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Stifterinnen und Stifter in
Deutschland

Förderer:

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Für ihren Beitrag zur vorliegenden Studie geht ein besonderer Dank an die Stifterinnen und Stifter, die sich an den persönlichen Interviews und der schriftlichen Befragung beteiligt haben sowie an die Stiftungsverwaltungen, die unsere Umfrage weitergeleitet haben. Einen herzlichen Dank außerdem an die Autoren, das Projektteam und die Mitglieder des Projektbeirats, die mit ihrem Expertenwissen wesentlich zur Qualität dieser Studie beigetragen haben. Schlussendlich geht ein herzlicher Dank an die Förderpartner der Studie: die Klaus Tschira Stiftung und den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

Stifterstudie 2015

Stifterinnen und Stifter in Deutschland

Engagement – Motive – Ansichten

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Herausgegeben vom Bundesverband Deutscher Stiftungen

V.i.S.d.P.:
Prof. Dr. Hans Fleisch, Generalsekretär,
Bundesverband Deutscher Stiftungen

Verlag:
Bundesverband Deutscher Stiftungen
Haus Deutscher Stiftungen
Mauerstraße 93 | 10117 Berlin
Telefon (030) 89 79 47-0 | Fax -11
www.stiftungen.org/verlag
post@stiftungen.org

Autoren:
Nina Leseberg und
Dr. Karsten Timmer (Kapitel 4 und 6)

© Bundesverband Deutscher Stiftungen,
Berlin 2015

1. Auflage: 2.300 Exemplare

ISBN 978-3-941368-77-4 (gedrucktes Buch)
ISBN 978-3-941368-78-1 (EPUB)

Redaktion:
Nina Leseberg und Theresa Ratajszczak (Projektteam);
Dr. Antje Bischoff, Cornelia Feist, Judith Engelke, Dr. Verena Staats, Anke Pätsch

Projektbeirat:
Dr. Antje Bischoff, Prof. Dr. Hans Fleisch,
Dr. Holger Krimmer, Erich Steinsdörfer,
Dr. Stefan Stolte, Dr. Karsten Timmer

Lektorat und Korrektorat:
Heike Herrberg

Gestaltung und Satz:
Matthias Fischer, www.formatplus.net

Druck: Oktoberdruck, Berlin
Dieses Buch wurde klimaneutral gedruckt. Der produktionsbedingte CO2-Ausstoß wurde kompensiert.

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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir teilweise auf eine gendergerechte Schreibweise. Die Bezeichnung von Personengruppen bezieht alle Geschlechter ein.

Inhalt

Grußwort

Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie

1. Einleitung

2. Stifterinnen und Stifter in Deutschland – Profile

2.1Soziodemografische Merkmale von Stiftenden

2.2Biografien: Engagementerfahrungen der Stiftenden

2.3Wertvorstellungen: Stifter sind tatkräftige Idealisten

3. Motive für das Stiften

3.1Motive der Stiftenden

3.2Gründe für die Wahl der Rechtsform

3.3Anlass der Stiftungsgründung

4. Stiftungsgründung

4.1Die Idee zur Stiftung entsteht

4.2Der Rahmen der Stiftung wird abgesteckt

4.3Die Stiftungsgründung wird umgesetzt

5. Ausgestaltung der Stiftung

5.1Stiftungsgremien

5.2Stiftungskapital

5.3Stiftungszwecke und ihre Verwirklichung

5.4Grundsätze der Stiftungspraxis

5.5Goldrand oder Grundgerüst? Die Rolle der Stiftung aus Sicht der Stifter

6. Stiften Treuhandstifter anders?

6.1Treuhänderische und rechtsfähige Stiftungen im Vergleich

6.2Warum wählen Stifter die Rechtsform der Treuhandstiftung?

6.3Das Zusammenwirken von Stiftungstreuhänder, Treuhandstiftung und Stifter

7. Engagement und Einfluss der Stiftenden

7.1Erwartungen an das Engagement in der Stiftung

7.2Zufriedene Stifter

8. Stiften im Spiegel der Öffentlichkeit

8.1Öffentliche Kritik in der Wahrnehmung der Stiftenden

8.2Über Geld spricht man nicht – und über Stiftungen?

9. Blick nach vorn: Potenziale des Stiftens

9.1Die Zukunft bestehender Stiftungen

9.2Die Stifterinnen und Stifter der Zukunft

9.3Potenziale entfalten

10. Fazit

Endnoten

Literatur

Anhang

Interviewte Stifterinnen und Stifter

Methodik

Daten zu statistischen Auswertungen

Grußwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

was bewegt Menschen, eine eigene Stiftung zu gründen? Welche Gedanken motivieren sie? Welche Sorgen treiben sie um? Diese Fragen interessieren nicht nur Kenner der Stiftungsszene, sondern auch die Allgemeinheit. Die Klaus Tschira Stiftung hat deshalb von 2007 bis 2011 gemeinsam mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen die Reihe „Stiftergespräch“ in Heidelberg durchgeführt. In kleiner Runde konnten Journalisten mit Stifterinnen und Stiftern ins Gespräch kommen, so auch mit Klaus Tschira. Der Physiker und SAP-Mitgründer hatte 1995 aus privaten Mitteln die Klaus Tschira Stiftung gegründet und war bis zu seinem Tod im März 2015 als ihr Geschäftsführer tätig. Dabei wurden unter anderem die Zukunftschancen von Stiftungen diskutiert sowie deren gesellschaftliche Verantwortung. Die Stifter gewährten den Journalisten – und damit auch der Öffentlichkeit – Einblicke in ihre Stifterseelen.

Die Klaus Tschira Stiftung hat nun ihr Engagement zur Bekanntmachung der Beweggründe von Stiftern wieder aufgenommen – in größerem Rahmen: Sie unterstützt maßgeblich die Studie „Stifterinnen und Stifter in Deutschland“ des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

Denn obwohl sich die Zahl der Stiftungen in Deutschland in den vergangenen Jahren fast verdoppelt hat, gibt es nur wenige Forschungsarbeiten zu stifterischem Engagement. Dies wollen die Initiatoren mit der Stifterstudie ändern – einerseits, um mehr Wissen über Stifter zusammenzutragen und dieses offenzulegen, und andererseits, um aus diesem Wissen Erkenntnisse für die Zukunft zu gewinnen, die es Stifterinnen und Stiftern künftig erleichtern sollen, etwas zu bewegen.

