Petra Arndt / Michaela Sambanis

Didaktik und Neurowissenschaften

Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis

A. Francke Verlag Tübingen

Inhalt

Fußnoten

0. Prolog

Es handelt sich um ein Zitat aus der Ankündigung bzw. aus dem Klappentext seines Buchs Das (un)soziale Gehirn.

1. Verortung und Zielsetzung

Dieser Versuch könnte als Neurodidaktik klassifiziert werden, wählt aber methodisch, wie im Weiteren noch dargelegt wird, einen anderen Weg als bisherige Neurodidaktiken. Der bekannte, aber nicht unumstrittene Begriff Neurodidaktik wurde vor fast dreißig Jahren, nämlich 1988, von dem Freiburger Professor für Mathematikdidaktik Gerhard Preiß geprägt. Preiß forderte, eine Brücke zwischen Gehirnforschung und Didaktik zu bauen.

Evidenz wird hier im Sinne von evidence verwendet mit der Bedeutung „die durch empirische Forschungsmethoden gewonnenen Belege oder Hinweise, […] die durch Forschungsmethoden vermittelten Erkenntnisse, die […] eine interpretationsbedürftige Grundlage für bestimmte Schlussfolgerungen“ bilden (Bellmann & Müller 2011: 11).

2015 wurde von einer der beiden Autorinnen, M. Sambanis, zusammen mit ihrem Kollegen H. Böttger von der KU Eichstätt die Tagungsreihe Focus on Evidence (FoE) – Fremdsprachendidaktik trifft Neurowissenschaften ins Leben gerufen. Die Tagung findet alle zwei Jahre statt und erreicht vor Ort und via Webinar weltweit hohe Teilnehmerzahlen. In kompakten Vorträgen werden Erkenntnisse aus der Hirnforschung vorgestellt und im Anschluss von Expertinnen und Experten aus den Neurowissenschaften, der Didaktik, Psychologie und Erziehungswissenschaft sowie mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Praxis gemeinsam diskutiert. FoE setzt auf „partizipative Transferstrategien“ (Bellmann & Müller 2011: 27).

1.1.1 Distanzierung

Als Vertreter der distanzierenden Position seitens der Pädagogik und Erziehungswissenschaft nennt Müller (2005: 91) die beiden inzwischen im Ruhestand befindlichen bzw. emeritierten Professoren Meyer-Drawe und Ruhloff.

Die Begriffe Pädagogik und Erziehungswissenschaft werden häufig synonym verwendet, was jedoch eigentlich nicht korrekt ist. Pädagogik ist, wissenschaftshistorisch gesprochen, der ältere Begriff, während die Erziehungswissenschaft noch vergleichsweise jung ist. Letztere widmet sich als wissenschaftliche Disziplin der Erforschung von Bildungsfragen, während Pädagogik eher auf der Ebene des pädagogischen Handelns, also des Erziehens und Bildens, anzusiedeln ist. Bereits seit einigen Jahren wird diskutiert, ob diese Ko-Existenz und Unterscheidung Sinn macht oder eher Verwirrung stiftet, und ob die Pädagogik nicht sogar als Auslaufmodell zu betrachten sei. Für Systematisierungsversuche vgl. Lenzen 1989.

Beispielsweise Becker (2006: 9) spricht in kritischer Abgrenzung zu den Neurowissenschaften von „Legitimationsproblemen“ der Erziehungswissenschaft. Sie stellt die Popularität und Expansion der Neurowissenschaften dem Abbau der Ressourcen der Erziehungswissenschaft gegenüber, die trotz „Verschlechterung“ der Konditionen immer „mehr leisten“ solle (ebd.), was die Vorstellung eines kausalen Zusammenhangs zwischen Zuwendungen für die Neurowissenschaften und Verschlechterung der Ausstattung der Erziehungswissenschaften suggeriert.

In diesem Zusammenhang werden methodische Unzulänglichkeiten ins Feld geführt oder z.B. mögliche Ungenauigkeiten von bildgebenden Verfahren bemängelt etc.

Bowers Kritik hat eine Diskussion unter Fachleuten ausgelöst, die zum Zeitpunkt des Abfassens des Manuskripts noch nicht abgeschlossen war (vgl. Howard-Jones et al. 2016, Gabrieli 2016, gefolgt von einer Replik von Bowers ebenfalls 2016).

1.1.2 Direkte Aufnahme

Kortes Buch trägt den Titel Wie Kinder heute lernen und den Untertitel Was die Wissenschaft über das kindliche Gehirn weiß.

Einen Eindruck von der Immensität des Vorhabens, das menschliche Gehirn zu erforschen, vermitteln die beiden milliardenschweren Großprojekte The Human Brain Project (HBP) in Europa und die amerikanische BRAIN-Initiative, die Anlass zu sehr kontroversen Diskussionen gegeben haben. Das HBP verfolgt das überaus hochgesteckte Ziel, das menschliche Gehirn zu simulieren. Es bleibt abzuwarten, welche Teilkomponenten des menschlichen Gehirns am Ende der Projektlaufzeit (20132023) als Computersimulation vorzeigbar sein werden.

In Böttger & Sambanis (2017) findet sich eine Zusammenführung von Wissensbeständen zum Einsatz von Musik beim Lernen.

1.1.3 Kritische Übersetzung und Begründung der angestrebten Verbindung zwischen Neurowissenschaften und Didaktik

Als ein Vertreter der kritischen Übersetzung aus pädagogischer Perspektive wird Schirp angeführt. Er macht auf die Vorläufigkeit mancher neurowissenschaftlicher Befunde aufmerksam, sieht es aber dennoch als möglich und relevant an, darüber nachzudenken, wie Ergebnisse der Hirnforschung „in professionsbezogene Wissens- und Handlungsmodelle von Lehrerinnen und Lehrern zu überführen“ seien (Schirp 2003: 304).

