Cover

Über dieses Buch:

St. Pauli, Ende der 1960er-Jahre: Zwei Jahre Knast sind keine Kleinigkeit. Und wenn Paul bedenkt, dass er die nur absitzen musste, weil die anderen ihn reingelegt haben ... Er hat trotzdem dichtgehalten. Er hat seine Bande nicht verpfiffen. Aber er hat Rache geschworen.

Heute ist er aus dem Gefängnis entlassen worden. Zusammen mit der schönen Susann will er das ganz große Ding drehen, doch er hat nicht nur die Polizei auf den Fersen, sondern auch seine ehemaligen Kumpane …

Als erste deutsche Autorin von Kriminalromanen hat Irene Rodrian Krimigeschichte geschrieben. Bei dotbooks erscheinen ihre Klassiker nun exklusiv im eBook.

Über die Autorin:

Irene Rodrian, 1937 in Berlin geboren, erhielt für ihren Roman Tod in St. Pauli 1967 den begehrten Edgar-Wallace-Preis. Seither hat sie sich mit zahlreichen Bestsellern in einer Gesamtauflage von mehreren Millionen und als Drehbuchautorin (Tatort, Ein Fall für Zwei) einen Namen gemacht. Irene Rodrian lebt heute in München.

Bei dotbooks erschienen bereits Irene Rodrians Barcelona-Krimis über das Ermittlerinnen-Team Llimona 5 (Meines Bruders Mörderin, Im Bann des Tigers, Eisiges Schweigen und Ein letztes Lächeln) sowie Finderlohn, ein weiterer Roman in der Reihe Krimi-Klassiker. Weitere Titel sind in Vorbereitung.

Die Autorin im Internet: www.irenerodrian.com und www.llimona5.com

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Neuausgabe Oktober 2013

Copyright © der Originalausgabe 1967 by Wilhelm Goldmann Verlag, München

Copyright © 2013 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

Titelbildabbildung: © FloKu. / photocase.com

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Irene Rodrian

Tod in St. Pauli

Kriminalroman

dotbooks.

Die Hauptpersonen

PAUL PETERSEN
will unbedingt etwas zurückzahlen.

SUSANN HONTAR
muß am Ende draufzahlen.

FRANZ OTT
möchte, daß es sich endlich auszahlt.

ALFRED KODELL
sollte dringend etwas einzahlen.

FRED, HARALD, WALTER, BERTIE
beginnen erst mal mit einer Anzahlung.

ERNST KULMHOF
ist vermutlich unterbezahlt.

1

Richtig bewußt wurde es ihm erst, als er stolperte und gestürzt wäre, wenn ihn der Fremde nicht gepackt und hochgerissen hätte. Er blieb steif und unbeweglich stehen, während der andere den Koffer aufhob, das ausgeleierte Schnappschloß wieder zudrückte und ihn ihm reichte.

Er war wütend. Wütend auf den Mann, der ihm seinen verdammten Pappkoffer aufheben mußte und ihn stützte, nur weil er selbst anscheinend nicht einmal mehr von der Straßenbahn abspringen konnte. Ohne ein Wort zu sagen wandte er sich ab und ging die Reeperbahn hinauf, über der die Mittagshitze wie eine flimmernde Gallertmasse lag. Seine Hand umklammerte den Koffergriff. Er wunderte sich, daß er das kantige Metall zwischen seinen Fingern spürte und daß er plötzlich das Rumpeln der Straßenbahn hören konnte, die hinter ihm auf der Schleife umkehrte und zurückfuhr. Er atmete tief ein. Zwischen den Häusern hing ein Gemisch von Auspuffgasen, Staub und kaltem Bierdunst.

Obwohl ihm vor Hunger und Hitze schwindlig wurde, ging er nicht in den Schatten, sondern blieb in der grellen Sonne und starrte auf den Jungen, der in dem Schaufenster zu stehen schien und den gleichen Koffer aus Preßpappe in der Hand hielt wie er. Er hob den Arm etwas an, der Junge im Fenster machte es genauso. Der Jackenärmel rutschte zurück und zeigte die verknautschte Manschette eines gestreiften Hemdes. Blau, grün und grau; vor zwei Jahren hatte es ihm gefallen, jetzt fand er, daß es wie eine Pyjamajacke aussah. Er ließ den Arm wieder sinken und sah mißmutig zu, wie der Junge im Fenster ihm die Bewegung nachmachte.

Alles war gleich. Die verstaubten Schuhe mit den überspitzen Kappen, dieser lächerliche Fetzen von einem Kaufhausanzug, der Koffer und sicher auch die Sachen in dem Koffer: ein Pullover aus Schafwolle, Wäsche, zwei Bücher – das Strafgesetzbuch und ein Lehrbuch für Elektrotechnik – und das Geld. 178 Deutsche Mark und 50 Pfennig für zehn Monate Vorhanghakenzusammensetzen und elf Monate Arbeit in der Lehrwerkstatt.