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Beate Spiegel
Geschäftsführerin der
Klaus Tschira Stiftung

Die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studie

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Stifterinnen und Stifter stiften aus Verantwortungsbewusstsein und wollen der Gesellschaft etwas zurückgeben. Ein weiteres wichtiges Motiv ist das Bedürfnis, etwas zu bewegen. Selbstbezogene Motive spielen eine untergeordnete Rolle.

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Stifterinnen und Stifter finden die Rechtsform einer Stiftung attraktiv, weil das gestiftete Vermögen gemeinnützigen Zwecken dauerhaft zugutekommt. Viele möchten etwas Bleibendes schaffen, das über ihr eigenes Leben hinausreicht.

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90 Prozent der Stifterinnen und Stifter stiften zu Lebzeiten. Sie sind zu 95 Prozent über 45 Jahre alt, oft männlich, hoch gebildet und vermögend.

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Die meisten von Privatpersonen errichteten Stiftungen verfügen über ein geringes Stiftungskapital. Trotzdem ist nur ein Drittel dieser Stiftungen auf Zuwendungen zum laufenden Betrieb angewiesen. Meist übernehmen die Stiftenden diese selbst.

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Das Stiftungsvermögen bestehender Stiftungen wird künftig deutlich steigen: Rund 70 Prozent der Stifterinnen und Stifter wollen das Stiftungsvermögen später aus eigenen Mitteln erhöhen.

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Die Stifter von Treuhandstiftungen mit einem Kapital über 50.000 Euro unterscheiden sich kaum von denen rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts. Sie wählen die Rechtsform der Treuhandstiftung vor allem, weil sie damit von Verwaltungsaufgaben entlastet werden und der Treuhänder fachliche Expertise einbringt.

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Die eigenen Entscheidungs- und Einflussmöglichkeiten sind Stiftenden sehr wichtig. 95 Prozent der Befragten engagieren sich in ihrer Stiftung; oftmals sitzen sie im steuernden Gremium.

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Das private Umfeld spielt für die Stiftung eine wichtige Rolle: Fast 40 Prozent der Befragten stiften gemeinsam mit dem Partner oder den Kindern; etwa ebenso viele werden bei der Stiftungsgründung stark vom privaten Umfeld unterstützt. Familie und Freunde sind zudem in knapp 80 Prozent der Fälle in den Gremien vertreten und gestalten die Stiftung aktiv mit.

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Rund 90 Prozent der Stifterinnen und Stifter lassen sich bei der Gründung fachlich beraten und zwei Drittel binden externes Fachwissen in die Gremien ein.

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Die Bevölkerung ist Stifterinnen und Stiftern gegenüber mehrheitlich positiv eingestellt. Dennoch nehmen die Befragten relativ oft auch Kritik an ihrem Engagement wahr.

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Die Zukunft ihrer Stiftung sehen die Stifterinnen und Stifter positiv. Insgesamt sind sie mit ihrer Stiftung sehr zufrieden.

1. EINLEITUNG

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1. Einleitung

Deutschlands umfangreichste Fotosammlung, die Notrufsäulen auf der Autobahn, eine Flüchtlingsambulanz für traumatisierte Kinder und Jugendliche, die Förderung urbaner Gemeinschaftsgärten: Hinter diesen und zahllosen weiteren Aktivitäten für das Gemeinwohl stehen Stiftungen und Menschen, die diese Stiftungen ins Leben gerufen haben.

So verschieden wie diese Projekte sind die Menschen, die sie gestiftet haben: der Fotograf Franz Christian Gundlach, das Ehepaar Ute und Siegfried Steiger, die Sportlerin Steffi Graf, der Vorwerk-Erbe Jens Mittelsten-Scheid. Auch diese Studie wurde durch einen Stifter persönlich auf den Weg gebracht: Klaus Tschira, der 2015 viel zu früh verstorbene Mitbegründer der SAP AG. Stiftungen gibt es schon sehr lange und fast überall: Menschen stifteten in der Antike, im Mittelalter, in der Frühen Neuzeit und in der Moderne, im Orient und im Okzident (Borgolte 2012: 46f.). Gemeinsam ist ihnen der Gedanke, ein bestimmtes Vermögen für eine lange Zeit und oft über das eigene Leben hinaus einem festgelegten Zweck zukommen zu lassen.

In den vergangenen Jahren hat zwar die Debatte über bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft an Fahrt aufgenommen und auch Stiftungen sind inzwischen Thema einer ganzen Reihe von Forschungsarbeiten und Publikationen. Doch nur sehr wenige Untersuchungen widmen sich den Stiftenden selbst (z.B. Adloff 2010, Bloemer 2010). Dabei sind es letztlich die Stifterinnen und Stifter, die diesen Sektor mit der Stiftungsgründung und ihrem Engagement in der Stiftung wesentlich prägen.

Die letzte umfassende Studie über Stifterinnen und Stifter in Deutschland ist über zehn Jahre alt (Timmer 2005). Seitdem hat sich das Stiftungswesen stark verändert. Im Jahr 2004 gab es hierzulande 12.670 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, Ende 2014 waren es 20.784 – knapp 40 Prozent der bestehenden Stiftungen wurden also in diesem Zeitraum gegründet. Gut zwei Drittel davon haben Privatpersonen errichtet (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2014b: 86).1

Die vorliegende Studie (im Folgenden: Stifterstudie 2015) schließt an die Studie „Stiften in Deutschland“ der Bertelsmann Stiftung in Kooperation mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen an (im Folgenden: Stifterstudie 2005). Sie basiert auf vier Erhebungsmethoden:

»15 Stifterinnen und Stifter wurden persönlich interviewt und

»676 Stifterinnen und Stifter beteiligten sich an einer schriftlichen Umfrage.

»Zudem wurden Daten aus der Datenbank Deutscher Stiftungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen neu ausgewertet und

»eine repräsentative Bevölkerungsumfrage wurde durchgeführt.

Genaue Angaben zur Methodik der Untersuchung stehen im Anhang auf Seite 225ff. Im Anhang findet sich zudem eine anonymisierte Liste zu den befragten Personen und ihren Stiftungen mit Informationen wie Alter, Geschlecht oder Stiftungszweck. Die interviewten Stifterinnen und Stifter wurden mit Buchstaben versehen, damit die Leserinnen und Leser die jeweiligen Aussagen besser zuordnen können. Um die Anonymität der Interviewten zu wahren, wurde bei Zitaten, die Rückschlüsse auf die Person ermöglichen, auf diese Zuordnung verzichtet.