Ein Beispiel für didaktische Studien, die durch neurowissenschaftliche Befunde angestoßen wurden und mit dem Ziel durchgeführt worden sind, auszuloten, ob die unter Laborbedingungen gewonnenen Erkenntnisse eine Relevanz für den Schulalltag besitzen, bildet das Bewegungslernen, also das Koppeln von Inhalten an Bewegungen (vgl. Hille et al. 2010, Sambanis 2015: 158ff.).

Die Frage nach dem Was? wird durch Curricula, die Definition von Standards etc. geregelt (zur Bedeutung der Frage nach dem Wozu? vgl. Biesta 2011: 101ff.).

Das Konzept der Praxisfenster wurde von einer der Autorinnen für die Publikation Fremdsprachenunterricht und Neurowissenschaften im Jahr 2013 entwickelt und stieß auf positive Resonanz bei Praktikerinnen und Praktikern sowie bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Für den vorliegenden Band wird es entsprechend adaptiert.

Die Personen, die „in den Praxisfenster immer wieder zu Wort kommen, sind frei erfunden und können das Spektrum möglicher […] [P]ersönlichkeiten natürlich nicht abbilden. Es wurde bewusst mit einer Auswahl gearbeitet. Sollten Leserinnen und Leser streckenweise eine gewisse Tendenz zur klischeehaften Darstellung wahrnehmen, so sei versichert, dass dies stets im Dienste der exemplarischen Herausarbeitung möglicher Folgerungen für den […] [U]nterricht mit allergrößter Wertschätzung […] geschieht“ (Sambanis 2013: 8). Die Repräsentation der Gender durch die fiktiven Charaktere ist auf Ebene der Praxis ausgewogen, auf Ebene der Wissenschaft spiegelt sie die Konstellation des Autorentandems des vorliegenden Bandes.

Damit wird die Frage der Evidenzgrade angesprochen: „Ein wichtiger Weg zu einem Effizienznachweis wird durch randomisierte kontrollierte Studien oder randomized controlled trials, RCTs abgekürzt, eröffnet“ (Pulvermüller 2016: 85). Ein wesentliches Merkmal von RCTs ist die zufällige Zuordnung der Probandinnen und Probanden zur Experimental- oder Kontrollbedingung. RCTs gelten, besonders in der Medizin, als Goldstandard des Studiendesigns für experimentelle Studien. Da bildgebende Studien Korrelationsstudien sind (vgl. Goswami 2008: 386), nutzen manche Vertreterinnen und Vertreter der unter 1.1.1 beschriebenen Position der Distanzierung und Ablehnung dies als Argument, um damit den Wert neurowissenschaftlicher Evidenz bzw. den von Bemühungen um einen Anwendungsbezug infrage zu stellen.

2.1 Ein Gehirn entsteht: Von einer dünnen Zellschicht zur komplexen Struktur

Die ältere Angabe von 100 Milliarden, die gelegentlich noch in der Literatur zu finden ist, gilt inzwischen als überholt. Genauere Methoden haben zu einer Korrektur des Wertes nach unten geführt. Der Wert bezieht sich auf das ausgewachsene Gehirn von Männern. Frauen haben im Durchschnitt etwas weniger Nervenzellen, was sich schlicht auf die geringere Körpergröße und eine geringere Muskelmasse zurückführen lässt, für deren Steuerung bei Männern zusätzliche Nervenzellen benötigt werden.

Faktisch ist das allerdings schon deshalb nicht möglich, weil gar nicht so viele 1-Euro-Münzen im Umlauf sind.

In bestimmten Hirngebieten, etwa dem Kleinhirn, sind die Wanderbewegungen etwas komplizierter. Dort gibt es im Anschluss an die beschriebene Wanderung zusätzlich Zellen, die sich an Gliazellfasern entlanghangeln, die quer zu den Radialgliazellen liegen. Auf ihrem Weg in ihre Endposition bilden sie bereits Axone aus, sodass sie gleich bei ihrer Ankunft am Zielort eine „gute Verbindung“ zu weiter entfernt liegenden Nervenzellen aufgebaut haben. Aktuell wird diskutiert, ob diese sogenannte tangentiale Wanderung auch bei bestimmten Zellen der Großhirnrinde eine Rolle spielt. Das zeigt: Die Hirnforscherinnen und -forscher bleiben dran und stehen selbst auch immer wieder vor neuen Rätseln.

2.2 Verbindung ist alles: Ein gigantisches neuronales Netzwerk wächst zusammen

Eine Ausnahme bilden die elektrischen Synapsen, die im Embryonalstadium eine Rolle spielen und beim Erwachsenen in der Netzhaut und im Herzmuskel vorkommen.

Für die meisten Sinnesinformationen gibt es auf diesem Weg eine Zwischenstation: den Thalamus. Er ist nicht nur eine „Umschaltstelle“, sondern fungiert auch als Filter, der gerade relevante Signale weitergibt und unwichtige blockiert (z.B. bei der Nahrungssuche oder als Abschirmfunktion in Schlafphasen). Eine Ausnahme bildet unser Riechsinn. Hier kommt das Gehirn dem Sinnesorgan sozusagen entgegen, indem es eine Ausstülpung, den Bulbus olfaktorius, bildet, der direkt mit den Sinneszellen der Riechschleimhaut verbunden ist.

Daher „primär“, lat. „primarius“: zu den Ersten gehörig, „primus“: der Erste.

Spontane Aktivität, die sich in Form einzelner Nervenimpulse äußert, gibt es im Gehirn häufiger. Das bedeutet noch nicht, dass eine relevante Information vorliegt, sondern hat einfach mit dem Stoffwechsel von Nervenzellen und der Struktur des Nervensystems zu tun.

2.3 Ein Schritt nach dem anderen: Hirngebiete entwickeln sich nacheinander

Weil die Sinnesinformation in diesen Arealen mit bereits gespeicherten Informationen aus demselben Sinnessystem verknüpft wird, werden diese Cortexbereiche gelegentlich auch als unimodale Assoziationsareale oder Assoziationsareale erster Ordnung bezeichnet. Wir werden im Folgenden, um Verwechslungen zu vermeiden, weiterhin den Begriff „sekundäre Wahrnehmungsareale“ verwenden.

