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Manfred Jelinski

Schritte in die Zukunft

Remote Viewing und die Gesetze der Veränderung

Manfred Jelinski

Schritte in die Zukunft

Remote Viewing und die Gesetze der Veränderung

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Allen, die mit mir im Netz sind.

Besonderen Dank an Kristina, Simone, Ute, Dirk J., Michael, Frank, Dirk R. und allen anderen Remote Viewer, die mir zur Seite standen. Ebenso danke ich Mauz, Singer, Lilly, Nicki und Müller, dass sie mir oft auf die Sprünge halfen und besonders Esmeralda für die vielen kleinen, weißen Körnchen der Erleuchtung.

Manfred Jelinski

© Ahead and Amazing Verlag, Ostenfeld 2002

Alle Rechte vorbehalten.

Titelseite

Layout: Indigo Kid

ISBN Print: 978-3-933305-10-7

Ahead and Amazing Verlag, Jelinski GbR,

www.aheadandamazing.de

www.remoteviewing.de

Inhaltsverzeichnis

Prolog

1. Kapitel: Der Schock der Erfahrung

2. Kapitel: Im Labyrinth der Legenden

3. Kapitel: Die Schatten der Veränderung

4. Kapitel: Die Kollektion des Unmöglichen

5. Kapitel: Die Herren der Zwischenzeit

6. Kapitel: Der lange Weg der Forschung

7. Kapitel: Swingtime im Universum

8. Kapitel: Der Turm der Erkenntnis

9. Kapitel: Der Sessel im Glashaus

10. Kapitel: Die Mechanik des Soseins

11. Kapitel: Die Lektionen des Universums

12. Kapitel: Das Universum der Quantensprünge

13. Kapitel: Der Marsch durch die Koordinaten

14. Kapitel: Das Wunder der Emotionen

15. Kapitel: Die begrenzte Haltbarkeit der Zukunft

16. Kapitel: Zurück aus dem Nimmernichts

Epilog

Die Gesetze des Wünschens

Schöne Bücher zum Selberlesen

Nachtrag: Zehn Jahre später

Verzeichnis des Inhalts

Prolog

Zukunft, Humbug und der Kosmos – Die Fünf-Minuten-Terrine der Wunscherfüllung – Werkstattprobleme der PSI-Anwender – Gott ist alles, alle sind Gott.

1. Der Schock der Erfahrung

Training für alte Freunde - Das DAX-Target - Kreischen wie Panik - Da ist was in der Luft - Danach ist alles anders - Am besten erstmal vergessen - Das blanke Chaos - Kann man Böses verhindern?

2. Im Labyrinth der Legenden

Ein Denkmal für die Schlimmsten - Reminiszenzen an Dr. Doom - Die Meilensteine der Zukunft - Die Offenbarung des Edward Dames - Die Öffnung der sieben Siegel - Die Tore der Möglichkeiten - Wann werden wir alle Telepathen? - Das Biest und seine Zahlen - Die Wege der Zukunft - Dank an die Ikonen

3. Die Schatten der Veränderung

Der dritte Weltkrieg findet nicht statt - Erfüllung mit kleinen Schönheitsfehlern - Ein plötzlicher Anschub - Die nächste optimale Zukunft - Die orientalische Tänzerin - Einfach nur Madonna - Körperwärme und Vogelgezwitscher - „Warum geht denn hier keiner als Telefon?“ - Doch keine Instant Love Story - Die Kneipe der Erinnerung - Eine Session mit Überraschungen - Die Frau aus der Vergangenheit - Herzensangelegenheiten in Übersee - Arabella am Draht - Was ist wirklich „optimal“?

4. Die Kollektion des Unmöglichen

Das Rätsel der Tänzerin - Vorsicht vor dem Alltag - Das letzte große Abenteuer - Was soll man sich wünschen? - Inserate in der Matrix - Wer will denn nach Reinickendorf? - Der Weg der Sackkarre - Anbiederungen des Universums - Der Mann vom Schlüsseldienst - Synchronizitäten im Hausflur - Auf zur Ochsentour

5. Die Herren der Zwischenzeit

Coca Cola in Moskau - Bloß keine Spinner - Von Toto träumen - Die Bibliothek der Erwachsenen - Denksport mit Scheinkausalitäten - Der übersinnliche Radioapparat - Materie ist Illusion - Wo sitzt das Gedächtnis? - PSI ist Quatsch! - Immer die Freie Auswahl - Auf dem Boden der Tatsachen - Skeptiker ist eine Sache der Überzeugung - Hexenjagd im Fernsehen - Die Russen sind längst weiter - Das Ende der Zwischenzeit

6. Der lange Weg der Forschung

Der 6. Un-Sinn - Sprachstörungen der Fachbereiche - Was brauchen wir für den PSI-Effekt? - Wenn Zellen leuchten - Der kleinste Laser der Welt - Was weiß die DNS wirklich? - Rundfunk im menschlichen Körper - Wie funktioniert ein Sender? - Der Zustand ständiger Resonanz - Die Arbeitsfrequenzen des Gehirns - Umtakten mit Partysendern - Von Hör- und Lerngeräten - Wenn Politiker weinen - Spechtklopfen und HAARP - Zeitbomben in der Handtasche - Die Schumann-Frequenz - Kosmischer Taktgeber

7. Swingtime im Universum

Im Reich der Quarks - Ist leerer Raum leer? - Quantenschaum im Weltmeer - Wohin mit der Materie? - Die DNS und der Hyperraum - Ständig im Netz - Was wussten die Amerikaner wirklich? - Über die Unmöglichkeit, nicht zu handeln - Materiefelder und Gedankenprägungen - Menschen im Magnetfeld - Gitternetze und Piktogramme - Es gibt keinen Übersinn - Materiezustände und Wunschereignisse

8. Der Turm der Erkenntnis

Verirrt im kosmischen Labyrinth - Die Relevanz empirischer Forschung - Versuchsreihen für Jedermann - Sheldrake starrt ins Genick - Im Clinch mit der Wahrheit - Der Blick über den Tellerrand - Schulreifetests und Börsenspekulationen - Zurück zur Wissenschaft, nur besser - Absturz hinter dem Ereignishorizont - Drum prüfe, wer sich im Radio bindet - Manchmal muss man danebenschauen - Die Zeit ist kein Wasserstrahl - Interaktion mit der Zukunft - Wenn das Unterbewusstsein sich verwählt - Wolfgang liebt die Wüste - Die Grenzen der Erwartung

9. Der Sessel im Glashaus

Was passiert, wenn wir zufassen? - Die universelle Resonanz - Die Matrix nimmt alles nur zur Kenntnis - Pinochet hat es geschafft - Gut und Böse bestraft sich selbst - Heil den Ameisen - Allen zum Nutzen, keinem zum Schaden - Zu dumm für die Welt im Kofferraum? - Das Märchen endet nie - Wer böse ist, kann es lange machen - Äthertheorie und Quantenverschränkung - Resonanzkügelchen und Ätherwellen - Bedenke, ob du das Echo verträgst - Die Schlangenlinie des Pirschens - Liebet Eure Feinde, aber unterstützt sie nicht - Der Tisch ohne Kellner