Nur das Gesicht war nicht gleich. Wenn er tatsächlich eine so dürftige Visage mit eingefallenen Backen hatte, konnte er sich gleich einen Strick besorgen. Grau und kümmerlich und wie zu dem Anzug dazugekauft ... Er wandte sich ab; der Junge im Fenster verschwand.

Zwei Mopeds knatterten an ihm vorbei und wurden vom Bus überholt. Eine Fahrradklingel schrillte, und vom Hafen kam das Tuten der Dampfer und das Kreischen der Dockkräne herauf.

An der nächsten Ecke blieb er stehen. Die Fehrstraße lag wie ausgestorben vor ihm. Eine Frau lehnte an der Fußgängerampel und stierte ausdruckslos vor sich hin. Die Schminke in ihrem Gesicht war verschwitzt und verwischt, die Haare hingen ihr wie graue, aufgetrennte Wollfäden ins Gesicht. Als er an ihr vorbeiging, hob sie müde den Kopf und sah durch ihn hindurch.

Über der Kneipe war ein neues Neonschild. Der Schriftzug der Hamburger Schloßbrauerei, der Name: ZUM HELGOLÄNDER, und klein darunter: Inhaber Franz Ott.

Der Geruch von ranzigem Fett, kaltem Rauch und verschüttetem Bier drang intensiv aus der Tür, die durch einen schrägstehenden Hocker offengehalten wurde.

Langsam ging er hinein. Die Stühle hingen noch auf den Tischen; der Boden war feucht, und in einer Ecke stand ein halbvoller Eimer mit Zigarettenkippen.

Hinter der Theke stand Franz und wusch Gläser ab. Er war so fett wie eh und je.

»Wir haben erst ab vier Uhr offen!« sagte er, dann erkannte er ihn. »Paul, Junge! Du bist es wirklich ... Du hast dich verändert!«

»Gib mir was zu essen.«

»Paul! Na so was, Paul ... Ja, zwei Jahre sind eine Menge Zeit in deinem Alter. Aber ich finde, es steht dir gar nicht so schlecht – siehst männlicher aus, direkt erwachsen ...« Franz brach unbeholfen ab und hielt ein Bierglas gegen das Licht.

Paul sah ihn an. »Brot«, sagte er und setzte den Pappkoffer ab, »viel Fleisch und eine Flasche – eine Flasche Bier!« Er atmete tief durch und empfand den abgestandenen Biermief plötzlich als angenehm. »Kleine Abmagerungskur könnte dir auch nichts schaden!« fügte er hinzu und grinste.

Franz lachte lautlos in sich hinein. »Willst du hier essen?«

Paul schüttelte den Kopf. »Ich muß mich waschen, diese stinkenden Klamotten loswerden ... Pack mir die Sachen ein!«

Franz ging hinaus, und Paul wartete. Als Franz ihm das fettige Päckchen auf die Theke legte, nahm er eine Handvoll Münzen aus der Tasche.

»Steck das Geld weg!« sagte Franz. »Ist ein Geschenk des Hauses. Ich hab dir auch Zigaretten reingetan.«

»Ich rauche nicht.« Paul legte ein Fünfmarkstück auf das matte Metall. »Du sollst dein Geld behalten!« knurrte Franz und fuhr mit dem Wischlappen drum herum.

Paul schwieg.

Franz hatte sich nicht verändert. Es war nicht nur der Bauch, alles war gleich geblieben. Das rosige Mondgesicht, die buschigen Augenbrauen, die Augen, die so dunkel waren, daß sie fast schwarz wirkten, und das dünne, weißblonde Haar. Oder war es grau?

»Nein; ich bezahle, was ich bekomme!« sagte Paul knapp. »Bin das so gewohnt.« Er nahm das Päckchen und griff nach dem Koffer, um zu gehen.

»Paul, warte mal!« Franz räusperte sich.

Paul blieb stehen. »ja?«

»Was hast du denn jetzt vor, Paul?«

»Wie meinst du das?«

»Du bist jetzt raus. Natürlich, es war nicht leicht, aber willst du ... Ich meine, was willst du jetzt anfangen?«

»Ich werde mir ein Zimmer suchen.« Paul lächelte schief.

Franz griff unter seine grüne Schürze und holte einen Schlüssel aus der Hosentasche. Er hielt ihn über die Theke. »Es ist dein altes Zimmer im Nachbarhaus. Ich habe die Miete für einen Monat bezahlt.«

Paul sah den Schlüssel an, dann Franz. Unmerklich schüttelte er den Kopf, aber seine Hand streckte sich wie ein selbständiges Wesen nach dem Schlüssel aus. »Ich habe etwas Geld; ich werd es dir zurückzahlen.«

»Du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Was willst du tun?«

»Die Rechnung begleichen.«

»Paul!«

»Die Rechnung für zwei Jahre begleichen. Dann sehen wir weiter.«

Er war schon an der Tür, als Franz sagte:

»Sie waren in der letzten Zeit dauernd hier und haben nach dir gefragt. Fred und Harald. Gestern sind sie nicht gekommen.«

Paul blieb stehen, ohne sich umzudrehen.