Als ein konkretes Beispiel ließen sich das Aussehen, die Geräusche und haptischen Informationen zu verschiedenen Hunden anführen, die alle im Konzept „Hund“ vereinigt werden. Mit zunehmender Erfahrung wird das Konzept erweitert und von anderen Kategorien (z.B. Katze, Pferd) deutlicher abgegrenzt.

2.4 Vom Feldweg zur Schnellstraße: Myelinisierung von Nervenfasern

Erst ab dem Alter von 40 oder mehr Jahren findet ein altersbedingter Abbau statt.

2.5.1 Stabilität und Störanfälligkeit: Beispiel Wahrnehmung

Zu „Lärm in Bildungsstätten“ vgl. Schönwälder et al. 2004.

Vgl. hierzu u.a. Klatte & Lachmann (2009: 141), die den Lärmpegel bei Gruppenarbeit mit bis zu 77dB(A) angeben, der einer stark befahrenen Straße liegt bei 80dB(A). Für eine bessere Einordnung sei außerdem erwähnt, dass die Schwelle, ab der die Konzentration gestört werden kann, bei ca. 40dB(A) liegt, die für mögliche Herz-Kreislaufbelastungen und Stressreaktionen bei etwa 65dB(A). Die Schmerzgrenze ist bei 120dB(A) erreicht. A steht übrigens für eine Schallbewertung mit A-Filter, d.h. für eine Bewertung, bei der die Gegebenheiten des menschlichen Ohrs berücksichtigt werden.

Vgl. Böttger & Sambanis 2017; Klatte & Lachmann 2009.

Zu Nutzen und Risiken von Hintergrundmusik vgl. Böttger & Sambanis 2017: 5455.

2.5.2 Nutzung alternativer Hirnstrukturen und Strategien

Bei vier Verstecken können 3 ½ jährige die Belohnung noch finden, bei 18 Verstecken ist ihnen das nicht mehr möglich.

Die Unterschiede im Verhalten und den kognitiven Leistungen zwischen Erwachsenen und Kindern, die in ihrer Entwicklung zwischen zweitem und drittem Wachstumsschub stehen, sind dabei allerdings im „alltäglichen Umgang“ weniger offensichtlich als die Unterschiede zu den sehr jungen Kindern.

Viele Neurowissenschaftler würden formulieren „… weiterreicht an die Areale, die unser Bewusstsein ausmachen.“ Hier öffnet sich die Diskussion des Zusammenhangs von Gehirn und Bewusstsein, der im Rahmen dieses Bandes nicht bearbeitet werden kann. (Literaturtipp: Roth & Strüber 2017; Audiotipp: Spitzer, Schrenk & Lesch 2011)

Auch das Wissen von Erwachsenen besteht zu einem sehr großen Teil aus dieser Art von Wissen. Denken wir allein an die Sprache, deren komplexe Regeln wir ohne großes Nachdenken anwenden können. Menschen, die sich für Sprachwissenschaften interessieren oder beispielsweise Deutsch studiert haben, haben außerdem die zugrundeliegenden Regeln als abstraktes Wissen gelernt und können über diese berichten.

Beide Regionen sind bei Kindern so klein und so schlecht zu erkennen, dass man anfangs bezweifelte, dass sie bei Kindern vor dem dritten Wachstumsschub vorhanden sind. Inzwischen kann man die Regionen aber bei etwa 85 % der Kinder zwischen 8 und 11 Jahren nachweisen. Bei den fehlenden Nachweisen könnte es sich durchaus um Messprobleme handeln. Es ist eher davon auszugehen, dass diese Regionen noch sehr klein sind, als davon, dass sie bei Kindern tatsächlich fehlen würden.

3.1 Aufmerksamkeit in Pädagogik und Hirnforschung

Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass differentialdiagnostische Maßnahmen in der Praxis oft nicht ausgeschöpft werden.

Leider wird hier oft nicht hinreichend unterschieden.

3.2 Wachheit, Kapazität und Grenzen von Aufmerksamkeit

In freiwilligen oder erzwungenen Fastenzeiten wird Glucose im Gehirn teilweise durch Ketonkörper ersetzt, die ein Abbauprodukt der Fettsäuren sind.

3.3.2 Aufmerksamkeits- und Handlungskontrolle

Exekutiv steht für ausführend, vollziehend. Der Begriff wurde gewählt, um die Form der Aufmerksamkeit, die sich auf die Kontrolle der Handlungsinitiation und Handlungsausführung bezieht, von wahrnehmungsbezogenen Aufmerksamkeitsprozessen abzugrenzen. Eine alternative Bezeichnung lautet Supervisory Attentional System (SAS). Sie macht deutlich, dass dieses Aufmerksamkeitssystem die gesamte Handlungsausführung überwacht.

anterior = hinten liegend

3.6.1 Förderung der Entwicklung von Aufmerksamkeit, Konzentration und exekutiven Funktionen

Das muss nicht immer Spielzeug sein. Auch Alltagsgegenstände können sich eignen.

3.6.2 Gestaltung aufmerksamkeitsförderlicher Rahmenbedingungen

Während die Präferenzen für die akustische Umgebung individuell verschieden sein können und eine vertraute Geräuschkulisse durchaus Sicherheit und Geborgenheit vermitteln kann, ist für visuelle Reize gezeigt worden, dass sie ein hohes Ablenkungspotential haben – selbst dann, wenn die Aufgabe rein sprachlich ist (z.B. mündliche Beantwortung von Fragen, vgl. Vredeveldt & Perfect 2014).

3.7 Aufmerksamkeit oder Langeweile: Was passiert im Unterricht?

Daran anknüpfend werden auch einige methodische Impulse zur Förderung von Aufmerksamkeit im Unterricht gegeben, aber zunächst wird im Sinne der angestrebten planvollen Übertragung und Applikation von Wissensbeständen über Betrachtungen zu „Langeweile im Unterricht“ eine Brücke von den Befunden der Neurowissenschaft zur Didaktik und schließlich weiter konkretisierend zu unterrichtsmethodischen Impulsen geschlagen.

