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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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8.

9.

10.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 1727

 

Der Kristallkopf

 

Der Kommandant wird aktiv – tödliche Gefahr für die Unsterblichen

 

von Peter Terrid

 

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Sowohl die Terraner im Solsystem als auch die Menschen an der Großen Leere und im Arresum wissen Bescheid über die aktuellen Erkenntnisse zur Struktur des Universums: Das Möbiusband als neues Modell für das Universum ist ein fester Begriff. Sie kennen auch die Ayindi als uraltes Volk, das ums Überleben kämpft, und die geheimnisvolle Abruse als Gegnerin aller bekannten Lebensformen.

So ist die Menschheit im Jahr 1217 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 4804 alter Zeit – an mehreren Stellen des Kosmos in Ereignisse verwickelt, die auf den ersten Blick zwar nichts miteinander zu tun haben, in Wirklichkeit aber in enger Beziehung stehen.

Im Solsystem erreicht die Todesstrahlung vom Mars von Tag zu Tag eine größere Ausdehnung; wer in ihren Bann kommt, muss sterben. Illusionen verunsichern die Menschen, und das Mondgehirn NATHAN geht merkwürdigen Tätigkeiten nach. Und mittlerweile sorgen die mysteriösen Waren der Hamamesch in den Magellanschen Wolken und in der Milchstraße für Probleme.

Perry Rhodan und seine Begleiter operieren derzeit mit drei Rochenschiffen der Ayindi auf der »anderen Seite« des Universums. Im Nihhat-Nebel stießen die Galaktiker auf das Volk der Barrayd und erhielten von diesen neue Informationen. Die Folge: Auf einem Werftplaneten konnte das Enterkommando der Beausoleils einen Kommandanten der Abruse »gefangen nehmen«. Er ist DER KRISTALLKOPF ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner kämpft nicht nur um sein Schiff.

Smezz – Der Kommandant des Werftplaneten verliert an Substanz.

Uhns Torbig – Ein Mineraloge im Team der Beausoleils.

Myles Kantor – Der Chefwissenschaftler steht vor einem Rätsel.

Gucky – Der Mausbiber sieht Gespenster.

1.

 

»Er lebt«, sagte Uhns Torbig leise; er schüttelte den Kopf, als hege er Zweifel an der eigenen Feststellung. »Ich weiß nicht, wie er das macht, aber er lebt.«

Herrea Dinah blickte ihn zweifelnd an.

»Was für Bedingungen muss ein Etwas haben, damit man es als lebend bezeichnen kann?«, erinnerte sie sanft. »Fähigkeit zur Bewegung – aber so etwas gibt es hier nicht.« Sie schüttelte den Kopf.

»Bewegung ist ein hinreichendes Kriterium«, argumentierte Uhns Torbig. »Aber keine notwendige Bedingung. Dieser Unterschied ist hier wichtig. Etwas, das sich aus eigener Kraft bewegen kann, lebt ganz bestimmt, aber nicht alles Leben ist beweglich.«

»Meinetwegen«, gab Herrea zu; sie rückte den mit grauen Strähnen durchsetzten Haarknoten in ihrem Nacken zurecht. »Fortpflanzung – liegt nicht vor. Stoffwechsel – konnte nicht beobachtet werden.«

Die beiden Wissenschaftler aus dem Team der Beausoleils betrachteten die lebensgroße, plastische Darstellung jenes eigentümlichen Etwas, über das sie sich Gedanken machten.

Es handelte sich dabei um einen Gegenstand, der wie ein fünfeckiges Kissen mit drei Metern Durchmesser aussah, auf dem ein weiterer Gegenstand ruhte, bei dessen Anblick man mit etwas Fantasie an einen Schädel denken konnte. Beide Gebilde bestanden aus Kristallen.

Uhns Torbig wusste, dass das nicht stimmen konnte. Nicht in jenem Sinne, im dem der Begriff bislang verwendet worden war. Torbig war ausgebildeter Mineraloge, er kannte sich aus. Es gab Regeln in der Mineralogie, die sich aus physikalischen Gegebenheiten und Naturgesetzen ableiteten – und danach konnte dieses Gebilde kein Kristall sein. Es gehorchte diesen Regeln und Gesetzen nicht – oder jedenfalls nicht immer; das war das Vertrackte. Kohlenstoff in reiner Form beispielsweise konnte drei unterschiedliche Kristallformen annehmen: etwa die Gestalt eines Tetraeders, dann hatte man einen Diamanten vor sich; flache, übereinander geschichtete Sechsecke, dann handelte es sich um Graphit; oder gar keine regelmäßige Form, dann sprach man von amorphem Kohlenstoff oder simpler von Ruß. Jedenfalls konnte es keinen Kohlenstoffkristall geben, der Quaderform besaß; diese Gestalt war unter anderem dem Kochsalz vorbehalten. Und doch hatte man auf den Kristallwelten der Abruse solche erratischen Diamanten gefunden, dazu Abertausende von anderen Kristallen, die den bekannten Regeln hohnsprachen.

