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Nr. 167

 

Der Rote Eroberer

 

von Hubert Haensel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Als Mythor in der durch ALLUMEDDON veränderten Welt zu sich kommt, ist er sich seines Auftrags nicht bewusst, denn man hat ihn seiner Erinnerungen beraubt. Erst bei der Begegnung in der Drachengruft wird Mythor dieses klar, und schließlich sorgt das Duell mit Mythors anderem Ich dafür, dass unser Held in seiner Ganzheit wiederersteht.

Damit beginnt Mythor in bekannter Manier zu handeln. Inseln des Lichts zu gründen und die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein erklärtes Ziel. Und sein kluges Vorgehen führt denn auch zu einem Zusammenschluss der Clans des Drachenlands und zu einem Sieg über die Invasionsstreitkräfte Xatans.

Kurz darauf macht sich Mythor auf die Suche nach Coerl O'Marn, dem alten Freund und Mitkämpfer. Er folgt dabei der Spur der Albträume, erreicht eine fremde Welt, verlässt diese Welt wieder nach vielen gefährlichen Episoden – und wird schließlich ein Opfer des Traumparasiten.

Amazonen von Vanga, die Gorgan erkunden, retten unseren Helden und geben ihm die Gelegenheit, das Land Ameristan zu erreichen. Mythors und der Amazonen Mission endet jedoch in einem Debakel, denn in Ameristan herrscht DER ROTE EROBERER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Unser Held trifft auf einen alten Bekannten.

Ilfa und Ronda – Mythors Begleiterinnen.

Kurus – Anführer der Mascaser.

Jatha – Ein ehemaliger Bewohner der Schattenzone.

Ruethan – Ein Albtraumritter.

Dailon – Ein Abgesandter aus Torrei.

1.

 

Die Nacht war erfüllt von vielfältigen Geräuschen, die von allen Seiten her auf die drei einsamen Wanderer eindrangen. Mythor war stehengeblieben und lauschte in die Finsternis, die nur vom Fackelschein spärlich erhellt wurde. Das Zischen der mit Harz und Pech getränkten brennenden Lumpen machte es schwer, sich zu konzentrieren.

»Du siehst Gespenster«, bemerkte Ilfa spitz. »Seit Lazo gegangen ist und wir die Höhlen verlassen haben, bist du übervorsichtig.«

Zögernd wandte Mythor sich zu ihr und der Amazone Ronda um. Er wollte etwas sagen, presste dann aber die Lippen zusammen und nickte nachdenklich. Der blakende Fackelschein ließ sein Gesicht hart und unnachgiebig erscheinen, in seinen Augen spiegelten sich die Flammen.

Da war es wieder. Diesmal vernahm auch Ilfa das eisige Klirren, dessen Ursprung sich nicht lokalisieren ließ.

»Mythor hat recht«, raunte Ronda. Während sie ihre Fackel mit der ausgestreckten Linken von sich hielt, lag ihre Rechte auf dem Knauf des Seelenschwerts. Ihre angespannte Haltung verriet nicht nur die geübte Kämpferin, sondern auch eine beinahe katzenhafte Geschmeidigkeit.

Der Himmel blieb verhangen; lediglich über dem Horizont zeigten sich verwaschen blinkende Sterne. Ihr Schein ließ kaum die schweren, düsteren Gewitterwolken erahnen, die sich immer bedrohlicher auftürmten. Die Luft war von einer drückenden Schwüle erfüllt. Schwefelgeruch breitete sich aus.

Mythor setzte den Weg über felsigen, geröllbedeckten Boden fort. Die Gegend wirkte kahl und trostlos. Nur hin und wieder ragten die dornigen Äste dürrer Sträucher auf, noch seltener waren die Stellen rissiger, verbrannt wirkender Erde, auf denen Moose wurzelten.

Der aufkommende warme Wind ließ die Geräusche deutlicher werden.

Ein dumpfes Trommeln ... Hektisch zuerst, dann verhalten, in vielfachem Echo verklingend. Schließlich von neuem: rhythmisch, aufbrausend, wie der Pulsschlag einer Kriegerin vor der entscheidenden Schlacht. So jedenfalls empfand Ronda die Töne.

