cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 56

 

Die Amazonen von Vanga

 

von Hubert Haensel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Logghard, siebter Fixpunkt des Lichtboten und Ewige Stadt, hat auch am 250. Jahrestag der Belagerung allem standgehalten, was die Kräfte der Finsternis in einem wahren Massenangriff gegen die Bastion der Lichtwelt ins Feld führten. Somit haben die Streiter des Lichtes auf Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt, trotz des Debakels von Dhuannin und anderer Niederlagen gegen die vordringenden Heere der Caer eine gute Chance, sich auch weiterhin zu behaupten.

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held nach seinem Vorstoß in die Schattenzone Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, durch das Tor zum Anderswo verlassen.

Zahda, die Zaubermutter, nimmt sich Mythors an, der durch das unheimliche Tor in den Ozean der Dämmerzone gespült wurde, die bereits zu Vanga gehört, der vom weiblichen Geschlecht beherrschten Südhälfte der Welt.

Doch kaum hat Zahda den Gorganer aus ihrer Obhut entlassen, muss dieser bereits wieder um sein Leben kämpfen. Dabei bekommt Mythor es auch bald mit den typischen Vertreterinnen der Südwelt zu tun, wie Burra eine ist.

Wir meinen DIE AMAZONEN VON VANGA ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Burra – Ein Mädchen wird zur Kriegerin.

Mashagima – Burras Lehrmeisterin.

Gorma, Tertish, Gham, Nebo und Gudun – Burras Begleiterinnen.

Jodrel – Burras Vater.

1.

 

Das Schwert in deiner Hand ist Leben, ist Leib und Seele zugleich – hüte es wie deinen Augapfel und verbanne, während du es führst, jeden Gedanken an den Tod.

Nur dann vermag die Klinge des Gegners dein Denken nicht zu lähmen, entgehst du ihrem tödlichen Hieb. Nur wenn deine Gedanken wie die Wogen des Ozeans sind, stürmisch und unaufhaltsam, wird dein Schwert offenbaren, was es vermag, wird es dir den Sieg bringen ...

(Aus der Lehre der Vervollkommnung)

 

*

 

Die Bewegung war so schnell, dass keines Menschen Auge ihr zu folgen vermochte. Ein Ausfall, ein Wechseln der blitzenden Klinge von der Rechten in die linke Hand, gleichzeitig ein Hieb, der es weder an Geschmeidigkeit noch Härte fehlen ließ.

Shantiga – der Drachenschlag. Von unten herauf geführt, konnte selbst ein gerüsteter Krieger ihm nichts entgegensetzen.

Das Mädchen, dem dieser tödliche Streich galt, parierte mit letzter Kraft, vermochte aber nicht zu verhindern, dass ihm das Schwert aus der Hand geprellt wurde. Sich mehrfach überschlagend, wirbelte die Klinge zur Decke des kuppelförmig gewölbten Raumes empor und stürzte dann zurück. Zitternd bohrte sie sich in den Boden.

»Ich hätte dich töten können!«

»Ja, Mashagima, ich erkenne meinen Fehler.«

»Dann nimm dein Schwert und kämpfe wie eine Frau!«

Das Mädchen musste mit beiden Händen zupacken, um die Klinge aus den hölzernen Intarsien zu ziehen, so tief war diese eingedrungen. Mit beinahe andächtiger Bewegung führte sie das kalte Metall an ihre Stirn und verharrte für eine Weile.

»Bist du bereit, Burra?«

Sie musterte ihr Gegenüber. Mashagimas Gesichtsmaske ließ keine Regung erkennen. Nur hinter den schmalen Augenschlitzen zeichnete sich ein jähes Aufleuchten ab.

Im selben Moment sauste die Klinge heran.

Mit der geschmeidigen Bewegung einer Wildkatze duckte Burra sich und fuhr herum. Ihr Schwert beschrieb dicht über dem Boden einen Halbkreis, aber Mashagima, die Frau, die man nie ohne Maske sah, entging dem tabigata mit einem einzigen Sprung.

