Cover

Maria Klein

Weiblich, 40, plötzlich Single

Meine Suche nach dem neuen Mann fürs Leben

Knaur e-books

Inhaltsübersicht

Über Maria Klein

Maria Klein, geboren 1957, ist seit dreißig Jahren passionierte Partnervermittlerin und Inhaberin einer eigenen Agentur in Konstanz. Sie tritt regelmäßig als Expertin für Beziehungsfragen in den Medien auf.

Über dieses Buch

Über vierzig und nach langer Beziehung plötzlich wieder Single: Dass ausgerechnet ihr, der erfolgreichen Partnervermittlerin, das passiert, hätte Maria Klein nicht gedacht. Doch anstatt lange Trübsal zu blasen, macht sie sich im Internet, beim Speed-Dating und anderen Gelegenheiten auf eine kuriose Suche nach ihrer neuen Liebe.

Impressum

eBook-Ausgabe 2013

Knaur eBook

© 2013 Knaur Taschenbuch

Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt

Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

Redaktion: Judith Mark

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Coverabbildung: FinePic®, München

ISBN 978-3-426-41837-6

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Danke an die Menschen, die ich lieben durfte – seelisch, geistig, körperlich.

Vorwort

Herzlich willkommen in der schönsten Zeit unseres Lebens!

Ich bin in der Phase meines Lebens angelangt, die man gemeinhin das »mittlere Alter« nennt. Na gut, genau genommen bin ich schon seit einer ganzen Weile eine Frau mittleren Alters. Ein Ausdruck, den ich früher gar nicht gut hören konnte …

Das hat sich geändert, und nicht nur einfach deshalb, weil ich inzwischen selbst »betroffen« bin. Ich fühle mich gut. Mein Leben gefällt mir, ja, eigentlich komme ich mir vor wie eine der Frauen, die ich in jüngeren Jahren immer beneidet habe. Noch nie zuvor fühlte ich mich derart attraktiv, selbstbewusst, erfolgreich. Und unabhängig.

Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren vieles gelernt. Es war eine Zeit des Übergangs, die damit begann, dass ich mich nach einer langjährigen Beziehung plötzlich als Single wiederfand. Single – ich, eine Partnervermittlerin. Eine Frau, deren Beruf es ist, für andere Menschen einen Lebenspartner zu finden, die Menschen berät, die seit Jahren allein und auf der Suche nach dem Glück sind. Die immer gesagt hat, dass man seinen Lebenspartner selbst finden kann.

 

Single in der Mitte des Lebens als das Thema mich selbst betraf, hielt ich das zunächst für einen schlechten Witz, mehr noch: eine Katastrophe. Allein zu sein in meinem Alter – das konnte doch eigentlich nur heißen, dass ich raus aus dem gesellschaftlichen Leben war. Immerhin hatte ich die 40 schon ein ganzes Stück hinter mir gelassen. Und da wollte ich nun einen neuen Partner finden? Findet eine Frau ab 40 denn überhaupt noch mal einen Mann?

Plötzlich verspürte ich die Bedenken, die viele meiner »älteren« Kundinnen äußern, am eigenen Leib. Immerhin werden sie ja auch von den Medien und dem, was man »öffentliche Meinung« nennt, nach Kräften verstärkt. Nie und nimmer findet eine Frau im mittleren Alter noch einen Partner, mit dem sie langfristig glücklich werden kann!

Ich hatte mich bis dahin immer bemüht, meinen Kundinnen ihre Ängste zu nehmen, etwa dadurch, dass ich darauf hinwies, wie pauschal solch eine Aussage doch sei. Darauf, dass es auf die einzelne Frau ankomme. Dass deren Alter bei der Partnersuche gar nicht die entscheidende Rolle spiele. Im Gegenteil: dass der neue, aufregende Lebensabschnitt das Potenzial für enorme positive Veränderungen in sich berge. Tja, bis hierhin hatte ich gut reden gehabt – mit einem Mann an meiner Seite! Jetzt kam es plötzlich auf mich selbst an. Ich musste mir beweisen, dass ich recht gehabt hatte.

Seither habe ich zahlreiche Höhen und Tiefen des Single-Lebens erfahren. Manches von dem, was ich als Partnervermittlerin meinen Kunden sagte, hat sich auch für mich bewährt. Anderes musste ich meinen Erfahrungen anpassen. Vieles habe ich neu gelernt.

In den letzten beiden Jahren habe ich ebenso wunderbare wie grauenhafte Erfahrungen in Sachen Alleinsein, Neuorientierung und Partnersuche machen dürfen.

 

Die Wichtigste am Anfang: Es gibt kein Alter, in dem eine Frau nicht von Männern begehrt wird.