»Tiere?«, fragte Ilfa. Der Fackelschein reichte kaum weiter als sechs Schritt, was dahinter lag, blieb im Mantel der Nacht verborgen.

»... oder Menschen«, erwiderte Mythor. »Vielleicht Kriegstrommeln. Zum Glück sind wir noch weit entfernt.«

Es begann zu wetterleuchten.

Die jäh aufzuckende Helligkeit ließ Mythor und seine beiden Begleiterinnen zumindest bruchstückhaft ihre Umgebung erkennen. Sie befanden sich in einem langgestreckten Talkessel, möglicherweise dem gewundenen Bett eines ausgetrockneten Stromes. Ringsum erhoben sich schroffe Berge, von denen viele förmlich miteinander zu verschmelzen schienen. Graue Moränenhänge stachen bleich von den übrigen Felsen ab. Einer dieser Hänge war das Abbild eines riesigen Totenschädels mit düster gähnenden Augenhöhlen.

Zögernd drehte Mythor sich einmal um sich selbst; auch Ronda sah sich aufmerksam um. Das Lauernde in ihrer Haltung erinnerte ihn unwillkürlich an Burra, die Amazone der Zaubermutter Zaem, deren einstiger Weg durch Vanga mit dem seinen auf seltsame Weise verknüpft gewesen zu sein schien.

Aber Ronda war anders. Sie trug nicht mehr den typischen Haarknoten der Kriegerinnen einer vergangenen Epoche, ihr rotes Haar war vielmehr fingerkurz geschnitten und gescheitelt. Trotz ihres starken Knochenbaus blieb ihr Äußeres das einer anziehenden Frau. Sie besaß keine Narben und Blessuren, die einmal das Schönheitsideal der Amazonen gewesen waren. Stattdessen zierte eine phantasievolle Kriegsbemalung ihr Gesicht, betonte die hervortretenden Backenknochen ebenso wie die großen grauen Augen.

Ronda wirkte wie viele Frauen in ihrem Alter, beherrschte jedoch die Kunst der Schwertführung nahezu bis zur Vollendung. Ihre Rüstung bestand hauptsächlich aus einem Kettenhemd, einem eisenverstärkten Lederrock sowie einer ledernen Brünne mit metallenen Brustschalen. In den überkreuzten Gürteln steckten das nach ihrer Lehrerin benannte Herzschwert Scida und das längere Seelenschwert Lanta.

Allmählich wurde das Klirren hektischer – ein nervtötendes Geräusch, dessen Allgegenwart Unbehagen hervorrief.

Es begann zu regnen.

Erst waren es nur wenige schwere Tropfen, die fielen, doch schon Augenblicke später schien der Himmel aufzureißen. Der Regen peitschte Mythor und den Frauen mit solcher Heftigkeit entgegen, dass sie im Nu bis auf die Haut durchnässt waren. Rinnsale entstanden zwischen den Felsen und vereinten sich. Das Wasser stieg höher, wälzte sich schlammig schäumend talwärts. Es fiel nicht leicht, auf dem glitschigen Geröll sicheren Stand zu bewahren.

»Wir müssen hier weg!«, rief Mythor.

Ilfa und die Amazone folgten ihm dichtauf. Ihre Fackeln waren am Erlöschen. Dafür verbreiteten die jetzt fast unaufhörlich herniederzuckenden Blitze genügend Helligkeit.

Eine heftiger werdende Strömung entstand, die allerlei Treibgut mit sich führte. Bis zu den Oberschenkeln watete Mythor bereits im Wasser. Es wurde rasch schwerer, unter diesen Umständen vorwärtszukommen. Die beiden Frauen hatten sich an den Händen genommen.

»Dort drüben liegen die Felsen höher.« Mythor deutete auf eine Gruppe beieinanderstehender Monolithe, an denen sich die Flut aufgischtend brach. Im nächsten Moment stieß er einen erschreckten Aufschrei aus und stürzte rücklings ins Wasser. Die Äste eines vorbeitreibenden Baumes hatten ihn von den Beinen gerissen und drückten ihn unter die Oberfläche.