10. Die Mechanik des Soseins

Schnickschnack in Hamburg - Rabatt-Hexer unterwegs - Muss ein wichtiges Buch dick sein? - Das Wissen und die Möglichkeiten - Der Knackpunkt beim Training - Rudern im galaktischen Hologramm - Die Belastung der Beziehungen - Abschicken und loslassen - Parkplatzschubsen für Skeptiker - Der Fall des orangenen Käfers - Urlaubstage und freie Fahrt - Wolkenschieben in Legoland - Neuronenfeuer gegen Vergesslichkeit - Affenhitze auf der Autobahn - Der betrunkene Gaucho - Installationen in der Matrix

11. Die Lektionen des Universums

Wünschen nach Lust und Laune - Die Sache mit dem neuen Auto - Der Sixpack, der sich meldet - Der weiße Elefant von Stuttgart - Geschenkt ist geschenkt - Urlaub als Aufgabe - Watsch! sagte das Universum - Sandsturm auf Amrum - Wenn man bei Regen ins Schwimmen kommt - Bonbonstimmung im Theater - Wünsch Dir Arbeit und Du kriegst sie - Bereit sein für die Bedingungen - Die Schläfer der Matrix - Kirschflecke auf weißen T-Shirts - Bis zur Erschöpfung - Alles wird besser, nichts wird gut

12. Das Universum der Quantensprünge

Arbeit für das Wachbewusstsein - Odyssee im Baumarktland - Die Fliese, die es nicht gab - Als Newton obsolet wurde - Die Gegenwart ist unbeschreibbar - Überfälle in New York - Der Unwahrscheinlichkeits-Drive - Der Drink, den es nicht gab - Der eingebaute Scanner - Die Wahrscheinlichkeit wackelt - Warum das Gute nicht siegen darf - Stabilitätsaussagen für parallele Welten - Gedankentechnologien auf dem Vormarsch - Ordnung ist zu aufwendig, sagte die Matrix

13. Der Marsch durch die Koordinaten

Ist das Leben zu kompliziert zum leben? - Doppelspitze und Teamarbeit - Ein armer Bergbauer macht sich auf den Weg - Feldwechsler unter uns - Das Ziegenproblem - Was tun mit den vielen Preisen? - Erfolgsrezept mal anders - Wunder zwingend vorgeschrieben - Partnerwünsche und Grundsatzdiskussionen - Die Chance zum Neuprogrammieren - Die Formel der optimalen Zukunft - Wahrscheinlichkeit auf stabilen Bahnen - Kleiner Plan zur Wunscherfüllung - Reklamationen beim Matrix-Versand - Gewagt, sagt Dirk, aber machbar - Wachbewusstsein und Clustermodell - Die Dichte der Zeit - Hütchenspieler mit Glasschneidern

14. Das Wunder der Emotionen

Gefühle im Protokoll - Emotionen als Werkzeug - Löffelbiegen bei Reiner - Wut versetzt Berge - Der Euro und die Matrix - Auf dass die Liebe länger hält - Wer rastet, der rostet - Der Panik entkommen - Wunschlos glücklich ist auch nur ein Fehler - Der Dübel, den es nicht mehr gab - Vorsicht mit Computern

15. Die begrenzte Haltbarkeit der Zukunft

Eindringlinge aus dem Internet - Der Weg zum Lotto-Gewinn - Projektarbeit mit Aha-Effekt - Die zickige Lehrerin - 14 Millionen ist eine richtige Zahl - Interferenzen beim Rumkugeln - Imagination von Wahrscheinlichkeiten - Der unbefriedigende Parkplatz - Psychomechanik und Zellverbund - Die Katze, die an mich dachte - Das Menschen-Daten-Format - Der Feld-Beharrungs-Effekt - Tesla und die Wand aus Gummi

16. Zurück aus dem Nimmernichts

Das Entsetzen der Umwelt - Optimale Affirmationen - Das Wunder der Heiligenbilder - Der erweiterte Higgs-Effekt - Hausarbeit als PSI-Technik - Schalterraten bei der Post - Kollision mit Großereignissen - Der optimale Kotflügel - Ein Sack Reis als Computer - Quantentheorie als Gitternetz - Die graue Zone - Wieder am Strand

Epilog

Das neue Universum. Summ, summ. Summ herum.

Prolog

Es gibt einige unter meinen Freunden und Bekannten, die halten Remote Viewing und andere PSI-Phänomene, besonders aber die Möglichkeit, sich Wünsche erfüllen zu lassen, für absoluten Humbug. Auch schon früher musste ich feststellen, dass es viele Leute gab, die sehr Erstaunliches über Filme sagten, die ich produziert hatte, Dinge, die in diesen Filmen gar nicht enthalten waren.

Später stellte ich fest, dass die wenigsten dieser Gruppe den jeweiligen Film überhaupt gesehen hatten. Das Problem mit Remote Viewing, das bestätigen mir nicht nur diejenigen, die bei mir trainieren, ist der Status der eigenen Erfahrung.

Andererseits treffe ich immer wieder Personen, die im vollen Glauben an die Göttlichkeit und Ganzheitlichkeit des Kosmos behaupten, alles sei möglich, dem Individuum seien keinerlei Grenzen gesetzt.

Auch diese Ansicht und besonders die daraus resultierende Performance sind manchmal schwer zu ertragen. Besonders, wenn gegenteilige Erfahrungen einfach unter den Tisch gekehrt werden oder dialektisch bestätigend in das Konzept eingebaut werden.

Wo liegt die Wahrheit? Hier, dort, in der Mitte oder ganz woanders?

In den vergangenen Jahren, seit „Tanz der Dimensionen“, ist viel passiert. Eigentlich ist kein Stein auf dem anderen geblieben, und das war zeitweise mehr, als ich glaubte, ertragen zu können. Aber ohne die Mühen des Erlebens gibt es auch keine Erkenntnisse, das wurde mir schließlich auch bewusst. Einsichten müssen selbst und blutig erfolgen, sonst sind sie nichts wert.

Ganz besonders habe ich mich mit der Suche nach den Gesetzmäßigkeiten der Zukunftsgestaltung beschäftigt. Und ich kann durchaus behaupten, fündig geworden zu sein. Was mir als Wunschbild vorschwebte, war eine konkrete Gebrauchsanweisung für eine optimale Lebensentwicklung mit funktionierenden Techniken, in die Zukunft erfolgreich einzugreifen. Daneben war es für mich unabdingbar, mich in einem Kontext des wissenschaftlich Erklärbaren zu bewegen, Verweise oder Glauben an diffuse Kräfte oder „Energien“, wie die Termini gern bemüht werden, sind mir zutiefst zuwider.

Nun, werden Sie an dieser Stelle sagen, jetzt muss doch der kleine Rückzieher kommen, die übliche Relativierung des Fernseh-Moderators, um sich ein Fluchtloch zu erhalten. Anders, ganz anders. Natürlich kann man in einem Buch wie diesem keine Kurzanleitung für alle Lebenslagen bieten, eine Fünf-Minuten-Terrine der Wunscherfüllung sozusagen. Aber man kann Grundsätzliches aufzeigen, und man kann, eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, mit bequemen Pauschalansichten und diffusen Omnipotenzphantasien aufräumen.