Die Stimme von Franz wurde zum Flüstern: »Paul, sie wissen, daß du heute kommst!«

2

Paul zwang sich weiterzugehen. Hinaus auf die helle, heiße Straße, die mit einem Mal etwas Drohendes bekommen hatte.

Es ist noch zu früh, dachte er. Ich brauche noch Zeit, ich will erst mal essen ... Er wußte, daß er nicht das Essen meinte, aber er wollte sich nicht eingestehen, daß er Angst hatte.

Am Randstein stand der klapprige Lieferwagen von Franz. Dahinter parkte ein schwarzer VW. Sonst war die Straße leer.

Im Treppenhaus war es kühl und dunkel, und der Geruch von Bohnerwachs, Chlor, Zwiebeln und Kohl war der gleiche wie in den zwei Jahren.

Paul schaute auf den Schlüssel in seiner Hand. Das alte Zimmer ... Morgen würde er sich ein anderes suchen. Nur heute war es gut, hier zu bleiben, als Anfang. Er schob den Schlüssel in das Schlüsselloch und versuchte ihn nach links zu drehen.

Die Tür war nicht abgeschlossen.

Noch hätte er Zeit gehabt, umzukehren und die Treppe hinunterzulaufen. Er blieb stehen, legte die Hand auf die Klinke und drückte die Tür auf. Sofort zog sich sein Magen zu einer kleinen Metallkugel zusammen.

Sie waren zu viert.

Harald, Fred und noch zwei, die er nicht kannte.

Paul ließ die Tür los und machte noch zwei Schritte in das Zimmer hinein. Wie eine automatische Kamera registrierte er alle Einzelheiten der Einrichtung. Den Schrank mit dem halbblinden Spiegel und den breiten Schubladen, den Waschtisch, das eiserne Bettgestell, den durchgetretenen Teppich, das schmale, grauverstaubte Fenster.

Kein großer Unterschied, auch wenn kein Gitter davor ist, dachte er und wurde ruhiger.

Die beiden Neuen standen im Hintergrund an der Wand und starrten ihn neugierig an. Sie waren nervös und sprungbereit. Fred und Harald dagegen schienen ihn gar nicht zu bemerken. Sie hatten sich auf das Bett geflegelt und rauchten. Der Boden war mit zertretenen Kippen bedeckt.

Paul legte das Paket mit dem Essen auf den Waschtisch und stellte den Koffer neben den Schrank.

»Mach doch die Tür zu, dann ist es gemütlicher«, sagte Harald.

Paul drehte sich nicht zu den beiden um. »Ihr könnt sie zumachen, wenn ihr geht!« Er wickelte das Pergamentpapier auf und sah unsicher auf die Bierbüchsen.

»Der Junge hat sogar was zu trinken!« sagte Fred leise. Die Bettfedern knirschten, als er aufstand und zur Tür hinüberging, um sie zu schließen.

Paul spürte, wie er zurückkam und dicht hinter ihm stehenblieb. Er hörte das Schnappen des aufspringenden Messers; das Geräusch war ihm immer noch vertraut, obwohl er es so lange nicht mehr gehört hatte. Er drehte sich um und sah auf die Klinge hinunter, die ein Stück von Freds Faust zu sein schien.

»Ich dachte mir, du brauchst vielleicht einen Büchsenöffner«, sagte Fred. Er hielt die Messerschneide nach oben, die Spitze auf Pauls Bauch gerichtet.

»Ich brauche keinen!« Pauls Stimme war heiser.

Fred lachte. »Hast du das gehört, Harald?«

Harald richtete sich grinsend auf und trat seine Zigarette aus. Paul sah, daß Harald inzwischen Fett angesetzt hatte. Seine enge Hose spannte sich um den Bauch, das schillernde Seidenhemd war verrutscht und sah aus wie eine schlecht genähte Fußballhülle. Außerdem hatte Harald jetzt ein Doppelkinn: zwei nach unten gewölbte Kissen; dicke Lippen, graue Porzellanaugen und schwarzes Haar, das wie Putzwolle abstand ...

Der große Harald! Er sah wieder auf das Messer von Fred. Er wollte grinsen, aber seine Gesichtsmuskeln gehorchten ihm nicht.

Fred war noch nicht fett. Er würde nie fett werden. Er war auch nicht dürr. Er war groß, mit Muskeln bepackt, und er hatte ein Messer.