Frauen sind, auch im »hohen Alter« ab 40, umwerfend schön, unglaublich sexy, unwiderstehlich, atemberaubend, selbstbewusst, liebenswert und noch so viel mehr. Aber die meisten Frauen wissen es nicht! Sie nehmen es nicht genügend zur Kenntnis. Sie glauben dem, was sie ständig lesen, hören, sehen. Und dann handeln sie danach.

Es ist noch gar nicht so lange her, da stand ich selbst an jenem dunklen Punkt, von dem an es anscheinend nur noch bergabgehen konnte. Davon gleich mehr. Vorher aber möchte ich Frauen, die ebenfalls mitten im Leben Single (geworden) sind, ein Angebot machen: Ich würde gern Begleiterin sein auf dem Weg in ein neues, aufregendes, erfülltes Leben. Gern stelle ich dabei meine Erfahrungen als Partnervermittlerin und Frau zur Verfügung, die mit 49 Jahren plötzlich wieder allein dastand.

Wollen wir ein Stück Weges gemeinsam gehen? Dann erzähle ich, wie es war, als ich auszog, mein Wissen über Frauen und Männer von der Theorie in die Praxis umzusetzen. Und ich freue mich, wenn das, was ich dabei erlebt habe, Anregung sein kann, die Liebe und das Leben neu zu erobern.

Kapitel 1

Wie, du gehst?

Es passiert nicht nur Männern. Frauen auch. Zugegebenermaßen sind es allerdings meistens die Frauen, die die Männer verlassen.

Mein Lebensgefährte und ich kommen nach einem wunderschönen Sonntag zufrieden nach Hause. Wir waren mit Freunden unterwegs. Wandern, Essen, Trinken – ein traumhafter Tag neigte sich dem Ende zu.

Frisch geduscht und angenehm erschöpft liege ich am Abend auf der Couch im Wohnzimmer. Im Kamin knistert ein Feuer, im Hintergrund läuft klassische Musik. Ach, wie kann das Leben schön sein!

Ich träume vor mich hin. Bis irgendetwas mich aufhorchen lässt. Schranktür auf, Schranktür zu … sind das Packgeräusche, die ich da höre? Habe ich einen Termin verpasst? Schon ein wenig schlaftrunken steige ich die Treppe hinunter ins Schlafzimmer.

»Was machst du?«, frage ich meinen Freund.

»Ich gehe!«

»Wohin?«

»Ich muss mal weg.«

»Ganz?«

»Ja!«

»So nach dem Motto: Ich bin mal eben Zigaretten holen?!« Ich bin mittlerweile hellwach und ziemlich panisch.

»Wenn du so willst, ja!«, antwortet er knapp und starrt, mittlerweile auch ziemlich panisch, auf seine Koffer.

Ich kann nicht anders – meine eigentlich sonst ganz angenehme Stimme wird laut. »Du gehst nach dreizehn Jahren, ohne Vorwarnung, ohne Gespräche mit tollen Paartherapeuten, die alles wieder hinkriegen? Du ziehst einfach den Schwanz ein – (nicht, dass ich von dem in letzter Zeit noch viel zu spüren bekommen hätte) – und verdrückst dich?«

»Mach’s gut, ich melde mich wegen der anderen Sachen«, nuschelt er und geht schnell zur Tür. Tür auf – Knall – Tür zu. Er ist weg. Ich kenne ihn. Er wird nicht zurückkommen.

Relativ gelassen steige ich die Treppe wieder hoch und klopfe an die Zimmertür meiner Tochter Madeleine. Einigermaßen ruhig – ich will ja hier schließlich kein Drama veranstalten – erzähle ich ihr, was geschehen ist.

Madeleine schaut mich mit schreckgeweiteten Augen an: »Oje, Mama. Da bin ich aber froh, dass er nicht mein Vater ist. Sonst müsste ich ja auch so leiden.« (Ihre Logik ist bestechend.) »Ist ja schon irgendwie schade, dass er geht. Aber das Schlimmste an der Sache: Jetzt bist du auch eine dieser Single-Frauen im fortgeschrittenen Alter. Wie schrecklich für dich. Och, du tust mir so leid! Wie willst du denn jetzt wieder einen neuen Mann finden?! An deine Partnervermittlungskunden kannst du nicht rangehen – das wäre ja peinlich. Ausgehen bringt dir auch nichts, da sind uns ja schon manchmal die Jungs zu jung.« (Madeleine ist gerade mal 21!) »Na ja, und auf Reisen, hast du selber immer gesagt, sind nur Frauen. Und ins Internet kannst du auch nicht gehen, dich kennt ja bald jeder Single!«, zählt sie mir alle Grausamkeiten auf, die ich gar nicht hören will. (Ich kann nichts dafür, aber angesichts dieser Liste treten mir dann doch Tränen in die Augen.)

Entsetzt springt Madeleine auf und nimmt mich tröstend in den Arm. Das hab ich nun davon, dass ich sie zu einem ehrlichen, aufrichtigen und schlauen Mädchen erzogen habe.

