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Das Kaffeeorakel von Hellas | Reihe: 21

Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet dieses Buch in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Andreas Deffner

Das Kaffeeorakel von Hellas

Abenteuer, Alltag und Krise in Griechenland

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IMPRESSUM

Das Kaffeeorakel von Hellas

Reihe: 21

Autor

Andreas Deffner

Seitengestaltung

Größenwahn Verlag Frankfurt am Main

Schriften

Constantia und Lucida Calligraphy

Covergestaltung

www.hasenstein-DISIGN.eu

Coverbild

© Dimitrios Pergialis, EL Politismos

www.griechische-kultur.eu

Lektorat

Michael Fröhlich

Größenwahn Verlag Frankfurt am Main

November 2013

ISBN: 978-3-942223-31-7

eISBN: 978-3-942223-49-2

INHALT

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VORWORT

VORWORT ZUR NEUAUFLAGE

AUF EINEN KAFFEE IN NEFELOKOKKYGIA

Ein inspirierendes Orakel mit Weitblick

KAFFEEPLAUSCH IM ZOBELJÄCKCHEN

Krisenfestes Kolonaki

VON DER SKIPISTE ZUM PILZESAMMELN

Ein Kaffeetassen-Slalom im Pindosgebirge

WASSER, WEIN UND SOPHOKLES

Ein Symposium beim Ökoweinbauern in Nemea

NEUE HEIMAT PERIKLES

Winterliche Olivenernte im Fischerdorf

DIE SÜSSEN GEHEIMNISSE DER ZAGOROCHORIA-DÖRFER

SO VERHEIRATET MAN EIN GASTARBEITERKIND

Ein Interview mit Linda Zervakis

KLEINE OUZOHAPPEN

In der ersten Hauptstadt Griechenlands

GESCHICHTE UND DICHTUNG

Im einstmals einsamen Fischerdorf

DAS VERLORENE PARADIES

Die Waldbrände im Taigetos-Gebirge

VOM SCHWEFELSEE ZUM WEINSANATORIUM »VULKAN«

Fotosafari durch einen ehemals stolzen Kurort

OKTOPUS UND ADONIS

Salaminas Marinespezialitäten: Achtbeiner trifft Sitzfleisch

BEWEGENDES CHALKIDA

Ein »Gastarbeiter« auf dem Weg nach Hause

»COWBOY MAKIS«

Ein Hochlandrinderfarmer auf Wildpferdfang

ARCHÄOLOGISCHER STREIFZUG ENTLANG DER DEFFNERSTRASSE

Auf der Suche nach den Vorfahren

DER TANZ DER TRITONENJÄGER

Die singenden Bergsteiger des Epirus

STARS UND STERNCHEN AUF DER CHALKIDIKI

Interview mit Susan Sideropoulos

MIT GÖTTLICHER HILFE DURCH THESSALONIKI

VOM KAFENEION IN DIE KRISE

NACHWORT

QUELLENANGABEN

TIPPS FÜR EINEN BESUCH IN GRIECHENLAND

REZEPTREGISTER

BIOGRAPHISCHES

KAFFEEORAKEL – LANDKARTE

Für Kristin, Janne, Marek und Lasse

VORWORT

Seit über 15 Jahren ist Griechenland mein erklärtes Lieblingsziel. Ein spannendes Land, mit Jahrtausende alter Geschichte, Wiege der Demokratie, Land der Götter und unendlicher Schönheit. Tiefblaues Meer, weiße Sandstrände, ausgesprochen liebenswürdige und aufgeschlossene Menschen. Land der Philosophen, Genießer und freundlicher Faulenzer. Stundenlanges Herumsitzen im traditionellen Kafeneion prägt das Bild nicht nur in den unzähligen Dörfern und auf den kleinen pittoresken Inseln.

Meinem ehemaligen Kunstlehrer Stefan Geyr habe ich es zu verdanken, dass ich nach dem Abitur in Tolo, einem ehemaligen Fischerdorf auf dem Peloponnes, gelandet bin. Seitdem fesselt mich dieses Land. Und seitdem ist die Familie von Perikles Niotis zu meiner »Zweitfamilie« geworden. So viele Jahre habe ich meinen Urlaub und meine Freizeit bei ihnen in Tolo verbracht, dass ich schon gar nicht mehr genau weiß, wie oft ich eigentlich da war. An was ich mich aber ganz genau erinnere: dass es in all den Jahren immer wieder Geschichten zu erzählen und Dinge zu entdecken gab, die manchmal kurios, ein anderes Mal ulkig und wieder andere Male kaum zu glauben waren. Und weil das Entdecken am besten geht, wenn man selbst geht, habe ich beschlossen, Spaziergänge in Griechenland zu unternehmen. Natürlich mit meinem guten Freund Perikles, aber auch mit vielen anderen, die allesamt spannende Geschichten aus ihren Alltagsleben zu erzählen haben.

So habe ich mit ganz unterschiedlichen Leuten immer wieder neue Seiten Griechenlands kennengelernt. Die pulsierende, moderne Hauptstadt ebenso, wie das antike Athen. Meine Spaziergänge führten mich über abgelegene Wege in der weiten Wildnis fast entvölkerter Gebiete, durch Olivenhaine, über schneebedeckte Bergkuppen oder durch ehemals einsame Fischerdörfer: unendlich faszinierende, idyllische Landschaften. Aber auch die persönlichen Alltagssorgen der Menschen kommen ebenso zur Sprache, wie das Problem der Verödung ganzer Gegenden durch die Landflucht, oder die haarsträubenden Beispiele von Umweltzerstörung und -verschmutzung. Und als das Buch im Frühjahr 2010 fast druckreif auf dem Tisch lag, erfasste die schlimmste Wirtschafts- und Finanzkrise mein geliebtes Griechenland. Auch in Deutschland wurde wochenlang überall über die »faulen Griechen«, die »Betrüger in der Euro-Familie«, wie etwa der FOCUS titelte, berichtet. Meine ursprünglich gewählte Verlegerin stieg Hals über Kopf aus dem Vertrag aus. Mein Griechenlandbuch würde jetzt wohl doch nicht in ihre Reiseberichtsreihe passen. Nicht nur die Medien waren durch die Krise offenbar verunsichert. Glücklicherweise war schnell ein anderer Verlag gefunden, der genau zur richtigen Zeit das Kaffeeorakel publizierte.

Das deutsch-griechische Verhältnis hat durch die Krise einen Knacks bekommen. Umso wichtiger ist es, dass man sich gegenseitig besser kennenlernt. Das vorliegende Buch kann Hilfestellung dabei bieten, den griechischen Charakter und die Probleme des Landes zu verstehen.

Für das Begreifen des Alltagslebens ist es nicht notwendig, die zwanzig bedeutendsten archäologischen Fundstätten zu besichtigen oder alle Ägäisinseln zu besuchen. Fokussierte Ausschnitte können Verhaltensweisen, Kultur, Geschichte und kulturelle Unterschiede viel besser beschreiben als ein Sightseeing-Programm. Ich habe daher bewusst darauf verzichtet, allzu Touristisches aufzusuchen.