3.7.1 Ist Langeweile positiv oder negativ?

Studien, die die Effekte von Phasen des Tagträumens, z.B. als Konsolidierungsphase nach intensivem Generieren von Ideen, untersuchen, weisen vielfach in eine positive Richtung. Bei der Betrachtung der Wissensbestände gilt es jedoch, solche Befunde, die sich auf als angenehm wahrgenommene Offline-Phasen des Tagträumens beziehen, von solchen zu trennen, die das Langeweileerleben als negative Emotion abbilden.

72% der Probanden beurteilten die [als langweilig erlebte Unterrichts-] Stunde als eher unwichtig […].“ (ebd.). Im Hinblick auf die unterrichtsmethodischen Gegebenheiten der Situationen, in denen die Lernenden Langeweile empfunden haben, wurde am häufigsten, nämlich bei 82 % der Antworten im Interview (vgl. Götz et al. 2007: 322) der Frontalunterricht genannt. Die Studie schlüsselt jedoch nicht auf, welchen Anteil Frontalunterricht in den befragten Klassen in Relation zu sonstigen Sozial- und Unterrichtsformen einnahm bzw. ob sonstige Formen überhaupt in allen Klassen in nennenswertem, dem Frontalunterricht vergleichbaren Maß zum Einsatz kamen. Ferner sind die Merkmale des von den Befragten erlebten Frontalunterrichts nicht abgebildet, da diese nicht Gegenstand der Studie waren, sodass es sich verbietet, an dieser Stelle unzulässig vereinfachende oder generalisierende Rückschlüsse auf den Frontalunterricht zu ziehen.

3.7.2 Tritt Langeweile in allen Schulfächern auf?

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Wert für Freude in beiden Fällen nicht allzu weit unter dem o.g. Ankerpunkt bleibt, er tendiert also nicht gegen Null. Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass das Ergebnis im Vergleich zu anderen Unterrichtsfächern ein ungünstiges ist und auf Optimierungsbedarf hinweist (zu Emotionen vgl. Kap. 4).

3.7.3 Welche Charakteristika von Unterricht könnten Langeweile begünstigen?

Erstaunlich und besonders nachdenklich stimmend ist, dass es aus Schülersicht im Fach Musik kaum gelingt, einen Alltagsbezug herzustellen, obschon Musik zweifellos ein Bestandteil des täglichen Lebens der meisten Schülerinnen und Schüler ist. Beispielsweise belegen Erhebungen zur Smartphonenutzung, dass Jugendliche ihr Handy neben dem Versenden und Empfangen von Nachrichten am häufigsten zum Abspielen von Musik nutzen (für weitere Quellen und eine Zusammenfassung vgl. Böttger & Sambanis 2017: 36ff.). Auch der Mittelwert für die Hilfsmittelbenutzung bleibt beim Schulfach Musik erstaunlicherweise unter 3.

Warum das Gehirn dem Wiederholen von Lerninhalten eigentlich eher ablehnend gegenübersteht und welche Maßnahmen ergriffen werden können, wird in 6.7.1 dargelegt.

3.7.4 Was machen Schülerinnen und Schüler, wenn sie sich langweilen?

Während z.B. Götz et al. (2007) von, wie oben referiert, negativen Zusammenhängen zwischen Langeweile und Leistung ausgehen, gibt es andere Studien, z.B. Gläser-Zikuda (2001), in denen Zusammenhänge nicht bzw. nicht klar nachgewiesen werden konnten. Ein negativer Zusammenhang ist jedoch wahrscheinlich und plausibel.

3.7.5 Was tun? – Maßnahmen gegen Langeweile

Warum manche Jugendliche häufig antriebslos wirken und sich mitunter selbst durch anregende und vielfältige Unterrichtsangebote nur streckenweise aus der Lethargie reißen lassen, wird in Böttger & Sambanis (2017: 68ff.) dargelegt (vgl. außerdem im vorliegenden Band 2.6).

Bei diesem Vorgehen zum Entdecken und Entwickeln von Strategien bei Langeweile bzw. zu deren Vermeidung, erhalten Lernende und die Lehrkraft voneinander Hinweise und stellen sich gemeinsam der Herausforderung.

In der Studie von Lohrmann (2008: 71) bei Drittklässlern ist Unterforderung die „am häufigsten genannte Ursache von Langeweile“.

Zum dialogischen Lesen im Kindergartenalter und den Effekten eines entsprechenden Interaktionstrainings für Erzieherinnen und Erzieher vgl. Simon (2014), zu Sprachlos siehe Wardetzky & Weigel u.a. unter: www.erzaehlen.de/erzaehlen.de/Wardetzky_Sprachlos_files/Wardetzky_Sprachlos_1.pdf.

Vgl. Matz 2017: 47.

Matz (2017: 47) empfiehlt Lights out, spot on vor allem für die Sekundarstufe I, das Vorgehen kann aber auch schon, wie oben dargestellt, in der Grundschule eingesetzt werden.

Vgl. Sorrentino et al. 2012: 93.

4. Emotionen und Motivation

Die USA sahen sich ab 1957, ausgelöst durch den Sputnik-Schock – den Russen war es, zur Überraschung der USA, die sich auf diesem Gebiet als führend wahrgenommen hatten, gelungen, als erste Nation einen Satelliten ins All zu befördern – dazu veranlasst, rasch Maßnahmen zum Ausgleich ihres offenbar existierenden technologischen Rückstandes zu ergreifen. Durch Wissenschaftsförderung sowie umgreifende Reformen des Bildungssystems, das als wichtige Ressource zur Absicherung der Machtposition betrachtet wurde, sollte es gelingen, weiteren Rückschlägen im Konkurrenzkampf der Supermächte im Kalten Krieg vorzubeugen und den Machtkampf letztlich für sich zu entscheiden. Das Interesse richtete sich im Besonderen auf den naturwissenschaftlichen Bereich und dort auf kognitive Erträge.