»Er lebt«, beharrte Torbig auf seiner Meinung.

Der schmale Mund von Herrea Dinah verzog sich zu einem leicht spöttischen Lächeln.

»Wieso er und keine Sie?«, fragte sie spitz. »Nur weil das Ding nicht auf deine Annäherungsversuche reagiert hat?«

»Werd jetzt bitte nicht albern«, gab Uhns Torbig zurück. Er fuhr sich durch die Haare. Sie waren blond und kurz geschnitten, und die Geste drückte seine Ratlosigkeit aus. »Dieses Ding, wenn du es so nennen willst, ist von ungeheurer Wichtigkeit.«

Herrea Dinah nickte langsam.

»Ja«, murmelte sie . »Wir haben Kopf und Kragen dafür riskiert.«

Unwillkürlich griff sie sich an den Kopf. Die grauen Strähnen in ihrem Haar hatten sie niemals gestört, sie gaben ihrer Haartracht einen leicht exotischen Anstrich. Aber inzwischen, sie hatte es an diesem Morgen beim Blick in den Spiegel bemerkt, wuchs ihr gesamtes Haar in dieser Farbe nach. Und sie kannte auch den Grund dafür: Es war die ungeheure Anspannung und seelische Belastung beim Einsatz auf Werft gewesen, die sie hatte ergrauen lassen. Die Geschichten von Menschen, deren Haar über Nacht vollständig grau geworden war, hatte sie nie geglaubt; welche vorstellbare Möglichkeit gab es, das Pigment aus den Haarspitzen zu entfernen? Aber sie ahnte jetzt, dass sich dieser Vorgang in ein paar Wochen und Monaten abspielen konnte, je nach Länge des Haares und der Wachstumsgeschwindigkeit. Mit ihren knapp 67 Jahren würde sie wahrscheinlich bald wie eine alte Frau aussehen, die auf die Zweihundert zuging.

Sie zuckte mit den Achseln. Es gab drängendere Probleme. »Wollen wir an die Arbeit gehen?«

Uhns Torbig schrak bei Herreas Frage auf und nickte.

Der Kristallkommandant von Werft war auf die MANAGA geschafft worden, um dort aufbewahrt und untersucht zu werden, während die drei Rochenschiffe zum Ausgangspunkt der Expedition zurückkehrten, ins Aariam-System. Vielleicht ließen sich dem Kommandanten Informationen entreißen, die tiefere Erkenntnisse über die wirkliche Beschaffenheit, Macht und Organisation der unheimlichen Abruse ergeben konnten.

Der Raum, in dem man den Kristallkopf – wie viele sagten – untergebracht hatte, war hermetisch abgeriegelt worden – also dermaßen dicht und undurchdringlich, dass nicht einmal Hermes, der altgriechische Gott der Diebe und Händler, dort einzudringen vermocht hätte. Außerdem war die Kammer vollkommen steril und staubfrei, um den Abruse-Kommandanten vor allen Beeinträchtigungen abzuschirmen. Dies war eine reine Vorsichtsmaßnahme – schließlich hatte der Kristallkopf auf dem Planeten Werft die ganze Zeit über unter dem Einfluss der dortigen Umweltbedingungen gestanden. Aber die Galaktiker hatten kein Risiko eingehen wollen. Zusätzlich wurde der Raum mit den technischen Mitteln und Möglichkeiten des Rochenschiffes gegen hyperphysikalische Einflüsse abgeschirmt. Nach menschlichem Ermessen ...

»Was ist das?«, fragte Herrea Dinah und richtete die Aufnahmeoptik auf den Boden neben dem Kommandanten. Sie aktivierte eine stärkere Vergrößerung und bemerkte einen feinen, kaum wahrnehmbaren grauen Schleier.

Uhns Torbig murmelte eine Verwünschung.

»Staub«, stieß er hervor und schickte einen langen Fluch hinterher. »Verdammt, er beginnt zu zerfallen – wie Cryzz!«

Herrea Dinah hatte bereits die Kabine von Myles Kantor angewählt. Der Chefwissenschaftler der Galaktiker wirkte trotz Aktivatorchip, den er trug, recht müde und angespannt, als sein Holo sich stabilisiert hatte. Ohne Umschweife kam er zur Sache.