Wer sind diese Menschen, die freiwillig ihr Privatvermögen für einen guten Zweck verschenken? Warum stiften sie? Was treibt sie an? Fast 700 Stifterinnen und Stifter haben sich an der Umfrage für die vorliegende Studie beteiligt und Antworten auf diese Fragen gegeben. Das sind 700 Persönlichkeiten und 700 Geschichten, die zeigen: Stifter2 bringen weit mehr als Geld in die Stiftung ein. Sie gründen eine eigenständige Organisation und in den Jahren und Jahrzehnten nach der Gründung ist es meist das persönliche Engagement der Stiftenden, das diese Organisation wesentlich prägt. Denn heute werden 90 Prozent der Stiftungen zu Lebzeiten ihrer Stifterinnen und Stifter errichtet.3

Für das Engagement einer Stifterin oder eines Stifters sind relativ viele Voraussetzungen notwendig: Stiftende brauchen erstens eine Idee und zweitens ein gewisses Vermögen, das sie in die Stiftung einbringen. Rechtsfähige Stiftungen werden erst ab einem Kapital von 50.000 Euro bis eine Million Euro von den Landesstiftungsaufsichten anerkannt. Drittens müssen die Stiftenden über Zeit und Know-how verfügen, um die Stiftung zu gründen und sich später darin zu engagieren. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass Stifterinnen und Stifter sich hinsichtlich einiger Merkmale sehr ähneln. Die vorliegende Studie zeigt, dass sie größtenteils vermögend sind, einen sehr hohen Bildungsgrad haben und sich kurz vor dem oder im Ruhestand befinden.

Fast alle Stifterinnen und Stifter engagieren sich in ihren Stiftungen, und die Möglichkeit, persönlich Einfluss zu nehmen, ist ihnen überaus wichtig. Wie sie diesen Anspruch umsetzen und was ihnen bei der Stiftungsarbeit wichtig ist, wird im Folgenden untersucht.

Ferner zeigt die Studie, wie Privatpersonen ihre Stiftungen ausgestalten, und gibt Antworten auf diese Fragen: Welche Zwecke wählen die Stifterinnen und Stifter? Mit welchem Vermögen statten sie die Stiftungen aus? Wie besetzen sie die Gremien? Erstmals werden hier auch Treuhandstiftungen in den Blick genommen. Ein gesondertes Kapitel gibt Auskunft zu den Stifterinnen und Stiftern von Treuhandstiftungen (vgl. Kapitel 6).

Nicht zuletzt beschreibt die Studie die Gruppe der Stifterinnen und Stifter um zu eruieren, welche Personen besonders stiftungsaffin sind und wie diese für das Stiften gewonnen werden können.

Wer wurde befragt?

Stifterinnen und Stifter, die

»seit 2004

»allein oder zu zweit

»eine Stiftung mit mindestens 50.000 Euro Stiftungsvermögen ausgestattet haben.

Diese Studie bezieht sich ausschließlich auf das Engagement von Privatpersonen, die ein privates Vermögen von mindestens 50.000 Euro in die Stiftung eingebracht haben. Neben privaten Personen gibt es verschiedene Organisation wie Vereine, kirchliche oder staatliche Einrichtungen sowie Unternehmen, die stiften. Nicht selten sind auch in diesen Fällen Privatpersonen an der Stiftungsgründung beteiligt. Denn oft gründen Organisationen – meist sind es Vereine – zwar die Stiftungen, aber das Stiftungsvermögen wird von Privatpersonen eingebracht. Die Stifter von Gemeinschaftsstiftungen (Stiftungen, die von einer Personengruppe gegründet werden) sind ebenfalls nicht Gegenstand dieser Untersuchung, denn sie unterscheiden sich hinsichtlich der Höhe des gestifteten Vermögens und ihres Einflusses auf die Stiftung meist deutlich von denjenigen, die allein bzw. mit dem Partner oder der Partnerin gestiftet haben. Zudem sind nicht alle Stifter von Gemeinschaftsstiftungen auch an der Gründung der Stiftung beteiligt.

Definition: Stiftungen

Der Begriff der Stiftung umfasst eine ganze Reihe unterschiedlicher Organisationsformen, denen gemeinsam ist, dass ein Vermögen auf Dauer für einen festgelegten Zweck genutzt werden soll. Typischerweise ist die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts gemeint. Weitere Rechtsformen sind die nicht rechtsfähige Stiftung (s.u.), die gemeinnützige Stiftungs-GmbH, die gemeinnützige Stiftungs-Aktiengesellschaft, die öffentlich-rechtliche Stiftung, die Stiftung & Co. KG sowie der Stiftungsverein.

Rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts

Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts ist gekennzeichnet durch eine Vermögensmasse, die einem bestimmten Zweck auf Dauer gewidmet ist. Das Grundstockvermögen der Stiftung muss in der Regel dauerhaft erhalten bleiben. Zur Zweckerfüllung stehen daher nur die Erträge aus dem Stiftungsvermögen sowie sonstige Zuwendungen (z.B. Spenden) zur Verfügung. Den Zweck der Stiftung bestimmt der bzw. die Stiftende bei Stiftungsgründung. Er ist fortan festgeschrieben und kann nur schwer geändert werden. 95 Prozent der Stiftungen verfolgen gemeinnützige Zwecke.

Die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts untersteht der staatlichen Stiftungsaufsicht, die in den Landesgesetzen geregelt ist, und wird von den Finanzbehörden kontrolliert. Ihre materiellen Entstehungsvoraussetzungen finden sich in den §§ 80ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches.

Nicht rechtsfähige Stiftung / Treuhandstiftung

Eine Treuhandstiftung, die auch als unselbstständige, nicht rechtsfähige oder fiduziarische Stiftung bezeichnet wird, entsteht durch einen Vertrag zwischen Stifter und Treuhänder (Träger). Der oder die Stiftende überträgt das Stiftungsvermögen dem Treuhänder, der es getrennt von seinem eigenen Vermögen gemäß den Satzungsbestimmungen der Stiftung verwaltet. Anders als eine rechtsfähige Stiftung verfügt eine Treuhandstiftung nicht über eine eigene Rechtspersönlichkeit und wird nicht von der Stiftungsaufsicht, wohl aber von den Finanzbehörden kontrolliert. Sie kann, obwohl nicht rechtsfähig, eigenständiges Steuersubjekt sein und damit regelmäßig eine „eigene Gemeinnützigkeit“ haben.