Plötzlich spürte Paul den Hunger wie einen stechenden Schmerz. Er riß mit einem hastigen Ruck das Papier auseinander. Franz hatte ihm ein großes Stück Kasseler Rippchen eingepackt; Paul nahm es heraus und öffnete den Mund, um hineinzubeißen.

Freds Hand fuhr hoch. Paul spürte nur einen leichten Schlag – das rosige Fleischstück saß auf der Messerspitze und wurde mit einer leicht kreisenden Bewegung zu Harald hinübergeschleudert. Harald fing es auf und riß mit den Zähnen das Fleisch vom Knochen wie ein Hund. Paul hörte das Schmatzen und sah das Fett auf Haralds Lippen.

Freds Hand mit dem Messer schoß wieder nach vorn, fuhr unter das Papier und kam mit einem Stück Käse zurück. Es war ein goldgelber Streifen Schweizerkäse, der nicht ganz fest auf der Messerspitze saß, aber gleich aus der Drehung heraus zu Harald flog und aufgefangen wurde.

Paul schluckte, öffnete den Mund und schloß ihn wieder, ohne etwas zu sagen.

Die beiden Neuen hatten sich die ganze Zeit über nicht bewegt. Sie standen wie Marionetten an der Wand und beobachteten Fred und Harald. Der Größere hatte einen gekräuselten Bart, trug abgewetzte Bluejeans und einen schwarzen Rollkragenpullover. Der Kleinere mit den hellen Haaren hatte eine neue Westernkombination aus schwarzem Kunstleder mit Nickelnieten an. Einen Augenblick lang glaubte Paul, sich selbst dort stehen zu sehen – oder den, der er vor zwei Jahren gewesen war.

Freds Gesicht war völlig ausdruckslos, als er das Messer auf die Bierdose springen ließ und wieder herausriß. Er setzte die Büchse an den Mund und trank. Der Adamsapfel hüpfte auf und ab, die Hand mit dem Messer hing untätig herunter ... Fred sah gut aus. Er hatte ein glattes, gleichmäßiges Gesicht, hellblaue Augen, dichte braune Haare und trug einen cremefarbenen Anzug, der mindestens vierhundert gekostet hatte. Die schwarzbraune Krawatte hatte einen Mittelstreifen genau in der Farbe des Anzugs.

Paul dachte an seinen eigenen Anzug, an das alberne Pyjamahemd. Er riß Fred die Bierdose plötzlich aus der Hand und schleuderte sie gegen die Wand; das Bier hinterließ eine Straße von gelben Spritzern auf der Tapete, bevor die Dose auf den Boden schepperte.

»Haut ab! Alle zusammen! Endgültig, kapiert? Ich habe die Nase voll!« Pauls Stimme wurde lauter, und er erkannte wütend, daß sie nahe dran war, sich zu überschlagen.

Fred sah ihn aufmerksam an. Harald schob sich auf die andere Seite; den abgenagten Knochen hielt er noch immer in der Hand.

»Macht, daß ihr wegkommt! Ich will allein sein!« schrie Paul; seine Stimme zitterte, und er brach ab.

»Er ist nicht sehr gastfreundlich«, sagte Harald leise und legte den Knochen sorgfältig auf die Kante des Waschtisches.

Fred ließ mit einer leichten Aufwärtsbewegung das Messer zurück in das Heft gleiten, und Paul dachte eine Sekunde lang, sie wollten wirklich gehen. Sogar als die Faust von Harald hochschnellte, glaubte er zuerst, Harald wollte ihm die Hand geben.

Der Schmerz traf ihn überraschend, und es schien ihm, als würde es Stunden dauern, bis er ihn als Schmerz erkannte. Dann bückte er sich, um dem zweiten Schlag zu entgehen, aber Fred packte ihn bei den Schultern, und Haralds Faust riß ihn wieder hoch.

Paul hob das rechte Bein und stieß zu. Harald taumelte zurück, und Paul trat noch einmal, aber Fred war zu schnell für ihn. Paul fühlte, wie etwas auf seinem Kopf explodierte, spürte auf der Zunge den Geschmack von Eisen und sah, wie der mit Zigarettenstummeln bedeckte Boden auf ihn zukam.

»Laß ihn jetzt!« sagte die Stimme von Fred. »Für den Anfang reicht es.«

Paul schloß die Augen. Aber er hörte nicht, daß sich ihre Schritte entfernten. Als er die Augen wieder aufmachte, standen sie über ihm. Er sah ihre Schuhe und die Hosenbeine deutlich vor sich; alles andere verschwamm im Nebel.

»Das war für die Rache«, sagte Harald, und Fred ergänzte: »Du wolltest dich doch an uns rächen, oder?«

Paul schluckte den Metallgeschmack hinunter. Freds Stimme war mit einem Mal sehr nah: »Hattest du dir schon einen Plan ausgedacht? Dann laß ihn fallen, aber schnell!«

Paul kämpfte gegen das leere Würgen in seinem Magen. Er stemmte sich auf die Ellbogen hoch und schob sich etwas von den vier Beinen weg.

