Cover

Marina Küffner

Auflehnung, Antriebslosigkeit, Antidepressiva und Apokalypse

Existenzielle Rebellion im Film seit James Dean

Inhalt

Danksagung

1. Einleitung

2. James Dean: Der Archetyp des Rebellen

2.1 Vom Mittleren Westen nach Hollywood

2.2 Teenager, Konformität und Paranoia in den 1950er Jahren

2.3 REBEL WITHOUT A CAUSE: Der Urtypus des Teenagerfilms

2.4 James Dean wird Jim Stark: Etablierung des Rebellenimages

3. Der Rebell im Zwiespalt zwischen Anpassung und Abgrenzung: Gefühle und angestaute Aggression

3.1 »The Sins of the Fathers« in Filmen von John Hughes

3.1.1 THE BREAKFAST CLUB

3.1.2 FERRIS BUELLER’S DAY OFF

3.2 Slacker vs. Yuppie: Die Repräsentation von Männlichkeit in den 1990er Jahren anhand von REALITY BITES

3.3 Der ›Angry Young Man‹ im Vater-Sohn-Konflikt in REMEMBER ME

4. Der Rebell auf der Couch: Die psychologische Behandlung im kontemporären Coming-of-Age-Film

4.1 CHARLIE BARTLETT: Mit Psychopharmaka zur Popularität?

4.2 GARDEN STATE: Die Seele als unendlicher Abgrund

5. Der Rebell am Rande des Weltuntergangs: Sex, Drugs & Existentialism

5.1 Angst, Freiheit und Verantwortung: Die absurde Revolte

Exkurs: Sartre und Camus

5.1.1 DONNIE DARKO: Das Selbstopfer

5.1.2 KABOOM: Die unfreiwillige Rebellion

Zwischenbilanz: Der absurde Rebell

5.2 Die ambivalente Sexualität als rebellischer Akt

5.2.1 THE DOOM GENERATION: Die Ménage-à-trois im Independent-Roadmovie

5.2.2 THE RULES OF ATTRACTION: Die unterdrückte Ménage-à-trois im College-Film

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anmerkungen

Weitere Verlagsveröffentlichungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2015 Mühlbeyer Filmbuchverlag
Inh. Harald Mühlbeyer
Frankenstraße 21a
67227 Frankenthal
www.muehlbeyer-verlag.de

Lektorat, Gestaltung: Harald Mühlbeyer

Umschlagbild: Andreas Faessler

Umschlaggestaltung: Steven Löttgers, Löttgers-Design Birkenheide

ISBN:
978-3-945378-28-1 (PDF)
978-3-945378-26-7 (Epub)
978-3-945378-27-4 (Mobi)
978-3-945378-25-0 (Print)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Danksagung:

Es handelt sich bei dem vorliegenden Buch um meine Magisterarbeit, die ich am 8. Februar 2013 beim Fachbereich 10 der Neueren Philologien im Fach Filmwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt eingereicht habe.

Ich möchte bei diesem Anlass gern meinem Betreuer Prof. Dr. Vinzenz Hediger sowie dem Zweitkorrektor Dr. Ralf Adelmann für die Annahme des Themas und die Unterstützung danken.

Außerdem möchte ich den zahlreichen Menschen meinen Dank aussprechen, die mir in der langen Phase des Schreibens zur Seite standen und all meine Launen ertragen haben. Andreas, Anja, Artemis, Claudia, Farnoush, Hanna, Julia, Juliane, Katja, Max V., Melanie, Nina, Sabine, Timo, Tristan, Valeska – fürs Korrekturlesen, unterstützen oder schlichtweg ablenken danke ich euch von Herzen – und allen, die ich hier vergessen habe.

Besonderer Dank gebührt meinen Eltern, die sich trotz meines Wunsches, brotlose Kunst zu studieren, nie beschwert haben und immer für mich da waren, sowie meinem Verleger Harald Mühlbeyer für seine konstruktive Kritik und Begeisterung.

1. Einleitung

»[James Dean is] not our hero because he was perfect, but because he perfectly represented the damaged but beautiful soul of our time.«[1] Andy Warhol beschreibt in diesem Satz treffend die Bedeutung von James Dean, deren Auswirkungen in dieser Arbeit als Ausgangspunkt zur weiteren Analyse dienen. Er deutet neben der Person an sich noch einen weiteren Grund für die große Popularität Deans an: Die gesellschaftlichen Aspekte, die er als »damaged but beautiful« beschrieb. Die 1950er Jahre waren ein sehr widersprüchliches Jahrzehnt. Auf der einen Seite materieller Wohlstand in den Vororten, eine florierende Wirtschaft und politische Macht der USA, auf der anderen Seite Angst vor einem nuklearen Angriff, vor Schwarzen, vor Homosexuellen und dem Kommunismus.