2. STIFTERINNEN UND STIFTER IN DEUTSCHLAND – PROFILE

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2. Stifterinnen und Stifter in Deutschland – Profile

Wie lassen sich die Stifterinnen und Stifter beschreiben? Was haben sie gemeinsam? Die erhobenen Daten zeichnen folgendes vereinfachtes Bild: Der typische Stifter wäre ein Mann, pensioniert, sehr gebildet und vermögend. Schon in seiner Jugend hätte er sich freiwillig engagiert. Außerdem wäre er beruflich sehr erfolgreich, wahrscheinlich ein Unternehmer. Er würde sein Vermögen sinnvoll verwenden wollen – verschwenderischer Umgang mit Geld läge ihm nicht. Da er keine Kinder hätte, würden ihm Erben für sein Vermögen fehlen. Es wäre ihm wichtig, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich für andere Menschen einzusetzen. Er wäre ein kritischer Geist, aber einer, der daraus Konsequenzen zieht und versucht, gesellschaftliche Veränderungen zu erwirken. Der typische Stifter wäre ein „Macher“, der etwas bewegen will und dafür auch die notwendigen Fähigkeiten und Ressourcen hat.

Den typischen Stifter gibt es in der Realität natürlich nicht. Wie alle Menschen entziehen sich auch Stifterinnen und Stifter jeglichen Stereotypen. Die 15 interviewten Stiftenden (darunter drei Paare) entsprechen dem oben beschriebenen Typ zwar in vielerlei Hinsicht – aber eben nicht in allen Punkten. Die interviewte Stifterin J verfügt zum Beispiel über ein gutes Einkommen – sie ist jedoch nicht hoch vermögend. Sie ist mittleren Alters und berufstätig in leitender Position. Die Stiftung hat sie errichtet, weil ein Angehöriger an einer seltenen Erkrankung leidet und es kaum Strukturen gibt, um ihm und anderen Betroffenen zu helfen. Schon zuvor hat sie sich sehr stark engagiert – mit der Stiftungsgründung schafft sie professionellere Strukturen für ihr Engagement.

Den typischen Stifter gibt es nicht.

Stifterin I passt ebenfalls nicht ganz ins Raster: Sie hat zwei Kinder, aber sie möchte auch andere an ihrem geerbten Vermögen teilhaben lassen, weil sie es ungerecht findet, dass Vermögen in Deutschland so ungleich verteilt ist. Ihr ganzes Leben war sie berufstätig, ihr ist es wichtig, auch selbst etwas zu leisten. Stifter C ist ein Freigeist, er interessierte sich schon früh für Kunst und Kultur und arbeitet auch in diesem Bereich. Er ist ein Mann der offenen Worte, der manchmal aneckt und – so scheint es den Interviewern – Wert darauf legt, unkonventionell zu sein. In seinem Umfeld ist er bekannt dafür, anderen zu helfen, vor allem ist es ihm wichtig, dass möglichst viele Menschen einen Zugang zu Kultur erhalten. Da er keine Erben hat, dafür aber zwei Projekte, deren Fortbestand er sichern möchte, hat er eine Stiftung errichtet.

2.1 Soziodemografische Merkmale von Stiftenden

Aus der Engagementforschung wissen wir, dass verschiedene Faktoren Einfluss darauf haben, ob Menschen sich engagieren. Personen mit einer höheren Bildung, die sozial stärker integriert sind und gute berufliche sowie finanzielle Voraussetzungen haben, sind eher bereit als andere, sich freiwillig zu engagieren (vgl. Gensicke und Geiss 2010). Auf Stifterinnen und Stifter treffen diese Eigenschaften zumeist zu, wie die folgenden Ausführungen zeigen. Um die Gruppe der Stiftenden zu umschreiben, werden in diesem Kapitel soziodemografische Merkmale herangezogen, die vergleichsweise gut erfassbar sind: das Alter, das Geschlecht, der Familienstand, das Vermögen, die Ausbildung und der Beruf. Zudem werden die Wertvorstellungen der Stiftenden sowie ihre Engagementerfahrungen skizziert.

Alter: Stiften als Teil der dritten Lebensphase

Die meisten Stifterinnen und Stifter gründen ihre Stiftung in der sogenannten dritten Lebensphase – also kurz vor dem oder im Ruhestand. Jeder zweite Stifter ist bei Stiftungsgründung bereits im Rentenalter.4 Unter 45 Jahre sind nur 5,3 Prozent der Befragten. Immerhin 8 Prozent haben ihre Stiftung erst im Alter von über 80 Jahren errichtet.

ABBILDUNG 1

Alter der Stifterinnen und Stifter zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung

(in Prozent)

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n = 543 Stifter rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts

Das hohe Alter von Stiftungsgründern kann damit erklärt werden, dass jüngere Menschen im Schnitt über geringere Vermögen verfügen. In der Altersgruppe von 55 bis 64 Jahren sind die Vermögen am höchsten, danach sinken sie auf hohem Niveau etwas ab (Frick und Grabka 2007: 671). Zudem können jüngere Menschen vielleicht nicht gleichermaßen absehen, ob sie das eigene Vermögen später noch benötigen werden.

Rund 80 Prozent der Stifter sind bei der Stiftungsgründung 55 Jahre und älter.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das Alter, in dem Stiftende eine Stiftung gründen, nach hinten verschoben. Je später die Stiftung gegründet wurde (also je jünger diese ist), desto älter sind die Stifter5: So waren bei der Stifterstudie 2005 zum Beispiel noch 12,4 Prozent der Befragten unter 45 Jahre alt. Das höhere Alter der Stifterinnen und Stifter könnte unter anderem auch damit zusammenhängen, dass die Lebenserwartung insgesamt gestiegen ist. Zudem sind ältere Menschen heute im Schnitt länger gesund und aktiv (vgl. Institut für Demoskopie Allensbach 2013a).

Geschlecht: Männer stiften häufiger als Frauen

Es sind zwar immer öfter Frauen an Stiftungserrichtungen beteiligt, insgesamt wird aber weiterhin der Großteil der Stiftungen von Männern gegründet. Männer waren an drei Vierteln der Stiftungsgründungen seit den 1950er-Jahren beteiligt: Bei knapp der Hälfte der Stiftungen stiftete ein Mann allein oder mit einem anderen Mann, bei weiteren gut 30 Prozent stifteten Männer gemeinsam mit einer Frau.