Harald lachte. »Und du bekommst noch einmal die doppelte Portion, wenn du Mätzchen machst!«

»Haut ab!« wollte Paul sagen, aber er brachte nur ein Krächzen heraus. Fred beugte sich über ihn. »Mit Mätzchen meint Harald ‹singen›, verstanden?«

»Wieso?« Paul hustete etwas. »Wieso habt ihr plötzlich Angst, ich könnte singen?«

»Wir haben keine Angst. Es war ein Ratschlag unter Freunden.«

Paul versuchte, das Gesicht von Fred zu erkennen, aber es blieb verschwommen. Er sprach in die helle Fläche hinein: »Ich bin zwei Jahre im Bau gewesen. Für eine Sache, die ihr gemacht habt. Warum sollte ich jetzt singen?«

»Das will ich dir sagen.«

Fred richtete sich auf und wich etwas zurück, und plötzlich konnte Paul sein Gesicht deutlich sehen. Winzig klein und unendlich weit weg, aber sehr scharf, wie durch ein umgekehrtes Fernglas. Die Stimme war weich und einschmeichelnd.

»Weil du es anders nicht schaffst ... Natürlich wirst du zuerst versuchen, uns so oder so zu schaden oder uns eins auszuwischen. Falls dann noch etwas von dir übrig sein sollte, würdest du garantiert zur Polizei rennen. Nicht, daß sie dir glauben würden, aber wir lieben nun mal Sänger nicht, und auch keine Nachtigallen. Wir denken daran, wie du damals, lange nach deiner Verhandlung, plötzlich gesungen hast und nicht mehr der einzige gewesen sein wolltest!«

Fred griff in die Tasche, holte ein flaches, goldglänzendes Zigarettenetui heraus und ließ es spielerisch von einer Hand in die andere gleiten. »Das hat dich wohl umgehauen, als du dein Urteil gehört hast, wie? Als sie sich nicht um deine siebzehn Jahre gekümmert haben. Totschlag. Du hast den starken Max so echt gespielt, daß dir später kein Mensch glauben wollte. Ich kann's verstehen. Aber keine Angst, mein Junge. Diesmal wird es gar nicht soweit kommen!«

Paul schloß die Augen, doch Fred redete weiter.

»Wir werden dir beweisen, daß du heute noch dasselbe Würstchen bist wie vor zwei Jahren. Ein Nichts! Nächste Woche steigt ein Ding, und du machst mit. Du wirst mit dabeisein, und du wirst das Maul halten. Nun, schon neugierig?«

»Nein!« stieß Paul hervor.

Harald hob einen Fuß, aber Fred legte ihm eine Hand auf den Arm und ließ das Zigarettenetui wieder in die Tasche rutschen.

»Du hast einen Tag Zeit, Paul. Aber viele Möglichkeiten gibt es nicht. Mit uns oder gegen uns. Sonst nichts. Und gegen uns zu sein, bedeutet für dich nichts Gutes, das kannst du mir glauben.«

»Verschwindet!« brüllte Paul. Er erhob sich halb und stützte sich mit den Schultern gegen den Schrank.

Fred spreizte die Finger seiner rechten Hand. »Ich warne dich; wir sind ziemlich groß geworden. Größer, als du es dir vorstellen kannst!«

Paul spuckte vor Freds Füße und sah mit einer gewissen Befriedigung, daß es Blut war. »Nein, nicht mit euch. Ihr glaubt wohl, ich würde euch noch einmal trauen? Verlaß dich auf keinen, das habe ich gelernt!«

Harald lachte brüllend und ahmte ihn nach: »Verlaß dich auf keinen! Genau das sagen wir uns auch!«

Paul konnte nicht mehr ausweichen. Sie stürzten sich wieder auf ihn und arbeiteten unbeteiligt und systematisch wie ferngesteuerte Maschinen.

3

Als Paul wieder zu sich kam, war es dunkel. Er wälzte sich auf die Seite und starrte in die trübe Dämmerung seines Zimmers, das alle drei Sekunden durch ein aufflammendes Neonlicht von der Straße her in helles Rot getaucht wurde.

Er war allein.

Nach und nach zog er sich an der Schrankwand hoch und wankte zum Waschtisch. Er beugte sich über die Waschschüssel mit lauwarmem Wasser und legte sein Gesicht hinein.

Wenigstens bin ich wieder hier, dachte er und richtete sich auf. Er ging zur Tür, knipste das Deckenlicht an und wartete, bis seine Augen nicht mehr brannten. Im Spiegel der linken Schranktür sah er ein Gesicht, das er nicht kannte. Lang und schmal, mit umränderten Augen, staubigem schwarzem Haar, einem Riß an der Stirn und einem geschwollenen Kinn, das sich schon leicht verfärbte. Er ging ganz nah an den Spiegel hin, aber das Gesicht blieb ihm fremd.