Teenager wurden als neue Zielgruppe für Filme entdeckt, da diese durch viel Freizeit und Konsummöglichkeiten in die Kinos gelockt werden konnten. Diese Gruppe war auch bedeutend am Erfolg von Deans Filmen beteiligt; ein Fan schrieb an das Life-Magazin:

To us teenagers, Dean was a symbol of the fight to make a niche for ourselves in the world of adults. Something in us that is being sat on by convention and held down was, in Dean, free for all the world to see.[2]

Keine andere Figur hat das Image des rebellierenden Teenagers so sehr geprägt wie Deans Interpretation des Jim Stark in REBEL WITHOUT A CAUSE / DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN (Nicholas Ray, USA 1955)[3]. Der Film kann als Archetyp des Teenagerfilms gesehen werden. Jugendkriminalität steht im Mittelpunkt des Films; der Film versucht die in den 1950er Jahren verbreitete psychologische Erklärung für Kriminalität unter reichen Jugendlichen darzustellen. Diese stützt sich nicht auf das gesellschaftliche Umfeld, sondern auf die dysfunktionalen familiären Beziehungen, die für das negative Verhalten der Jugendlichen verantwortlich sind. Jim Stark nimmt durch Provokation von Mitschülern an gewaltsamen Mutproben mit tödlichem Ausgang teil und findet bei zwei Freunden, Jim und Judy, Unterstützung, die er bei seinen überforderten Eltern und dem Polizeioffizier Ray vergeblich sucht.

Als Ausgangspunkt dieser Arbeit wird der Film mit Hilfe von fünf Punkten untersucht:

  1. der psychologische Ansatz

  2. die Entstehung einer allgemeinen Weltuntergangsstimmung

  3. Gewalt gegenüber den Eltern und unter den Mitschülern

  4. Das Finden von Gleichgesinnten und Ausdruck von Gefühl und der damit verbundenen (unterschwelligen) Sexualitätsfindung

  5. die Entstehung von Deans Image anhand seiner Rolle und seines Outfits, ausgehend vom ›Coolness‹-Begriff, den wir anhand Claudia Springers und Ulf Poschardts Definitionen besprechen.

Weitere Analysehilfen sind: Stephen Lowrys Aufsatz »Stars und Images«, Rainer Winters filmsoziologischen Bedeutungsdefinitionen und Roland Barthes’ Beschreibung der geschichtlich verankerten Mythen sowie Arthur Millers aktualisierte Definition von einem tragischen Helden in seinem Aufsatz »Tragedy and the Common Man«. Ziel dieser Analyse ist es, eine Erklärung für die nachhaltige Wirkung des Images von James Dean bzw. Jim Stark zu finden.

Dieses universelle Image lässt sich mit vielen verschiedenen Bedeutungen aufladen. James Dean steht – ähnlich wie Marlon Brando – für einen in den 1950er Jahren neuen Männertypus im Film. Hier lässt sich ein klarer Bruch mit der starren, heterosexuellen Männlichkeit etwa eines John Wayne feststellen. Diese Veränderung des Männlichkeitsbildes im Film ist eine der Grundgedanken dieser Arbeit. James Dean, um es mit Claudia Springers Worten zu sagen, »became a posthumous symbol of the constellation of disaffected youth, death by car crash, rebellion, and ambiguous sexuality«.[4]

Mit Hilfe einer Analyse dieses durch James Dean geprägten Images soll die hier vorliegende Arbeit dazu dienen, Filme, die sich mit dem Coming-of-Age[5] männlicher Figuren beschäftigen, zu untersuchen. Dabei geht es insbesondere darum, eine Verbindung zu der von James Dean geprägten Leinwandpräsenz des existenziellen Rebellen herzustellen. Darunter wird die Entwicklung verstanden, sich gegen das gewohnte Umfeld abzugrenzen und sich eine eigene, zufriedenstellende Existenz aufzubauen.

Festzuhalten ist, dass es sich bei den hier aufgeführten Filmen nur um eine Auswahl handelt. Jugend-Kultfilme wie EASY RIDER (Dennis Hopper, USA 1969) oder BONNIE UND CLYDE (Arthur Penn, USA 1967) werden nicht behandelt, da sie ein Leben außerhalb der Gesellschaft stilisieren, wohingegen Jim Starks größtes Ziel die Integration in die Gesellschaft ist. THE GRADUATE / DIE REIFEPRÜFUNG (Mike Nichols, USA 1967) auf der anderen Seite porträtiert die Zerrissenheit der Anpassung und Abgrenzung, die sich auch in REBEL finden lässt. THE GRADUATE, ein Film, der die 1960er Jahre geradezu definiert[6], zeigt jedoch thematisch starke Abweichungen zu den Kernthemen dieser Arbeit. Obwohl der Protagonist Benjamin Braddock (Dustin Hoffmann) gegen die traditionellen Konventionen seiner Zeit kämpft, liegt der Schwerpunkt nicht auf der Selbsterkenntnis und -befreiung, sondern auf der Affäre, die Benjamin mit einer älteren Frau, Mrs. Robinson (Anne Bancroft), hat. Trotzdem kann man den Film als Ausgangspunkt der Gegenkultur der 1960er Jahre sehen, die die individuelle Selbstbestimmung und das freie Ausleben von Sexualität vorantreibt.