ABBILDUNG 2

Nur knapp ein Viertel der Stiftungen wurde allein von Frauen errichtet

(in Prozent)

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n = 6.693 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, die von maximal zwei natürlichen Personen errichtet wurden (Errichtungsdatum zwischen 1951 und 2014).
Quelle: Datenbank Deutscher Stiftungen, eigene Auswertung

ABBILDUNG 3

Frauen beteiligen sich immer öfter an Stiftungsgründungen

Geschlecht der Stiftenden von 1950 bis heute (in Prozent)

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n = 6.693 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, die von maximal zwei natürlichen Personen errichtet wurden. n = 103 (1951 – 1960) bis 3.083 (2001 – 2010)
Quelle: Datenbank Deutscher Stiftungen, eigene Auswertung

Seit den 1950er-Jahren sind Frauen an 56 Prozent der Stiftungsgründungen beteiligt gewesen. Sie stiften aber selten allein: Nur 24 Prozent der rechtsfähigen Stiftungen privater Personen wurden von einer oder mehreren Frauen errichtet.

Eine Untersuchung von Adam deutet darauf hin, dass schon zur Blütezeit des Stiftungswesens im 19. Jahrhundert etwa ein Drittel der Stiftenden Frauen gewesen sind (Adam 2012: 15). Trotz der zunehmenden Gleichberechtigung von Frauen und Männern seit der Frauenbewegung der 1960er- und 1970er-Jahre ist der Anteil der Stifterinnen in den vergangenen Jahrzehnten nur wenig gestiegen. Da sich aber der Anteil der Paare, die gemeinsam eine Stiftung ins Leben rufen, erhöht hat, sind heute insgesamt deutlich mehr Frauen an Stiftungsgründungen beteiligt. Vor allem Ehepaare stiften heutzutage oft zusammen – offenbar wird über die Verwendung des Familienvermögens nun stärker gemeinsam entschieden.

Bei den klassischen Ehrenämtern (ein Amt in Vereinen, Verbänden usw.) ist der Frauenanteil seit den 1950er-Jahren dagegen deutlich gestiegen.6 1954 wurde erstmals erhoben, wie viele Menschen ein Ehrenamt innehatten. Damals waren es 14 Prozent der Männer und nur 2 Prozent der Frauen. 2012 zeigte eine methodologisch vergleichbare Untersuchung, dass inzwischen 15 Prozent der Frauen und 20 Prozent der Männer ein Ehrenamt ausübten (Haumann 2014: 7).

Andere Studien zum freiwilligen Engagement wie der Freiwilligensurvey ermöglichen zwar keinen Langzeitvergleich, zeigen aber ebenfalls, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen hier relativ gering ist: Männer engagieren sich nur ein wenig häufiger als Frauen (40 Prozent gegenüber 32 Prozent; Gensicke und Geiss 2010: 19). Beim Spenden deuten verschiedene Untersuchungen darauf hin, dass Frauen mindestens genauso oft spenden wie Männer. Allerdings geben sie im Schnitt geringere Summen: Spenden über 1.000 Euro kommen nur zu 35 Prozent von Frauen (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen 2010: 47).7

Stiftungen sind stets mit hohen Geldsummen verbunden. Um ein Stiftungskapital von 50.000 Euro und mehr aufzubringen, bedarf es eines relativ hohen Vermögens. Eine Erklärung für das ungleiche Geschlechterverhältnis beim Stiften ist daher die meist schlechtere finanzielle Situation von Frauen. Sie verfügen über deutlich weniger Vermögen als Männer. Im vergangenen Jahrzehnt ist der Abstand zwischen den Geschlechtern sogar noch größer geworden (Frick et al. 2010: 2). Männer besitzen vor allem auch mehr Betriebsvermögen als Frauen (ebd.), und gerade Unternehmer stiften besonders häufig (siehe S. 25ff.).

Stiften Frauen anders?

Wenn Frauen stiften, stiften sie kaum anders als Männer. Weder bei den Motiven noch bei der Ausgestaltung der Stiftung gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern. In zwei Punkten unterscheiden sich die Stifterinnen jedoch von den Stiftern:

Stifterinnen haben im Schnitt ein etwas geringeres Kapitalvermögen als Stifter und dieses Vermögen kommt etwas häufiger aus einer Erbschaft als aus beruflicher Tätigkeit. Stifterinnen nennen daher auch seltener das Ende ihrer Berufstätigkeit als Anlass ihrer Stiftungsgründung (Stifterinnen 9,2 Prozent, Stifter 20,9 Prozent). Auf die Kapitalausstattung ihrer Stiftungen scheint das geringere Vermögen der Stifterinnen allerdings keinen Einfluss zu haben.

Stifterinnen haben öfter als Stifter keine Kinder (68,3 gegenüber 42,5 Prozent).8 Entsprechend sind ihre Anlässe für die Stiftungsgründung etwas andere: Besonders oft geben Stifterinnen an, keine geeigneten Erben zu haben (36,2 gegenüber 25 Prozent) und den eigenen Nachlass ordnen zu wollen (39,3 gegenüber 26,7 Prozent).9

Die zunehmende Gleichberechtigung von Männern und Frauen macht sich in der Alterskohorte der Stiftenden also offenbar noch nicht deutlich bemerkbar. Es ist zwar zu vermuten, dass der Anteil stiftender Frauen künftig stärker steigen wird; der Blick auf die vergangenen fünf Jahre bestätigt diese These jedoch noch nicht – hier ist der Anteil der Stifterinnen sogar etwas zurückgegangen.

Familienstand: Stiftende haben häufig keine Kinder

Knapp die Hälfte der Stifterinnen und Stifter hat keine Kinder (49 Prozent). Mit der Stiftungsgründung schaffen sie daher auch eine Erbin für das eigene Vermögen. Die Stifterinnen haben besonders selten Nachwuchs: Fast 70 Prozent geben an, keine Kinder zu haben. Das sind deutlich mehr als in der Gesamtbevölkerung: Hier sind 25 Prozent der Frauen und 35 Prozent der Männer ab 20 Jahren kinderlos (Wippermann 2014: 21). In den vergangenen 20 Jahren ist der Anteil kinderloser Stifterinnen und Stifter gestiegen; bei der Stifterstudie 2005 gaben noch 59,4 Prozent der Befragten an, Kinder zu haben.10 Das entspricht der Entwicklung in der Bevölkerung.