TBLT conforms to the aim of holistic and humanistic language teaching, which is to unfold „the students’ full potential for growth by acknowledging the importance of the affective dimension in learning as well as the cognitive (Ellis 2003: 13)“. The teacher creates opportunities for authentic interaction.“ (Grimm et al. 2015: 69).

Ähnlich muss auch seitens der Fremdsprachendidaktik eingeräumt werden, dass sich die Forschung insgesamt noch auf einer recht allgemeinen Ebene bewegt (vgl. Riemer 2016: 270).

„Self-report […] cannot render real-time estimates of emotional processes. […] they are subject to response-biases, and are not well suited to assess emotional processes that have limited access to consciousness.“ (Schutz & Pekrun 2007: 323f.)

Die dem Beitrag zugrundeliegende mehrebenenanalytische Längsschnittstudie in der Sekundarstufe I erforschte die Fachwertschätzung als „Entstehungsbedingung“ (Beermann & Cronjäger 2011: 19) von Freude, Angst und Langeweile im Unterrichtsfach Französisch. Die untersuchten Emotionen veränderten sich über die Zeit. Beispielsweise wurde bei Lernenden mit einer besonders hohen Wertschätzung für das Fach Französisch und die Sprache zum Zeitpunkt des Beginns des Französischunterrichts (hier: Klasse 6) „im weiteren Verlauf der Sekundarstufe I ein[en] besonders starke[n][r] Verlust an Freude“ gemessen, was die Forschenden als Enttäuschungseffekt bezeichnen (Beermann & Cronjäger 2011: 31).

Momente, in denen man z.B. den Namen einer Person erinnern soll und dieser förmlich auf der Zunge liegt, aber trotzdem nicht abgerufen werden kann, illustrieren beispielhaft, was mit dem Begriff epistemisches Gefühl bezeichnet wird.

Bei der Frage nach der Valenz werden Emotionen den Kategorien positiv, negativ oder ambivalent zugeordnet. „Mit der zeitlichen Dimension wird die Frage beantwortet, ob eine Emotion als prospektiv, aktuell oder retrospektiv einzustufen ist“ (Sambanis 2010: 19f.). Referenz wiederum klassifiziert Emotionen danach, ob sie sich auf die Person, die sie empfindet, selbst oder auf andere bezieht.

4.2 Akzeptanz von Schule: die Willingham-These

Das Zwischenhirn wird vom limbischen System, einem funktionalen Zusammenschluss verschiedener neuronaler Strukturen und Kerngebiete, darunter die Amygdala, der Nucleus accumbens und der Hippocampus, umsäumt (vgl. 4.6). Limbisch heißt übrigens umsäumend (vgl. Beck 2014: 34).

Willingham nennt als Beispiel den Versuch, bei dem ein Stück Papier in einer Flasche verbrannt wird, während ein hartgekochtes Ei oben auf der Flaschenöffnung liegt. Das Ei wird in die Flasche hineingesogen.

Die unter 4.1 erwähnte Lücke bei Längsschnittstudien besteht trotz der nicht unerheblichen Anzahl an Studien auch hier: „[…] even in reserach on test anxiety, which has been studied so often, there is a clear need for more longitudinal studies analyzing the reciprocal relations of students’ anxiety and learning over the school years“ (Zeidner 1998 zitiert in Schutz & Pekrun 2007: 327).

Schutz & Pekrun (2007: 320) empfehlen multimethodische Ansätze zur weiteren Erforschung von emotionalen Aspekten von Lernen.

4.3.1 Diskursfähigkeit und Sprachverwendung

Die Berechnung basiert auf dem Mittelwert (39,6) der Anzahl der Schulwochen in den deutschen Bundesländern im Schuljahr 2015/2016. Diese variierte zwischen 37 (Sachsen) und 42 (Brandenburg).

Kinder mit geringen Deutschkenntnissen, z.B. Flüchtlingskinder, stehen in den meisten Schulfächern vor der Herausforderung, sich in einer Sprache ausdrücken zu müssen, die ihnen zumindest in Teilen noch fremd ist. Das schränkt auf inhaltlicher Ebene ein, kann Druck und Frustration aufbauen, möglicherweise in unterschiedlichen Fächern zu Sprachverwendungsangst führen.

4.4 Mathematikphobie

Erhoben mit der Kurzversion den Mathematics Anxiety Rating Scale (MARS, Suinn & Winston 2003).

Mittelwert der Versuchspersonen, bei einzelnen Personen kann die Aktivität weiterhin erhöht sein.

Bei Erwachsenen dagegen gelingt die korrekte Berechnung auch ohne Automatisierung deutlich leichter. Legt man als Maßstab für die Leistung die Fehlerrate zugrunde, sind die Anforderungen an das Wissen und Können von Kindern und Jugendlichen höher als die an Erwachsene, die dieselbe Aufgabe bewältigen sollen, weil Erwachsene verlässliche Assoziationsareale (vgl. 2.3) als Unterstützung nutzen können.

Vgl. Zeidner 2007.

Es handelt sich um Böttger & Sambanis 2017: 104ff.

Vgl. Carney et al. 2010. Die in der Studie gefundene Reduktion des Stresshormonlevels konnte durch eine Replikationsstudie nicht bestätigt werden, was aktuell diskutiert wird und unterschiedliche Gründe haben kann (z.B. Dauer der Intervention und individuelle Unterschiede, Testkits zur Bestimmung des Hormonlevels). Die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer schätzten sich aber auch in Replikationen nach der Power Pose zuversichtlicher und risikobereiter ein. Neurowissenschaftliche und (sozial-) psychologische Studien zur Embodied Cognition können flankierend bei der Beurteilung von Power Posing hinzugezogen werden (vgl. Kap. 5). Beispielsweise konnte nachgewiesen werden, dass das Halten eines Stiftes zwischen den Schneidezähnen dazu führt, dass Probandinnen und Probanden Cartoons, die ihnen zur Betrachtung vorgelegt werden, lustiger finden – gewissermaßen lächeln sie ja bereits wegen des Stifts (vgl. Meier et al. 2012: 707). Auch hier beeinflusst der Köper die Wahrnehmung.