Er begann sich auszuziehen und die Schrammen und Platzwunden an seinem Körper zu untersuchen. Er vermied es, noch einmal in den Spiegel zu schauen und zog die Schubladen auf. Er fand Handtücher, Verbandzeug, Rasier- und Waschkram und etwas frische Wäsche. Franz hatte an alles gedacht.

Paul seifte sich ab, rieb sich flüchtig trocken und klebte sich Pflaster auf, ohne recht hinzuschauen. Dann zog er ein frisches Hemd an und die verdrückten Anzughosen.

Einen Augenblick lang blieb er unschlüssig stehen, hockte sich dann vor den Koffer und ließ den Deckel zurückklappen. Er holte den dicken Pullover heraus und zog ihn trotz der Hitze über.

Das braune Geldkuvert sah mit einer Ecke aus der Seitentasche heraus. Er nahm es und fuhr mit dem Zeigefinger unter die Klappe.

Das Geld war fort.

Langsam und sehr sorgfältig riß er das Papier in kleine Fetzen. Er hätte gern geweint. Oder wäre gern wütend gewesen.

Nichts. Nur Hunger, Müdigkeit und das dumpfe Pochen in seiner linken Kinnseite.

Er stand auf, faßte nach den paar Münzen in seiner Hosentasche und ließ sie durch die Finger klimpern, ohne sie herauszuholen. Mit der Fußspitze schlug er den Deckel zu, stieg über den Koffer und ging hinaus.

Im Treppenhaus schlug ihm der donnernde Lärm eines Fußballspiels entgegen. Er blieb im Parterre vor der letzten Tür stehen und drückte auf den Klingelknopf über dem Kupferschildchen Heinrich Martens – Hausmeister.

Das einzige Geräusch, das ihm antwortete, war die erregte Stimme des Sportreporters und das hysterische Aufschreien der Zuschauermenge. Paul läutete ein zweites Mal. Diesmal lang und anhaltend.

Die Tür wurde so heftig aufgerissen, daß er erschrak. Zusammen mit der Lärmwelle kam eine Männerstimme:

»Verdammt, was ist denn jetzt schon wieder?«

»Guten Abend, Martens«, sagte Paul.

Der andere beugte sich weiter vor, machte den Mund auf und wich dann plötzlich zurück.

»Paul!« flüsterte er.

Paul nickte schweigend. Martens sah ihn an. Hinter ihm, in der hellerleuchteten Wohnung, brüllte eine Menschenmenge aus dem Fernsehapparat.

»Komm rein«, sagte Martens und ging in seine Wohnung. Er blieb vor dem flimmernden Kasten stehen, zögerte kurz und schaltete dann den Ton ab.

»Tut mir leid, daß ich Sie bei der Fußballübertragung störe!« sagte Paul und schloß die Tür hinter sich.

Martens lachte nervös und schlurfte durch das Zimmer, ohne dabei die blaue Mattscheibe aus den Augen zu lassen, auf der die bleistiftgroßen Fußballer jetzt wie lautlose Phantome über den Platz jagten. Vor der zweiten Tür blieb Martens stehen.

»Willst du ein Bier?«

Paul schwieg. Martens war nicht der alte Mann aus seiner Erinnerung. Sie hatten ihn Opa Martens genannt, aber er war höchstens sechzig. Kahlköpfig und gebeugt, aber muskulös und zäh, und mit einem gebrochenen Nasenbein aus seiner Zeit als Berufsboxer. Martens wiederholte die Frage.

Paul schüttelte den Kopf. »Ich möchte nur eine Auskunft.«

»Mein Gott, Junge, du bist gewachsen!« stotterte Martens unbeholfen und kam in den Wohnraum zurück. »Ich muß fast Sie zu dir sagen, wie Herr Petersen?«

»Mich interessiert nur, wer so genau wußte, daß ich heute komme und daß ich wieder hier wohnen werdeMord an Bord Paul preßte die Kiefer zusammen, um nichts mehr zu sagen.

»Wer es wußte?« Martens ließ sich schwer in einen mit geblümtem Stoff bezogenen Sessel sinken. »Ich wußte es.« Er sah gebannt auf den Bildschirm.

»Von wem?«

»Nun, Franz hat dein Zimmer bezahlt und dir ein paar Kleinigkeiten raufgelegt ...«

»Ich weiß. Ich mußte einen Namen angeben, sonst hätte mir der Bewährungshelfer ein Zimmer besorgt. Franz meine ich nicht. Wer wußte es noch?«

Martens schaute an Paul vorbei und ruckte plötzlich nach vorn, auf den Fernsehapparat zu. Er blinzelte und streckte die Hand aus, um den Tonknopf zu erreichen. »Sah eben aus wie ein Tor!« murmelte er.