Die einzelnen Kapitel widmen sich immer einem Hauptthema. Dabei stehen sie jeweils für sich. Sie müssen nicht in der Reihenfolge von vorne nach hinten gelesen werden. Da Abschweifungen und Anekdoten für die aus deutscher Sicht oft unorganisiert wirkenden Griechen typisch sind, gesellen sich verschiedene Nebenthemen ganz selbstverständlich in die jeweiligen Spaziergänge. Erst das Ganze vollendet das Puzzle »Griechischer Lebensstil«. Ein konstruktives Chaos. Nur wer sich diese ureigene griechische Mentalität immer wieder vor Augen führt, der kann auch das Alltagsleben der Griechen richtig begreifen. Das letzte Kapitel ist der aktuellen Krise geschuldet. Sein Aufbau weicht daher etwas von dem der anderen ab.

Die im Buch genannten Personen sind alle existent. In den meisten Fällen habe ich sie mit ihren tatsächlichen Namen erwähnt. Wer von Ihnen eine dieser Personen trifft, möge ihr bitte schöne Grüße von mir ausrichten. Es sind allesamt ganz außergewöhnlich nette, freundliche und liebenswürdige Menschen. Gehen wir also los!

Andreas Deffner,
Tolo, August 2010

VORWORT ZUR NEUAUFLAGE

Vor Ihnen liegt die überarbeitete und ergänzte Ausgabe meines ersten Griechenlandbuches »Das Kaffeeorakel von Hellas – Abenteuer, Alltag und Krise in Griechenland«. Nach dem großen Erfolg der ersten Ausgabe des »Kaffeeorakels« im Jahr 2010 ist bereits zwei Jahre später der Nachfolger »Filótimo!« erschienen. Die vielen positiven Rückmeldungen zu beiden Büchern haben mich überwältigt. Mit dem »Kaffeeorakel« wollte ich den Lesern das wahre Griechenland zeigen, das Land abseits der stereotypen Tourismus- oder Krisenberichte. Und mit »Filótimo!« habe ich versucht, den Nichtgriechen das ganz spezielle griechische Lebensgefühl näher zu bringen. Beides hat, so meine Eindrücke von den zahlreichen positiven Kritiken, auch ein bisschen zur Völkerverständigung beigetragen. Deutschland und Griechenland haben sich viele Jahrzehnte als großartige Freunde in einem vereinten Europa gezeigt und gefühlt. Warum sollte sich daran ganz plötzlich wegen der Wirtschaftskrise etwas geändert haben?

Unsere Freundschaft hat zuletzt leider etwas gelitten. Die Realität zeigt, dass sich Deutsche und Griechen offenbar doch nicht so gut kennen, wie wir all die Jahre zuvor geglaubt haben. Diese Erkenntnis ist es aber, die uns die Gelegenheit bietet, daran etwas zu ändern. Lernen wir uns gegenseitig besser kennen, dann wird auch unsere Völkerfreundschaft in neuem Glanz erstrahlen!

Die Finanzkrise wird sicher noch eine ganze Weile andauern, aber eines Tages wird sie überwunden sein. Das legendäre griechische Filótimo aber wird die Krise überdauern und vielleicht sogar durch sie gestärkt werden. Und die griechische Leidenschaft für »paréa«, also sich in Gesellschaft füreinander einzusetzen und zu genießen, wird ebenfalls nicht untergehen.

Vielleicht ist gerade die Krise ein guter Anlass, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Sich nicht alleine zu fühlen, sondern in Gesellschaft, in »paréa«, zu sein, gehört auch dazu. Es sind die vielen kleinen Dinge, die dem Leben Sinn geben. Und da hierzu auch Essen gehört, haben wir uns für die Neuauflage dieses Buches ganz bewusst dafür entschieden, jedem Kapitel das dazugehörige Kochrezept anzufügen.

Zudem gibt es ein völlig neues Kapitel aus Nefelokokkygia, einem kleinen Dorf am Meer. Dieser »Spaziergang« unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den übrigen. Nicht nur der Dorfname und die Namen der Protagonisten sind frei erfunden, wir haben uns auch nicht wirklich viel bewegt. Dafür aber hat sich die Geschichte tatsächlich so zugetragen. Und das Schöne an einem echten griechischen Kaffeeorakel ist, dass man sich in »paréa« einfindet, über alles Mögliche orakelt und dabei in sich selbst hineinhört. Dabei vergessen wir nie das Menschliche und versuchen immer den Sinn des Lebens im Blick zu behalten. Und wer sich selbst hinterfragt, der hat auch ein besseres Verständnis für den jeweils anderen.

In diesem Sinne: Kali orexi mit dem Kaffeeorakel, und viel Spaß in Griechenland!

Andreas Deffner,
Potsdam, April 2013

AUF EINEN KAFFEE IN NEFELOKOKKYGIA

Ein inspirierendes Orakel mit Weitblick

Irgendwo in Griechenland. Ich habe vergessen wo. Zumindest behaupte ich das jetzt. Aber irgendwie glaube ich es auch. Oder besser gesagt: Ich befinde mich in Nefelokokkygia, einem kleinen Dorf am Meer.

Es knarzt. Der wacklige Korbstuhl, auf dem ich sitze. Unbeweglich. Ich. Dennoch knarzt er. Und vor mir sehe ich das Meer. Den weiten endlosen Ozean. Er ist zum Greifen nah. Wird das Wasser noch kalt sein? Wahrscheinlich. Es ist Februar und dennoch sitze ich im dünnen Pullover auf der Terrasse.

Wo bin ich?

Griechenland, ja, aber wo?

Die Zeit scheint stehengeblieben in Nefelokokkygia. Und ich sitze. Unbewegt auf diesem Stuhl, von dem der blaue Lack abblättert. Die Sonne wärmt mich. Mitten im Winter wird es hier richtig warm, fast heiß. Es fühlt sich behaglich an, heimisch. Ich träume. Mit geschlossenen Augen blicke ich in die Sonne. Ich fühle, wie ihre Strahlen mich piksen. Die Haut auf den Wangenknochen kribbelt zart. Wird dort das Vitamin D produziert? Mir ist egal, wo ich bin, solange die Sonne mich so verwöhnt. Es fühlt sich an wie Zuhause.

»Ela, o kafés su! – Komm, dein Kaffee!«

Da ist er wieder, dieser spitzbübisch lächelnde Mann, den ich so gut kenne. Wie heißt er? Theofanis? Apostolos? Es ist egal. Bin ich in Trance? Ich nenne ihn Sokratis. Er bringt zwei Kaffee in kleinen Tässchen. Echter griechischer Mokka. In Regenbogenfarben glitzern die winzigen Schaumbläschen auf der Oberfläche. Feiner, weißer Dampf steigt auf. Habemus Kafedes!

Die alte Möwe Stavros schreit urplötzlich am wolkenlosen Himmel über dem wellenfreien Meer. Warum schreit sie so laut? Immer wenn ich diese Möwe sehe, muss ich an einen alten Freund denken. Verschollen! Wo mag er sein? Sokratis nippt zaghaft am Mokkatässchen. Er sieht mich über den Rand seiner Brille an. Ob sich der Kaffeesatz schon ausreichend gesetzt hat?