Vgl. hierzu vor allem Zeidner 2007, Ramirez & Beilock 2011 sowie die zusammenfassenden Anmerkungen bei Sambanis 2013: 35ff.

Der Mittelwert der Experimentalgruppe lag bei 35,1 Punkten, der der Kontrollgruppe nur bei 28 Punkten (vgl. die in der Didaktik des Englischen an der FU Berlin betreute Masterarbeit von Hänsel 2017: 43).

Zu Self-verbalization (SV) bzw. self-questioning und der Effektstärke von d = 0.64 vgl. Hattie 2009: 193.

Zur Aktionsforschung vgl. Infobox in Kap. 3.

4.5 Selbstbestimmungstheorie der Motivation

Zu Belohnung im Unterricht, Überraschungs- oder möglichen Korrumpierungseffekten vgl. Kap. 6 sowie Sambanis 2013: 49ff.

4.5.3 Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung im Unterricht

In einer Studie (vgl. Deci & Ryan 1993: 234f.) wurden beispielsweise die Erträge des Lesens eines Texts unter drei Bedingungen verglichen: Die erste Gruppe wurde informiert, dass man sie nach der Lektüre danach fragen werde, wie interessant sie den Text fanden. Gruppe 2 las unter autonomieförderlichen Bedingungen, die dadurch hergestellt wurden, dass sich „die Lehrer autonomieunterstützend“ verhielten und den Lernenden signalisierten, dass „sie persönlich an ihrem Lernfortschritt interessiert sind“ (ebd.). Gruppe 3 wurde informiert, dass auf die Lektüre ein benoteter Test folgt. Tatsächlich wurden dann alle drei Gruppen getestet, und die Ergebnisse zeigen eine Überlegenheit der autonomieförderlichen Bedingung. Sie liefern damit einen Hinweis auf die Relevanz von Selbstbestimmung.

5. Bewegung und Lernen

Während bis vor einiger Zeit die Annahme vorherrschte, dass Begriffe abstrakt abgespeichert seien, wird mittlerweile, gestützt durch entsprechende Hinweise aus empirischen Studien, die Ansicht vertreten, dass Begriffe mit Handeln und Sinneseindrücken verknüpft gespeichert sind: „[…] the notion of embodiment […] refers to the assumption that thoughts, feelings, and behaviors are grounded in sensory experiences and bodily states“ (Meier et al. 2012: 706). Embodiment Theories bilden ein „unifying framework“ für Erkenntnisse, die belegen, dass „sensory, motor, and perceptual processes influence thoughts, feelings, […] behaviors“ (Meier et al. 2012: 707) sowie Lernprozesse.

5.1 Welche Erkenntnisse liegen zu Bewegungen als Ausgleich vor?

Vgl. Böttger & Sambanis 2017: 48ff.

Bei Mahar (2011) finden sich keine Angaben zur Dauer des Nachhalls in den dort referierten Studien. Obige Angaben beziehen sich auf Studien zu Nachhall-Effekten bei Musikeinsatz.

Mehrere Dutzend Studien mussten ausgeschlossen werden, weil sie dieses Kriterium nicht eindeutig erfüllten. Die Metaanalyse basiert auf neun Studien, das Alter der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer liegt zwischen fünf und 18.

Zur Relevanz von Bewegung in der Adoleszenz und zu den Gründen für diese Relevanz vgl. Böttger & Sambanis 2017: 56ff.

Für weitere Unterrichtsimpulse vgl. das Praxisfenster in diesem Kapitel sowie ergänzend Böttger & Sambanis (2017: 149ff.), die in ihrem Buch über das Sprachenlernen in der Pubertät u.a. die motorische Entwicklung in dieser Phase beleuchten und Praxisimpulse speziell für diese Zielgruppe bereitstellen.

5.2 Welche Erkenntnisse liegen für Bewegungen zu Inhalten vor?

Die EEG-Daten der Experimentalgruppe zeigten eine andere, nämlich eine frühere Aktivierung motorischer Regionen als die der Kontrollgruppe.

5.2.1 Szenisches Lernen

Für aktuelle Publikationen zum performativen Lehren und Lernen vgl. u.a. Schewe & Even (2016), Crutchfield & Schewe (2017) sowie Scenario, die online frei zugängliche Zeitschrift für performatives Lehren, Lernen, Forschen.

5.2.2 Effekte beim Fremdsprachenlernen im Kindergartenalter

Angesichts der hohen Übungszeit von acht Stunden bei nur 20 Wörtern, davon mehr als die Hälfte bestehend aus einer einzigen Sprechsilbe, andere mit Ähnlichkeiten zur Erstsprache Griechisch (u.a. bei camel, elephant, tiger), streuen die Ergebnisse wenig und ein gewisser Deckeneffekt ist trotz des relativ jungen Lerneralters zu erkennen. Bei Replikationsstudien sollte sowohl die Anzahl als auch der Schwierigkeitsgrad der Wörter genauer geprüft und mit einer etwas größeren minimalen Überforderung der Kinder gearbeitet werden.

5.2.3 Effekte beim Erwerb von numerischen Kompetenzen auf der Elementar- und Primarstufe

Fischer & Zwaan (2008: 825) geben in ihrem Artikel einen systematischen Überblick über „the role of the motor system in language comprehension“. Dabei referieren sie relevante Studien und gehen auf dem Weg einer systematischen Zuordnung von theoretischen Positionen und korrespondierender Evidenz der Frage nach Belastbarkeit und Erklärungsansätzen nach.