»Deine Art zu kämpfen ist mehr als nur plump«, höhnte sie.

Noch immer schwieg Burra, presste krampfhaft die Lippen aufeinander, bis diese einen blutleeren Strich bildeten. Ihr Gesicht war bleich, vom Schweiß glänzend. Die Haare hingen ihr in wirren Strähnen in die Stirn – noch besaß sie nicht das Recht, sie zu einem Knoten zusammenzustecken.

Burra trug keine Rüstung, und das ließ sie zögern. Schon eine flüchtige Berührung von Mashagimas Schwert konnte tiefe Wunden reißen. Nicht, dass sie den Schmerz gescheut hätte oder den Tod; allein der Gedanke an eine mögliche Verletzung, die sie fürderhin von jedem Turnier ausschließen mochte, war bedrückend.

Die beiden Kämpferinnen umkreisten sich lauernd.

»Du wirst sterben, Burra!«

Das Mädchen, das erst zwölf Lenze zählte, schnellte vor. Aber ihre schwungvoll geführte Klinge schnitt nur singend durch die Luft, denn Mashagima stand längst nicht mehr da, wo sie eben gewesen.

Hinter der schwarzen Maske erscholl lautes Gelächter.

»Ich hasse dich!«, brüllte Burra. Mit beiden Händen hielt sie ihr Schwert, schwang es nach rechts und links und ließ es kreisen, wobei sie den Schwung ihres Körpers für jeden dieser Schläge nutzte. Mehrere Male war Mashagima gezwungen, zu parieren.

»Du lässt dich von Gefühlen leiten«, rief die Amazone. Ihre Stimme war bar jeder erkennbaren Spur von Erschöpfung. »Die Kunst der Schwertführung liegt einzig und allein darin, dass du dich niemals ablenken lässt. Nur dann macht sich der Feind selbst zum Opfer, wirst du ihm zu jeder Stunde überlegen sein.

Gib dich völlig hin, verschmelze mit deiner Waffe zu einer Einheit, die jenseits von Tod und Leben steht. Ahne die Schläge deines Gegners, ehe er selbst weiß, welche er ausführen wird.«

Eine Welle der Schwäche durchflutete Burra. Gleichzeitig stieg Verzweiflung in ihr auf.

Seit Tagen hatte sie gefastet, hatte sich nur auf die Stunden des Kampfes vorbereitet, die darüber entschieden, ob sie bleiben durfte oder die Burg verlassen musste. Unermesslich die Schmach, wenn sie unterlag. Würde sie dann je wieder ihrer Mutter, Gaida von Anakrom, unter die Augen treten können? Selbst vor Jodrel, ihrem Vater, mochte sie Scham empfinden.

Burras Gesicht verzerrte sich zur Grimasse. Aus ihrer Kehle drang das Knurren eines gereizten Raubtiers.

Sie hatte nichts zu verlieren. Lieber würde sie sterben, als mit der Schande zu leben.

In einem letzten ungestümen Aufbäumen schwang sie ihr Schwert, zeichnete die funkelnden Linien des Drachen in die Luft, beschrieb mit der haarfeinen Klinge die verwobene Art zu fechten und wehrte zwischendurch immer wieder die Schläge Mashagimas ab.

Ohne dass sie sich dessen bewusst wurde, war sie selbst zum Angriff übergegangen. Ihr Schwert hinterließ Kerben im Panzerrock der Gegnerin. Für eine Weile übertönte ihr Keuchen sogar das Klingen der aufeinanderprallenden Waffen.

Aber allmählich erlahmten ihre Bewegungen, und Burra musste es geschehen lassen, dass Mashagima sie in die Enge trieb.

»Gib dich geschlagen!«

»Niemals!«

Ein Aufgeben wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Ende aller Träume und Hoffnungen. Wofür sieben Jahre voll Entbehrungen und manchmal schier unmenschlicher Anstrengungen, wenn nicht für das Ziel, eines Tages selbst zu den Amazonen zu gehören?