Es knarzt. Wieder dieser Stuhl. Obwohl ich sitze, und zwar immer noch unbewegt. Nur meine Augen wandern über die laubfroschgrüne Hügellandschaft. Saftig-frisch wie im Böhmerwald. Ich muss unwillkürlich an dieses alte tschechische Sprichwort denken, das mir so gefällt: »Kaffee darf sich setzen, Tee muss ziehen.«

Bin ich Kaffee oder Tee? Ich liebe Kaffee! Aber? Ich nippe. Der Mokka ist heiß, der Schaum schmeichelt meinen fast geschlossenen Lippen. Ich sauge den Mokka ein. Habe ich mich bewegt? Es duftet. Der frisch gebrühte Kaffee, die blühenden Geranien auf der Terrasse und die Küchenkräuter, in dem zu einem Blumenpott umfunktionierten alten, blechernen Olivenölkanister, zaubern ein Aromapotpourri in die Frühjahrsluft. Ein Zitat von Honoré de Balzac kommt mir in den Sinn: »Der Kaffee kommt in den Magen, und alles gerät in Bewegung; die Ideen rücken an wie Bataillone der Grand Armeé auf einem Schlachtfeld.«

Der Mokkarest, der am Rand des Tässchens hängengeblieben war, zieht an der Außenseite eine Nase.

»Sokrati, gibt es hier bei euch im Dorf nicht noch eine echte Kafetsoúda, eine Kaffeesatzleserin?«, frage ich spontan, meinem Geistesblitz freie Bahn lassend.

Sokratis überlegt. Seit mehr als 50 Jahren ist dieses Dorf sein Zuhause. Es wird sicher eine alte Frau geben, die mir als Orakel dienen kann. Und wer, wenn nicht Sokratis, sollte sie kennen?

»Hm – so ein typisch altes Mütterchen gibt es hier in Nefelokokkygia nicht mehr«, denkt Sokratis laut vor sich hin, während auch er nun aufs Meer blickt. »Aber ...« – und jetzt sieht er mich ernst an – seine Stimme klingt fest und geheimnisvoll, »Lambros, der Besitzer vom Café Tulpe, ist ein echter Hellseher! Hast du schon mal Gäste in seinem Café gesehen?« Sokratis schaut fragend zu mir.

»Äh, nein«, antworte ich zögerlich.

»Siehst du! Von dem Kafeneion alleine könnte er nicht leben. Aber mit seinen Wahrsagungen macht er Geld. Und zwar reichlich. Ich ruf Isidoros an. Er kennt Lambros gut.«

Sokratis läuft ins Haus und erscheint bereits kurz darauf wieder auf der Terrasse.

»Isidoros kommt gleich rüber. Ich mach ihm schon mal einen Kaffee. Trinkst du auch noch einen?«, fragt er.

»Gerne!«

Sokratis ist gerade in der Küche verschwunden, um am Gaskocher den Mokka zu brühen, da erscheint plötzlich Nikodemos. Bis vor wenigen Jahren hat er als fliegender Händler gearbeitet. Dann kam die Krise und mit ihr das finanzielle Aus für sein Geschäft. Aber die kleine Rente, die er seit kurzem bezieht, genügt ihm. Wir kennen uns seit vielen Jahren und begrüßen uns dementsprechend herzlich. Schnell werden Neuigkeiten ausgetauscht und dann warten wir auf Sokratis, der schon bald mit einem Tablett zurückkehrt, auf dem vier Mokkas darauf warten, getrunken zu werden. Fast zeitgleich schlendert nun auch der vollbärtige, pyknische Lazaros heran. Sokratis hatte ihn aus der Kaffeeküche die Straße herabkommen sehen und gleich noch einen Mokka mehr aufgebrüht. Auf Lazaros’ Nase sitzt eine dicke dunkle Hornbrille mit großen runden Gläsern. Auch er ist im Rentenalter und oft verabredet er sich mit Nikodemos hier bei Sokratis zum Kaffee. Heute haben sie sich frische Sesamkringel vom Bäcker an der Ecke besorgt, die wir nun alle gemeinsam beim Kaffee als Frühstückchen knabbern. Lazaros erzählt noch von seinem gestrigen Jagdausflug, bei dem sie einige große Vögel geschossen hatten, da erscheint auch bereits der angekündigte Isidoros. Er nimmt hastig die drei Stufen zur Terrasse, sieht unsere Runde und wedelt sofort fröhlich winkend mit den Armen. Großgewachsen und schlank ist er, und gut zehn Jahre jünger als die beiden Rentner. Sein dunkles, schütteres Haar flattert hin und her, während er aufgeregt fragt, wie er mir helfen kann. Nikodemos und Lazaros blicken fragend zu mir, und so berichte ich der versammelten Runde:

»Wisst ihr, mein Buch ›Das Kaffeeorakel von Hellas‹ soll als Neuauflage erscheinen. Und bei der Gelegenheit dachte ich mir, ich könnte ja auch ein Kapitel über eine echte Kafetsoúda ergänzen.«

Zustimmendes, nachdenkliches Nicken in der Kaffeerunde.

»Es gibt aber nicht mehr so viele, wie du vielleicht glaubst«, sagt Lazaros plötzlich.

»Ja, es ist schwierig, eine zu finden. Mir fällt spontan auch niemand ein«, ergänzt Nikodemos.

»Deshalb ist Isidoros hier!«, sagt Sokratis mit Stolz geschwellter Brust.

Nikodemos und Lazaros biegen sich vor Lachen und halten sich die Bäuche. »Seit wann kann der denn hellsehen? Er tippt ja nicht mal beim Fußballtoto richtig.« Und wieder ist ihr fröhlich-neckisches Lachen weit zu hören.

»Ich dachte an Lambros«, unterbricht Sokratis das Gejohle der lustigen Runde, die abrupt aufhorcht. »Isidoros kennt ihn doch so gut, da dachte ich ...«

»Aber warte mal, du suchst einen Kaffeesatzleser?« Isidoros schaut mich fragend an.

»Ja, das wäre prima«, sage ich.

»Dafür ist Lambros aber definitiv der Falsche. Er kann in die Zukunft sehen, ja. Darin ist er ein wahrer Meister. Aber er liest dir aus der Hand oder er schaut in seine Glaskugel. Kaffeesatzlesen kann er aber gar nicht. Ich glaube, das hat er noch nie gemacht.« Isidoros schaut entschuldigend zu mir.

»Vielleicht brauchen wir ihn gar nicht.« Nikodemos grinst mit einem spitzbübischen Lächeln. »Lazaros ist auch nicht schlecht im Kaffeesatzlesen. Er hat sich so einiges bei seiner Frau abgeguckt«, sagt er.

Ich muss an ein Zitat denken, dass dem amerikanischen Schriftsteller Mark Helprin zugesprochen wird: »Der Voodoopriester mit all seinen Pülverchen ist ohnmächtig im Vergleich zu Espresso, Cappuccino und Mokka, die stärker sind als alle Religionen der Welt zusammen – vielleicht sogar stärker als die menschliche Seele selbst.«

»Eigentlich ist es ganz einfach«, sagt Sokratis. »Es ist auch gar nicht so wichtig, was am Ende rauskommt. Es geht vielmehr darum, sich gemeinsam zu unterhalten, seine Fantasie spielen zu lassen und dabei ein Orakel zu entwickeln.«

Jetzt blicke ich skeptisch in die vier euphorischen Gesichter meiner Mokkapartner.

