sich wieder und setzte mit zitternden Beinen ihren Weg zum Waisenhaus Senza la famiglia, das zu einem alten Kloster gehörte, fort. Es war ein langer Weg dorthin, voller Traurigkeit und Zweifel.

Maria hatte einen Brief für das Kind geschrieben und schob ihn unter die warme Decke, bevor sie das kleine, wimmernde Bündel vor der Waisenhaustür ablegte. Sie klingelte mit zittrigen Fingern und taumelte schließlich davon. Maria warf noch einen letzten Blick auf ihr Kind, bevor sie zum Canal Grande hastete.

Dort angekommen, schloss Maria Barutti die Augen und ging einen schmalen Bootssteg entlang. Sie spürte, wie sich die Bretter unter ihren Füßen leicht bewegten und knarrten. Mit jedem Schritt, so hoffte sie, würde sie diesem Albtraum ein Stück mehr entkommen, bis sie schließlich Ruhe finden würde. Bald wäre es zu Ende, dieses Entsetzen, das ihr die Fähigkeit genommen hatte, zu singen.

Wie viele Schritte waren es noch? Ihre Bewegungen wurden langsamer, doch dann trat sie plötzlich ins Leere, unter sich lediglich die gierige, grüne Wasseroberfläche des Kanals. Augenblicklich verlor sie jeglichen Halt und stürzte in die Tiefe.

Maria ergab sich ihrem Schicksal. Sie atmete das brackige Wasser ein. Sogleich verschloss sich ihre Kehle. Ihr Körper versuchte instinktiv, die heimtückische Flüssigkeit auszuhusten, doch ihre Lungen füllten sich damit. Es gab kein Entrinnen mehr, denn ihre langen Haare verfingen sich an einem Bootshaken, schlangen sich wie Algen um ihn und wollten sie nicht mehr freigeben. Mit einem letzten Gedanken an ihr kleines Mädchen ertrank sie.

Kapitel 1

Commissario Castello schlug den Kragen seiner Jacke hoch und zog sich die Mütze tiefer ins Gesicht, denn es nieselte unangenehm. Unzählige feine Tropfen fielen unermüdlich auf die Lagunenstadt nieder. Es regnete seit Tagen, und das bedeutete für Venedig nichts Gutes. Feindlich durchdrang die Feuchtigkeit die alte Serenissima, und jeder Tropfen trug zu ihrem unaufhaltsamen Zerfall bei. Acqua alta, das alljährlich wiederkehrende Hochwasser, stand an einigen Stellen kurz bevor.

Castello war im Sestiere San Polo unterwegs, um sich in der Nähe der Oper La Fenice eine Wohnung anzusehen. Nachdem er den letzten Fall erfolgreich abgeschlossen hatte, war er von seinem Chef Benedetto Venuto zum Vice Commissario befördert worden. Das hatte ihm ein höheres Gehalt eingebracht und ermöglichte ihm nun, sich nach einer etwas komfortableren Behausung für sich und seine Katze Camilla umzuschauen. Castello hoffte, dass auch Carla, seine neue Freundin, mit einziehen würde, wenn ihr die Wohnung gefiel. Ihre Beziehung war noch recht frisch, er konnte sich aber eine gemeinsame Zukunft mit ihr sehr gut vorstellen. Carla war nicht nur hübsch und intelligent, sondern auch sehr amüsant. Castello liebte ihren knackigen Po und ihren wundervollen Humor.

Camilla war natürlich auch dabei, sie sollte ihr zukünftiges Zuhause schließlich mit auswählen. Commissario Castello hielt große Stücke auf seine kleine, schlaue Katze, die die Gefährtin von Caruso, dem roten venezianischen Katzenmeisterdetektiv, war. Allerdings hätte Camilla die Besichtigung fast verpasst. Sie hatte eine Verabredung mit Caruso gehabt, und da konnte sie schon mal die Zeit vergessen. Zum Glück traf sie Castello noch auf der Calle Locande an. Er war bereits losmarschiert, weil er Verspätungen nicht ausstehen konnte. Commissario Castello freute sich, als seine Katze um die Ecke bog und maunzend auf ihn zueilte. Er steckte sie behutsam unter seine Jacke. Ihr nasses Fell störte ihn nicht im Geringsten, er trug eine warme Weste, die so einiges abhalten konnte.