Paul machte einen langen Schritt und bückte sich. Er drehte zuerst nach der falschen Seite, der Lärm jaulte auf und starb dann mit einem dünnen Surren. Das Bild zog sich zu einem silbernen Strich zusammen und verschwand. Paul lehnte sich gegen den Apparat und sah Martens an.

Martens fixierte die blinde Glasscheibe weiter. Seine wuchtigen Schultern waren nach vorn gesunken. »In den letzten zwei Jahren hat sich einiges hier verändert«, sagte er leise.

Paul lachte auf, aber es klang, als würde er husten. »Ich habe es gesehen. Ein gutes Dutzend neuer Kneipen, ziemlich dicke Läden zum Teil.«

»Das mein ich jetzt nicht. Die Jungen. Sie sind groß geworden. Sie haben sich zusammengeschlossen.«

Martens kahler Kopf schimmerte im Licht der Wandlampe. Paul hätte sich gern in den zweiten Sessel gesetzt und den Fernseher wieder eingeschaltet.

»Das verstehe ich nicht.«

»Ich verstehe es selber nicht«, sagte Martens müde. »Ich hätte nicht gedacht, daß so etwas hier möglich ist, aber irgendwie haben sie es geschafft. Sie haben Geld und sind nach außen hin ruhiger geworden. Aber das täuscht. Sie sind rücksichtslos und schrecken vor nichts zurück. Irgend jemand hält sie zusammen, und sie haben das ganze Viertel in der Hand ... Jedenfalls läuft es darauf hinaus.«

»Ein richtiges kleines Syndikat?« Paul zog grinsend die Augenbrauen hoch.

»Es ist kein Witz. Sie kontrollieren die Bars und Nachtlokale. Du kennst dich ja aus. Du weißt über die Geschäfte Bescheid, die nebenbei blühen. Wenn du mitmachen willst, mußt du sie beteiligen – oder sie machen dich fertig. Organisierte Schlägereien, anonyme Anrufe bei der Polizei und noch einiges mehr.«

»Keiner wehrt sich dagegen?«

»Jetzt nicht mehr. Es hat sich eingependelt. Sie setzen schon die richtigen Leute unter Druck. Diejenigen, die es sich nicht leisten können, zur Polizei zu gehen.«

Paul sah ihn nachdenklich an. »Sie auch?«

Martens schwieg.

»Also Sie auch! Bringen denn die vier schäbigen Stundenzimmer im ersten Stock genug ein, um die Beteiligung zu zahlen?« Paul hatte es bissig sagen wollen, aber es klang wie eine teilnahmsvolle Frage.

Martens löste den Blick von der Mattscheibe und sah Paul an.

»Hör zu, Junge, du mußt dich raushalten. Verschwinde von hier! Franz wird dir helfen. Oder ich ... Brauchst du Geld?« Martens sprang eifrig auf.

Paul winkte ab: »Nein, bemühen Sie sich nicht. Ich möchte nur eine Antwort auf meine Frage.«

»Ja, Paul, sie waren hier. Sie haben mich gefragt, ob dein Zimmer frei ist, oder wer die Miete dafür bezahlt und ab wann. Paul, ich konnte doch nicht ...« Martens hob hilflos die Schultern.

Paul war schon an der Tür. Als er sie hinter sich schloß, brandete wieder der Lärm des Fußballplatzes auf.

4

Die Kneipe von Franz war jetzt ziemlich voll. Sie hockten wie die Hühner an der Bar oder an den Tischen, alles Leute aus der Straße, und tranken ihr Bier und ihren Klaren.

Paul blieb unschlüssig an der Tür stehen. Niemand sah zu ihm hin; zwischen den Tischen hindurch ging er nach hinten zur Bartheke. Vielleicht erkannten sie ihn nicht, vielleicht hatten sie ihn überhaupt schon vergessen. Vielleicht wollten sie auch nichts mit ihm zu tun haben.

Paul schob sich auf einen freien Hocker und lehnte sich auf die Messingkante. Franz stand am Bierhahn. Als er Paul sah, schäumte das Bier über seine Hand. Franz stellte das nasse Glas vor einen Gast hin und kam zu Paul. Fragend hob er die Augenbrauen.

»Etwas zu essen«, sagte Paul, »und Bier. Wenn es geht, aus der Flasche.«

Franz musterte ihn schweigend. Sein Blick blieb an dem geschwollenen Kinn hängen.

»Sie haben dich schon ... Ich meine, du hast sie schon getroffen?«

Paul machte eine unbestimmte Handbewegung. Er brachte es nicht fertig, Franz zu sagen, wo sie ihn gefunden hatten. Franz hatte ihnen ja selbst den Weg gezeigt, indem er das Zimmer vorbereitet hatte.