Mashagimas Klinge schlitzte das Wams, das Burra trug. Abermals klirrten die Waffen aufeinander. Das Mädchen parierte den von oben herab geführten Schlag, was ihre Meisterin zu überraschen schien.

Zweimal traf Burra den Brustpanzer der Frau, dann wurde ihr das Schwert erneut aus der Hand gewirbelt, und sie verspürte einen glühenden Schmerz quer über die linke Wange.

Mashagima deutete eine Verbeugung an, bevor sie ihre Waffe in die Scheide zurück stieß.

»Bereite dich auf die Schwertlanze vor, Burra«, sagte sie. »Nutze die Zeit, die dir verbleibt. Wenn der Sand einmal durch das Glas geronnen ist, werden Gorma und Tertish gegen dich antreten.«

Die beiden besten Kämpferinnen meines Jahres, durchzuckte es das Mädchen. Und laut kam ihre Frage:

»Habe ich die Prüfung bestanden?«

»Wappne dich in Geduld«, war Mashagimas Antwort, bevor sie eilenden Schrittes den Raum verließ.

Erst jetzt spürte Burra, dass es ihr warm über die Wange lief. Sie empfand keine Schmerzen, dennoch waren ihre Finger rot vom Blut, als sie sich mit der Hand übers Gesicht wischte.

Befürchtete Burra eben noch, versagt zu haben, so pochte plötzlich ein Gefühl wilden Stolzes in ihrer Brust.

Sie hatte ihre erste Narbe empfangen.

 

*

 

Sie wartete. Die Fähigkeit, den Belangen des eigenen Körpers zu trotzen, Hunger, Durst und Ungeduld tief in sein Inneres zu verdrängen, war das erste gewesen, was man ihr und den anderen beigebracht hatte.

Burra schreckte aus ihren Gedanken auf, als sie irgendwann spürte, nicht mehr allein zu sein. Übergangslos fand sie in die Wirklichkeit zurück. Sie kam auf die Beine, noch bevor die erste Lanze dort auf den Boden schmetterte, wo sie eben gesessen.

Fünf Schritte trennten sie von ihrer eigenen Waffe – eine unüberwindbare Entfernung, falls Gorma und Tertish mit dem Kreuzhieb angriffen. Burra war nicht darauf vorbereitet gewesen, derart unverhofft überfallen zu werden. Dieses Vorgehen musste von Mashagima befohlen worden sein, denn die Amazone pflegte ihren Schülerinnen jede nur erdenkbare Härte angedeihen zu lassen.

Das Mädchen konnte nicht erkennen, wer den ersten Schlag geführt hatte und wer ihr nun die Lanze zwischen die Füße stieß. Sie stürzte, streckte im Fallen die Arme aus und packte zu, während sie sich abrollte.

Tatsächlich bekam sie den hölzernen Schaft zu fassen. Die Angreiferin war zu überrascht, um ihr großen Widerstand entgegenzusetzen. Noch in der Hocke wirbelte Burra auf einem Fuß herum, den anderen von sich gestreckt, um das Gleichgewicht zu halten.

Ein heftiger Ruck, gefolgt von einem unterdrückten Aufschrei – Gorma ließ die Lanze fahren.

Burra kam vollends auf die Beine, warf die Waffe, die sie unmittelbar unterhalb der Klinge gepackt hatte, hoch und fing sie mit einer Hand wieder auf. Tertishs stürmisch vorgetragenen Hieb wehrte sie mit dem Schaftende ab.

Zwei blitzschnelle Sprünge brachten Gorma näher an die Wand, wo Burras Lanze hing. Gleichzeitig griff Tertish abermals an. Sie schwang die Waffe wie der Schnitter die Sense. Zweifellos hätte die blitzende Schneide Burra beide Beine dicht unterhalb der Knie abgetrennt, wäre das Mädchen der Klinge nicht mit einem verzweifelten Sprung entgangen. Für einen Augenblick schien sie flach in der Luft zu liegen, kam dann wieder auf und hastete, den vorhandenen Schwung ausnutzend, etliche Schritte vorwärts. Wie einen Spieß schleuderte sie ihre Lanze und nagelte Gormas Ärmel damit an die Wand. Nur eine Handbreit tiefer, und die Gegnerin hätte nie wieder eine Waffe tragen können.