»Was gibt es?«

»Staub!«, sagte Herrea Dinah. »Wie bei Cryzz. Der Kommandant beginnt zu zerfallen.«

Myles Kantor presste die Lippen aufeinander.

»Wie viel Staub?«, hakte er nach.

Uhns Torbig blickte auf die Darstellung der Isolationskammer und wiegte den Kopf.

»Ein paar Gramm vielleicht«, antwortete er. »Aber es könnte mehr werden. Der Prozess kann sich beschleunigen. Was sollen wir tun?«

Myles Kantor ließ einen langen Seufzer hören.

»Untersucht den Staub!«, ordnete er dann an. »Ich werde Perry Rhodan darüber informieren.«

»Und dann?«

Myles Kantor hob die schmalen Schultern.

»Das wird sich zeigen«, antwortete er trübsinnig. »Ich melde mich wieder bei euch.«

Das Holo löste sich auf, als er die Verbindung trennte.

»Also los«, bestimmte Uhns Torbig grimmig. »Nehmen wir eine Probe von dem Staub!«

Es dauerte geraume Zeit, aus der Abgeschlossenheit der Kammer ein halbes Gramm des stumpfgrauen Staubes aufzusammeln und wegzubringen, ohne die Isolierung dabei mehr als unbedingt nötig zu durchbrechen. Was Herrea Dinah und Uhns Torbig schließlich zu sehen bekamen, war eine halbe Messerspitze eines grauen Pulvers, das sehr feinkörnig zu sein schien.

Die nächsten Schritte ergaben sich logisch: Das Material wurde auf seine Zusammensetzung überprüft.

Die Messung ergab ähnliche Werte, wie sie bereits festgestellt worden waren, als man Cryzz untersucht hatte.

Ermittelt wurden unter anderem Lanthan mit der Ordnungszahl 57, Praeseodym (59), Promethium (61) und Holmium (67), also Elemente, die im Kosmos nur sehr selten anzutreffen waren; sie waren nicht radioaktiv und daher stabil. Außerdem fanden sich Cer und Erbium, die schon weniger selten waren, dazu Natrium, Magnesium und Eisen – all dies als Beimengen zu den Standardelementen, aus denen sich Kristalle üblicherweise zusammensetzten, nämlich Silizium und Kohlenstoff.

Erstaunlich war, dass diese Elemente in dem Staub in chemisch reiner Form enthalten waren, nicht etwa in Verbindungen.

»Er löst sich buchstäblich in seine chemischen Elemente auf«, fasste Uhns Torbig seine Messungen zusammen. »Keine Legierungen, keine Verbindungen, keinerlei Kristalle.«

Herrea Dinah kniff die Augen zusammen.

Uhns Torbig sah ihren Blick auf sich gerichtet und nickte bestätigend.

»Es stimmt«, sagte er. »Diese Materialien sind völlig amorph, es sind wirklich Zerfallsprodukte.«

»Ist das normal?«

Der Mineraloge lachte unterdrückt.

»Vielleicht für die Abruse«, antwortete er. »Nicht bei uns, fürchte ich. Damit kein Missverständnis entsteht: Dieser Staub besteht nicht etwa aus mikroskopisch kleinen Bröckchen von Eisen oder Aluminium, sondern aus reinen Atomen. Es ist atomarer Staub, ohne jede innere Struktur.«

Er sah, wie Herrea Dinah schluckte.

Die Abruse als Gegner zu haben war eine Erfahrung, für die es nur eine passende Bezeichnung zu geben schien: unheimlich. Nirgendwo war diese Wesenheit mit normalen wissenschaftlichen Mitteln zu fassen: Die Physik versagte, die Mineralogie, die Chemie. Wann immer man glaubte, gleichsam die Hand an einen Griff gelegt zu haben, erwies sich diese Hoffnung als Illusion. Das Wesentliche der Abruse schien ihre absolute Ungreifbarkeit zu sein.

Die wenigen Informationen, die man überhaupt hatte sammeln können, ergaben so gut wie keinen Zusammenhang und ließen, was Charaktere wie Uhns Torbig tief erschütterte, keine weiteren Rückschlüsse zu. Die Abruse hatte etwas von jenen Geschöpfen an sich, von denen man in alten Lesespulen erfahren konnte – von Geistern, Gespenstern, Spuk und unerklärlichen Phänomenen, die jeder Logik, Vernunft und Einsicht hohnsprachen.

Herrea Dinah stieß einen langen Seufzer aus.

»Nichts«, sagte sie. »Rein gar nichts. Dieses Material ist tot, anders kann ich es nicht ausdrücken.«

Uhns Torbig musste wider Willen lachen.