Der Glaube an Etwas, so sagt ein Sprichwort, kann Berge versetzen. Stimmt. Letzlich entscheidet über den Erfolg aber das Wissen, wie das zu bewerkstelligen ist. Sonst weiß man vielleicht nicht, wohin mit dem Berg, und das wäre doch auch wieder schade.

Ein Beispiel vielleicht. Man kann daran glauben, dass der Wagen am Morgen anspringt. Besonders fähigen Personen gelingt es auch, mental die Leitungsfähigkeit der elektrischen Teile und die Zündung zu verbessern. Besser und einfacher ist es, zu wissen, dass Batterie und Tank voll sind und die Mechanik und Elektrik in der Werkstatt überprüft wurden. Wenn frühzeitige Hinweise auf Fehlfunktionen hochnäsig vernachlässigt wurden, kann auch Wünschen oder Remote Viewing nicht helfen.

Nun kann man einwenden, das sei nicht so schlimm, dann wünsche ich mir einen Automechaniker, der gerade vorbeikommt und nichts anderes vorhat, als mir zu helfen. Vorsicht! Solch ein unpräziser Umgang mit der Matrix kann gefährlich werden. Vielleicht müssen Sie den Automechaniker heiraten und/oder endlose Abende mit Erzählungen über die Anfälligkeit bestimmter Automarken verbringen! Den Typen einfach wieder wegwünschen? Kein Problem. Solchen Leuten bin ich auch begegnet. Aber dann müssen Sie weiterwünschen und weiterwünschen und weiterwünschen... Das kann einen ganz schön in Atem halten, man kann sich da ziemlich verstricken. Dieses Vorgehen endet an vielen Tagen wie das bekannte Märchen von den drei Wünschen. Am Abend ist man heilfroh, dass die Wurst nicht an der Nase angewachsen bleibt.

Denn die Erfüllungsroutine des Universums ist gewissenhaft und unerbittlich, ja grausam. Man muss schon mit den Konsequenzen seines Tuns leben. Wie sagte einer der weisesten deutschen Wissenschaftler und Schriftsteller: „Bedenke wohl, worum du bittest, es könnte dir gewährt werden!“ Ich kann nur raten, das zu beherzigen. Doktor Faust ist ein prima abschreckendes Beispiel und das war vom Autor auch so beabsichtigt.

Ein bisschen Überlegung vorher hat noch nie geschadet. Und das möchte ich mit diesem Buch vermitteln. Keine Weisheit mit Löffeln, aber knallharte Ansätze zum Verständnis der Mechanik des Universums. Warum manches klappen muss. Und warum manches einfach nicht klappt, auch wenn wir uns auf den Kopf stellen.

Wir sind alle Gott. Alle. Das ist es, was die Sache so kompliziert macht. Kompliziert, aber voller Möglichkeiten.

1. Kapitel: Der Schock der Erfahrung

Dieses Buch beginnt mit der Geschichte von der Ermittlung der Entwicklung des Deutschen Aktienindex, in der Börsensprache kurz DAX. Es könnte mit irgendeinem anderen Ereignis der letzten Jahre beginnen und es ist vielleicht das Nachgeben gegenüber der heutigen Praxis von Buch- und Filmautoren, mit einer knalligen Actionszene zu beginnen, um das Interesse des Konsumenten von der ersten Minute an zu fesseln.

Andererseits ist die Geschichte gleich zu Beginn wunderbar geeignet, bestimmte wesentliche Eigenarten bei der Anwendung von Remote Viewing zu erläutern. In einem Training bin ich immer sehr dankbar, wenn der angehende Viewer solche Leistungen abliefert, die, richtig oder falsch, eine schöne Grundlage zur Diskussion dieser PSI-Technik bieten. Dies hier war aber keine Grundlage, die man als „schön“ bezeichnen konnte.

In einem Training geht es außerdem um überprüfbare Zielgebiete, also Targets, von denen mindestens ein Foto vorliegt. Bei der Geschichte, die ich als erste erzählen möchte, handelte es sich um eine Exploration der Zukunft. Und die war zum damaligen Zeitpunkt eben unbekannt, wie es sich für eine Zukunft nun mal gehört.

Es begann am 19.03.2000, einem trüben, nebligen Märztag in einem Dorf, ein gutes Stück vor den Toren Berlins. Ich war wieder bei meinen alten Freunden aus den frühen Tagen fröhlichen Filmschaffens zu Gast, angereist, um ihnen Remote Viewing zu vermitteln. Es geschieht sicher nicht oft, dass einen alte Freunde, die man aus ganz anderen Szenarien kennt, ganz offiziell bitten, eine Art Hellsehtraining durchzuführen. Als mich Simone deswegen Anfang des Jahres anrief, hatte ich erst versucht, ihr das auszureden. Aber die Kurzeinführung, die ich im Sommer 1998 mit ihr und ihrem Freund während ihres Urlaubsaufenthaltes in Nordfriesland durchgeführt hatte, war so beeindruckend gewesen, dass sie es nun unbedingt lernen wollten. Ich erinnerte mich, ja, das war diese Raumkapsel-Geschichte gewesen, die Simone so exakt beschrieben hatte. „Sojus-Kapsel auf dem Rückflug zur Erde“. Simone war bei ihnen gewesen, hatte die Enge gespürt, das Eingepferchtsein in der schweigenden, kalten Leere des Weltalls, die Anstrengung der Astronauten, hatte ihren Schweiß gerochen und die frohe Stimmung miterlebt, als sie feststellten, dass alles funktioniert. „Wie Urlaub!“ hatte sie damals geschrieben, einen vorauseilenden Gedanken eines Besatzungsmitgliedes auffangend.

Simone und Michael hatten nun zwar mehr als ein Jahr benötigt, sich mit der Realität der Vorgänge abzufinden, aber wie immer, der Status der eigenen Erfahrung ist durch nichts zu schlagen. Nun war ich also schon zum drittenmal bei Ihnen, und ein anderer Freund aus jenen alten Tagen, Dirk, saß mit seiner Frau auch am Tisch. Nach vielen aufregenden, aber immerhin nur auf Postkarten existierenden Targets wollten sie nun endlich das nachschauen, weswegen sie sich für ein Training angemeldet hatten. Der Samstagabend dämmerte. Wir hatten einen schönen Spaziergang durch die nahen, noch winterlichen Wälder gemacht und Simone nahm mich zur Seite.

„Du, ich habe da eine Idee, können wir nicht pschpschpsch...“

„Wie bitte? Du musst schon lauter reden. Hab kein Wort verstanden.“

„Nee, geht ja nicht, er soll es doch nicht mithören. Wir wollen es ihn doch viewen lassen, da darf er doch nichts wissen...“

„Ah, ihr habt ein Target...“

„Ja, ein ganz tolles. Hoffentlich geht das. Und Dirk soll das nachsehen, der ist doch jetzt dran. Hilf uns mal beim Formulieren!“

Wir hängten die Jacken weg, zogen die Schuhe aus und ich war ganz gespannt, was Simone sich da ausgedacht hatte.