Noch vor einem Tag hatten sie Seite an Seite gestanden und den Belehrungen Mashagimas gelauscht – ehrfürchtig und ergriffen, als hinge ihr weiteres Leben davon ab. Und in gewisser Weise war dem auch so. Nur wer seinen Körper wirklich bis ins tiefste Innerste beherrschte, der war würdig, eine Amazone geheißen zu werden. Es gehörte mehr dazu als allein die Kraft, ein Schwert zu schwingen. Erst der absolute Einklang zwischen dem Fleisch und jener unfassbaren, nach dem leiblichen Tod in einer anderen Welt weiterlebenden unsichtbaren Aura, die den Menschen formte, brachte den Sieg. Dieses ferne Sein verhieß der ungeahnte Freuden, die viele im Kampf tötete.

Burra riss die Lanze aus der Wand und schmetterte, während sie sich umwandte, Gorma den Schaft gegen den Schädel. Mit einem röchelnden Laut sank das Mädchen in die Knie.

Breitbeinig stand Burra da, auf den erneuten Angriff wartend, den Tertish mit noch größerer Heftigkeit vortragen würde. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre Züge fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Sie sah nur die Waffe. Alles andere war bedeutungslos.

Als Tertish zustieß, ließ Burra die Lanze wie das Rad eines Wagens kreisen. Nur mit einer Hand bewegte sie den Schaft der schweren Waffe, die ihr derart einen Schild ersetzte. Tatsächlich vermochte die Angreiferin diese fließende Bewegung nicht zu durchbrechen.

Burra schnellte vor. Ihr Kampfschrei hallte von den Wänden wider, während sie die gebogene Klinge mit Macht herabsausen ließ. Es gab ein grässlich knirschendes Geräusch, als Tertishs abwehrend hochgerissene Lanze splitterte. Der heftige Ruck riss das Mädchen von den Beinen. Lediglich um Haaresbreite entging es der tödlichen Schneide.

Schon wollte Burra nachsetzen und abermals zustoßen, doch ein Geräusch ließ sie herumfahren. Mitten in der Drehung wurde sie schwer getroffen. Das mit einer Eisenkappe versehene untere Ende von Gormas Waffe bohrte sich in ihren Leib. Der Stoß trieb ihr die Luft aus den Lungen, ließ ihr Antlitz gleich werden wie Nebel in der Morgendämmerung.

Tobende Schmerzen stellten sich ein. Burra sah die Angreiferin unmittelbar vor sich, sah sie in unendlich langsamer Bewegung die Lanze heben ...

Voller Verzweiflung warf sie sich Gorma entgegen und riss sie mit sich zu Boden. Dann versank die Welt um sie her in einem Chaos der verschiedenartigsten Empfindungen.

Schließlich umfing tosende Schwärze sie – ein Abgrund, der alles, was bisher gewesen, vergessen machte.

 

*

 

Die Finsternis hielt auch an, als Burra sich ihres Seins allmählich wieder bewusst wurde. Das Erwachen war mit quälenden Schmerzen verbunden. Aber der Wunsch, nie ins Leben zurückzukehren, war einer Amazone unwürdig.

In ihrem Schädel schien eine Heerschar von Dämonen zu toben. Der Kampf, den sie untereinander austrugen, wurde derart heftig, dass Burra es nicht schaffte, auf die Beine zu kommen.

Schwer atmend blieb sie liegen, lauschte dem Pochen des Blutes in ihren Schläfen und den wenigen Geräuschen, die von außen her auf sie eindrangen. Es herrschte eine seltsame, bedrückend wirkende Stille, nur hin und wieder von leisem Rascheln durchbrochen.

Die Dunkelheit wollte nicht weichen.

Burras Finger tasteten über rauen, steinigen Boden, der die Nässe des Untergrunds in sich trug und von Flechten überzogen war.