»Was heißt tot?«, fragte er. »Natürlich ist es tote Materie, was hast du anderes erwartet.«

Dinah ließ eine graphische Darstellung aufscheinen.

»Was siehst du?«

Torbig schüttelte den Kopf. »Nichts«, antwortete er.

»Eben«, gab Herrea zurück. »Nichts. Das ist eine Spektralanalyse des Staubs. Normalerweise sollten dort die sattsam bekannten Linien auftauchen, Fraunhofer-Linien, charakteristisch für jedes getestete Material. Aber hier erscheint nichts. Uhns, was wir untersuchen, ist Materie ohne Eigenschaften.«

Uhns Torbig spürte, wie sich sein Rücken verhärtete. Er kannte diese Muskelspannung. Sie hatte mit Angst zu tun und sie war während der Expedition auf Werft sein ständiger Begleiter gewesen.

»Diese Materie nimmt keine Energie auf und sie strahlt keine Energie ab«, fuhr Herrea Dinah fort; sie hatte die Augen geschlossen, und Uhns Torbig konnte sehen, dass sich die feinen Härchen auf ihren Unterarmen aufgerichtet hatten. »Sie verbindet sich nicht mit anderer Materie, sie hat keine chemische Affinität, keine Wertigkeit. Man kann diesen Staub weder durch Filtrieren noch Titrieren, weder durch fraktionierte Kristallisation noch durch fraktionierte Destillation in seine Bestandteile zerlegen. Ich kann ihn nicht schmelzen, denn er hat keinen spezifischen Schmelzpunkt. Alles, was wir können, ist, den Staub durch einen Kernscanner laufen zu lassen und dabei festzustellen, dass er aus unterschiedlichen Atomen besteht. Wohlgemerkt – unterschiedlich hinsichtlich der Zahl der Neutronen und Protonen im Kern. Aber mehr nicht. Dieses Eisen ist irgendwie kein Eisen, wie wir es kennen. Mit dem Kohlenstoff, den wir gefunden haben, kann man nichts, aber auch rein gar nichts anfangen. Er kristallisiert nicht, er bildet keine Ketten, er verbindet sich nicht mit Wasserstoff. Nicht einmal mit Wasserstoff in statu nascendi.«

»Kann man das spezifische Gewicht dieses Staubes ermitteln?«

»Habe ich getan«, antwortete Herrea Dinah. »Es liegt bei 13,4 Gramm pro Kubikzentimeter.« Sie lächelte verzerrt. »Wenn du die Menge eines jeden Elements in einer Probe ermittelst und dann entsprechend den bekannten Werten aus dem Handbuch zu berechnen versuchst, wie viel ein Gramm dieses Gemengsels dementsprechend wiegen müsste, wirst du zu einem ganz anderen Wert kommen. Hier stimmt einfach gar nichts.«

»Großer Gott!«, murmelte Uhns Torbig erbleichend. Er war – nach eigener Ansicht – kein bisschen religiös, aber die Worte drängten sich ihm gleichsam auf. Er starrte Herrea an.

»Lass uns langsam und gründlich denken«, sagte er zögernd. »Diese Atome haben Protonen und Neutronen, insoweit sind sie also normal. Und sie haben Masse ...«

Herrea Dinah verstand langsam, in welche Richtung sich die Gedanken ihres Kollegen bewegten, und ihr Gesicht wurde fahl. Selbst die Sommersprossen darin schienen bleich zu werden.

»Dann gilt für dieses Zeug immer noch die Massenanziehung«, fuhr Uhns Torbig fort. »Wenn man einen ganzen Planeten aus diesem Staub zusammenbacken könnte, dann würde dieser Planet eine gewisse Schwerkraft aufweisen. Er würde unsere Körper anziehen.«

»Weitaus stärker als normal«, präzisierte Herrea leise.

Uhns Torbig blickte auf den stumpfgrauen Staub.

»Superschwere Materie ...« Seine Stimme versagte ...

2.

 

Von einem Augenblick zum anderen kehrte die TYRONA in den Normalraum des Arresums zurück. Die Ortung hatte kurzfristig den Kontakt zu Rhodans MANAGA verloren, und das konnte nur eines bedeuten: Die MANAGA hatte einen Stopp eingelegt.

Michael Rhodan stieß die Luft heftig aus.

»Ob etwas passiert ist?«, rätselte er.

»Das werden wir wissen, sobald wir zu Perry aufgeschlossen haben«, meinte Atlan. Die Ortung hatte die MANAGA inzwischen wieder erfasst.