„Wir gehen mal kurz nach oben!“ meinte sie und dort sagte sie leise: „Wie wär`s denn mal, den DAX nachzuschauen, du weißt schon, den Aktienstand in den nächsten Monaten und so weiter. Das würde doch irgendwie alle interessieren...“

„Hm.“ Ich war von solchen Zukunftstargets in Hauruck-Manier nicht mehr so begeistert. Nach einigen Erlebnissen zu diesem Thema war ich mir nicht sicher, ob wir uns nicht in der Komplexität des Themas verfangen würden. Es war eigentlich noch etwas früh für Dirk, und überhaupt und so weiter. Ich zögerte.

„Na komm“, drängelte Simone, und sie schaffte es mal wieder, mich rüberzuziehen.

„Also gut, dann schreiben wir jetzt: die Entwicklung des Deutschen Aktien- Index auf der Basis der größten Wahrscheinlichkeit. Und jetzt eine Koordinate dazu. Und dann sollten wir uns noch Synonyme ausdenken, für den Fall, dass es nicht so konkret abläuft. Also nehmen wir einen Frosch für den Fall, dass der Kurs erheblich niedriger ist, der ist gut auszumachen, grün, feucht, glitschig. Und dann für die Möglichkeit, alles bleibt irgendwie gleich, also die „Seitenbewegung“, geringes Auf und Ab, da nehmen wir Wüste, glatte, einfache Landschaft, die ist dann gelb oder braun oder so. Ja, und wenn`s bergauf geht, also erheblich höher, da nehmen wir ein großes Bauwerk, einen Wolkenkratzer.“

Zufrieden schoben wir den Zettel in den Umschlag und gingen nach unten, ahnungslos, was sich hiermit angelassen hatte.

Dirk saß schon brav am Tisch, aufmerksam und gespannt, wo wir ihn jetzt hinschicken wollten.

„Es ist nichts Besonderes“, meinte ich, „eigentlich ziemlich langweilig. Mach dir nicht zu viele Gedanken, so doll isses nun auch nicht.“

Er zuckte die Schultern, griff sich den Stift und ein Blatt Papier und schrieb dann als momentanen Zusand „entspannt“ hin. Ich diktierte ihm die Kordinaten und das Ideogramm zuckte aus seinem Arm, ganz wie er es gelernt hatte. Alle beugten sich gespannt nach vorn.

„Glatter Bogen, gewölbt, hohl, kantig, senkrecht, hart und künstlich.“ Hörte sich alles noch ganz normal an. „Schlingernd, fällt schnell, Looping, Dreieck, hart, luftig, künstlich, schwer, hohl, leicht, verbeult, künstlich, Konstruktion, von Menschen gemacht. Nieten.“

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Dirk J. und der Autor in einer Session

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Dirks DAX-Session:

Oft ist schon die
Stufe 1
sehr aussagekräftig

Das hörte sich nicht unbedingt positiv an. „Schlingernd, fällt...“ In den meisten Fällen zeigt die Stufe eins schon die hauptsächlichen Eindrücke, die ein Target tatsächlich ausmachen. Schnell gab ich ihm noch einmal die Koordinaten und versuchte, ganz ruhig zu bleiben.

„Schöne Schwingung!“ begann er mit der Analyse und ich atmete etwas auf. Aber dann machte er weiter. „Schöne Form. Absturz, schnell, überdacht und hart. Ein Absatz, bearbeitet, hart, verschiedene Materialien, künstlich, steil, schräg, runde Scheiben, steinig, blechern. AI: Interessant.“

Mir gefiel das Wort „Absturz“ nicht. Ich spekulierte zwar nicht an der Börse, aber ich bekam ein etwas mulmiges Gefühl. Woher er den „blechernen“ Eindruck und die „runden Scheiben“ hatte, konnte ich mir auch nicht erklären. Gab es sowas auf dem Börsenparkett?

Stufe zwei.

„Grau. Hellbraun, weiß, grün, gelb, schwarz.“ Ich dachte an meine Vorgaben. Hier waren nun alle möglichen Farben dabei.

„Oberflächen: Metall...beten, mir fällt gerade beten ein, wo soll ich das denn hinschreiben?“ „Ist das ein AI, hast du einen emotionalen Eindruck?“

„Nö, mir fällt nur „beten“ ein, als Oberfläche.“

„Gut, schreib`s einfach hin. Laß uns nicht an einem einzelnen Wort aufhalten. Weiter.“

„Glatt. Weich. Ja und weich, also weich ist weich, sozusagen. Und dann Scherben, Kanten, Luft, Beulen.“

Die Struktur schien etwas außer Kontrolle zu geraten. Aber er war gut im Fluß, und ich wollte jetzt nicht unnötige Aufmerksamkeit auf Fragen wie: „sind Scherben nun Oberflächen oder bereits ein induziertes Bild?“ hinlenken.

„Gerüche: süß, igitt, dann wie Metall, und frische Luft. Geschmack: bitter wie Metall.“

Das kann man durchgehen lassen.

„Temperaturen: kalt, kühl, aber unten wieder warm, heiß, da ist Energie und Aktion. Und unten auch wieder kühler. Geräusche: Klopfen auf Metall, sausen, streiten, quietschen auf Metall...iihh, das ist ja ein widerliches Geräusch, ja, das Tempo geht rasant abwärts. Da ist Kreischen wie Panik. Ich habe ein AUL: wie auf einer Achterbahn!“

Die Session entwickelte sich merklich unangenehm. Ruhig bleiben.

„Geh durch, das ist nur eine Assoziation. Hat nichts wirklich mit dem Target zu tun. Hast du es weg? Dann Dimensionen!“

„Groß, oben, Verbindung nach unten. Außen. Unten ist es innen. AI: etwas aufregend.“

„Seite 4, Stufe 3. Virtuelle Skizze.“

„Ja, also hier oben sind Menschen. Ahnungslos. Voller Freude, gute Laune. Da ist was, weiß wie Watte, oder wie Schnee. Süß. Das ist vorher.“

Er zeichnete ein offenes Oval mit Strukturen darin. Alle starrten gebannt auf das Papier, folgten seinem Stift. Er durchschnitt das Oval und machte eine Abwärtsbewegung. Mit einem Pfeil daran, der nach unten zeigte.

„Oh, aber dann geht es abwärts!“ Dirk sprach plötzlich schneller, gepreßter. Die Worte ließen an Lesbarkeit nach. „Das geht ja steil nach unten. Schwarz, Angst, Streiten, Sausen ist hier, Geschwindigkeit und Energie... Hier ist etwas, eine Struktur...“

„Male es bitte hin, wo es hingehört.“

Dirk punktete eine hochragende Säule. „Grün, schwarz, grau. Hier unten ist noch eine Struktur.“ Sein Stift hinterließ die Skizze eines zweiten, hohen, gekästelten Dinges. Wir Zuschauer sahen uns an. Was sollte das. Es sah beunruhigend aus.