»Mythor!«, schrie Ilfa. Vergeblich versuchte sie, sich aus dem Griff der Amazone zu befreien. Die schlammige Brühe umspülte inzwischen ihre Hüfte.

»Du kannst ihm nicht helfen«, brüllte Ronda gegen den Donner an. »Wir müssen zu den Felsen!«

In unmittelbarer Nähe schlug ein Blitz ein. Das Prasseln niedergehender Gerölllawinen vermischte sich mit dem ohrenbetäubenden Krach eines Einschlags. Flüchtig wurde Mythor sichtbar, wie er sich an dem treibenden Baum festklammerte, dann blieben nur noch Schatten.

Eine zweite Flutwelle toste heran. Gegen diese entfesselten Gewalten war selbst Ronda machtlos. Ilfa fühlte sich hochgeschleudert und davongewirbelt. Sie bekam keine Luft mehr. Wasser drang ihr in Mund, Nase und Ohren ein, während sie in jäh aufwallender Verzweiflung um sich zu schlagen begann.

Dann, als das Pochen in ihren Schläfen schier übermächtig wurde, als sie zu ersticken glaubte, durchbrach sie endlich die Oberfläche. Aber nur für wenige Augenblicke. Gierig atmete sie ein, sog die Lungen voll, bevor sie erneut absackte und keinen Grund mehr unter den Füßen fand. Instinktiv krümmte sie sich zusammen, legte die Arme schützend um ihren Oberkörper. Nur einen Herzschlag später prallte sie schwer gegen ein Hindernis.

Ein Gefühl der Taubheit raste durch ihren Körper. Dann war nichts mehr.

 

*

 

Sie fror.

Alles an ihr triefte vor Nässe. Ihr Rücken schmerzte wie nach unzähligen Peitschenhieben.

Als sie sich aufrichten wollte, wurde ihr erneut schwarz vor Augen, und sie fiel haltlos zur Seite.

Kräftige Fäuste zerrten sie hoch.

»Was ist mit dir, Ilfa?«

Sie wollte etwas sagen, doch nur ein qualvolles Stöhnen wurde daraus. Mühsam öffnete sie die Augen.

Mythor stand vor ihr. Sein Gesicht war blutverschmiert, das Haar hing ihm in wirren Strähnen in die Stirn. Offenbar deutete er ihren entsetzten Blick richtig, denn er fuhr sich mit der flachen Hand über die Wangen.

Unmittelbar hinter ihnen traten die Felsen eng zusammen; die Wassermassen mussten sich in tosendem Strudel in diese Schlucht ergossen haben. Dabei konnten sie von Glück reden, dass der entwurzelte Baum sich vor den Felsen verfangen und quergestellt hatte.

Es regnete kaum noch. Bis auf überall verbliebene knietiefe Lachen hatte die Flut sich rasch verlaufen.

»Ronda!«, rief Mythor. In rollendem Echo hallte seine Stimme von den Felsen wider. Aber eine Antwort blieb aus.

»Du bist verletzt«, stieß Ilfa hervor.

»Und wenn schon«, wehrte er unwillig ab. »Wir müssen die Amazone suchen.«

»Sie kann sich selbst helfen.« Ilfa wischte Mythor mit ihrem Ärmel über das Gesicht. Das Blut begann bereits zu verkrusten. »Halt still!«, schimpfte sie, als er sie von sich schieben wollte. »Wie soll ich dir helfen können ...«

»Mir geht es blendend«, wehrte Mythor ab. »Solange ich nicht weiß, was mit Ronda geschehen ist ...« Ehe er sich's versah, hinderten Ilfas Lippen, die sich fordernd auf seinen Mund pressten, ihn am Weiterreden. Wie eine Klette schmiegte sie ihren Leib an ihn. »Das war für die Amazone«, seufzte sie, als sie sich gleich darauf wieder voneinander lösten.

Sorgsam tupfte sie ihm das Blut ab. Eine breite Platzwunde klaffte quer über Mythors Stirn. Ansonsten schien er unverletzt zu sein. Ilfa spuckte in die hohle Hand und betupfte die Wunde damit. »In einigen Tagen sieht man nur noch die Narbe«, sagte sie, als die Blutung endgültig aufgehört hatte. »Spucke hilft für alles, wenn keine Heilkräuter zur Hand sind.«

Die jetzt herrschende Stille wirkte beklemmend. Mythor vermisste das Klirren. Wenn es wirklich Kriegstrommeln gewesen waren, konnte ihr Schweigen nur bedeuten, dass die Unbekannten bald angreifen würden.