Kaffeesatzlesen ist seit vielen Jahrhunderten Tradition in Südosteuropa. Seine Ursprünge hat diese Art des Orakels, das auch als Kaffeedomantie bekannt ist, im Orient. Ein florentinischer Wahrsager soll sie erstmals im 17. Jahrhundert erwähnt haben. Viele Kaffeesatzlesemeister soll es noch immer geben und entsprechend ernsthaft betrachten viele diese spirituelle Technik. Vielleicht nicht ganz so streng nimmt es meine Kaffeerunde offenbar. Auch wenn Lazaros mit seinem wuscheligen, weißen Vollbart vertrauenswürdig aussieht, so ist doch fraglich, ob er ein echtes Orakel ist.

»Hör mal«, sagt er empathisch zu mir. »Ich kann dir gerne aus deiner Kaffeetasse lesen, aber ich gebe keine Gewähr. Und: Es ist vielleicht besser, wenn du mich nicht namentlich in deinem Buch nennst.«

Auch Nikodemos mischt sich nun ein: »Wenn man seine Fantasie richtig einsetzt und daran glaubt, was man meint im Kaffeesatz zu sehen, dann ist es immer richtig. Man kann so handeln, dass man eventuell seine Zukunft positiv beeinflusst.«

Ich sehe in nickende Gesichter.

Sokratis ergänzt sodann: »Weißt du, man sagt, im Kaffeesatz gibt sich das Unterbewusstsein zu erkennen. Man braucht also nur jemanden, der die Zeichen deuten kann. Mit Hexerei hat das also nichts zu tun. Es geht vielmehr um dein eigenes Ich.«

Und wieder zustimmendes Nicken.

»Na gut, versuchen wir es«, sage ich. »Ich werde euch einfach fiktive Namen verpassen und euer schönes Dorf benenne ich auch um. So bleibt ihr unerkannt. Daran soll es nicht scheitern.«

Und Sokratis entgegnet: »Unser Dorf ist ja eigentlich auch prädestiniert für spektakuläre Weissagungen. Hier leben doch mehr uralte Greise als in Delphi. Und sieh dir nur Lazaros an. Sieht er nicht aus, wie das perfekte Kaffeeorakel-Urgestein?«

Mein pyknisches, vollbärtiges Orakel scheint geschmeichelt, und es lächelt. Ich sehe auf das hinter dem urigen Bart versteckte unvollständige Gebiss mit den schiefen, kleinen, vom regelmäßigen Kaffeegenuss gebräunten Zähnchen. Erhaben bewegen sich nun die Lippen: »Bring uns eine Serviette!«

Lazaros bereitet sich auf seinen Auftritt vor, während Sokratis nach dem gewünschten Papierhandtüchlein eilt.

Gebannt schaut das Orakel-Team zu, wie ich meinen Mokka trinke. Knisternde Spannung liegt in der Luft. Stille. Nur mein Schlürfen ist zu hören. Sonst nichts.

»Pass auf, trink es nicht ganz leer! Ein bisschen restliche Flüssigkeit muss noch in der Tasse bleiben.«

Ich tue, wie mir geheißen.

»Jetzt schau genau in die Tasse. Schwenke sie dreimal im Kreis, damit die Neige den Kaffeesatz aufwirbelt.«

In sanften Schwüngen kreist das Tässchen über dem Tisch.

»Jetzt umdrehen! Hier, auf das Untertellerchen mit der Serviette darauf.«

Gesagt, getan, das Tässchen landet kopfüber auf der Untertasse und über uns schreit zeitgleich die alte Möwe Stavros. Ich blicke erschrocken zum Himmel. Der greise Vogel kreist über unseren Köpfen. Drei-, viermal, dann ist er urplötzlich verschwunden. Wie vom Himmel verschluckt.

Lazaros dreht sich zu mir. Er packt mich am Arm. Ernst. Wie ein hypnotisiertes Medium redet er mit mir. Dabei, so sagt man, bedürfe es keiner magischen Fähigkeiten beim Kaffeesatzlesen. Etwas Einfühlungsvermögen und Erfahrung im Umgang mit den möglichen Symbolen im Kaffeesatz genügen. In den Jahrhunderten der praktischen Anwendung der Kaffeedomantie haben sich bei den professionellen Kaffeesatzlesern Interpretationshilfen für die unzähligen Bilder herausgebildet, die sich in den Tassen bilden.

Lazaros sagt, ich solle jetzt warten, mich konzentrieren.

»Nicht ablenken lassen! Bis sich der Kaffeesatz ordentlich gesetzt hat.«

Das würde jetzt etwa fünf bis zehn Minuten dauern. Angespannte Stille. Ein spannungsgeladenes Nichts. Wie in einem abgedunkelten Raum einer runzeligen Wahrsagerin.

Und dann: »Jetzt dreh sie wieder um!«

Ich blicke in die Mokkatasse. Der Kaffeesatz hat sich raumgreifend im Tasseninneren verteilt.

»Was siehst du?«, fragt Sokratis.

»Hm, eigentlich nichts.«

»Du musst dich konzentrieren. Höre in dich hinein. Lausche deinen Gefühlen. Lass dich tragen und mitnehmen, dann siehst du klarer.« Lazaros blickt neugierig zu mir.

Der Kaffeesatz hat sich in der Mitte zu einem großen gleichmäßigen Klumpen zusammengeformt. Aus ihm greifen armähnliche Formen in Richtung Tassenrand. Ich meine, Finger zu sehen. Gerade und wellenförmige Linien, mit Kreisen und Punkten. Die Form des Kaffeesatzes wird mir von Sekunde zu Sekunde vertrauter. Ich flüstere: »Eigentlich sieht es aus wie die Landkarte von Griechenland.«

Lazaros Augen leuchten. Er nimmt mir die Tasse aus den Händen und blickt geheimnisvoll in den Prütt. Er besieht sich alles aus nächster Nähe. Die Nase steckt fast im Tässchen. Dann platziert er das Objekt der Begierde mittig vor uns auf dem Tisch.

»Ich sage dir, was ich sehe ... vor dir liegt eine lange ... ja, da ist sie, eine sehr lange Reise ...«

Wer jetzt Lust bekommen hat, auch einmal aus dem Kaffeesatz zu lesen, der findet hier das Rezept für einen echten griechischen Kaffee, so wie ihn Sokratis macht. Und natürlich ist auch gleich die Anleitung zum Kaffeesatzlesen dabei:

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›Griechischer Mokkakaffee‹

Ellinikós kafés – Eλληνικός καφές

Zutaten für 2 Personen, weil man immer in »paréa« Kaffee trinkt:

3 TL Mokkakaffee, 2 TL Zucker, 2 Mokkatassen Wasser.

Utensilien: Briki – das langstielige Mokkatöpfchen, Gas-Stövchen bzw. Gas-Kocher, Mokkatassen mit Tellerchen.