Die Filme des New Hollywood zielten also auf etwas anderes ab: Sie waren durchzogen von einer Aufbruchstimmung, die traditionelle Normen umstürzen wollten. Als Stichwort lässt sich neben THE GRADUATE auch noch HAROLD AND MAUDE / HAROLD UND MAUDE (Hal Ashby, USA 1971) angeben, in dem eine Affäre zwischen einer 79jährigen Frau und einem Teenager erzählt wird; ebenso zeigt George Lucas’ AMERICAN GRAFFITI (George Lucas, USA 1973) den nostalgischen Rückblick einiger High School Absolventen auf ihre Jugend, bevor sie mit dem »Ernst des Lebens« beginnen. Dabei fahren sie die ganze Nacht in ihren Autos durch die Stadt und versuchen ihre Freiheit voll auszukosten. Dieser komplette Umsturz der Normen oder die Verdrängung von Anpassung sind in diesen Filmen zentrale Leitidee. Die klassischen Erzählstrukturen, in der ein Held eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen hatte und in der sowohl Drehbuch, Mise-en-Scène als auch die Handlungen Hinweise für den Zuschauer gaben, wie sich der Film und der Charakter weiterentwickeln wird, sind in diesen Filmen ab 1970 nicht mehr offensichtlich gegeben.

Their liberal outlook, their unsentimental approach to American society makes them reject personal initiative and purposive affirmation on the level of ideology, a rejection which has rendered problematic the dramaturgy and film-language developed by classical Hollywood within the context of a can-do culture.[7]

Die konsequente Ablehnung von sowie eine radikale Skepsis gegenüber amerikanischen Werten (wie Ehrgeiz, Vision, das Streben nach »Glück«) stehen im Mittelpunkt der Filme des New Hollywood: »What the heroes bring to such films is an almost physical sense of inconsequential action, of pointlessness and uselessness«.[8] Problematisch für die existenzielle Betrachtung ist hier, dass die Mehrzahl der New Hollywood-Filme stark im Pathos enden, mit dem heldenhaften Tod und Ausscheiden aus der Gesellschaft.

By foregoing the dramaturgy of interpersonal conflict, suspense, intrigue or the self-alienated aggressiveness of emotional frustration, the films are somehow led to stylising despair or helplessness into the pathos of failure. […] [P]athos provides the emotional closure to an open-ended structure and retrieves affective contact with the audience.[9]

Die Mehrzahl der hier besprochenen Filme sind stärker in den 1980er- und Folgejahren angesiedelt, da die 1980er Jahre oft als ein Spiegelbild der 1950er Jahre angesehen werden, vor allem was den Materialismus und Konformismus angeht. Somit lassen sich in Bezug auf die gesellschaftlichen Strukturen Verbindungen zwischen dem Image Deans in diesen Filmen aufzeigen. Denn hier ist der Wunsch der Anpassung gegeben – wie ihn die Figuren Deans auch immer verspürten, weniger die akute Abgrenzung von der Gesellschaft bzw. die Notwendigkeit, die Gesellschaft zu verändern. Die Rebellion ist auf familiäre oder gesellschaftliche Strukturen konzentriert, die nicht komplett umgewälzt, sondern angepasst werden sollen, um dann eine für den Rebellen annehmbare Existenz zu führen. Ob und inwieweit dies klappt und welche verschiedenen Strömungen mit in diese Entwicklung einfließen, soll in dieser Arbeit diskutiert werden. Dennoch lässt sich seit der Jahrtausendwende eine ähnliche Strömung erkennen, in der die Protagonisten in einem immer düstereren Umfeld aufwachsen und ebenfalls gegen gesellschaftliche Normen rebellieren. Meist sind diese allerdings sexueller Natur (wie in den Filmen Gregg Arakis) und enden abgestumpft gegenüber der Gesellschaft. Und diese Gesellschaft hat sich seit den 1970er Jahren natürlich auch stark verändert, sowohl sexuelle Krankheiten wie AIDS, die unsichere Wirtschaft als auch die Allgegenwärtigkeit des Terrorismus stehen im Vordergrund. Es ist aber durchaus nützlich, die Grundthemen des New Hollywood – Abgrenzung, Anarchie und das Abweichen von (gesellschaftlichen wie filmischen) Normen – im Hinterkopf zu behalten. Denn diese sind auch für Coming-of-Age-Filme von großer Bedeutsamkeit.

Die in dieser Arbeit besprochenen Filme durchzieht der existenzielle Grundgedanke: Wie bewältige ich meine Vergangenheit, um in der Gegenwart und Zukunft zu leben? Was bedeutet es, zu existieren und zu rebellieren, was wird dadurch bezweckt? Antworten darauf kann unter anderem die französische Strömung des Existenzialismus bieten. Denn anders als die »radikaleren« Filmrebellen im New Hollywood, die die Gesellschaft nach ihrem Bilde formen wollen, ist der Existenzialismus ein auf jedes Individuum bezogene Philosophie: Wie handele ich, damit meine Existenz für mich Sinn macht? Diese grundlegenden Fragen werden in jedem der Filme aufgeworfen und sind Zentrum von Jean-Paul Sartres (1905-1980) Existenzialismus. Dieser wird zusammenfassend als »Freiheitsphilosophie«[10] bezeichnet. Die Überlegungen gehen auf Vordenker wie René Descartes (1596-1650), Sören Kierkegaard (1813-1855), Karl Jaspers (1883-1969) und Martin Heidegger (1889-1976) zurück, die alle die subjektive Existenz des Menschen ins Zentrum stellen.[11] Kierkegaard verwendete erstmals den für Sartres Philosophie grundlegenden Leitsatz[12], dass die Existenz dem Wesen vorausgehe. Das bedeutet, dass der Mensch zuerst existiert, in die Welt »geworfen« wird, um mit Sartres Worten zu sprechen, und sein Wesen, also das, was der Mensch ist, erst durch sein Handeln bestimmt wird. Sartre lehnt somit den Determinismus und im Gegensatz zu Kierkegaard auch den religiösen Glauben an eine höhere Macht ab. Der Mensch ist, abgesehen von dem »in-die-Welt-geworfen-Sein«, frei. »Das Wesen ist all das vom menschlichen Sein, was man mit den Worten angeben kann: das ist. Und deshalb ist es die Totalität der Merkmale, die die Handlung erklären«,[13] so Sartre: Das Wesen sei das Ich »mit seinem apriorischen und historischen Inhalt«,[14] »all das, was die menschliche-Realität[15] von sich selbst als gewesen erfaßt [sic]«.[16] Kurz gefasst: »Wir handeln, wie wir sind, und unsere Handlungen tragen dazu bei, uns zu machen«.[17] Martin Suhr erklärt diese Gedankengänge wie folgt:

Mein Wesen, das, was ich bin, ergibt sich erst aus dem Ich, als welches ich mich jeweils »in Situation« erfinde. Es ist also in keiner Weise vorherbestimmt, es ist immer – bis zu meinem Tode – »in Aufschub«. Ich bin meine freie Wahl und erschaffe somit erst mein Wesen oder den Sinn, den mein Leben für mich hat. In diesem Begriff des Wesens steckt also eine doppelte Richtung: einerseits ist es der Entwurf, den man von sich macht und durch den man sich bestimmt – mein zukünftiges Wesen; und andererseits ist das Wesen das, was man gewesen ist, die Vergangenheit. Wenn Sartre also sagt, daß die Existenz der Essenz vorangehe, so heißt das, daß der Mensch das ist, was er tut, was er aus sich macht.[18]

Was also macht ein Jugendlicher, oder junger Mensch, aus sich? Wie geht er mit seinem Umfeld um, wie versucht er einen Platz in seinem Leben zu finden und wie wird diese Problematik filmisch dargestellt? Anhand solcher Fragen ist die Arbeit in drei Abschnitte unterteilt: Familiäre Konflikte mit Fokus auf die Vater-Sohn-Konfrontation, familiäre Konflikte im Rahmen psychologischer Behandlungen sowie die selbstzerstörerischen, absurden Wege der Selbstfindung.

Konflikte zwischen Eltern und Kindern sowie deren Erwartungshaltungen werden im dritten Kapitel beleuchtet. Ausgehend von den Filmen von John Hughes, – THE BREAKFAST CLUB / DER FRÜHSTÜCKS-CLUB (USA 1985) und FERRIS BUELLER’S DAY OFF / FERRIS MACHT BLAU (USA 1986) – wird die Rebellion gegen die »Yuppie-Kultur« der Eltern untersucht. Im Anschluss soll eine Analyse des Films REALITY BITES / VOLL DAS LEBEN: REALITY BITES (Ben Stiller, USA 1994) als ein Beispiel der »Generation X«-Filme die Veränderung der Thematik in den 1990er Jahren definieren. Hier wird das Image von James Dean nicht mehr nur auf Teenager, sondern auch auf Akademiker angewendet. Der Konflikt zwischen der wohlhabenden Elterngeneration und deren vom schwierigen Arbeitsmarkt geprägten Kindern ist hier deutlich spürbar und führt zu verschobenen Männlichkeitsdefinitionen, die in den Fokus gerückt werden. Als Beispiel für einen unmittelbaren Vater-Sohn-Konflikt wird REMEMBER ME (Allen Coulter, USA 2010) herangezogen. Die Rolle des Rebellen ist dort stark am Image von James Dean angelehnt und im Gegensatz zu REBEL wird eine komplexere Inszenierung des (Yuppie-)Vaters gezeigt.

Diese familiären Konflikte werden in Kapitel 4 mit einem Fokus auf die psychologische Behandlung der Figur des Rebellen vertieft. Die psychologischen Gespräche des Polizeibeamten, die in REBEL positiv dargestellt wurden, erfahren in den Filmen ab der Jahrtausendwende einen Bedeutungswandel. Das Verschreiben von Psychopharmaka gegen psychische Störungen und eine Überpsychologisierung jeglichen Verhaltens stehen hier im Vordergrund. Paradebeispiel hierfür ist die namensgebende Figur des Films CHARLIE BARTLETT (Jon Poll, USA 2007). Charlie ist nicht nur für seine überforderte, tablettenabhängige Mutter verantwortlich (also eine Umkehrung der Eltern-Kind-Beziehung), sondern verfügt durch seine jahrelange Erfahrung mit Psychoanalyse über die scheinbare Fähigkeit, seine Mitschüler zu therapieren – vergisst dabei aber sein eigenes Seelenheil. In GARDEN STATE (Zach Braff, USA 2004) kämpft Andrew Largeman gegen ein durch starke Tabletten entstehendes Taubheitsgefühl – Tabletten, die ihm sein Vater, der selbst Psychiater ist, seit Jahren aufgrund einer Familientragödie verschreibt. Im Endeffekt müssen sie sich von dem psychologischen Umfeld distanzieren, um einen Platz oder Sinn im Leben zu finden.