Castello hatte sich vorgenommen, auf ein Wassertaxi zu verzichten und den ganzen Weg zu Fuß zurückzulegen. Etwas Bewegung konnte ja nicht schaden, er saß schließlich oft genug an seinem Schreibtisch. Venedig hatte heute eine ganz besondere Atmosphäre, die viele seiner Kollegen gar nicht mochten. Castello aber empfand sie als authentisch und durchaus behaglich. Die Serenissima war nicht in ein märchenhaftes Lichtgewand gehüllt, das ihre Vorteile durch Glitzern und Leuchten hervorhob und ihre morbiden Schattenseiten verbarg. Nein, sie zeigte ihr wahres Gesicht: verblichene, verwitterte Häuserfassaden, uralte, abgetretene Brücken, dunkle Gassen, unheimliche Durchgänge, abgewetzte Steine, auf denen er entlanglief, und unangenehme Gerüche, die die Kanäle hinaufkrochen und sich wie unsichtbare Geister über die Straßen und Plätze legten.

»Na, meine Kleine, alles klar bei dir?«

»Aber ja«, dachte Camilla, für sie war es unter Castellos Jacke herrlich angenehm, seine Schritte und sein gleichmäßig pochendes Herz lullten sie regelrecht ein.

Bisher hatte der Commissario in einem sehr gemütlichen Teil Venedigs gewohnt, passenderweise im Sestiere Castello. Touristen verirrten sich eher selten dorthin, und die Ruhe, die dieses Viertel ausstrahlte, war für Commissario Castello nach der Arbeit pure Entspannung. Die Vorstellung, zukünftig in einer großen Wohnung über einer Vergolderwerkstatt zu leben und von dort aus einen Blick auf die Oper La Fenice zu genießen, reizte Castello sehr. Er wollte sich die Wohnung auf jeden Fall einmal unverbindlich anschauen.

Nachdem er das Sestiere Castello verlassen hatte, war er an einem wunderschönen Park vorbeigekommen, der bei gutem Wetter von vielen Müttern mit Kindern besucht wurde. Heute war es dort still und nur ein Spaziergänger mit einem bassotto, einem kleinen braunen Dackel, begegnete ihm. Nach wenigen Minuten gelangte er zum Campo San Zaccaria und tauchte gezwungenermaßen in das touristische Treiben ein. Ein Strom von Menschen schob ihn mit sich, durch schmale Gassen hindurch, über Brücken hinweg, zur Piazzetta. Jetzt galt es, die Piazza San Marco zu überwinden und einige verwinkelte Straßen entlangzugehen. Schließlich gelangte er zur Oper La Fenice.

Direkt dahinter, am Rio Menuo o de la Verona, befand sich die Wohnung. Dort war er mit der Maklerin, Signora Castani, verabredet. Er sah sie schon von weitem, denn sie trug ein auffälliges schwarzes Cape und auf dem Kopf einen großen roten Hut. Castello hatte sie ein paar Tage zuvor kurz in ihrem Büro getroffen und erkannte sie gleich wieder. Für seinen Geschmack war sie zu übertrieben auffällig gekleidet. Sie wirkte gekünstelt auf ihn und nicht gerade sympathisch. Aber er wollte sich ja nicht privat mit ihr treffen, es ging ausschließlich um die Wohnung.

Castello nahm sich vor, sich sein Empfinden nicht anmerken zu lassen und freundlich zu sein. Die Signora würde bestimmt auf sein Benehmen achten und es in ihre Beurteilung, wen sie für die Wohnung geeignet hielt, einbeziehen.

Commissario Castello bezweifelte, dass sie Katzen mochte. Zu ihr passte eher ein Mops. Vielleicht sollte er seine Katze besser unter seiner Jacke versteckt halten, dachte er.

»Camilla«, flüsterte er der Katze zu. »Ich werde dir in einem günstigen Moment einen Blick auf die Wohnung ermöglichen, bis dahin musst du still sein.«

Die Maklerin bemerkte ihn nun ebenfalls und schritt freundlich auf ihn zu. »Buongiorno, Signore Castello«, begrüßte sie ihn und drückte ihm kräftig die Hand.