„Ja, Geschwindigkeit und Energie. Zeit ist wichtig.“ fuhr Dirk fort. „Es sind verschiedene Einheiten. Hier oben ist es frisch und kalt. Dann ist da was in der Luft... der Geschmack von Metall. Man kann das Metall auch riechen...“ Viewer haben oft merkwürdige Eindrücke, versuchen etwas in Worte zu fassen, das sich immer wieder zu entziehen versucht.

„Und hier, hier ist ein Objekt, voller Energie...“ Dirk krakelte etwas Rundes auf das Papier, in der Mitte neben den aufragenden Strukturen. „ Da sind Menschen drin, oh, das ist rot und heiß, die Menschen sind in Panik, sie kreischen. Schweiß. Oh, das geht ja ab dort... Da ist etwas wie eine Explosion. Ja, eine Explosion. Furchtbar, erschreckend.“

Dirk schrieb noch schneller. Atemlos sahen wir ihm zu.

„Das geht ab, das geht wirklich ab da... Menschen fliegen durch die Luft. Sie schreien.“ „Wo? Mal das mal bitte hin.“

Dirk setzte den Stift zwischen die beiden Strukturen, in die Nähe der einen, gepunkteten. „Hier. Sie stürzen sich raus und fliegen durch die Luft. Sie schreien. Es herrscht furchtbare Panik!“

Es ist immer kritisch, einen Viewer in eine Extremsituation eintauchen zu lassen. Zumal dann, wenn es das erste Mal in einem Training ist. Am besten, man führt ihn vorsichtig vom Ort des Geschehens weg. Ich sprach Dirk so ruhig wie möglich an.

„Gut. Schaun wir mal, wie das weitergeht. Was passiert danach?“

„Ja, also, hier geht`s runter. Dann ist alles unten, hier, grau und verbeult. Metall. Da ist auch ein Klopfen. Ein Klopfen auf Metall. Es herrscht Ruhe und Abkühlung. Da ist etwas, das wirkt wie ein Auffangbecken.“

„Aha. Gut. Beenden wir mal die Stufe 3. Schreib mal dein AI drunter.“

„Erschreckend.“

Ich nahm mir vor, das Protokoll möglichst unbeeindruckt weiter zu verfolgen.

„So, dann Seite fünf, Stufe vier. Deine wesentlichen Eindrücke.“

„Sensorische Daten: hart, kantig, sehr hart, schnell. Dimensionen: sehr groß und ein kleines Teil. Mein emotionaler Eindruck: es gefällt mir überhaupt nicht.“

„Bleiben wir in der Struktur. Gibt es vor Ort andere Emotionen?“

„Ja, viele. Viele Menschen. Erst Frohsinn, dann Angst und Panik, aber auch Erleichterung. Es ist sehr stark. Ein ziemliches Ereignis.“

„Okay. Gibt es am Targetort etwas, das du anfassen kannst, Dinge, Strukturen?“

„Ja, sehr viel. Vor allem Metall, aber auch Holz, Blech. Irgendetwas wie Griffe. Mein AI ist: es gefällt mir überhaupt nicht.“

Dirk war noch immer in einem Ereignis, das großen Eindruck auf ihn machte.

Ich besann mich, welchen Sinn diese Session eigentlich haben sollte. Wir wollten den künftigen Verlauf des DAX ermitteln. Also: nächste Seite, Stift auf das Papier.

„Mach mal eine Timeline... links ist heute. Schreib hin: 19.03. Was ist da los?“

Dirk zeichnete ein Kästchen und schrieb hinein.

„Erwartung. Voller Erwartung. Aber das ist vorher. Da ist Unwissenheit. Die sind völlig ahnungslos.“

„Ist das der Beginn der Entwicklung?“

„Ja, es ist auf jeden Fall jetzt. Die Entwicklung fängt jetzt an. Oder nein, hat schon angefangen. Es ist früher, glaube ich.“

„Gut. Und dann? Geh mal nach rechts. Findest Du einen wichtigen Punkt?“

Dirks Stift rutschte auf der Linie in die Zukunft.

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11.September 2001: Vor dem Crash. Die beiden Türme sind in dem Stufe-3-Ausschnitt leicht zu wiederzuerkennen.

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Momentaufnahme: auf die zwei Gebäude (1 und 4), von denen eines schon brennt (3) ist ein weiteres Objekt im Anflug (2).

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Der beklemmendste Teil der Session: Menschen stürzen aus den Fenstern (1: „Menschen im Fall“).

„Hier. Da ist etwas. Da ist die Geschwindigkeit, Panik, Streit. Der Ausbruch von Energie. Dann das Klopfen. Es dauert eine Weile. So bis hierhin vielleicht.“

Er zeichnete eine weitere Marke auf dem Zeitstrahl.

„Und wie geht es weiter. Geh weiter vor. Wo ist mein Geburtstag?“

„Hier.“

„Und was ist da?“

„Naja, da ist es unten am Ende. Also, wenn`s vorbei ist.“

Mehr war ihm nicht mehr zu entlocken. Ich hatte den Eindruck, als sollte ich ihn langsam dort herausholen, die Session beenden. Aber die eigentliche Frage war noch nicht beantwortet.

„Kannst du sagen, was das Ereignis für eine Bedeutung hat? Was macht das?“

„Es gibt eine Zustandsveränderung. Es ist dann alles anders, aber nicht räumlich gesehen. Anders eben.“

„Gut. Kannst du uns noch etwas zu den Farben sagen, die du hauptsächlich hast? Grün zum Beispiel? Irgendwelche Objekte?“

„Ja, da ist Moos, Farn, Grünspan... merkwürdig, ja, grünmetallisch irgendwie, ein Eindruck wie von einem Käfer.. und da ist Plastik. Moos ist nass, feucht, und da ist etwas wie eine Felswand.“

Ich dachte an meine Vorgaben „Frosch“ und „grün“ und fand mich langsam damit ab, dass unserer Wirtschaft eine wirkliche Flaute ins Haus stand. Aber, was soll`s, es gibt immer ein „Danach“.

„Gut, Dirk, und jetzt machen wir noch schnell ein Diagramm. Also, wie würde der Verlauf des Targets aussehen, wenn du ihn aufmalen müsstest?“

Dirk zeichnete ein Koordinatenkreuz.

„Ja, hier ist jetzt und es geht noch eine Weile hier oben weiter. Und dann kommt der Absturz. Da geht`s ganz tief runter. Und dann geht es wieder hoch, langsamer, und erreicht dann wieder die vorige Höhe. Oder Mehr.“

„Schön. Machen wir jetzt mal Schluß. Schreib hin: Ende bei ...?“ Michael schaute auf die Uhr. „19.44 Uhr.“

Die Session hatte eine gute dreiviertel Stunde gedauert, eine übliche Zeit. Wir hatten nicht überzogen. Trotzdem wirkte Dirk ziemlich geschafft und das konnten wir gut verstehen. Er öffnete den Umschlag und schüttelte den Kopf.

Die anderen beugten sich über die Zettel und begannen, wild durcheinander zu reden.

Ich habe hier die Ereignisse von damals sehr präzise und mit wörtlicher Rede dargestellt. Der Leser wird sich natürlich fragen, wie das denn möglich sei, nach langer Zeit noch all diese Einzelheiten.