Das letzte Kapitel beschreibt weniger eine direkte Rebellion gegen die Eltern, sondern zeigt einen weiteren Trend des desillusionierten Teenagers oder jungen Erwachsenen auf. Ausgehend von der Planetariumsszene in REBEL, in der das existenzielle Dilemma jedes einzelnen im Vergleich mit dem Sternensystem für nichtig erklärt wird, werden Filme, die eben diese Nichtigkeit durch zum einen absurde und zum anderen apokalyptische Elemente unterstreichen, besprochen. Zur genaueren Untersuchung der Sinnlosigkeit des Daseins und des daraus resultierenden Handelns werden in diesem Rahmen sowohl der Existenzialismus Jean-Paul Sartres als auch die Gedanken über die absurde Revolte von Albert Camus (1913-1960) für die Analyse näher herangezogen. Ausgehend davon wird das absurde Dilemma in DONNIE DARKO / DONNIE DARKO – FÜRCHTE DIE DUNKELHEIT (Richard Kelly, USA 2001) und KABOOM (Gregg Araki, USA/F 2010) untersucht. In ersterem verschwimmen Realität und Traum durch Psychopharmaka und es ist nie sicher, ob das von Donnie Darko angepriesene Ende der Welt wirklich naht oder nicht. Der Film endet mit einem Opfer Donnies und nicht ganz so abrupt wie es Gregg Arakis Film KABOOM tut, dessen absurder Verlauf die Ausweglosigkeit der menschlichen Existenz verdeutlicht. Anschließend wird die sexuelle Ambivalenz untersucht, die in REBEL aufgrund der Zensur nur äußerst subtil dargestellt werden konnte und mittlerweile deutlicher auf der Leinwand präsentiert wird – wenn auch mehr in Independent-Produktionen. Das Aufbrechen der gesellschaftlichen Normen in Bezug auf die Sexualitätsfindung steht im Vordergrund der weiteren Filme: In THE DOOM GENERATION (Gregg Araki, USA/F 1994) wird diese durch eine Dreierkonstellation, die der in REBEL durchaus ähnlich ist konstruiert und die ungeahnt destruktive Züge entwickelt. Der Collegefilm THE RULES OF ATTRACTION / DIE REGELN DES SPIEL – THE RULES OF ATTRACTION (USA/D 2002), bei dem eine Weltuntergangsparty auf dem Campus als Hintergrund der Erzählung dient, fügt am Ende alle Themenbereiche zusammen: Die Ménage-à-trois, die Verlorenheit und sexuelle Begierde.

Das Image James Deans ist in allem Filmen präsent und wird dabei immer wieder zeitgenössisch und durch gesellschaftliche Veränderungen bedingt interpretiert. Das universelle Problem der Identitätssuche ist und bleibt aktuell. Filme gehen mit der Zeit und »the mirroring of society is one of the things films do best«.[19] So sehen wir heute in James Dean nicht mehr nur den 1950er-Jahre-Rebellen, sondern eine Ikone, deren Essenz sich auf jeden weiteren jungen Rebellen übertragen lässt. R.L. Rutsky ist der Meinung, dass man die Bewegungen in der Populärkultur am besten verstehen kann, wenn man »at the fortuitous cultural patterns and associations that swirl around a star’s persona and body of work«[20] schaut; genau diese kulturellen, soziologischen, philosophischen und geschichtlichen Strukturen, die mit dem Image James Deans und seinen Filmen verwoben sind, sollen hier aufgezeigt werden. Es geht also nicht in erster Linie darum, Figuren zu finden, die ähnlich inszeniert werden wie es James Deans Figuren wurden, sondern vielmehr solche Figuren, die ebensolche Schwierigkeiten beim Erwachsenwerden empfinden und unter anderem durch ihre rebellische Verhaltensweise existenzielle Fragen aufwerfen.

2. James Dean: Der Archetyp des Rebellen

Der Mensch James Dean ist fast vollständig hinter der Vorstellung des Rebellen und seiner ambivalenten Bedeutung verschwunden. Eingefroren wurde dieses Bild einerseits durch den frühen Tod, zu dessen Zeitpunkt gerade sein erster Film EAST OF EDEN / JENSEITS VON EDEN (Elia Kazan, USA 1955) in den Kinos lief, und andererseits durch die Rollen, die er in seinen Filmen verkörperte, insbesondere die des Jim Stark in REBEL. Zusätzlich muss auch auf die kulturellen und sozialpolitischen Aspekte eingegangen werden, die mit dem Aufkommen des Rebellenimages in enger Verbindung stehen, da vor allem konnotative Bedeutungen zur Bildung des Images beitragen, wie Stephen Lowry in seiner Studie zum Starimage beschreibt. Demnach muss der Star James Dean in »Zusammenhang mit filmischen, wirtschaftlichen, kulturellen und diskursiven Kontexten«[21] analysiert werden, um im Anschluss den Einfluss auf spätere Filme bestimmen zu können. Doch bevor die Imagebildung und das Verschwimmen von James Deans Leben mit dem seiner Charaktere ergründet werden kann, bedarf es eines Einblicks in seine Biografie.[22]