Castello setzte ein nettes Lächeln auf. Die andere Hand, mit der er Camilla festhielt, ließ er dort liegen.

Die Signora schaute etwas irritiert auf seinen steifen Arm. »Oh, haben Sie sich verletzt? Hoffentlich ist es nichts Ernstes!?«

Bevor er antworten konnte, drehte sich Signora Castani um und ging auf eine alte Villa zu. Sie stand in einer Reihe mit anderen Häusern und konnte vom Weg aus direkt betreten werden. Castello ließ seinen Blick über die alte, verblichene Fassade wandern. Im Parterre erblickte er die Vergolderwerkstatt. Ein großes leuchtendes Schild hing über dem Eingang, und verschnörkelte Buchstaben wiesen auf den doratore, den Vergolder, hin. Signore Aulenti war einer der Letzten seines Fachs in Venedig.

Die Maklerin blieb vor dem Haus stehen. »Sie wissen ja, dass sich unter der Wohnung eine Werkstatt befindet. Dort arbeitet ein Vergolder.«

Castello stellte erfreut fest, dass die Stimme der Signora gar nicht affektiert klang. Sie schien große Hochachtung vor diesem Handwerk zu haben.

»Signore Aulenti vergoldet Rahmen und Kristallspiegel. Ich habe auch eine Arbeit von ihm zu Hause. Großartig macht er das. Früher haben die Vergolder Auftragsarbeiten für Paläste angenommen, heute begeistern sich leider fast nur noch die Touristen dafür«, seufzte sie.

»Sie hat recht«, dachte Castello. So langsam überdachte er seine Vorurteile ihr gegenüber. Nun lächelte sie sogar.

»Signore Castello, Sie wissen sicher, dass Gold vor vielen Jahrhunderten in Venedig die Farbe der Macht war: San Marco, der Dogenpalast und auch das alte Teatro La Fenice erstrahlten in Gold und verzücken noch heute die Menschen. Aber so ein wunderbarer Handwerker wie Signore Aulenti muss heute sehen, wo er bleibt. Das Haus gehört ihm und er würde es durchaus verkaufen. Er lebt allein – bis auf seine Katze hat er niemanden an seiner Seite. Doch die zählt ja nun nicht richtig.«

Camilla hatte die Unterhaltung aufmerksam verfolgt und maunzte unwirsch. Die Maklerin schaute Commissario Castello verwundert an. »Wie bitte?«

Castello räusperte sich. »Ich meinte, ich würde mir jetzt gerne die Wohnung anschauen.«

»Naturalmente, und bitte denken Sie darüber nach, ob der Kauf des Hauses für Sie in Frage kommen könnte.«

Camilla stieß Castello mit der Pfote an. Dieser klopfte mit seinen Fingern auf die Jacke, um anzudeuten, dass sie sich ruhig verhalten solle. Doch sie stupste ihn abermals. Die Signora schaute Castello irritiert an.

»Ruhe kehre ein«, meinte er nun etwas übertrieben, damit Camilla ihn auch richtig verstand. Dann grinste er die Maklerin an. Im selben Augenblick wurde ein Fenster der Oper geöffnet und heraus schallte die Stimme einer Sopranistin, die sich gerade einsang.

»Still ist es hier nicht unbedingt«, sagte Signora Castani etwas verdattert. »Das habe ich Ihnen doch bereits in meinem Büro erzählt. Vom Balkon aus blicken Sie direkt auf die Oper und können die Proben der Sänger sowohl hören als auch beobachten. Die Übungsräume der Künstler liegen auf gleicher Höhe wie die Wohnung. Folgen Sie mir nun bitte.« Die Maklerin schritt voran und betrat das Haus.

Castello verdrehte hinter ihrem Rücken die Augen. »Das klingt ja sehr vielversprechend. Ob das für mich das Richtige ist?«, dachte er. »Auch wenn ich Operngesang eigentlich gerne mag. Vielleicht ist es ganz unterhaltsam, mal einen Blick hinüberzuwerfen, wenn dort geprobt wird.«

»Miau«, machte Camilla.