Erstaunt stellte sie fest, dass sie nicht wusste, wo sie sich befand. Das war kein Raum innerhalb der Burg, den sie kannte.

Obwohl Burra gelernt hatte, Gefühle wie Enttäuschung und Glück aus ihren Gedanken zu verdrängen, schnürte es ihr die Kehle zu. War sie verbannt, weil sie den Kampf verloren hatte?

Das Rascheln kam näher. Es hörte sich an, als scharrten winzige Füße über die Steinplatten.

Allmählich gewann Burra die Herrschaft über ihre tauben Glieder zurück. Sie wollte die Beine anziehen, aber ein höllischer Schmerz in ihrem Unterleib hinderte sie daran. Es fehlte nicht viel, und Gormas Lanze hätte ihr die Knochen zerschmettert.

Die Erinnerung war es, die das Mädchen zur Besonnenheit mahnte. Sollte alles vergessen sein, was sie oftmals unter unsagbaren Mühen und Entbehrungen gelernt hatte?

Zunächst galt es die Fragen zu klären, die grundlegend und mit ihrem Schicksal verknüpft waren, wie das Handeln der Zaubermutter Zaem Wohl und Wehe des Landes Ganzak bestimmte.

»Wo bin ich?«, murmelte Burra leise vor sich hin.

Abermals versuchte sie, sich zu erheben. Der Schweiß rann ihr in Strömen über den Körper, während sie sich mühsam hochstemmte. Ihre Erinnerung stockte in dem Augenblick, als Gorma sie fällte.

»Kann ich mich befreien?«

Gewann sie Macht über die Dinge, indem sie diese beim Namen nannte? Dem Mädchen war, als streife ein eisiger Hauch sein Gesicht. Unhörbarer Flügelschlag zog dicht an ihr vorüber. Sie ahnte die Bewegung mehr, als sie diese wirklich zu erkennen vermochte. Ihre Rechte huschte zur Hüfte. Aber da war kein Schwert, nicht einmal die lederne Scheide, die sie stets trug.

Burra verharrte in angespannter Konzentration. Plötzlich vermeinte sie, Sosonas Worte wieder zu hören, die diese einst zu ihr gesprochen. Sieben Jahre lag es nun zurück, dass die Hexe, die Trägerin des zehnten Kristalls war, Burras kämpferische Veranlagung erkannt und ihrer Mutter nahegelegt hatte, sie in die Obhut der Amazonen zu geben.

»Nichts zwischen Himmel und Erde ist unmöglich, auch wenn es oft den Anschein hat. Einzig des Menschen Wille besitzt die Fähigkeit, Dinge zu verändern, die in unvorstellbar langen Zeiträumen festgefügt wurden.«

»Sosona ...«, murmelte das Mädchen.

Die Luft unmittelbar vor ihr begann zu flimmern, wallte auf in einem Reigen glühender Funken, die sich zusammenballten und die Umrisse eines menschlichen Körpers annahmen. War es Traum oder Wirklichkeit, dass die Hexe ausgerechnet jetzt Burra gegenübertrat? Sie schien zu schweben, eingehüllt in weit fallende Gewänder, die ihren von der Last des Alters gebeugten Körper vor allzu neugierigen Blicken verbargen. Niemand wusste, wie viele Winter Sosona wirklich gesehen hatte, und sie selbst schwieg sich aus. Doch die Falten ihres Gesichts bewiesen, dass sie sehr alt sein musste.

»Du zweifelst an dir selbst«, begann die Hexe, »glaubst nicht mehr, dass du jemals die Fähigkeiten erwerben wirst, die einer Kriegerin unabdingbar sind.« Obwohl Sosona die Lippen nicht bewegte, war Burra überzeugt davon, ihre Stimme zu hören. Die Finsternis schien erfüllt von ihrem wohligen Klang.

»Deine Wahl galt der Falschen«, erwiderte das Mädchen bedrückt. »Ich habe versagt.«

»Du hast einen Kampf verloren«, nickte die Hexe. »Und wenn schon. Niemand kann nur siegen –