2.1 Vom Mittleren Westen nach Hollywood

James Byron Dean kam am 8. Februar 1931 als Sohn von Mildred und Winton Dean in Marion, Indiana zur Welt. Die junge Familie zog einige Monate später nach Fairmount, Indiana und 1936 im Zuge einer besseren Anstellung für Winton ins ferne Los Angeles. Mildred war das Zentrum im Leben des jungen James »Jimmy« Dean und unterstützte ihm beim Ausleben seiner künsterlischen Talente. Winton war schon in den ersten Jahren nicht besonders präsent und zeigte kein großes Interesse an seinem Sohn. Als Mildred im Juli 1940 an Krebs starb, wurde der neunjährige Jimmy mit seiner Großmutter und dem Sarg seiner Mutter per Zug zurück nach Indiana zu Onkel und Tante geschickt. Er soll bei jedem Stopp zum Waggon, in dem der Sarg der Mutter lag, gerannt sein. Dieser Zeitpunkt war prägend für seine Orientierungs- und Wurzellosigkeit, die ihn und seine Rollen später auszeichnen sollten:

Separated from his father by geography and from his mother by death, Jimmy began to assume that complex mixture of toughness and vulnerability that would eventually help make him such an intriguing actor. The rage and aggression were always undermined by a helpless desperation.[23]

Den Wunsch, Schauspieler zu werden, äußerte er bereits früh, und seine Tante sowie eine Lehrerin an der High School unterstützten ihn ebenfalls beim Ausleben seiner künstlerischen Ambitionen. Obwohl er nicht besonders groß und zudem stark kurzsichtig war, spielte er im Basketballteam und begann im Teenageralter, sich für Motorräder zu interessieren. Sein Onkel kaufte ihm eines. Er hatte somit gleichermaßen weibliche wie männliche Vorbilder.

Der junge Pastor der Fairmount Wesleyan Methodist Church, James De Weerd, war eine einflussreiche Person sowohl in James Deans Leben als auch im Leben anderer männlicher Teenager in Fairmount. De Weerd war ein sehr ambitionierter Redner und Mentor für die Jungen, machte sie mit dem Kunstmuseum in Indianapolis bekannt, weckte ihr Interesse an Poesie, exotischen Ländern und klassischer Musik. De Weerds Interessenspektrum deckte sich gut mit dem von James Deans Mutter. So entwickelte sich eine engere Beziehung und James Dean fand in De Weerd eine passende Vaterfigur. Donald Spoto ist in seiner Biografie Rebel (1996) der Meinung, dass die Beziehung nur das war – eine Vater-Sohn-Beziehung, gemessen daran, dass Fairmount eine sehr kleine und intime Gemeinde war und eine eventuelle sexuelle Misshandlung niemals unbemerkt geblieben wäre oder zumindest von irgendeinem der Jungen einmal an die Öffentlichkeit gebracht hätte werden müssen. Paul Alexander (Boulevard of Broken Dreams, 1994) ist da anderer Meinung und versichert, dass James Dean seine Jungfräulichkeit an De Weerd verloren habe und diese geheime Affäre auch bis zur Abreise Deans nach Kalifornien anhielt.[24] In Frascella und Weisels Live Fast, Die Young (2005) ist die Rede davon, dass De Weerd später Reporter Joe Hyams die Beziehung bestätigte.[25] Wie auch immer man es sieht, De Weerd war zumindest ein einflussreicher Vaterersatz, der dem jungen James Dean die Künste und auch die Liebe zu Autorennen und Stierkämpfen näher brachte. Wenn De Weerd sagt, »Jimmy was usually happiest stretched out on my library floor. He loved good music playing softly in the background«[26], kann zumindest eine erotische Spannung nicht ausgeschlossen werden. Dean kam so mit der Anziehung zwischen Männern früh in Kontakt.

Jimmy entschied sich, nach der High School zurück nach Kalifornien zu seinem Vater zu gehen. Dieser überredete ihn zu einem Jura-Studium an einem College, was jedoch schnell vernachlässigt wurde. Er wechselte zur University of Los Angeles (UCLA), um besser ins Filmgeschäft einsteigen zu können, und zog bei seinem Vater aus. An der UCLA fand er einige Freunde, die seine Liebe für die Schauspielerei teilten, u. a. William Bast[27], und ergatterte die Rolle des Malcolm in einer Universitätsproduktion von Macbeth, für die er gute Kritiken erhielt.

James Dean soll in der Zeit einige kurze Affären und One Night Stands mit mehr oder weniger einflussreichen Männern Hollywoods gehabt haben[28] und ging nach New York, um dort die Kunstszene zu erkunden. Er hatte viele enge Freundinnen, auch wenn sich die Quellen uneinig sind, inwieweit mit diesen sowie mit den zahlreichen Männern Intimitäten ausgetauscht wurden. Dean konnte und wollte sich, so scheint es aber, sexuell nicht festlegen. Laut Nicholas Ray, Regisseur von REBEL, habe über James Dean mehrmals erwähnt »that he swung both ways«.[29] Weiterhin wird in etlichen Biografien James Deans berühmtes Zitat angeführt: »I’m certainly not going through life with one hand tied behind my back«.[30] Diese Uneindeutigkeit seiner Sexualität unterstützte die Ambivalenz des entstehenden Rebellenimages.