Zubereitung:

Mischen sie im Briki Kaffee und Zucker und fügen Sie das Wasser dazu. Unter ständigem Rühren mit einem Löffelchen bringen Sie den Inhalt des Briki auf dem Gaskocher zum Kochen. Sobald sich das Wasser erwärmt hat und der Zucker gelöst ist, das Löffelchen entnehmen und den Kaffee vorsichtig langsam kochen. Aufpassen: Der Kaffeeschaum kommt hoch – wie die Milch beim kochen! Sobald der Kaffee den Rand des Brikis erreicht hat, das Briki vom Kocher nehmen. Wenige Sekunden abkühlen lassen, bis der Schaum etwas abgesackt ist. Dann das Briki wieder auf den Kocher setzen und erneut aufkochen, bis der Schaum wieder bis an den Rand hochsteigt. Jetzt erst verteilen Sie den Kaffee schluckweise abwechselnd in beide Mokkatassen. Dabei darauf achten, dass zunächst etwas von dem blasenartigen Schaum gerecht auf beide Tassen verteilt wird.

Auf der Oberfläche der Mokkatasse hat sich der Schaum gebildet. »Kaimáki« nennen es die Griechen und das ist ein ›Muss‹, ein Zeichen, dass Sie einen guten griechischen Mokka gekocht haben.

Servieren Sie den Mokka stets mit einem kalten Glas Wasser.

Orakel-Tipp:

Kaffeesatzlesen ist in Griechenland sehr beliebt. Natürlich macht er mehr Spaß, wenn mehrere Personen anwesend sind. Probieren Sie es selbst! So wird es gemacht: Nachdem Sie den Kaffee Schluck für Schluck getrunken haben, merken Sie, dass Kaffeesatz in der Tasse übrig bleibt. Trinken Sie nicht die gesamte Flüssigkeit, sondern lassen Sie einen Rest übrig, damit der Kaffeesatz vermischt werden kann. Durch Rütteln und Hin- und Herbewegungen der Tasse, verteilen Sie den flüssigen Kaffeesatz im gesamten Innenraum der Tasse. Wenn Sie zufrieden mit der Verteilung des Kaffeesatzes und den entstandenen Mustern sind, stürzen Sie den übrigen Kaffeesatz auf das Tellerchen, so dass der gesamte Inhalt abtropfen kann. Halten Sie die Tasse kopfüber und stellen Sie sie auf eine Serviette zum »Trocknen« beiseite. Nach ca. 5 Min. sollte der Kaffeesatz nicht mehr tropfen. Erst jetzt ist die Tasse bereit zum Umdrehen und das Kaffeesatzlesen kann beginnen. Studieren Sie ihre »gemalte« Tasse in Ruhe und lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Interpretieren Sie das, was Sie sehen: Tiere, Buchstaben, Zahlen, Figuren, Gegenstände, Gesichter, Länder. Stricken Sie Geschichten dazu und werden Sie so zum Orakel. Viel Spaß dabei!

KAFFEEPLAUSCH IM ZOBELJÄCKCHEN

Krisenfestes Kolonaki

Kolonaki heißt Athens kleines Nobelviertel, mitten im Herzen der Stadt. Hier zwischen dem Vassilissis-Sofias-Boulevard und dem Lykabettoshügel erstreckt sich das teure Szeneviertel, in dem sich die Schönen und Reichen, und die, die das noch werden wollen, treffen. Edle Schuhgeschäfte, gepflegte Stadthäuser, teure Boutiquen und schicke Cafés reihen sich aneinander. Geschäftsleute, Politiker, Schauspieler: Die Straßencafés sind überfüllt mit illustren Prominenten. Hier in Kolonaki bin ich mit der berühmten griechischen Schriftstellerin Lena Divani zum Kaffee verabredet. Im Café »Da Capo«. Wo sonst! Es ist DAS In-Café und nur hier treffen sich die wirklich prominenten und reichen Athener.

Das Kaffeetrinken ist essentieller Bestandteil des griechischen Lebens. »Páme ja kafé – Gehen wir einen Kaffee trinken« bedeutet dabei sehr viel mehr, als nur das Trinken eines Getränks. Es ist gleichbedeutend mit dem Erledigen wichtiger geschäftlicher Dinge. Ein soziales Ereignis und zugleich Unterhaltung und Zeitvertreib. Anders gesagt: eine griechische Leidenschaft. Ich behaupte sogar, dass ein normales Leben in Griechenland ohne die Teilnahme an der Kaffeekultur gar nicht möglich ist. Den Mietvertrag für meine erste Athener Wohnung unterschrieb ich beispielsweise beim Kaffee.

Damals, 2003, war ich für einige Wochen zu einem Praktikum im griechischen Gesundheitsministerium in Athen. Ich war froh, leicht und unbürokratisch eine kleine, zentral gelegene Wohnung gefunden zu haben. Und zu meiner Überraschung fuhr mich mein Vermieter nach der Vertragsunterzeichnung auch noch in bester Laune und laut gegen den dichten Verkehr anbrüllend auf seinem Moped durch die Stadt. Ohne Helm versteht sich! Die Griechen legen eben besonderen Wert auf eine offene und allzeit gesprächige Art. Und dabei ist das In-Gesellschaft-Sein – die »Paréa« – stets präsent. Daher gehört das Kaffeetrinken zum griechischen Alltag ebenso selbstverständlich dazu wie Essen und Schlafen.

Der Taxifahrer, den ich nach dem »Da Capo« frage, deutet in Richtung der Platia–Kolonakiou. Die »Platia – der Platz« ist überall in Griechenland ein Zentrum, ein Ort, an dem man sich trifft. In den Dörfern ist sie meist das kulturelle Zentrum. Hier gibt es das einzige oder gleich mehrere Kafeneions, die typischen griechischen Kaffeehäuser. Sind die echten Dorfkafeneions oft rauchgeschwängerte, karge Räume mit ausschließlich männlichen Gästen, so zeigen sich die modernen Cafés heute oft besonders schick oder extravagant eingerichtet und generationen- und geschlechterübergreifend besucht. Als ich mich vom Taxi bereits auf den Weg zum Kolonaki-Platz mache, ruft mir der Fahrer noch hinterher: »Das ist aber ein verdammt teures Ding!«

Teuer hin, teuer her, wir sind in Griechenland und da darf ein Kaffee in schicker Umgebung auch gerne 5 € oder sogar weit mehr kosten. Man gönnt es sich. Zumindest diejenigen, die es angesichts der wirtschaftlich schwierigen Lage noch können. Zum Kaffee bleibt der Grieche nicht vor der heimischen Filterkaffeemaschine, so er denn überhaupt eine hat, sondern er geht raus, mit Freunden in eines der zahlreichen Kafeneions, in eine der vielen, auch hier wie Pilze aus dem Boden schießenden Schnell-Imbissbuden mit integrierten Kaffeeecken oder in eines der modernen Cafés oder in Bars.

Kaffee ist omnipräsent. Sogar auf den Athener Hauptverkehrsstraßen wird er im Sommer an roten Ampeln verkauft. Dann schwärmen die fliegenden Händler aus, klopfen an die geschlossenen Scheiben der klimatisierten Autos, oder sie reichen ihren Kaffee gleich durch die geöffneten Fenster der Altwagen ohne Klimaanlage in das staubig-schwitzige Wageninnere. In den heißen Sommermonaten ist Kaffee-Frappé ein beliebter Begleiter auf den verstopften Athener Straßen. Der legendäre griechische Eiskaffee aus aufgeschäumtem Instantkaffee ist wegen seines festen Schaums bestens geeignet, während der Autofahrt getrunken zu werden. Es schlabbert nichts! Er wird dabei in verschiedenen Varianten angeboten. »Sketo – ohne Zucker«, »metrio – mittelsüß« und »glykó – süß«. Zusätzlich wählt man, ob er »me gála – mit Milch«, oder »horís gála – ohne Milch«, oder auch »me polí gála – mit viel Milch« serviert werden soll. An der Ampel kostet er meist nicht mehr als einen Euro. Dieser bleibt sicherlich immer unversteuert.