In der Fachliteratur ist dieses Phänomen als SNARC-Effekt (Spatial Numerical Association of Response Codes) bekannt (vgl. Dackermann et al. 2016: 103). Zum SNARC-Effekt hat u.a. der renommierte Forscher Dehaene am Collège de France geforscht. Eine zusammenfassende Präsentation relevanter Forschungsergebnisse ist unter dem Titel „The hunting of the SNARC: The discovery of number-space interactions and their cerebral correlates“ frei im Internet abrufbar unter: https://www.college-de-france.fr/media/stanislas-dehaene/UPL7141364266759190_Dehaene_SNARC.pdf.

Die Tanzmatte wurde dabei nicht komplett ebenerdig abgelegt, sondern teilweise erhöht auf einer Stufe. Ein Schritt nach links ebenerdig bedeutete minus 1, ein Schritt nach links oben auf der Stufe stand für minus zehn. Nach rechts wurde ebenerdig plus 1 kommuniziert, auf der Stufe oben plus 10. „Die Trainingsaufgabe bestand darin, einen Balken auf dem Zahlenstrahl“ mithilfe der entsprechenden Schritte zu steuern (Dackermann et al. 2016: 106).

5.2.4 Wie lassen sich die Effekte erklären?

Das Zitat entstammt einer Sammlung von Praxistipps zum Differenzieren im Unterricht (Sorrentino et al. 2012: 104). Das Buch enthält, kompakt und übersichtlich dargestellt, verschiedene nützliche Hinweise, allerdings sollte das Teilkapitel zu den Lerntypen, insbesondere Aussagen die nahelegen, dass die Lehrkraft dem sogenannten Lerntyp des einzelnen Lernenden zuarbeiten müsse, kritisch hinterfragt werden. Auch wenn Lernende z.T. bestimmte Sinnesmodalitäten bevorzugen, gibt es keine Hinweise darauf, dass diese tatsächlich ihre „stärksten“ Sinnesmodalitäten sind oder dass der Lernprozess dadurch befördert würde (vgl. Dekker et al. 2012). Durch das Fokussieren von Präferenzen affirmieren sich nämlich, da man sie letztlich meidet, die (angenommenen) Schwächen, was nicht wünschenswert erscheint. Anstelle des „Bedienens“ von Präferenzen bei den Lernenden empfehlen Arndt & Sambanis daher vielmehr, wann immer möglich, das Verfolgen von Vielfalt in den Herausforderungen und Lernangeboten, auch im Sinne eines multimodalen Enkodierens, wie es u.a. durch Bewegungskoppelung erreicht werden kann.

Vgl. das Praxisfenster in Kap. 2.

Vgl. Sorrentino et al. 2012: 102.

Zu diesen und weiteren Hinweisen, wie Biologieunterricht mit Kopf, Herz und Hand gestaltet werden kann, vgl. Graf 2016.

Für eine Zusammenfassung mehrerer Studien vgl. Böttger & Sambanis 2017: 63ff.

6.1 Wie ist Wissen eigentlich im Gehirn gespeichert?

Genauer gesagt: für Lernprozesse, die über die reine Assoziationsbildung hinausgehen.

Deutlich wird die Ähnlichkeit von Gesichtern allerdings, wenn man mehrere Menschen kennenlernt, die einer ethnischen Gruppe angehören, mit der man bisher nur wenig Kontakt hatte. In dem Fall fällt es oft schwer, die Personen auseinander zu halten.

6.3.4 Prozedurales Gedächtnis: etwas können

Nicht gemeint sind hier automatische Reaktionen und Reflexe, die entweder angeboren sind oder durch Assoziationslernen erworben wurden.

Ausnahmen bilden natürlich die Menschen, die sich z.B. in Schule oder Studium intensiv mit der Grammatik ihrer Erstsprache auseinandergesetzt haben.

6.5 Denken und Gedächtnis: Strukturierung von Repräsentationen

Ein Beispiel für einen solchen Gedächtnisinhalt im auditiven System sind die sogenannten Ohrwürmer, also eingängige Musikstücke, an die man sich unwillentlich erinnert und die sich ohne bewusstes Zutun immer wieder abspulen. Diese sind im auditiven Gedächtnis gespeichert. Beim unwillentlichen Abruf drängen sie sich in das Arbeitsgedächtnis und zwar besonders dann, wenn das Arbeitsgedächtnis nicht ausgelastet ist, etwa bei Routinearbeiten oder Spaziergängen. Eine stärkere Beschäftigung des Arbeitsgedächtnisses z.B. durch ein Rätsel oder das Lesen eines interessanten Textes vertreibt die unerwünschte Musik im Kopf.

6.6.1 Sensorische Aufnahme und Mustererkennung als Basis der Enkodierung

So nehmen wir etwa die Laute einer völlig fremden Sprache wahr und erkennen aufgrund unserer Vorerfahrung, dass es sich wohl um Sprache handelt. Die Bedeutung der Wörter können wir aber nicht entschlüsseln.

6.6.2 Einfluss von Weiterverarbeitung und Vertiefung enkodierter Information auf die Gedächtnisbildung

Das hängt damit zusammen, dass sich (bei Rechtshändern) die Sprachzentren in der linken Hirnhälfte befinden. Entsprechend kann die Zuordnung bei Linkshändern umgekehrt sein.

Den Verfasserinnen ist keine Didaktik bekannt, in der sich nicht, explizit oder umschreibend, die Forderung fände, das Vorwissen der Lernenden zu berücksichtigen und als Anknüpfung zu nutzen. In der o.g. Physikdidaktik von Kircher et al. können gleich mehrere Fundstellen aufgeführt werden, von denen im Folgenden einige als beispielhafte Belege für die Präsenz und Ausrichtung dieser Forderung in Didaktiken genannt werden: Neues sei in einer „auf das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler bezogenen Weise ein[zu]führen“ (ebd.: 139, kursiv im Original), Vorwissen sei zu aktivieren und zu berücksichtigen (vgl. ebd.: 154, 172), es müsse daran angeknüpft werden (ebd.: 176) und außerdem gelte es, die Kluft zwischen Vorwissen und Neuem zu überbrücken (ebd.: 179180). Dieser letztgenannten Forderung fügen die Autoren der Physikdidaktik einen methodischen Hinweis auf Advance Organizers hinzu.