In New York besuchte er das Actors Studio. Das 1947 von Elia Kazan, Cheryl Crawford und Robert Lewis gegründete Studio hatte bereits viele große Namen ausgebildet, u. a. Marlon Brando, Montgomery Clift und Julie Harris. Das sogenannte ›Method Acting‹ nach Theaterregisseur Konstantin Stanislavsky bewegte sich fort vom klassischen Schauspielstil und konzentrierte sich auf einen psychologisch motivierten Ansatz. Charaktere sollten von innen heraus kreiert und improvisiert werden, sodass sie natürlicher und ›echter‹ erscheinen.[31] Allerdings ertrug James Dean dort die harte Kritik des künstlerischen Leiters Lee Strasberg nicht und kam nur noch selten bis gar nicht mehr zu den Kursen. Generell war er aber stark geprägt vom dem Studio und eiferte Marlon Brando nach.[32]

Sein Broadway-Debüt hatte Dean im Stück See the Jaguar im Jahr 1952, was nicht sonderlich erfolgreich war, ihm aber immerhin vergleichsweise positive Kritiken verschaffte und seiner New Yorker Agentin Jane Deacy ermöglichte, ihm weitere Fernsehauftritte zu vermitteln.[33] Inmitten seines zweiten Broadwaystücks, The Immoralist, bekam James Dean dann endlich ein Rollenangebot aus Hollywood: Die des Caleb Trask in EAST OF EDEN. Elia Kazan, der Regisseur, hatte eigentlich Marlon Brando für die Rolle vorgesehen, entschied sich dann aber anders. Dean sei »twisted [,…] suffused with self-pity and the anguish of rejection« und ein sehr verletzlicher Mensch, außerdem sei er »guarded, vengeful, sullen and he had a sense of aloneness. He was suspicious of everyone«[34]. John Steinbeck, Autor der Buchvorlage, soll sogar gesagt haben, »Mein Gott, er ist Cal!«[35]. Cal Trask ist der Figur Jim Stark aus REBEL sehr ähnlich.

Abb. 1 und 2: Cal prügelt sich mit seinem Bruder.

Vor dem Hintergrund des ländlichen Kalifornien kurz vor dem Ausbrechen des ersten Weltkriegs kämpft Cal Trask um die Liebe und Anerkennung seines Vaters Adam (Raymond Massey), der Cals Zwillingsbruder Aron (Richard Davalos) bevorzugt. Seine Mutter Kate (Jo Van Fleet) soll laut seinem Vater nach der Geburt der Söhne gestorben sein. Cal spürt sie allerdings in einem Nachbarort auf, sie leitet ein florierendes Bordell. Die einzige, die ihn im Film versteht, ist Abra (Julie Harris), die Freundin Arons, die ihn auch bei seinem Plan unterstützt, das von seinem Vater durch eine Fehlspekulation verlorene Geld durch den Anbau und Verkauf von Bohnen für den Krieg wieder einzunehmen. Der Vater allerdings will dieses Geld nicht annehmen und lobt lieber seinen Bruder Aron für seine Verlobung mit Abra. Cal nimmt daraufhin Aron mit zu seiner Mutter und zeigt ihm, wer sie wirklich ist. Aron, der seine Mutter für eine Heilige hielt und ein überzeugter Pazifist ist, meldet sich nach dem Schock als Freiwilliger für den Krieg, was die biblische Kain-und-Abel-Geschichte zu Ende bringt. Vater und Sohn versöhnen sich am Ende mit Abras Hilfe.

Abb. 3 und 4: Cal wird immer wieder eindeutig von der Einheit Abra – Aron getrennt.

Cal Trask ist eine Paraderolle für James Dean. Unverstanden, unvorhersehbar, wütend und verzweifelt, ohne die Fähigkeit, sich zu artikulieren oder dauerhaft Ruhe und Geborgenheit zu finden, stolpert er durch den Film, schaut von unten hoch in die Kamera, steht schief herum, prügelt und betrinkt sich, weiß nicht, ob er gut oder böse ist, und möchte eigentlich nur geliebt werden.

Abb. 5: Nach der Prügelei mit Aron zeigt die Bildaufteilung eine Annäherung Abras an Cal.

Sein Einzelgängertum wird filmisch erzeugt, indem er meist in einem Single Shot zu sehen ist oder in großen Abstand zu anderen Figuren, wie zum Beispiel zu Abra und Aron auf dem Weg nach Hause oder beim Verfolgen der Mutter zu Beginn des Films.[36] Am Set verstand James Dean sich zusehends schlechter mit Elia Kazan und brauchte oft lange Vorbereitungszeiten für sein Method Acting, was ihn vor allem mit klassischen Schauspielern wie Raymond Massey aneinanderstoßen ließ.[37]

Abb. 6 und 7: Die Kamera filmt Cal meist von unten, oder er schaut mit in Falten geworfener Stirn von unten hoch.

Bei den anschließenden Dreharbeiten zu REBEL wurde James Dean von Regisseur Nicholas Ray, was Improvisationen und Kameraeinstellungen betraf, stark eingebunden und unter seine Fittiche genommen. Außerdem verstand er sich sehr gut mit den Co-Stars Natalie Wood und Sal Mineo. Nicholas Ray war sehr geduldig und fühlte sich unter seiner jungen Cast wohl – ganz anders als George Stevens, dem Regisseur von Deans letztem Film GIANT / GIGANTEN (USA 1956). Zusätzlich hatten die großen Stars Elizabeth Taylor und Rock Hudson bei diesem Film die Hauptrollen, George Stevens erwartete professionelle Hingabe und verbot Dean mit Hilfe eines Vertrages, an Autorennen teilzunehmen, die in zunehmendem Maße zu einem wichtigen Hobby für ihn geworden waren. Rock Hudson konnte James nicht leiden, ebenso wie Hudsons Charakter Jordan Benedict Deans Charakter, den Farmarbeiter Jett Rink, verachtete.