»Zitto«, ermahnte Castello sie, ruhig zu sein.

Die Maklerin drehte sich zu ihm um. »Sie scheinen Stille zu mögen. Im Haus ist es durchaus leise, und Sie können Ihre Fenster während der Proben ja auch geschlossen halten, wenn Sie Ruhe möchten.« Ihre Stimme hatte jetzt einen ernsten Ton angenommen. Sie schien leicht genervt.

Castello und die Maklerin betraten zunächst die Werkstatt. Signore Aulenti kam mit langsamen Schritten freundlich auf sie zu.

»Buongiorno, Signora Castani.« Er gab ihr einen vollendeten Handkuss.

»Buongiorno, Signore Aulenti.« Sie lächelte ihn zauberhaft an.

»Come sta

»Sto bene, grazie.«

»Dies ist Commissario Castello. Er interessiert sich für die Wohnung und vielleicht auch für das Haus.« Bei diesen Worten zwinkerte sie Castello zu.

»Die Polizei im Haus zu haben, kann nicht schaden«, erwiderte Signore Aulenti trocken. »Aber ich möchte mein Haus nicht verkaufen, das hatte ich Ihnen doch bereits gesagt, Signora

»Ganz schön geschäftstüchtig, die Frau Maklerin«, dachte Castello. Beim Verkauf des Hauses wäre die Provision natürlich um einiges höher als bei der Vermietung. Kein Wunder, dass sie versucht hatte, ihm den Kauf des Hauses schmackhaft zu machen.

»Vielleicht überlegen Sie es sich ja doch noch, wenn der Preis stimmt. Mit dem Geld könnten Sie sich auf dem Lande ein wunderschönes Anwesen kaufen.«

»Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Ich gehöre nach Venedig, genau wie die geflügelten Löwen.«

Die Maklerin wollte etwas erwidern, doch im selben Augenblick betrat eine amerikanische Touristin die Werkstatt.

»Good morning«, grüßte sie übertrieben freundlich. »Sie haben da einen Spiegel im Fenster, der ist so wundervoll, nice. Den möchte ich kaufen. Quanto costa

Die Frau drückte sich ungeschickt an Castello vorbei, ohne ihn zu beachten. Dabei stieß sie von hinten an den Arm, mit dem er Camilla festhielt. Sein Arm schnellte nach vorn und in diesem Moment hatte die Katze keinen Halt mehr. Sie rutschte aus seiner Jacke heraus und landete fauchend auf ihren Beinen. Die amerikanische Touristin und auch die Maklerin sprangen mit einem Satz erschrocken zur Seite. Sofort schimpfte die Amerikanerin los: »Wie furchtbar, hier gehört doch keine Katze hin. Außerdem ist sie schrecklich hässlich, igitt!«

Camilla war über diese gemeinen Worte stinksauer. »Dir werde ich’s zeigen«, dachte sie, miaute die Touristin aber zunächst freundlich an.

Die Amerikanerin schien irritiert. »Na ja, sie kann ja nichts dafür. Ist ja doch ganz niedlich, das kleine Ding.«

»Ding, pah!« Camilla war wütend. Sie näherte sich den Beinen der Dame und strich mit ihrem Kopf um ihre Strümpfe. Dann hob sie mit herausgefahrenen Krallen ihre Pfote und fuhr damit über das Fußgelenk der Amerikanerin.

Die Touristin schrie auf. »Oh, was für ein entsetzliches Tier! Es hat mich verletzt. Ich bin verwundet – mein Fuß! What the fuck, zum Teufel noch mal, meine Dior-Strumpfhose hat eine riesige Laufmasche. So eine Unverschämtheit! Ich verklage Sie und dieses Mistvieh gleich mit. Ich rufe die Polizei!« Hektisch holte die Amerikanerin ihr Handy aus der Handtasche.

Camilla sprang in eine dunkle Ecke der Werkstatt und fauchte von dort aus die Frau böse an.

»Lass mich bloß in Ruhe«, schrie die Amerikanerin und ging sicherheitshalber einen Schritt zurück.

Castello lächelte sie freundlich an. »Es tut mir wirklich leid, dass meine Katze sich so unverschämt verhält.«

Camilla warf ihm einen erstaunten Blick zu. Seit wann war ihm ihr Verhalten peinlich?