6.7.1 Stärkung neuronaler Gedächtnisspuren als Basis der Langzeitspeicherung

Die Basalganglien sind Strukturen, die „tief im Innern des Großhirns“ liegen, sich aber „keiner Großhirnrinde zuordnen lassen“ (ebd.). Wesentliche Bestandteile sind Putamen, Pallidum, Nucleus caudatus sowie eine „kleine Region des Striatum“ (Beck et al. 2016: 51, ergänzende Anm.: Nucleus caudatus + Putamen = Striatum), die aufgrund ihrer einzigartigen schwarzen Einfärbung als Substantia nigra bezeichnet wird. Wenn die dort verorteten, schwarz eingefärbten Nervenzellen absterben, führt dies zu einer Parkinson-Erkrankung (vgl. ebd.).

Die hier aufgeführten, von dem Psychiater Lars Christopher Gillberg aufgestellten fünf Diagnosekriterien, die durch das Kernsymptom der sozialen Beeinträchtigung ergänzt werden – Letztere liegt in allen Fällen von Asperger vor –, werden von vielen Fachleuten als das Mittel der Wahl betrachtet. Vier der fünf Kriterien müssen zutreffen. Eine Diagnose kann übrigens bereits bei Kindern im Vorschulalter „mit einiger Sicherheit“ (Attwood 2012: 69) gestellt werden.

Das seit 2013 eingesetzte Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders V, kurz DSM-V, führt das Asperger-Syndrom nicht mehr als Einzelstörung auf, sondern subsummiert es unter Autismus-Spektrum-Störungen. Zahlreiche Artikel, darunter auch aktuelle wie der o.g., beziehen sich aus diesem Grund weiterhin auf das DSM-IV statt auf die aktuelle Ausgabe.

Für einen konkreten Vorschlag, um das Asperger-Syndrom im Unterricht aufzugreifen und die Lernenden zu informieren, vgl. die von Sambanis (2017) vorgelegte Mini-Saga (Geschichte, die in nur 50 Wörtern erzählt wird) „All about trains“.

Da viele Eltern ohnehin in Nachhilfeunterricht investieren, soll an dieser Stelle die Überlegung angestoßen werden, ob es nicht bei Kindern mit Asperger-Syndrom eine gute und sinnvolle Investition sein könnte, z.B. einen netten Studierenden ausfindig zu machen, um dem Kind eine regelmäßige Quality Time im oben beschriebenen Sinn auch jenseits der Schule zu ermöglichen. Ein Vorteil bestünde darin, dass das Kind mit einer Person, die nicht zur Familie gehört, zu interagieren hätte, während die Bezugspersonen (Eltern, Geschwister usw.) diese Zeit für sich, jenseits des RIs nutzen könnten.

Legt man großen Wert auf den Wiederholungseffekt, ist es sinnvoll, die Schülerinnen und Schüler Tabellen anlegen zu lassen, in denen die Inhalte übersichtlich den verschiedenen Materialien/Darstellungsformen zugeordnet sind und die Inhalte dabei mehrfach schreiben zu lassen, wenn sie in mehreren Materialien vorkommen.

6.7.2 Lernen im Schlaf

Getestet wurden Bettzeiten von 5, 6, 7, 8 und 9 Stunden.

Hohe Anteile blauen Lichts überwiegen bei Tageslicht in den Morgenstunden. Auf die Spektralzusammensetzung des natürlichen Morgenlichts reagiert der Körper, indem er den Hormonstatus so reguliert, dass der Mensch wach und leistungsfähig wird. Ähnliches Kunstlicht hat entsprechende Effekte und verhindert so das Einschlafen. Gegen Abend überwiegen Rotanteile im Tageslicht und der Körper bereitet sich entsprechend auf die nächtliche Ruhephase vor.

6.8 Abruf, Erinnern und Vergessen

Eine der Studien hierzu stammt von Marcus et al. (1999). Sie wird im Kontext der Frage, wie wir Regeln lernen, von Spitzer (2001) kompakt referiert. Für ein ähnliches Experiment vgl. Friederici (2011).

Vgl. hierzu Wahl (2006).

Das Zitat geht zurück auf Gnutzmann (2016: 78).

Hattie 2009: 186. Die ermittelte Effektstärke stützt sich auf eine überschaubare Anzahl an Metaanalysen, nämlich zwei, in denen jedoch immerhin 63 Studien berücksichtigt wurden (vgl. ebd.: 162).

Vgl. Pulvermüller 2016: 79.

Es handelt sich um die in der Didaktik des Englischen an der FU Berlin betreute Arbeit von Thiele (2016).

Zu Aktionsforschung als Werkzeug der Qualitätssicherung und -entwicklung vgl. die Infobox in Kap. 3.

Prolog

Über das Gehirn gibt es zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen, außerdem auch weniger um Wissenschaftlichkeit bemühte Publikationen, die aber zumindest in der Öffentlichkeit oftmals größere Beachtung finden als die eigentliche „wissenschaftliche Kost“. Das ist einerseits irgendwie verständlich, andererseits kann es mitunter auf Irrwege führen. Nicht alles, was sich leicht lesen lässt und interessant daherkommt, was vom Gehirn, unserer Steuer- und Lernzentrale, berichtet, die all das repräsentiert, was wir tun, denken und erleben, trifft auch zu. Umgekehrt muss allerdings auch eingeräumt werden, dass vieles von dem, was die Forschung an Wissen hervorbringt, gar nicht nach außen kommt und somit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Disziplinen sowie Praktikerinnen und Praktikern nicht bzw. nicht immer auf geeignete Weise zugänglich gemacht wird.

Mit Didaktik und Neurowissenschaften möchten wir Ihnen von Befunden berichten, die im Kontext des Themas Lernen (einschließlich der Gestaltung von Lehr- und LernprozessenLernprozesseNeurodidaktikNeurodidaktik1