Es ist sicher keine große Verfehlung, wenn ich den Leser so direkt und plastisch wie möglich an jenem Geschehnis teilnehmen lassen wollte. Dabei ist die wörtliche Rede das geringste Problem. Die einzelnen Formulierungen setzen sich fast ausschließlich aus dem Standardsprachkodex einer Remote Viewing-Session und den Aufzeichnungen des Viewers auf den einzelnen Seiten zusammen. Das ist auch der Sinn eines Remote Viewing Protokolls. Man kann den Ablauf jederzeit rekonstruieren.

Der geringe Rest der von mir verwendeten Redewendungen sind authentische Formulierungen, die sich in meiner Erinnerung festgebrannt haben. Wenn ich mich an diese Session erinnere, steigt sie vor mir auf, als hätte sie erst gestern stattgefunden. Was ich erfunden habe, um eine spannende Geschichte zu erzählen, ist sehr wenig und inhaltlich völlig unbedeutend.

Ich weiß noch sehr gut, wie nach der Session die Diskussion einsetzte. Michael sagte immer wieder: „Ist doch ganz klar. Man muss drinbleiben. Es geht schon wieder aufwärts. Hab ich immer gesagt!“ Verständlich. In seiner Familie hatte man etwas Geld in einem Aktienfonds festgelegt.

Das Gespräch drehte sich dann darum, wann dieser Einbruch der DAX-Kurve stattfinden sollte. Der Zeitstrahl schien recht genau, Dirk hatte noch Simones Geburtstag hinzugefügt. Also gingen wir davon aus, dass so etwa im Mai ein Kurseinbruch zu erwarten sei. Von dem Begleitereignis, wie es der Viewer beschrieben hatte, war kaum noch die Rede. Keiner glaubte, dass es wieder ein Ereignis geben könnte, das die Leute zum Sprung aus dem Fenster veranlassen würde. Und dann gleich mehrere. So wie damals, 1929, bei der Weltwirtschaftskrise. Oder doch? Ein unangenehmes Thema. Keiner hatte rechte Lust, das weiterzuverfolgen. „Doch, das war ein starker Eindruck“, sagte Dirk und starrte etwas entrückt vor sich hin.

Mir selbst war dieses Sessionergebnis ebenfalls unangenehm. Es sah so unglaubhaft aus, und ich, den sie schon so lange kannten, hatte ihnen diesen Blödsinn angetan. Ein Remote Viewer scheint sich immer noch rechtfertigen zu müssen. Ich flüchtete mich in den Spruch eines der größten zeitgenössischen und volkstümlichen Philosophen. „Schaun wir mal!“ sagte Beckenbauer oft, und dann wurde Bayern München doch wieder Deutscher Fußballmeister. Bei uns gab es dann erst einmal Abendbrot. Auch Dirk zeigte keine besonderen Nachwirkungen der empfangenen Emotionen.

In den folgenden Wochen und Monaten verfolgte ich latent gespannt die Börsenkurse. Vorher hatte ich mich eigentlich nicht besonders für diesen Bereich interessiert. Jetzt aber wollte ich schon wissen, ob etwas dran war an Dirks Session, oder ob er hier völlig in die Phantasie abgerutscht war. Ende April schlenderte ich über einen Berliner Flohmarkt, als mir die Überschrift der Plakate eines Zeitungsverkäufers in die Augen sprang: „DAX stürzt ab! Panik an der Börse!“ Also doch. Ich ging rasch näher und las den Artikel. Hm, naja, ein Kursabsturz von über hundert Punkten, gut, aber konnte das schon das vorausgesagte Ereignis sein? Ich zückte mein Handy und rief Simone an. Sie waren gerade beim Frühstück.

„Habt ihr schon Zeitung gelesen?“ fragte ich, „Kurssturz des DAX! Meint ihr, das ist jetzt Dirks Session?“

Simone sprach kurz mit Ihrem Lebenspartner.

„Micha sagt, kann sein. Aber so schlimm sieht es nun auch wieder nicht aus. Mal sehn, ob es noch weiter geht.“

Es ging noch weiter. Aber nicht so, wie es in Dirks Session beschrieben wurde. Die Aktienkurse fielen zwar weiterhin, aber nicht steil, sondern langsam und stetig. Manchmal stabilisierte sich der Kurs wieder, „auf einem niedrigen Niveau“, wie man so schön sagt. Und niemand sprang aus dem Fenster.

Irgendwann vergaß ich die Session dann, der Alltag verdrängte die Eindrücke, so einnehmend sie auch gewesen waren. Ich dachte nicht weiter darüber nach. Mehr als ein Jahr lang. Dann kam der 11. September 2001.

Ein Anruf erreichte mich im Auto. Ich stand gerade an einer roten Ampel am Alexanderplatz in Berlin.

„Hast du schon Nachrichten gehört? Die sind wahnsinnig geworden! Das ganze World Trade Center stürzt ein!“ Es war Tina auf dem Handy. Ich verpasste fast die Grünphase.

„Was, wie, was soll denn das. Bleib doch mal ruhig!“ Ich kriegte das Radio nicht an, weil der Identcode wieder mal rausgesprungen war und seit einiger Zeit eine Taste fehlte. Deshalb hörte ich die ganze Geschichte übers Handy. Über die Passagiermaschinen, die in die Hochhäuser gestürzt waren und über die Menschen darin. Tina war völlig aufgelöst.

In meinem Kopf drehte sich ein größer werdendes Karussell. Wenn das wahr war, dann herrschte in den USA jetzt das blanke Chaos. Dann würde auch die Börse abstürzen. Und zwar richtig. Jedenfalls zunächst. Und dann... Dirks Session! Ich kehrte um, fuhr zurück in die Berliner Wohnung, in der ich einen Schrank voller Remote Viewing Unterlagen wusste, Arbeitsmaterial für Projekte und Trainings. Da war sie! Ich breitete die Papiere vor mir aus. Dann schaltete ich den Fernseher ein. Immer wieder wurden die Bilder der anfliegenden Passagiermaschine wiederholt, der Crash, das Zusammenbrechen der beiden Türme, der hohen Strukturen... Und da flogen die Menschen aus den Fenstern...

Ich hatte das ganze Szenario vor mir liegen, auf einem einzigen Blatt Papier, aufgezeichnet vor fast eineinhalb Jahren. Alles war da, die beiden hohen Strukturen, das kleine, fliegende Teil, in dem die Menschen in Panik waren und die Leute, die aus den Fenstern sprangen. Unten Klopfen auf Metall...

Ich rief Dirk an. Er hatte die Session völlig vergessen. Nachdem er sie wieder hervorgekramt hatte, meinte er, naja, doch, das wäre ja schon sehr erstaunlich. Dirk ist nicht so leicht zu beeindrucken.

Die allgemeine Diskussion, die sich daran anschloß, war etwas heftiger. Hätte man das Ereignis genauer nachschauen sollen, ein ganzes Projekt zur Ergründung der Vorfälle einrichten sollen? Hätte man warnen sollen, hätte man etwas verhindern können?