Gut 70 Prozent der Stifterinnen und Stifter sind verheiratet oder leben in fester Partnerschaft.11 Die Partner bzw. Partnerinnen spielen bei der Stiftungsgründung eine wichtige Rolle – schließlich ist es oft auch ihr Vermögen, das in die Stiftung eingebracht wird. Entsprechend stiften viele Paare gemeinsam und bei vielen ist der Ehepartner oder die Lebensgefährtin in einem Gremium der Stiftung vertreten (siehe S. 102ff.).

Vermögen: Überwiegend große Privatvermögen

Stifterinnen und Stifter haben mehrheitlich ein überdurchschnittlich großes Vermögen. Analysen dazu sind regelmäßig mit beachtlichen Ungenauigkeiten verbunden, da zur Erfassung des gesamten Vermögens einer Person viele Daten notwendig sind. Das Erwerbseinkommen macht bei sehr reichen Menschen beispielsweise oft nur einen geringen Teil ihres gesamten Vermögens aus (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2013: 347).

Für die Stifterstudie wurde daher nach dem frei verfügbaren Geldvermögen der Stiftenden gefragt – wohl wissend, dass diese Kennzahl lediglich eine ungefähre Orientierung bietet. Der Begriff wird definiert als „die Summe aller Geldanlagen eines Haushaltes ohne den Rückkaufwert von Lebens- und privaten Rentenversicherungen sowie nach Abzug eventueller privater Kreditverpflichtungen“. Für einige Stifter, die zum Beispiel vorrangig über Immobilien oder Ländereien verfügen, hat diese Summe wenig Aussagekraft. Vermögensforscher gehen davon aus, dass das frei verfügbare Geldvermögen ein Viertel des Bruttogesamtvermögens eines Haushalts ausmacht (Lauterbach et al. 2011b: 44).

Die Vermögensforscher um Wolfgang Lauterbach und Thomas Druyen (vgl. Lauterbach et al. 2011a) unterteilen vermögende Menschen in Anlehnung an ein amerikanisches Modell in Gruppen:

»Wer mehr als das Doppelte des durchschnittlichen Einkommens in Deutschland hat, gilt als wohlhabend. Ausschlaggebend ist hier, dass die Person auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen ist. Die „Wohlhabenden“ verfügen frei über ein Geldvermögen von 200.000 bis unter 500.000 Euro. Etwa 7 Prozent der Bevölkerung gehören dieser Gruppe an.

»Die sehr wohlhabenden Menschen werden „Affluents“ genannt. Sie haben ein frei verfügbares Kapitalvermögen von 500.000 bis eine Million Euro und sind damit weitgehend unabhängig von einem Erwerbseinkommen.

»Auch die Menschen mit mehr als einer Million Euro sind unabhängig von einem Erwerbseinkommen – die Millionäre oder „High Net-Worth Individuals“ (HNWI; vgl. Lauterbach et al. 2011b: 38ff.). Sie machten 2008 etwa 1 Prozent der Bevölkerung aus (vgl. ebd.: 39).

Die befragten Stiftenden gehören zu rund 40 Prozent in diese letztgenannte Gruppe von Millionären. 15 Prozent haben ein frei verfügbares Geldvermögen von über fünf Millionen Euro. Nur ein Viertel verfügt über ein Geldvermögen von unter 200.000 Euro und gehört damit nach Einteilung der Forscher nicht mehr zur Gruppe der vermögenden Menschen.

ABBILDUNG 4

Stiftende verfügen über hohe Vermögen

„Wie hoch war schätzungsweise Ihr frei verfügbares Geldvermögen zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung?“ (in Prozent)

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n = 451 Stifter rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts

Auch Menschen mit vergleichsweise geringem Vermögen können stiften: Bei 5,5 Prozent der befragten Stifterinnen und Stifter liegt das frei verfügbare Kapitalvermögen sogar unter 50.000 Euro. Doch viele Menschen besitzen neben dem frei verfügbaren Kapital auch andere Vermögenswerte wie etwa Immobilien. Diese können ebenfalls als Kapital in die Stiftung eingebracht werden. Eine der Befragten stiftete beispielsweise ein Mehrfamilienhaus. Die Erträge der Stiftung sind die Mieteinnahmen aus diesem Haus.

Rund 40 Prozent der Stifter haben mehr als eine Million Euro frei verfügbares Kapitalvermögen.

Die persönlichen Interviews mit den Stifterinnen und Stiftern verdeutlichen, wie Menschen mit geringerem Vermögen stiften. Stifter C fällt mit seinem Kapitalvermögen nicht in die oberen Vermögensklassen, sondern hatte gerade ausreichend Geld, um die notwendige Vermögensausstattung – in diesem Fall waren es 50.000 Euro – aufzubringen. Er wollte mit seinem Verein eine Stiftung gründen, doch diesem fehlte das Geld. Schließlich entschied er sich, sein privates Vermögen zu stiften – obwohl er nicht über sehr viel mehr Geld verfügt. Stifterin I gründete erst eine Treuhandstiftung mit weniger als 50.000 Euro Kapital und sammelte später Teile des höheren Stiftungskapitals der rechtsfähigen Stiftung bei anderen Personen und Organisationen zusammen.

Woher stammen die Vermögen, die in die Stiftungen von Privatpersonen eingebracht werden? Knapp 80 Prozent der Stifterinnen und Stifter haben das Stiftungsvermögen mindestens teilweise selbst erwirtschaftet,12 über 50 Prozent bringen Geld aus selbstständiger unternehmerischer Tätigkeit ein. Die Umfrage im Rahmen der Studie „Vermögen in Deutschland“ zeigt, dass die Berufstätigkeit (inkl. unternehmerischer Tätigkeit) mit 85 Prozent zur Vermögensbildung beiträgt (Lauterbach und Ströing 2014: 11). Ausschlaggebender Faktor ist die Berufstätigkeit für 62 Prozent der reichen Haushalte. „Reichtum“ entsteht der Studie zufolge allerdings nur durch berufliche Selbstständigkeit. Auch die befragten Stiftenden, die Kapital aus unternehmerischer Tätigkeit eingebracht haben, sind vermögender als Stifter, die angestellt waren oder geerbt haben.13