»Sie brauchen wirklich nicht die Polizei zu rufen.«

»Das ist ja wohl meine Entscheidung«, schimpfte die Amerikanerin. »Sie bekommen jetzt wohl kalte Füße, hm? Aber das können Sie alles der Polizei erklären.«

Castello sagte in besänftigendem Ton: »Darf ich mich vorstellen? Ich bin Commissario Castello und dies ist meine schlaue Katze Camilla. Was meine Katze mit Ihren Strümpfen gemacht hat, war wirklich nicht nett von ihr. Darf ich Ihnen den Schaden ersetzen?«

»Oh … ähm … Nein, das ist sehr freundlich von Ihnen, aber das ist nicht nötig«, stotterte die Touristin.

»Woher kommt wohl dieser plötzliche Sinneswandel? Seltsam«, dachte Camilla. »Sie klingt, als hätte sie Respekt vor der Polizei. Sie wird ja wohl nichts angestellt haben?« Camilla näherte sich der Frau herausfordernd.

»Wag es nicht noch einmal! Sie sollten Ihrer Katze bessere Manieren beibringen.«

»Tut mir leid, Signora.« Castello nahm Camilla auf den Arm.

Nun ging die Touristin zu Signore Aulenti hinüber und verhandelte mit ihm über den Preis des Spiegels. Nachdem sie sich einig geworden waren, packte Aulenti den Spiegel vorsichtig in Packpapier ein. Die Amerikanerin sprach währenddessen kein Wort, sondern schaute sich interessiert nach weiteren Gegenständen in der Werkstatt um. Castello und die Maklerin tauschten schweigend amüsierte Blicke aus.

»Ach, wissen Sie«, sagte Signora Castani dann zu Castello, »wir gehen schon mal hoch und ich zeige Ihnen die Wohnung. Danach besprechen wir mit Signore Aulenti alles Weitere.«

Camilla brannte darauf, endlich die Wohnung zu sehen. Sie stupste Castello aufmunternd an. Er verstand sie durchaus und nickte der Maklerin zustimmend zu. Gemeinsam schritten sie eine breite Treppe zum ersten Stock hinauf. Die Stufen waren sehr abgetreten. Signora Castani öffnete eine schwere, dunkelbraune Tür. Andächtig betraten Castello und Camilla ihr vielleicht zukünftiges Zuhause.

Himbeer-Ouvertüre

Zutaten für vier Gläser

300 g Himbeeren

1 Flasche Prosecco

Eiswürfel nach Belieben

Bunte Strohhalme

Minzeblätter

Die Himbeeren auf vier Gläser verteilen, den eisgekühlten Prosecco hinzugeben. Nach Belieben Eiswürfel hinzufügen. Mit einem bunten Strohhalm und Minzeblättern die Himbeer-Ouvertüre als Aperitif reichen. Rechtzeitig vor dem Servieren Minzeblätter im Eiswürfelfach gefrieren. Die Minzeblätter-Eiswürfel sehen sehr hübsch im Glas aus. Natürlich kann man auch verschiedene Früchte in Eiswürfeln servieren.

Kapitel 2

Isabella stand in der großen Kirche und sang mit geschlossenen Augen eine wehmütige Arie von Johann Sebastian Bach. Sie glich einer Madonna, geschaffen aus feinstem Porzellan. Ihr Gesicht hatte ebenmäßige Züge und eine leichte Röte lag auf ihrer feinen, blassen Haut. Rote Haare wallten ihr über die Schultern und ihre klare, wunderschöne Stimme hallte durch den großen Raum. Es schien, als wollte sich jeder zur Vollendung geformte Ton, jeder fein gestaltete Klang an den Mauern festhalten und die fromme Kälte zum Erzittern bringen.

Ihr gegenüber stand Olga Casella, die Schwester Oberin und Priorin des Klosters Senza la famiglia, und lauschte dem Gesang. Tränen der Rührung waren in ihren Augen zu sehen, dennoch lobte sie ihre Schülerin nicht, als diese geendet hatte und die Stille wieder in jede Ecke, jeden Winkel der Kirche hereinkroch. Sie strafte sie stattdessen mit einem kalten Blick.