Franz ging in die Küche und brachte ihm einen Teller mit Bratkartoffeln und Speck. Paul machte sich darüber her und entspannte sich etwas beim Essen. Er trank ein zweites Bier und wartete, bis Franz wieder zu ihm kam.

»Diesmal aber wirklich auf meine Rechnung!« Franz stellte ein Glas Korn auf die Theke.

Paul schob das Glas zurück. »Ich trinke keine scharfen Sachen. Aber heute zahle ich auch nicht.« Er nahm sein Bierglas.

Franz nickte und trank den Korn selbst. »Wer war es – Harald und Fred?«

»Ja, und noch zwei, die ich nicht kenne. So ein schmaler Blonder mit Pickeln im Gesicht und ein Kleiderschrank mit einer Matratze am Kinn.«

»Das sind Bertie und Walter, ziemlich üble Typen.«

Franz hatte leise gesprochen und dabei über Pauls Schulter in den Gastraum geschaut. Paul fuhr mit dem Zeigefinger über den feuchten Rand seines Glases und sagte ebenso leise:

»Ich habe da so etwas von neuen amerikanischen Methoden läuten hören. Hängst du auch irgendwie mit drin?«

»Amerikanische Methoden? Na ja, viel fehlt nicht mehr. Aber ich bin zu alt für die neuen Figuren. Meine Kneipe ist auch nicht interessant genug. Nur eine Bierpinte. Sie haben es mehr auf die feinen Nachtlokale abgesehen.«

»Vor zwei Jahren hast du anders geredet!«

»So, findest du?« Franz lächelte, sein rundes Gesicht glänzte.

»Du wolltest aus der Fehrstraße eine zweite ‹Große Freiheit› machen. Ein Super-Vergnügungszentrum – mit all deinen Schmugglerfreunden auf einem Haufen!«

Franz lachte jetzt laut. »Stimmt, das waren noch Pläne ... Aber irgendwie ist die Fehrstraße vergessen worden. Die Kumpels von früher haben sich zerstreut und über die ganze Reeperbahn verteilt. Hier ist jetzt nichts mehr los.«

»Und du hast keine Angst?«

Das Gelächter von Franz wurde noch lauter, und sein Bauch schwappte fast aus der Hose. »Nein, nicht vor diesen grünen Jungen. Ich bin nicht mehr im Geschäft, aber verschaukeln lasse ich mich deshalb noch lange nicht.«

Paul lachte leise mit, aber Franz war schon wieder ernst geworden. »Was hast du vor?«

»Dasselbe wie vorher.«

»Paul, schlag dir das aus dem Kopf! Ich kann dir nicht helfen. Und selbst wenn ich es könnte – ich will es nicht. Ich halte mich raus, solange sie mich in Ruhe lassen. Das ist kein Spiel mehr nach meinem Geschmack.«

»Du brauchst mir nicht zu helfen.«

»Das ist Selbstmord!« Franz flüsterte fast.

Paul versuchte zu grinsen. Plötzlich brannten seine Wunden; sein Gesicht schmerzte und in seinem Bauch tobte ein glühendes Messer. Er preßte die Hand gegen den Magen, bis er sich etwas beruhigt hatte, und fragte dann: »Kennst du Hontar?«

»Soviel ich gehört habe, sitzt er wegen eines Einbruchs«, sagte Franz vorsichtig.

Paul nickte. »Wir waren zusammen. Er hat mir viel geholfen.«

»Auf seinem Gebiet ist Hontar ein Könner, aber ein Einzelgänger.«

»Er kommt bald zurück.«

»Auch er wird dir nicht helfen können. Zu der Bande hat er keinen Kontakt. Und selbst wenn er mitmachen würde – was hast du vor? Willst du dir Harald vornehmen, der damals der Chef war? Er ist heute nur noch eine vollgefressene Puppe!«

»Wer ist heute der Chef – Fred?«

Franz sah auf. An zwei Tischen riefen die Gäste, aber er reagierte nicht. »Kann sein; ich weiß es selbst nicht. Und ich will es auch nicht wissen. Ich kann dir nur einen einzigen Rat geben: Verschwinde von hier. Möglichst heute noch. Sofort!«

»Ach, weißt du, mir gefällt's hier.«

»Paul, du bist doch ein heller Kopf. Du mußt das doch einsehen: die meinen es ernst! Vor zwei Jahren war das alles halb so wild, aber jetzt haben sie viel zu verlieren. Es hängt mehr dran, als du dir vorstellst, und du bist eine Gefahr für sie. Solange sie fürchten müssen, daß du den Mund aufmachst, werden sie dich jagen ... Versprich mir, daß du abhaust?«

»Kannst du mir sagen, wo ich Susann Hontar finde?«

»Paul ...«

»Ja oder nein?«

»Verdammt noch mal ...«

»Hontar hat mir gesagt, sie würde mir helfen!«