ABBILDUNG 5

Gut die Hälfte der Stiftungsvermögen stammt aus unternehmerischer Tätigkeit

„Woher stammt das Vermögen, mit dem die Stiftung errichtet wurde?“ (in Prozent)

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Mehrfachnennungen möglich. n = 587 Stifter rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts

Vermögen aus einer Erbschaft oder Schenkung stifteten rund 30 Prozent der Befragten, 18,3 Prozent stifteten ausschließlich aus Erbschaft oder Schenkung. Diese Zahlen sind auffallend niedrig im Vergleich zu den Ergebnissen der Studie „Vermögen in Deutschland“ (Lauterbach et al. 2011a): Die Anteile der wohlhabenden Menschen, deren Vermögen sich aufgrund von Erbschaften gebildet haben, liegen in der Gesamtbevölkerung deutlich höher. Entscheidend für die Vermögensbildung sind Erbschaften bei 38 Prozent der Vermögenden (Lauterbach und Ströing 2014: 11). Dieser Vergleich legt nahe, dass Erben seltener stiften als Personen, die durch unternehmerische Tätigkeit vermögend geworden sind.

Mehr als die Hälfte stiftet Vermögen aus unternehmerischer Tätigkeit.

Eine Sonderauswertung der Studie „Vermögen in Deutschland“ stützt diese These. Miriam Ströing zeigt, dass vor allem diejenigen engagiert sind, die aufgrund ihrer Arbeit reich geworden sind, und am seltensten die Befragten, die durch eine Erbschaft zu ihrem Vermögen gekommen sind. Sie schlussfolgert: „Wer hauptsächlich durch eigene Anstrengungen reich wird […], hat ein anderes Verständnis von Gesellschaft und der eigenen Handlungswirksamkeit. […] Hieraus ergibt sich eine Haltung der Dankbarkeit der Gesellschaft gegenüber mit dem Wunsch, auch anderen […] derlei Chancen zu ermöglichen“ (Ströing 2014: 163). Gleichwohl wird in den Interviews mit zwei Stifterinnen deutlich, dass manche auch gerade wegen ihrer Erbschaften stiften: Sie möchten von dem geerbten Vermögen etwas abgeben, weil sie es nicht selbst verdient haben (siehe auch S. 36 und 70).

Erben stiften vergleichsweise selten.

Seit der Stifterstudie 2005 ist der Anteil derjenigen, die geerbtes Vermögen gestiftet haben, gestiegen. Damals gaben 22,5 Prozent der Stifter rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts an, Vermögen aus einer Erbschaft gestiftet zu haben. Dies ist weniger darauf zurückzuführen, dass Erben jetzt häufiger stiften – vielmehr ist die Zahl der Erbschaften kontinuierlich gestiegen (Braun 2011: 725).

Längst nicht alle Menschen, die finanziell dazu in der Lage wären, stiften. Die Forschungen der Gruppe um Wolfgang Lauterbach, Thomas Druyen und Matthias Grundmann gehen von der Grundüberzeugung aus, dass „Vermögen“ nicht nur eine Frage des Geldes ist (vgl. Lauterbach et al. 2011a). Um zu erklären, warum manche Menschen sich mit ihrem Vermögen gesellschaftlich engagieren und andere nicht, greift ein rein materielles Verständnis von Reichtum zu kurz (vgl. Ströing und Kramer 2011). Vielmehr wird Vermögen als Handlungsvermögen verstanden, das sich sowohl aus finanziellen Ressourcen speist als auch aus sozialem und kulturellem Kapital sowie persönlichen Fähigkeiten.

Tatsächlich besteht der Unterschied zwischen „nur“ reichen Menschen und Vermögenden darin, dass Letztere im Sinne des Wortes in der Lage sind, ihren Reichtum verantwortungsvoll einzusetzen (siehe S. 36ff.). Dabei spielen Bildung, Sozialisation und Netzwerke eine zentrale Rolle. Das Vermögen in seiner multidimensionalen Bedeutung zeichnet viele Stifterinnen und Stifter aus, wie die folgenden Abschnitte zum hohen Bildungsgrad, zu den Engagementbiografien und vor allem zu den Wertvorstellungen der Stiftenden zeigen.

Stifter D bestätigt im Interview die Vielzahl relevanter Voraussetzungen für die Entscheidung, eine Stiftung zu gründen, aus eigener Erfahrung: „Das ist einfach ein Zusammentreffen von Möglichkeiten. Von finanziellen Möglichkeiten und anderen Dingen […] Es muss einfach alles zusammenpassen. Die notwendigen Grundvoraussetzungen und dann der Spaß daran.“

Ausbildung und Beruf: Überdurchschnittlich gebildet

Stifterinnen und Stifter verfügen über ein höheres Bildungsniveau als der Durchschnitt der Bevölkerung in Deutschland: Rund 70 Prozent haben mindestens einen Hochschulabschluss – gegenüber knapp 20 Prozent der Gesamtbevölkerung (Statistisches Bundesamt 2014: 80).

Von den Befragten bringen 54,2 Prozent Vermögen aus unternehmerischer Tätigkeit in ihre Stiftung ein.14 Dementsprechend sind auch gut die Hälfte der Stiftenden Unternehmerinnen oder Unternehmer. 40 Prozent dieser Unternehmen haben mehr als 50 Beschäftigte. Auch viele Unternehmer kleinerer Firmen oder Selbstständige stiften.

Der hohe Unternehmeranteil bei den Stiftenden lässt sich vermutlich nicht nur dadurch erklären, dass diese Menschen größere Vermögen haben als abhängig Beschäftigte. Als Unternehmer haben sie bereits Erfahrung mit der Steuerung und meist auch der Gründung einer Organisation – und daher möglicherweise weniger Bedenken, eine Stiftung zu gründen. Stifterin L, die gemeinsam mit ihrer Mutter stiftete, sagt dazu: „Ich habe

ABBILDUNG 6

Knapp 70 Prozent der Stifter haben mindestens einen Hochschulabschluss

„Welchen höchsten Berufs- oder Ausbildungsabschluss haben Sie?“ (in Prozent)

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n = 536 Stifter rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts

Volkswirtschaft studiert […und wir] haben ein Familienunternehmen, das uns zum Großteil gehört. Wir haben daher einfach auch ein bisschen den Hintergrund dafür, so was [die Stiftungsgründung] tun zu können.“

Stiftungshochburgen in Deutschland: Hamburg, Bremen und Hessen

Die meisten rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts pro 100.000 Einwohner gibt es in Hamburg, Bremen und Hessen – gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2014b: 51). Aus diesen Regionen kommen auch die meisten Stifterinnen und Stifter.