Das »Da Capo« liegt abseits der großen Hauptverkehrsstraßen. Hier in Kolonaki schmeckt der Kaffee edler, er ist allerdings auch ungleich teurer als der Straßen-Frappé. Im »Da Capo« trifft man sich nach dem Einkaufsbummel mit Freunden oder Geschäftspartnern, oder bevor man die Nacht zum Tag macht. Jetzt am Freitagnachmittag platzt das Exklusivcafé aus allen Nähten. Draußen gibt es schon keinen Sitzplatz mehr, ähnlich sieht es im Inneren aus. Viele Damen und Herren, die jüngere und ältere Schickeria, drängen sich in dem kleinen, schmalen und völlig verrauchten Raum. Ganz hinten in einer Ecke entdecke ich an einem kleinen runden Stehtisch Lena, die es sich bereits bei einem Cappuccino und einer Zigarette gemütlich gemacht hat. Freudig begrüßen wir uns in der Enge des Szenecafés. Lena bestellt mir einen Cappuccino, während ich meine Jacke aufhängen will. Dabei gerate ich im dichten Gedränge ins Straucheln und verbrenne beinahe sowohl meinen Mantel, als auch den teuren Anzug des ausgezeichnet gekleideten, älteren Herren am Nebentisch mit der von ihm geschmauchten, riesigen und sicherlich sündhaft teuren Zigarre. Mit einem Lächeln und Achselzucken nimmt er den Zusammenstoß gelassen hin. »Den pirázi – Macht nichts!«, sagt er.

Man ist entspannt in Kolonaki und genießt lieber den guten Kaffee, als sich über irgendwelche Belanglosigkeiten zu ärgern. Nicht nur deshalb liebt Lena das Leben in ihrem Viertel. Sie wohnt zwar nicht hier, arbeitet aber ganz in der Nähe und verbringt dementsprechend viel Zeit in diesem hübschen, kleinen Stadtviertel mitten in Athen. Lena Divani liebt die griechische Hauptstadt, liebt ihr Leben im Getümmel der Fünf-Millionen-Metropole. Neben ihrer erfolgreichen schriftstellerischen Tätigkeit ist sie zugleich Professorin der Geschichte der Internationalen Beziehungen an der juristischen Fakultät der Universität Athen. Außerdem sind nicht nur ihre Romane und Erzählungen in ganz Griechenland sehr beliebt, sondern auch ihre Theaterstücke. Sie ist umtriebig, lustig und lebensfroh. Und sie erzählt mir, dass sie so chaotisch sei, wie das Leben in Athen – sie schreibe ständig und parallel an verschiedenen neuen Buchprojekten und Theaterstücken.

Daneben hat Lena auch in ihrem Job als Professorin eine Menge um die Ohren. Die im zentralgriechischen Volos geborene Vollblut-Athenerin braucht das, wie mir scheint. Die große, schlanke Mittvierzigerin sprüht vor Elan und Witz. Sie ist ein echtes Energiebündel und wirkt mit ihrer dunklen Kurzhaarfrisur und dem stets zu lächeln scheinenden Mund deutlich jünger. Sie erzählt, dass sie nie wirklich eine eigene Familie haben wollte, um frei dafür zu sein, was ihr ganz besonders wichtig ist: immer dann in ein Café gehen zu können, wenn sie Lust darauf hat, sich zu amüsieren und zu entspannen. Dass das in Athen besonders gut geht, steht außer Frage. Lena steht für den modernen, emanzipierten Frauentyp, der in Griechenland zunehmend anzutreffen ist. Hatten früher in Griechenland noch die Männer »die Hosen an«, wandelt sich seit einigen Jahren die Gesellschaft zusehends.

Mein Freund Georgios aus Athen hatte mir erst kürzlich erzählt, dass viele seiner Freunde gerade geschieden werden. »Weil die Männer zu faul sind, schmeißen ihre Frauen sie raus.«

Frauen wie Lena scheinen in einer Zwickmühle zu leben, denn Familie und Kinder sind in Griechenland immer noch sehr bedeutend. In Umfragen nennen es über 80 Prozent der befragten Griechen als wichtigste Werte. Doch mit dem modernen Leben in Athen ist ein traditionelles Familienleben schwer zu vereinbaren – zunehmend aber auch wegen der Finanzkrise.

Lena hat einen weiteren Cappuccino bestellt. Genüsslich nippt sie am feinen Milchschaum: »In Europa gibt es eigentlich nur vier Städte, in denen ich leben könnte. Neben Athen sind das Berlin, London und Madrid. In genau dieser Reihenfolge!« Lena mag Städte, in denen das Leben pulsiert, so wie hier in ihrer Kaffee-Hauptstadt. All die vielen anderen Städte könnten nicht mithalten. »In Rom essen die Menschen mittags«, sagt Lena, »aber ab acht Uhr abends ist die Stadt im Vergleich zu Athen tot.« In der griechischen Hauptstadt hingegen gehe das Leben dann erst richtig los. »In Athen ist es immer voll.«

Aber auch Lena braucht offenbar manchmal Entspannung von der alltäglichen Hektik – und auch Abstand von der Entspannung im Café. Gerne unternimmt sie dann Trekkingtouren. Sie liebt es zu laufen, spazieren zu gehen oder gemütlich zu bummeln. Deshalb hat sie auch kein Auto. Sie findet es merkwürdig, dass Griechen grundsätzlich mit ihren Autos überall hinfahren, auch wenn das Ziel nur zwei Minuten entfernt ist. Immer wenn ihre knappe Zeit es zulässt, läuft sie daher zu Fuß von ihrer Wohnung im Stadtteil Maroussi ins Zentrum. Das dauert dann gut und gerne eineinhalb Stunden, aber die Bewegung ist es ihr Wert, und in Athen hat man auch immer das Gefühl, in Gesellschaft zu laufen. Im Auto hingegen, so Lena, sei man alleine, und gerade das mögen die Griechen eigentlich gar nicht. »Autos machen Menschen zu Sklaven!«, sagt sie. Im Bus und auf der Straße hingegen sehe man das Leben.

Wir haben uns beim Kaffee so ausführlich über das bewegte Athen unterhalten, dass ich es mir nun gerne ein bisschen zeigen lassen möchte. Allerdings meint Lena: »Was soll ich dir denn zeigen? Mein Leben ist hier! In den Cafés, den Tavernen, na ja, und in dem Drumherum dieser lebendigen Stadt.« Gerade das will ich mir ansehen, und so verlassen wir das »Da Capo« und wenden uns nach links. Vom Kolonaki-Platz aus geht es die Tsakalof-Straße entlang. Hier reihen sich Cafés an Cafés. Eines voller als das andere. »Eine echte Caféstraße eben«, wie Lena bemerkt. Einige hundert Meter weiter zeigt sie nach rechts: »Das ist die Straße, wo man zu Mittag isst.« Ich finde es faszinierend, wie die Griechen versuchen, ihr alltägliches Chaos dadurch zu ordnen, dass sie sich Caféstraßen, Mittagessengassen und Flanierboulevards schaffen. So spezialisiert finden sie viel einfacher auch die Cafés und Tavernen, die gerade angesagt sind. Die Griechen lieben es, in volle Cafés zu gehen, leere Lokale bleiben daher meist leer.