»Zoon-Krieger?«, flüsterte Ilfa betroffen.

»Ich weiß nicht«, gab er ebenso leise zurück. »Wir werden es früh genug erfahren.«

Die tiefhängende Wolkendecke war aufgerissen, darüber wetterleuchtete es noch immer. Ein heftiger Wind wirbelte die Dunstschleier mit sich. Mythor und Ilfa wagten es nicht mehr, nach Ronda zu rufen, um mögliche Gegner nicht aufmerksam zu machen. Vereinzelt stießen sie auf die Kadaver ertrunkener Tiere. Ein verheerender Wolkenbruch musste in den höheren Gebirgslagen niedergegangen sein, dass innerhalb kürzester Zeit eine gut fünf Fuß hohe Flutwelle das alte Flussbett ausgefüllt hatte.

Ilfa blieb überrascht stehen, als die Trommeln lauter und eindringlicher als zuvor wieder einsetzten. Das begleitende Klirren jagte ihr eisige Schauder den Rücken hinab. Unwillkürlich lockerte auch Mythor sein Schwert in der Scheide, ließ jedoch gleich darauf, ärgerlich auf sich selbst, die Hand wieder sinken.

Feuerschein loderte am Horizont auf. Die Entfernung war schwer zu schätzen, mochte aber etwa eine Wegstunde betragen. Selbst auf die Gefahr hin, in der Finsternis auszugleiten und sich zu verletzen, kletterte Mythor auf einen in der Nähe aufragenden Felsblock. Aus einer Höhe von gut acht Schritt gewann er ein wenig mehr Übersicht.

Im Norden, offenbar durch eine parallel zum Flussbett verlaufende Schlucht und eine von Findlingen übersäte Ebene von diesem Teil des Gebirges getrennt, waren mehrere Feuer entfacht worden. Wahrscheinlich ein Heerlager. Die offensichtliche Unbekümmertheit der Krieger ließ vermuten, dass sie keine Feinde zu fürchten hatten. Mythor beobachtete noch eine Weile, konnte aber nicht viel mehr als vage Schatten erkennen, die sich zwischen den Feuern bewegten.

»Wenn es Zoon-Krieger sind, müssen wir verdammt auf der Hut sein«, raunte er Ilfa zu. Steine lösten sich unter seinen zupackenden Händen und polterten in die Tiefe.

»Sei vorsichtig!«, warnte die Frau.

Fast gleichzeitig ertönte ein langgezogener Kampfschrei. Obwohl er aus unmittelbarer Nähe gekommen sein musste, war die Richtung keineswegs einwandfrei festzustellen.

Aus einer Höhe von wenig mehr als drei Schritt sprang Mythor und kam federnd neben Ilfa auf. Beide zogen ihre Schwerter.

Wie aus dem Boden gewachsen, stand plötzlich eine Schar barbarisch anmutender Krieger vor ihnen. Wären nicht ihre einheitlichen Wickelgewänder gewesen, aufgrund ihrer unterschiedlichen Waffen hätten sie den Eindruck eines bunt zusammengewürfelten Haufens erweckt. Einige trugen Speere und Äxte, andere hielten Schwerter in Händen – gerade und gebogene Klingen, geflammte und mit Widerhaken versehene, Kurzschwerter und solche, die zu führen man der Kraft beider Arme bedurfte.

Langsam rückte die Meute näher. Ihre Mienen blieben ausdruckslos, aber in den Augen der Barbaren funkelten Feuer des Hasses.

Mythor und Ilfa wichen zurück, bis sie den Fels hinter sich spürten. Es bedurfte keiner Worte zwischen ihnen. Ilfa hielt ihr dreiviertellanges Schwert mit beiden Händen waagerecht über der linken Schulter, bereit, zugleich mit dem Gefährten vorzupreschen. Mythor stand breitbeinig da, die Linke abwehrend ausgestreckt und die leicht gespreizten Finger wie beschwörend auf die Gegner gerichtet, das Schwert hielt er in Gürtelhöhe, die Klinge leicht zu Boden geneigt, um überraschend zuschlagen zu können.