Der Vergleich von 6.697 Stiftungen, bei denen dem Bundesverband Deutscher Stiftungen die Stiftenden bekannt sind, zeigt, dass in den Hansestädten Hamburg und Bremen sowie in den westdeutschen Bundesländern Bayern und Hessen der Anteil von Privatpersonen unter den Stiftern besonders hoch ist (jeweils über 70 Prozent).15 In den ostdeutschen Ländern und dem Saarland gibt es nicht nur sehr viel weniger Stiftungen, sondern auch der Anteil der natürlichen Stifter ist besonders gering. In Sachsen-Anhalt und Thüringen ist nur je etwa ein Drittel der Stiftungen von Privatpersonen errichtet.16

Diese ungleiche Verteilung dürfte nicht zuletzt an der regional sehr unterschiedlichen Verteilung der Vermögen liegen. Die fünf Länder mit den höchsten verfügbaren Privatvermögen sind Hamburg, Bremen, Baden- Württemberg, Bayern und Hessen (in dieser Reihenfolge; Statista 2015, Angaben für 2011). Bis auf Baden-Württemberg sind das alles Bundesländer, in denen überdurchschnittlich viele private Stifterinnen und Stifter leben.

Da die Stiftenden in der Datenbank Deutscher Stiftungen bei relativ vielen Stiftungen nicht verzeichnet sind, kann keine Aussage darüber getroffen werden, wie viele private Stifter es – in absoluten Zahlen – in den einzelnen Regionen oder Bundesländern gibt.

2.2 Biografien: Engagementerfahrungen der Stiftenden

Die Bereitschaft zum Stiften und das stifterische Wirken sind geprägt von den individuellen Erfahrungen und Werten eines Menschen. Die Biografien der interviewten Stifterinnen und Stifter können hier nicht wiedergegeben werden, da ihre Anonymität gewahrt werden soll. Im folgenden Abschnitt und teils auch im Kapitel zu den Motiven der Stiftenden sind die Zitate daher nicht den Befragten zugeordnet. Porträts von Stifterinnen und Stiftern lassen sich in anderen Publikationen nachlesen, wie „Stifterinnen. Frauen erzählen von ihrem Engagement – ein Lesebuch“ (Bloemer 2010) oder im Schwerpunkt „Nachgefragt“ des Magazins StiftungsWelt.

Die Geschichten der Interviewpartnerinnen und -partner sind ein Spiegel ihrer Zeit. Oft ist ihr Engagement von der Nachkriegszeit geprägt. Ein Stifter bestimmt den Stiftungszweck aufgrund der Kriegserfahrungen seines Vaters und auch das Engagement eines anderen Stifters hängt mit der Zeit des Krieges zusammen: „Als der Krieg zu Ende war, kam mein Papa aus russischer Gefangenschaft wieder. Ich hatte wieder einen, und die Nachbarsbuben zum Teil nicht. Das hat mich damals schon bewegt, was Krieg bedeuten kann und wie man ihn verhindert.“ Andere berichten von großer Not in den Nachkriegsjahren, die auch ihr Geben beeinflusst hat.

Besonders deutlich wird die zentrale Rolle der biografischen Erfahrungen beim gewählten Stiftungszweck. Ein Stifter, der seit Jahrzehnten Kunstsammler ist, errichtete eine Stiftung, die Künstlerinnen und Künstler unterstützt. Andere Stiftende oder ihre Angehörigen sind von einer Krankheit betroffen und gründen deshalb eine Stiftung. Wieder andere sind beruflich mit einem Thema verbunden und unterstützen mit ihrer Stiftung die Forschung in diesem Bereich: „Man muss seinem Lebensstil treu bleiben“, meint einer. „Der Lebensstil bestand bei mir aus Wissenschaft und dann ist das eben der adäquate Zweck, der sozusagen biografisch bedingte adäquate Zweck.“

ABBILDUNG 7

Die Mehrheit der Befragten engagierte sich bereits vor der Stiftungsgründung

„Haben Sie sich bereits vor der Stiftungsgründung gemeinnützig engagiert?“ (in Prozent)

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n = 588 Stifter rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts

Das bürgerschaftliche Engagement hält nicht erst mit der Errichtung der Stiftung Einzug in das Leben der Stifter. Die große Mehrheit (85,4 Prozent) hat sich bereits vor der Stiftungserrichtung engagiert. Die meisten Stiftenden haben Geld gespendet und sind in Projekten, Vereinen oder Stiftungen aktiv gewesen.

In den Interviews berichten viele Gesprächspartner, sich vereinzelt engagiert, vor allem gespendet zu haben. Meist geben sie allerdings an, dass dieses Engagement nicht besonders groß gewesen ist. Doch es gibt einzelne Beispiele für lange Engagementkarrieren, wie bei diesem Stifter: „Seit Beginn meiner Schulzeit habe ich immer etwas mit Tierschutz, Umweltschutz usw. gemacht. […] In der Grundschule war ich Tierschutzwart. Und da habe ich für den […] Tierschutzverein Geld gesammelt. […] Und das Thema habe ich dann auch gemacht, als ich mit Politik anfing. Dann habe ich mich früh auf den Weg gemacht zu sagen, ok, man kann nicht die Umwelt retten, ohne sich um die soziale Situation der Leute und auch um die wirtschaftliche Situation zu kümmern […].“

Fast jeder und jede zweite Stiftende engagiert sich schon in der Kindheit, Jugend oder Berufsausbildung freiwillig (47,2 Prozent). Das ist deutlich mehr als unter jungen Menschen üblich. In der Umfrage des Freiwilligen-surveys 2009 geben 35 Prozent der 14- bis 30-Jährigen an, dass sie sich freiwillig engagieren oder schon einmal engagiert haben (Gensicke und Geiss 2010: 99).

ABBILDUNG 8

Knapp 30 Prozent der Stiftenden engagieren sich bereits in der Jugend

„Wann haben Sie erstmals ein ehrenamtliches oder freiwilliges Engagement z.B. in einem Verein oder in einer Initiative übernommen?“ (in Prozent)

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n = 506 Stifter rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Rechts