Aber wen sollte man in diese aufwühlenden Daten hineinschicken? Ich hatte mehrfach erlebt, dass Viewer von emotionalen Eindrücken stark mitgenommen wurden. Deshalb gab es auch die Target-nongrata-Liste, in der jeder Viewer eingetragen hatte, mit welcher Art von Erkundungsziel man ihn möglichst nicht konfrontieren sollte. Tote oder sterbende Personen rangierten dort ganz oben.

Und: hätte es jemand geglaubt? Wo doch selbst die Warnungen des Ägyptischen Präsidenten vor diesem Ereignis und einige andere interne Informationen des CIA nichts genutzt hatten? Sollte es vielleicht geschehen? Wer bestimmte so etwas?

Natürlich kam auch die Frage hoch, warum der Zeitstrahl so verdammt ungenau war. Eineinhalb Jahre später, ein Desaster eigentlich für einen Viewer.

Letzteres ist relativ einfach zu erklären. Einzelne Sessions zeigen immer wieder Ausreißer, gerade auf dem Zeitstrahl. Das wird durch den Einsatz mehrerer Viewer wettgemacht. Aber wir hatten ja gekniffen, hatten Angst gehabt, uns in diesen Emotionsfeldern zu verlieren. Nicht einer hatte sich das aufladen wollen. Interessant war aber doch, dass das Ende von Dirks Timeline wieder stimmte: zu meinem darauffolgenden Geburtstag im Dezember war der Aktienstand tatsächlich auf das alte Niveau zurückgekehrt, ja, er stand sogar noch etwas höher. (Dass er bald darauf wieder fiel, und zwar auf ein historisches Tief, noch weit unterhalb des Wertes kurz nach diesem 11.September, war der Session nicht zu entnehmen, denn Dirks Timeline endete ja mit dem Dezember.)

Ein anderer Verdacht beschlich mich jedoch, ohne dass ich mich hätte aufraffen können, hier mit Remote Viewing anzuknüpfen. War der Anschlag vielleicht viel früher geplant, wurde eventuell der Zeitplan der Terroristen durch irgendein kleines Ereignis durcheinandergebracht? Vielleicht war ein wichtiger Flugzeugführerschüler abgesprungen? Pilot wird man ja nicht eben mal so in ein paar Tagen...

Auf jeden Fall kam die Diskussion um die Zukunft wieder in Gang. Konnte man nachschauen, konnte man Böses verhindern, vielleicht nicht in so großem Rahmen? Vielleicht eher auf der privaten Ebene? Ich beschloss, die bisher vorliegenden Erfahrungen zusammenzufassen und aufzuschreiben. Es waren gar nicht so wenig, stellte ich bald fest. Und es gab tatsächlich konkrete Aussagen. Und, was noch bedeutungsvoller schien, aus dem Wissenschaftsticker kamen jeden Tag neue Meldungen, die zu unseren Erlebnissen und Erkundungen passten. Eine neue Sicht der persönlichen Möglichkeiten, die Zukunft zu gestalten, festigte sich. Es war mal wieder Zeit, ein Buch zu schreiben.

2. Kapitel: Im Labyrinth der Legenden

Wo waren wir am Ende des letzten Kapitels? Ach ja: ich hatte meinen Freunden Remote Viewing beigebracht, eine Technik des Hellsehens; wir hatten in die Zukunft geschaut und die Zukunft war eingetreten. Wo war das Problem?

Genau: die Zukunft hatte keinem gefallen und sie konnte nicht aufgehalten werden. Das ist wirklich ein Problem.

Aber damit waren wir in guter Gesellschaft. Schon die alten Griechen hatten, gut überliefert, mit ihrem Orakel gehadert, das wirklich gut daran getan hatte, in Rätseln zu sprechen. Und dann all die anderen, die sich in dieser Branche hervorgetan haben, vom indianischen Medizinmann bis zu jener geheimnis-umwobenen Gestalt, die Merlin hieß und tatsächlich existiert haben soll. Schließlich und endlich die christlichen Propheten, die Seher der Apokalypse, die diese als Drohung ungehemmt dem eigenen Machtstreben als Werkzeug einverleibten, letztlich damit auch noch die vorhergehenden Kulturen unverfroren bestehlend. In heutiger Zeit unvergessen sind die Centurien eines gewissen Herrn Michel de Notre Dame (Nostradamus), über den jedes Jahr neue Bücher erscheinen, obwohl er lange tot ist und Geschichten erzählt hat, die sehr unerfreulich sind.

Sind es nun die unerfreulichen Voraussagen, die besonders oft eintreffen, oder ist es die menschliche Liebe zum Untergang, die immer den schlimmsten Propheten das größte Denkmal setzte? Mindestens war es immer der angekündigte Schrecken, der die Menschen am meisten beeindruckte; kein Wunder, wenn alles gut war, brauchte man ja nicht besonders drüber nachzudenken. Im besten Sinne war das die Absicht jedes Propheten, die Menschen aufzurütteln und sie auf den rechten Weg zurückzuführen, indem man ihnen die grausigste Zukunft ausmalte. Auffällig ist jedoch, dass man oft sehr lange warten musste, bis diese Vorausschauen wirklich eintrafen, und gerade bei Nostradamus ist man sich bei vielen seiner Prädiktionen überhaupt nicht sicher, ob sie dieses, jenes oder noch ein anderes Ereignis der Weltgeschichte meinten, oder ob sie noch gar nicht eingetroffen sind. Vielleicht werden sie nie eintreffen. Ich habe mich in meinem ersten Buch „Tanz der Dimensionen“ eingehend dazu geäußert, dass diese Seher das Problem hatten, über keine kontrollierbare Methode zu verfügen und deshalb möglicherweise oft in irgendwelche Phantasievorstellungen oder gar in eigene Ängste abglitten.

Aber dann kam Remote Viewing und alles wurde anders. Wirklich? Es stellte sich heraus, dass die Voraussage der Zukunft noch ganz andere Fallstricke bereithielt. Und von phänomenalen Sessions mit sensationellen Erkenntnissen getragen, lehnten sich die Remote Viewer der ersten Stunde manchmal weit aus dem Fenster, und weil es gerade die schlimmen Ereignisse waren, die auch hier den meisten Eindruck machten, wurden sie zu den neuen Predigern der Götterdämmerung. Namentlich Edward Dames, jener Ingo-Swann-Schüler, der die Trainings-Methode des amerikanischen Geheimdienstes weiterentwickelt hatte und auch nach Deutschland brachte, nahm in diesem deprimierenden Reigen eine hervorragende Position ein. Man nannte ihn schließlich „Dr. Doom“.

„Viele würden dich jetzt gern erschießen“, sagte Art Bell am 13.11.98 gegen Ende seiner landesweiten Radioshow.