Im weiteren Verlauf unseres Kolonaki-Spaziergangs kommen wir in der Skoufá-Straße an einem gemütlich und einladend aussehenden Kafeneion vorbei. Lena erklärt mir, dass es sich beim »Filion« um eines der ältesten Cafés der Stadt handelt. Offenbar immer noch in, denn gut gefüllt ist es hier. Ein Besuch erscheint mir angebracht, aber ein anderes Mal, denn wir sind erst wenige Minuten vom »Da Capo« entfernt. Während wir weiter durch »Lenas Viertel« schlendern, kommen wir an vielen kleinen Buchhandlungen vorbei, alte wie neue. »Wir sind im Buchhandlungsviertel!«, bemerkt die Schriftstellerin an meiner Seite freudestrahlend. Der Dreiklang aus Spazierengehen, Kaffee und Büchern ist ihr ganz wichtig. Sie zeigt auf einen kleinen Laden auf der anderen Seite der Solonos-Straße: »Das hier ist eine der ältesten Buchhandlungen in Athen.«

Die Buchhandlung »Estia« existiert seit 1885. Damals war Athen noch eine kleine, überschaubare Stadt mit weniger als 90.000 Einwohnern und Kolonaki bereits als literarisches Zentrum gefragt. Lena ist in der Buchhandlung gut bekannt. In dem mit Regalen und zum Teil ungeordneten Bücherstapeln vollgestellten Laden, lässt es sich gut stundenlang stöbern. Wer lange sucht, oder einfach eine der freundlichen Verkäuferinnen fragt, der findet hier alte Bildbände ebenso wie den neuesten Roman von Lena Divani. Ich beschließe, sehr bald einmal wiederzukommen, um mich hier mit neuen Büchern einzudecken. Doch für heute bleibt es bei einem kurzen Abstecher ins »Estia«.1

Kurz darauf spazieren wir wieder durch Kolonaki, vorbei an schicken Cafés, modernen Galerien und sündhaft teuren Designergeschäften. Unser Bummel endet, wie es sich für einen echten Rundkurs gehört, wieder am zentralen Platz des Viertels, an der Platia–Kolonakiou. Lena erzählt mir gerade noch, dass ihr an Athen so gut gefällt, dass hier »alles geht«. Für Jeden, sagt sie, ob arm, ob reich, ob Manager oder Arbeitsloser: Jede und Jeder könne etwas aus sich machen. Das ist grundsätzlich sicher richtig, doch funktioniert in Griechenland vieles eben nur dann, wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt ... Die viel zitierte Vetternwirtschaft treibt zum Teil bizarre Blüten: Wer einen Job sucht oder ein anderes Anliegen hat, der trifft sich gerne mal mit dem einen oder anderen Abgeordneten zum Kaffee und verspricht ihm als Gegenleistung für seine Kooperationsbereitschaft seine Stimme bei der nächsten Wahl.

Kolonaki ist das Ziel für alle erdenklichen Ideen und für Menschen jeglicher Couleur. Es steht für Erfolg, für Ansehen und Macht. Gerade daher war es auch häufiges Ziel von Anschlägen rund um die Unruhen im Dezember 2008. Auslöser der tagelangen gewalttätigen Auseinandersetzungen von autonomen und linksgerichteten Gruppen mit der Polizei war der Tod eines 15-Jährigen im angrenzenden Stadtviertel Exárchia. Der Junge wurde von einer Polizeikugel getroffen. Es blieb unklar, ob es ein gezielter Schuss oder ein tragischer Querschläger war. Die beteiligten Polizisten gaben später an, dass sie während einer Streife von Autonomen angegriffen worden seien. Andere sprachen von gezieltem Mord.

Exárchia gilt als Hochburg der autonomen Szene, als Künstlerviertel, und während der griechischen Militärdiktatur von 1967 bis 1974 war es das Zentrum des Widerstands. Heute gilt der Widerstand dem Kapitalismus und der Globalisierung. Nach dem Tod des 15-Jährigen in Exárchia bahnte sich die Unzufriedenheit der jungen Generation ihren Weg auf die Straße. Es kam zu blutigen Straßenschlachten: Schaufensterscheiben splitterten massenweise, Bankfilialen, Geschäfte und Polizeiwagen gingen in Flammen auf. Jugendarbeitslosigkeit, schlechte Bildungschancen, miserable Ausstattungen an den Schulen und Universitäten: düstere Aussichten für die Zukunft. Gerade Studenten und arbeitslose Jugendliche fühlen sich abgehängt und von der Politik im Stich gelassen. Viele haben die Nase voll von der manchmal grotesken Vetternwirtschaft. Die damalige Regierung wurde inzwischen abgewählt, in Exárchia brennt es nicht mehr. Dennoch ist die Lage, nicht nur dort, nach wie vor angespannt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise ist deutlich zu spüren. Und nebenan, im schicken Kolonaki, treffen sich die Reichen und Neureichen weiterhin zum Kaffee.

Doch das moderne Kolonaki stößt auch an seine Grenzen. Es läuft nicht mehr alles rund am symbolischen Ort des Athener Erfolgs. Lena erzählt, dass die Platia–Kolonakiou vor einiger Zeit mit viel Geld umgestaltet wurde. Der gesamte Platz, der von engen Straßen umsäumt wird, wurde erneuert, er wurde »modernisiert«. Früher sei es hier immer voll gewesen. Man traf sich auf der ebenen Plateia, die mit vielen schattenspendenden Bäumen bepflanzt war. Hier suchten sich die Passanten ein freies Plätzchen auf den zahlreichen Bänken. Heute ist der Platz fast leer. Die Menschen meiden die jetzt graue, und im Sommer unerträglich heiße, Betonoase. Sie weichen lieber auf die Cafés und Geschäfte an den Außenseiten des Platzes aus, zum Beispiel das »Da Capo«. Der mit verschiedenen Stufen und Kanten gestaltete innere Teil des Kolonakiplatzes wirkt unwirtlich inmitten dieses pulsierenden Viertels. Modern sollte es werden, zu Beginn des Zweiten Jahrtausends ein architektonischer Erfolg. Doch die kühle Optik des Betons versprüht wenig Charme, stattdessen im Sommer brütende Hitze. Auch in Deutschland hat es in den Siebziger- und Achtzigerjahren eine Reihe von Bausünden gegeben, die dem Betonmischerboom geschuldet waren. Und Lena sagt, dass Griechenland immer wieder gerne nach Deutschland schiele, wenn es darum geht, neue Modetrends zu übernehmen. Vor Jahrzehnten habe diese »moderne« Architekturwelle Deutschland erreicht, jetzt schwappe sie nach Griechenland. »Jetzt verbauen wir endlos Beton.«

Wollen wir nur hoffen, dass es nicht weitere Jahrzehnte dauert, bis die griechischen Entscheider entdecken, dass nicht jeder moderne Architekturtrend auch den Wohn- und Lebenswert erhöht. Denn wie schön wäre es gewesen, den Kolonakibummel auf dem Platz unter alten Bäumen im Schatten ausklingen zu lassen. So gesehen, könnte die Finanzkrise auch etwas Positives haben.