»Du weißt, dass du diese Musik anderen überlassen sollst. Du bist keine auserkorene Sängerin, die sich als Solistin dieser Musik hingeben darf. Du bist eine Kirchenchorsängerin, die im Dienste unseres Klosters und der Kirche steht. Kümmere dich um die Dinge, die man dir aufträgt. Deine Aufsässigkeit und dein Ungehorsam missfallen mir. Ich bin sehr enttäuscht von dir. Übe den Hymnus Gaudeamus und die Psalmen von Palestrina und Orlando di Lasso, die ich dir gegeben habe. Mehr sage ich nicht dazu.« Schwester Olga drehte sich um und verließ die Kirche.

»Aber da ist doch ein Glitzern in den Augen der Schwester gewesen«, dachte Rosalia, die alte Katzendame des Klosters. Sie hatte diese während Isabellas Gesang genau beobachtet. »Schwester Olga war ergriffen und begeistert, das habe ich genau gesehen«, maunzte Rosalia und strich Isabella um die Beine.

Das Mädchen setzte sich auf die Stufen vor dem Altar und blickte zu dem Himmel hinauf, der dort oben an der Kirchenkuppel in wunderbar zarten Farben gemalt war. Unzählige Sterne funkelten golden und Engel lächelten zu ihr herunter. Isabella lächelte zurück.

»Die Musik ist mein Leben«, flüsterte sie den Engeln leise zu. »Das wisst ihr nur zu gut. Wie oft habe ich euch schon mein Leid darüber geklagt, wie unglücklich ich bin? Warum nur muss ich in so einem strengen Kloster leben? Aber ich will mich nicht länger verbiegen. Ich werde an dem Gesangswettbewerb teilnehmen.«

Rosalia, Isabellas treue Begleiterin, schlich zu ihr und hockte sich maunzend vor sie. »Du singst wie ein Engel«, miaute die feinsinnige weiße Katze. »Aber wie willst du das machen, ohne die Unterschrift der Priorin? Man wird dich nicht vorsingen lassen.«

»Meine gute Rosalia.« Isabella nahm die alte Katze auf ihren Schoß, drückte sie an sich und rieb mit ihrem Gesicht zärtlich über deren Rücken. »Du bist meine treue Freundin. Ich werde das schaffen, ganz bestimmt. Mach dir keine Sorgen, ich habe schon einen Plan. Aber jetzt lauf, ich muss zum Essen.« Isabella setzte Rosalia vorsichtig auf den Boden und erhob sich. »Wir sehen uns, meine lieben Engel«, sagte sie noch und winkte zum Abschied in Richtung des funkelnden Firmaments. Dann verließ sie die Kirche.

Es war kurz vor zwölf Uhr. Um diese Zeit fanden sich die Klosterschwestern und auch die Waisenkinder zum Mittagessen ein. Die Schwestern hatten einen eigenen, ruhigen Raum für sich. Schweigend saßen sie um eine lange Tafel herum und aßen. Pünktlichkeit war für Olga Casella ausgesprochen wichtig. Wurde diese nicht eingehalten, verordnete sie den Schülerinnen verschiedene Sonderaufgaben. Sie mussten dann zum Beispiel Gemüse schälen und klein schneiden oder den Eingangsbereich putzen. Diese Tätigkeiten dauerten lange und keines der Mädchen war sonderlich erpicht darauf. Deswegen bemühten sie sich, rechtzeitig bei Tisch zu erscheinen.

Kaum ein Laut war zu hören, bis auf das Ticken der Wanduhr und das leise Hüsteln einer Schwester, die sich erkältet hatte. Schwester Olga warf ihr einen ärgerlichen Blick zu, denn während des Essens sollte absolute Stille herrschen. Die strengen Regeln des Klosters mussten auch von den Schwestern eingehalten werden.

Eigentlich waren diese Vorschriften überholt. In anderen Klöstern wurde längst nicht mehr so extrem viel Wert auf Regeln gelegt. Aber Olga Casella hatte seit ihrer Kindheit mehr Strenge als Liebe erfahren und war es nicht anders gewohnt.