Jett Rink ist wie die Rollen zuvor ebenfalls ein unverstandener Charakter, der von Jordan Benedicts Schwester Luz ein Stück Land vererbt bekommt und dort unvermutet auf Öl stößt. Dadurch einflussreich und wohlhabend, findet er dennoch keinen Frieden, wird von den Benedicts nicht anerkannt, weil er nicht der richtigen ›Klasse‹ angehört und stirbt am Ende, 30 Jahre gealtert, betrunken und einsam:

[D]er Film erzählt eine Tellerwäscher-Saga, die in Selbstzerstörung und Einsamkeit endet. Der Film erzählt aber auch vom verzweifelten Ringen der gleichen Person um das Aufrechterhalten von Tradition, von der Illusion der Mütterlichkeit und vom doch vorhandenen Generationenvertrag.[38]

In der Rolle des Jett Rink lässt James Dean viele seiner eigenen Launen und Charaktereigenschaften durchscheinen und ist der tragischste Dean-Charakter, da er lediglich zu Wohlstand kommt, aber darin scheitert, »eine Gefühlsumgebung von Wärme, Geborgenheit [und] gegenseitigem Vertrauen zu erlangen«.[39]

Auch im wahren Leben verlief es für James Dean nicht rosig; seine durch die Presse übertrieben kommunizierte Beziehung mit Pier Angeli, die er während der Zeit der Dreharbeiten zu GIANT kennenlernte, währte nur drei Monate. Er war oft launisch, zog sich zurück und stürzte sich, endlich vom Vertrag von GIANT befreit, in die Autorennen. Auf dem Weg zu einem Autorennen kollidierte er am Spätnachmittag des 30. September 1955 auf dem Highway 466 mit einem abbiegenden Wagen, brach sich durch den Aufprall das Genick und starb somit im Alter von 24 Jahren. Mit nur einem bisher veröffentlichten Film war er noch relativ unbekannt, doch der frühe Tod und die Premieren seiner zwei weiteren Filme im Anschluss katapultierten ihn in den Starhimmel und starteten einen Mythos, der bis heute anhält. Willi Winkler erkennt treffend:

[Es konnten] nicht die Filme allein sein, die für diese Verklärung sorgten, und auch nicht der Unfall. Mitten in den bonbonfarbenen, petticoatsteifen 50er Jahren, in denen es jedem jeden Tag besser ging, war jemand trotzig unglücklich, und er zeigte dieses Unglück auch noch. Das war eine Sensation.[40]

2.2 Teenager, Konformität und Paranoia in den 1950er Jahren

Thomas Doherty beschreibt in Teenagers and Teenpics: The Juvenilization of American Movies in the 1950s die Entwicklung des familienorientierten Hollywoodsystems hin zur Hauptzielgruppe der sich in den 1950er Jahren neu bildenden Gruppe der Jugendlichen.

Truth to tell, 1950s teenagers were strange creatures, set apart from previous generations of American young people in numbers, affluence, and self-consciousness. There were more of them; they had more money; and they were more aware of themselves as teenagers.[41]

Der Begriff ›Teen years‹ wurde bereits 1920 verwendet, um die Phase zwischen Kindheit und Erwachsensein zu beschreiben,[42] aber erst in den 1950er Jahren kristallisierten sich die Vertreter dieser Gruppe – die sogenannten ›Teenager‹ – als bedeutsam heraus. Dass es so viele von ihnen gab, lag am Baby-Boom der Nachkriegszeit. Diese Kinder kamen in den 1950er Jahren in die Pubertät. Zudem waren sie nun Konsumenten, keine Arbeitskraft mehr wie noch im Jahrhundert zuvor, sodass Teenager vor allem für Unternehmen, insbesondere im Entertainmentbereich, ein lukratives Geschäft bedeuteten. Dass diese Gruppe überhaupt in den Fokus der Filmindustrie rückte, lag zum einen am Aufkommen und der immensen Beliebtheit des Fernsehens und zum anderen an der Zerstörung des alten Studiosystems durch den Sherman Anti-Trust Act 1948, in dem festgelegt wurde, dass Produktion, Distribution und Aufführung nicht allein von den Studios selbst geregelt werden durften. Die Produktion wurde somit auf unabhängige, kleinere Firmen übertragen, die nun aufgrund von hohen Steuern auf Kapitalgewinne der großen Firmen profitabler waren.[43] Durch die Umstrukturierung des Studiosystems und den großen Verlust von Besuchern an die Fernsehbildschirme musste eine neue Strategie entwickelt werden, um weiterhin Gewinne zu erzielen. Teenager mit ihren Autos und relativ viel Freizeit konnten sicher in die Kinos gelockt werden, vor allem Autokinos erfreuten sich großer Beliebtheit bei Jugendlichen und jungen Eltern. Somit veränderte sich Hollywood langsam, um gegen den großen Konkurrenten Fernsehen vorzugehen, dessen Umsatz sich von $1,9 Millionen (1947) auf $943,2 Millionen (1957) erhöhte.[44]

Television was the most noticeable threat to Hollywood, and Hollywood responded with two strategies: first, by emphasizing its value as a spectacle (larger screens, colourful images, a communal theatre atmosphere) and, second, by exploiting its relative freedom to deal with ›adult‹ and ›controversial‹ topics (such as alcoholism, anti-Semitism, sex, racial inequality and so on).[45]