„Ja, bestimmt, ich fühle mich schon ganz durchlöchert“, entgegnete der inzwischen wohl populärste Remote Viewer Amerikas. „Aber man sollte bedenken: bestrafen Sie nicht den Überbringer der schlechten Nachricht. Er kann nichts dafür.“

An dieser Stelle der Show hätte ich Mr. Ed gern zugerufen: „So nicht, bei aller Liebe, so nicht! Immerhin haben Sie sich schon seit mehr als einem Jahrzehnt intensiv und mit Hingabe gerade dem Thema unserer unglücklichen Zukunft gewidmet. Sie haben Sessions auf die schrecklichsten Prophezeiungen gemacht und sind lautstark mit den Ergebnissen hausieren gegangen. Sie waren also schon immer selbstgewählter Botschafter des Unglücks. Deshalb ja auch der Spitzname Dr. Doom. Da muss man sich nicht wundern. Die Leute wollen doch auch mal was Nettes, Aufbauendes, etwas mit positiver Perspektive hören. Geht mir doch genauso!“ Von den Firmen, die in dieser Sendung ihre Werbespots plaziert hatten, ganz zu schweigen. Untergangsstimmung verkauft nicht. Die Leute müssen fröhlich in die Zukunft schauen, um bereit zum Konsumieren zu sein.

Aber dann dachte ich: „vielleicht tue ich ihm Unrecht. Es ist nun mal sehr schwierig. Diese Katastrophen haben eine geradezu überwältigende Anziehungskraft!“ Und immerhin, Dames hatte schon aus seinen Fehlern gelernt, was nicht leicht war, denn Ende der neunziger Jahre stießen fast alle in das gleiche Horn. Für die Jahre 1998 bis 2001 war der Untergang angesagt, da konnte man sich kaum entziehen. Und 1998 wurde tatsächlich das Jahr der weltweiten Katastrophen und Kriege, was in den Jahren danach noch heftig nachschwang.

Doch plötzlich änderte Dames die Stoßrichtung seiner Nachforschungen. Nun suchte er nicht mehr explizit nach den Einzelheiten der großen Katastrophe, die da als jüngstes Gericht über uns heraufzuziehen drohte, sondern nach deren Warnzeichen, Ursachen und später auch nach deren Auslösern. Er machte ein wissenschaftliches Projekt daraus, basiert auf der Annahme, dass die Zukunft keine feste, asphaltierte Autobahn ist, sondern ein Dschungel von Möglichkeiten, in dem manche Gegenden wie begehbare Wege anmuten, andere Abschnitte jedoch wie übles Dornengestrüpp, das einen beim Durchschreiten bis auf die Knochen zerkratzt. Wenn es hier einen einigermaßen vorausgefügten, dann also wahrscheinlichen Weg geben sollte, müsste es Abzweigungen geben, die man erkennen konnte und Hinweiszeichen, um sich zu orientieren. Dames sah sie eher als „Meilensteine“ und versuchte sich vorzustellen, dass Seher und Remote Viewer diese Wegmale aufgespürt hatten und weiterhin aufspüren konnten.

Damit wurde sein Projekt zu einer Suche nach den Anzeichen der Veränderung, und er begriff auch einen Umbruch nicht mehr als Riss in einer Entwicklung. Das Werkzeug der nach einiger Zeit immer wieder aufs Neue erstellten Analyse wurde seine Art der fortlaufenden Auseinandersetzung mit der Zukunft. Er überprüfte mit Remote Viewing althergebrachte Mythen und versuchte, sie auf ihre tatsächliche zukünftige Relevanz abzuklopfen. Eines dieser Projekte war die Frage, ob die Offenbarung des Johannes tatsächlich ihren Abschluss finden würde.

Wir erinnern uns: Johannes hatte ein Erlebnis mit einer Art Lichtgestalt, die für ihn eine Inkarnation von Jesus war. Eine Botschaft wurde verkündet, und Johannes sollte sie aufschreiben und offensichtlich auch verschiedenen Adressaten zuleiten, sieben ausdrücklich benannten Gemeinden. Im Prinzip ging es darum, dass die Menschen in diesen Siedlungsgebieten durchhalten und zu Jesus stehen sollten. Für jede dieser Gruppen hatte Jesus ganz spezielle Ratschläge bereit, die sich auf die spezielle Situation der Gemeinde bezog, und allen gab er, wenn sie doch schon vom rechten Glauben abgefallen waren, die Gelegenheit, Buße zu tun und ihre Einstellung zu ändern.

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Ab und zu muss man sich einen Überblick verschaffen: hier der erste Teil der Offenbarung des Johannes in meiner praktischen Kurzform.

Für diese Haltung wird den Genannten versprochen, dass sie letztlich im Himmel aufgenommen werden würden. Interessant ist dabei, dass großer Wert auf bestimmte Zahlen oder Mengen gelegt wird, wobei die Zahl sieben die größte Rolle spielt: sieben Sterne, sieben Engel, sieben Gemeinden, sieben Geister Gottes usw. Auch das Buch Gottes, dessen Johannes in einer Art himmlischem Sitzungssaal ansichtig wird, hat sieben Siegel.

Im Allgemeinen wird das Öffnen der Siegel mit einer Art Zukunftsschau gleichgesetzt, in der nach einigem Hin und Her die (böse) Menschheit untergeht, und die gängigen Interpretationen setzen die Schrecken der einzelnen Siegel mit Plagen gleich, die die Menschheit befallen sollen, bis letztlich das Armageddon und der Untergang alles Bisherigen (vielleicht ein Atomkrieg?) eintritt. Ed Dames, der Projektauswerter des militärischen Remote Viewing der CIA, sah demgemäß in dem Öffnen der Siegel den Ablauf einer Timeline der Menschheit, und die logische Konsequenz der Feststellung, dass wir noch nicht untergegangen sind, war dann auch, dass wir uns zum heutigen Zeitpunkt irgendwo auf dieser Zeitlinie befinden müssen.

Dames quälte sich scheinbar nicht besonders mit der Frage, ob er zu der Zahl von sieben mal zwölftausend Auserwählten gehören würde, die ausgesucht waren, diese Umwälzungen zu überstehen. Ihn interessierte vielmehr, ob er eine Stelle des Ablaufes lokalisieren konnte, an der wir uns jetzt befänden und ob die angesetzten Ereignisse zwangsläufig seien. Vielleicht bestand ja die Möglichkeit, dieser ultimativen Entwicklung zu entgehen, sozusagen den Weg der Buße einzuschlagen. Remote Viewing kam ihm da als Werkzeug dieser Ermittlungen wie gerufen. Oder war es vielleicht umgekehrt?

In seinen Äußerungen zu diesem Thema vertrat Dames nach Ablauf des Jahres 1998 die Ansicht, dass mittlerweile das sechste Siegel geöffnet sei. Die anderen Siegel seien identifiziert, beispielsweise Kriegen, Pest und den Massakern an Unschuldigen zugeordnet. Die Inhalte des sechsten Siegels haben etwas von den Begleitumständen eines Atomkrieges an sich: Erdbeben, verfinsterte Sonne und das Fallen der Sterne vom Himmel.

Dames Zuordnung war aber mehr natürlichen Inhalts: Erbeben, Unwetter und massive Vulkanausbrüche. Es muss zugegeben werden, dass gerade 1998 durch solche Erscheinungen eine unbestrittene Berühmtheit erlangte. Es war das erste Mal, dass sich die Rückversicherungsgesellschaften kaum an ein Jahr mit schlimmeren Naturkatastrophen erinnern konnten, und die wochenlangen Waldbrände auf Sumatra verfinsterten tatsächlich den Himmel und erschwerten das Atmen.