»Wer seid ihr?«, stieß er schließlich hervor, des stummen Sich-Belauerns überdrüssig. »Was wollt ihr von uns?«

»Kurus macht mit Zoon-Kriegern kein Federlesens«, lautete die überraschende Antwort.

»Wir sind keine Zoon«, erwiderte Ilfa.

Der Sprecher der Angreifer lachte heiser. »Kleidung und Waffen verraten euch dennoch.«

»Jetzt?«, raunte Ilfa.

Mythor nickte.

Gemeinsam schnellten sie vor. Mythor stieß den Schwertknauf einem der Krieger in die Magengrube. Der Mann brach ächzend zusammen und behinderte die hinter ihm Stehenden. Zwei blitzschnelle Kreuzhiebe ... die Gewänder ebenso vieler Barbaren schlitzten auf. Die Fleischwunden, die Mythor ihnen zufügte, mochten überaus schmerzhaft sein.

Ilfa hatte weniger Glück. Sie war sofort eingekreist worden und hatte Mühe, sich der Übermacht zu erwehren. Hart prallte ihre Klinge gegen schartigen Stahl, aber obwohl sie alle Kraft in ihre Hiebe legte, gelang es ihr nicht, die nötige Freiheit zurückzuerlangen. Ein zu einer Schlinge geknüpftes Seil schwirrte heran, legte sich um ihren Ellbogen und schloss sich ruckartig. Sie musste das Schwert mit der Rechten auslassen, um freizukommen. Ein zweites Seil rutschte über ihr Handgelenk, ein drittes fiel vor ihr auf den Boden, weil sie es mit der Klinge abwehren konnte. Der folgende heftige Ruck, als die Schlinge sich um ihre Hand schloss, zerrte sie nach vorne. Ilfa kappte das Seil und ließ sich fallen. Auf dem Rücken wälzte sie sich herum, schlug nach den Beinen der offensichtlich überraschten Angreifer, die vor ihr zurückwichen. Sie federte in die Hocke hoch, obwohl der Bogen und der Köcher mit den Pfeilen über ihrer Schulter sie behinderten. Zu spät, um noch auszuweichen, sah sie das engmaschige Netz fallen. Die abwehrend hochgestoßene Klinge konnte die feinen Fäden nicht mehr durchtrennen, die sich sofort um ihren Körper zusammenzogen und ihr die Arme an den Leib pressten. Im Nu waren mindestens sechs Barbaren über ihr, schlugen ihr das Heft aus der Hand und fesselten sie. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte sie, dass auch Mythor von gut einem Dutzend Angreifern überwältigt worden war. Beide wurden wieder auf die Beine gestellt und unsanft vorwärtsgestoßen. Vergeblich zerrte Mythor an den Fesseln, die seine Hände auf dem Rücken hielten. »Wir haben uns wie Anfänger übertölpeln lassen«, stieß er wütend hervor.

Der Weg, den die Barbaren nahmen, führte nach Westen. Die inzwischen heraufziehende Morgendämmerung ließ Entfernungen für das Auge zusammenschrumpfen. Mythor bemerkte schon bald, dass er von dem fahlen Zwielicht genarrt wurde. Die einsame Felsnadel, einer der markantesten Punkte im unübersichtlichen Gelände und offenbar das Ziel der Krieger, war weit mehr als die geschätzte halbe Wegstunde entfernt.

Je weniger die Barbaren auf ihn achteten, desto angestrengter versuchte er, seine Fesseln zu lockern. Die Stricke schnitten tief ins Fleisch ein und ließen seine Hände taub werden, aber immer wieder ballte er die Fäuste, um den Hanf zu dehnen. Sehnsüchtig schielte er nach seinem Schwert, das der Anführer der Krieger sich in den Gürtel geschoben hatte.

»Hoffentlich können wir diesen Kurus, wer immer das sein mag, davon überzeugen, dass wir keine Zoon sind«, raunte Ilfa.