Ich verabschiede mich in guter Stimmung und mit vielen neuen Eindrücken nach einem sehr unterhaltsamen Nachmittag von Lena. Wir verabreden uns, einen so netten Kaffeebummel auf jeden Fall zu wiederholen. Es gibt hier noch so viel zu sehen, zu erleben, zu entdecken. Athen ist eine unendlich einladende Spaziergangstadt, in deren Ecken, Gässchen, Plätzen und Winkel es ständig etwas Neues aus dem Alltag der Athener zu entdecken gibt.

Als ich mich auf den Heimweg mache, höre ich plötzlich meinen knurrenden Magen. Ich beschließe, in die nahegelegene »Plaka« hinüberzuschlendern. Die Plaka, mit der über ihr thronenden Akropolis, ist das Altstadtviertel. Es gehört ebenso selbstverständlich zu Athen wie Kolonaki. In nur wenigen Gehminuten erreiche ich die »Ermoú«, die Hermes-Straße. Sie ist die Fußgängerzone der Stadt und führt vom zentralen Syntagma-Platz am Parlamentsgebäude bis hinunter in die Altstadt. Auch hier herrscht reges Treiben: gut gekleidete Damen mit Einkaufstüten bepackt, Bettler und streunende Hunde. Glasfronten moderner Kaufhäuser prägen das Bild, alles wirkt weitläufiger als in Kolonaki. Ein mondänerer Schick, nicht ganz so edel. Eher so wie auf der Düsseldorfer »Kö« oder der Frankfurter »Zeil«. Am Ende der »Ermoú« laufen mehrere Straßen an der Platia-Monastiraki zusammen. Hier ist seit Jahren eine Großbaustelle. Die U-Bahnstation »Monastiraki« und der gesamte Platz werden umgebaut, doch immer neue archäologische Funde führen zu Verzögerungen beim Bau. Denn hier befand sich einst das antike Athener Zentrum.

Als vor Jahren der Platz noch baustellenfrei war, habe ich gerne mit Freunden in einer der Grilltavernen an der Ecke zur Mitropoleos-Straße im Schatten der Bäume »Souvlaki – Fleischspießchen« gegessen. Sie waren so köstlich, dass ein Freund einmal, am Tag seiner Abreise nach Deutschland, 50 Pita-Souvlaki zum Mitnehmen bestellte. Er hatte an diesem heißen Augusttag Geburtstag und wollte abends seine Gäste mit den schmackhaften Spießchen im Fladenbrot überraschen.

Baustellenbedingt setze ich mich heute lieber in das Innere des Ladens. Ich lasse die Augen über die Auslage kreisen. Vorspeisen, Salate und Fleischgerichte. Aber es ist etwas anderes, das mich stutzen lässt: In der Ecke, in der ein kleines Verkaufsfenster es ermöglicht, den eiligen Gästen ein Souvlaki auf die Hand herauszureichen, lehnt ein Gyrosspieß. Noch vor wenigen Jahren war Gyros vor allen Dingen im Ausland als griechische Spezialität anzutreffen. In Griechenland selbst grillte man Souvlaki auf dem Holzkohlengrill. Doch inzwischen hat der große Gyrosbatzen den kleinen Spießchen den Rang abgelaufen. Was ich an dem Batzen in der Ecke aber noch viel schlimmer finde: Dieses Ding erinnert an einen typisch »deutschen« Döner-Spieß! Industriell gefertigt sieht er aus, wie er, in Frischhaltefolie gewickelt, an der Grilltheke lehnt. Ich muss wieder an den neuen Kolonaki-Beton-Platz denken. Die Moderne scheint auch in Griechenland in allen Bereichen des Alltags Einzug zu halten. Es wäre jedoch schade, wenn der gute alte, handgefertigte, gegrillte und mit Oregano bestreute Souvlaki künftig einem »Mc-Döner« weichen müsste und der gute alte griechische Kaffee, der handgemachte Mokka, durch Maschinenkaffee ersetzt würde, der ausschließlich nur noch in Kaffeehausketten ausgeschenkt würde. Weltweit identisch. Aber am Ende eines solch wunderbaren Tages bleibe ich optimistisch. Solange es noch Leute gibt wie Lena Divani, die den Kaffeebummel lieben und zelebrieren, wird sich eine solche Monokultur in Griechenland hoffentlich nicht etablieren können. Das Kaffeetrinken ist für die Griechen eben doch zu sehr grundlegender Bestandteil des Lebens. Man genießt ständig und ausdauernd.

Einige Monate später bin ich spontan wieder zum Kaffeetrinken in Kolonaki. Diesmal im Kafeneion »Filion« mit Viktoria und Sofia, die es ebenso wie Lena Divani lieben, sich im Café zu treffen. Georgia, die in Kolonaki ein florierendes Geschäft für die Frau von heute betreibt, gesellt sich zu uns und ich stelle sie meinen zwei Begleiterinnen vor. Zu viert sitzen wir bei Frappé, Caffè Latte, Cappuccino, Freddo und dem zum Kaffee obligatorisch gereichten Glas Wasser und plaudern. Georgia verdient ihr Geld unter anderem mit Schuhkartons. Hier in Kolonaki, wo sich die Damen von Welt die Klinken der Haute-Couture- und Schuhgeschäfte in die Hand geben, ein sicheres Geschäftsmodell. Georgia vertreibt klarsichtige Schuhkisten aus Kunststoff als innovative Lösung für diejenigen, die eine stattliche Schuhsammlung in ihren Schränken aufbewahren. »The clearbox« gibt es in vielen bunten Farben, unterschiedlichen Größen, für Herren und Damen, für Stiefel und Schläppchen. Nachdem ich bereits vor Jahren mit Viktoria und ihrer Schwester Christina zum Schuhe kaufen mitkommen »musste«, war ich sicher, dass Viktoria begeistert wäre. Aber nicht nur sie. Auch Sofia ist sofort Feuer und Flamme, genauso wie offenbar sehr viele andere Athenerinnen. Athen ist bunt und Kolonaki ganz besonders. Und auch wenn ich selbst nicht besonders viel Wert auf eine umfangreiche Schuhsammlung lege, so bin ich doch gerne bereit, der liebenswürdigen Georgia zu helfen. So sitze ich wenige Tage später im Flugzeug nach Berlin und trage fast zehn Kilogramm Schuhkisten für Georgias Berliner Freundinnen mit mir herum. Als mir die Stewardess den dünnen Flugzeugkaffee reicht, und ich beengt auf dem Flugzeugsitz am Pappbecher nippe, denke ich sehnsüchtig an Kolonaki und seine Kaffeekultur. Wer viel spaziert und bummelt, der darf auch viele Schuhe haben. Und der sollte auch immer wieder gemütliche Kaffeepausen machen!