Von dieser Sekunde an heule ich für den Rest des Abends, die Nacht und dann noch mal drei Tage. Das müsste reichen, um 13 Jahre abzuhaken! Schließlich ist mein Ex-Lebensgefährte nur weg und nicht tot.

Was ich dir sagen möchte

Wie schlimm du dich unmittelbar nach der Trennung von deinem Partner auch fühlen magst – denke immer daran: Es wird einen Tag geben, an dem du für diesen Tag dankbar bist.

Kapitel 2

O nein, ist denn schon wieder Wochenende?

Ein paar Wochen später – vier, um genau zu sein. Die Sonne blinzelt durch den Vorhang. Langsam werde ich wach. Blauer Himmel, die Vögel zwitschern, es wird ein schöner Tag! Ich kuschle mich gemütlich in meine Decke ein und freue mich aufs Wochenende … Wochenende?!

O nein. Panik steigt in mir auf. Bitte nicht schon wieder Wochenende! Wer begleitet mich bei meinen Einkäufen, geht mit mir ins Café, ins Strandbad, am Abend zum coolen Italiener, wer sitzt mit mir die halbe Nacht lang draußen, mit wem rede ich bis fast zum Morgengrauen, an wen kuschle ich mich zärtlich, wenn es dann doch mal Zeit ist, schlafen zu gehen?

Schon wieder so ein sinnloses Wochenende! Zu allem Überfluss ist auch Madeleine nicht da. Sie besucht eine Freundin in München.

Ich ziehe die Decke komplett über den Kopf. Einsam? Ich? Nein! Schließlich habe ich viele liebe Freunde. Zugegeben, sie sind verheiratet, leben in festen Beziehungen. Nutzen mir als Single nicht wirklich viel. Was ist mit Bekannten, auf die ich zurückgreifen kann – hab ich noch welche?

In Gedanken gehe ich mein Telefonbuch durch. Sch…!

Es muss doch irgendjemanden da draußen geben, dem es genauso geht! Kollektive Einsamkeit gewissermaßen, so nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Auch intensives Nachdenken bringt mich nicht weiter. Mir fällt partout kein Single in meinem Bekanntenkreis ein. Schon bei dem Wort »Single« sträuben sich mir die Nackenhaare. Ich kann’s nicht mehr hören!

Ich beschließe, im Bett zu bleiben, bis der blaue Himmel sich allmählich verdunkelt, die Sonne untergeht und ein Prinz auf seinem Gaul vorbeigeritten kommt, meine geblümte Decke mit seinem Schwert zerteilt und mich ins Märchenreich trägt … ich warte also …

Fünf Minuten später sehe ich ein: Okay, er kommt nicht. Also doch besser aufstehen. Ich habe Hunger, Durst, und die Sonne lockt. Trotz allem.

Mühselig schlappe ich vom Bett in die Küche, koche mir einen großen Kaffee. Jetzt ist klares, logisches Denken gefragt.

Wie konnte so ein unvorbereiteter Einbruch in meinem bis dahin genüsslich entspannten Leben geschehen?

Dass nach einer langjährigen Beziehung der Lebensgefährte einfach so geht, kenne ich bisher nur aus Erzählungen meiner Kundinnen.

Mir fällt Frau Buschmann ein, eine spannende Frau mit einer ganz besonderen Mischung aus strotzendem Selbstbewusstsein und mädchenhaftem Charme. 48 Jahre alt, 25 Jahre verheiratet, zwei erwachsene Kinder und als Chefsekretärin wieder erfolgreich im Berufsleben angekommen.

Nachdem sie auf der schwarzen Ledercouch in meinem Büro Platz genommen hat, legt sie gleich los.

»Es ist mir so unendlich peinlich, zu Ihnen zu kommen«, beginnt sie mit theatralischer Geste. »Wer wird denn schon nach so vielen Jahren einfach verlassen?! Ohne erkennbaren Grund. Einfach so! Ich komme nach Hause, und er ist weg. Mit der Hälfte der Möbel. Dass er nicht auch noch unser Doppelbett zersägt hat, ist alles. Und dann habe ich ihn zwei Wochen lang nicht erreicht. Ich wusste nicht einmal, wo er war. Er ist einfach in den Urlaub geflogen. Hat wohl gedacht, in dieser Zeit beruhige ich mich. Aber wie sollte ich mich beruhigen? Womit denn auch? Damit, dass er mir noch ein paar Möbel dagelassen hatte und das Auto? Und die alten Kinderzimmer? Und mit dem Gefühl, dass wir es ja auch einmal schön hatten und das jetzt eben vorbei war? Das hat er mir tatsächlich nach ein paar Wochen so gesagt. Dass ja alles nicht so schlimm sei, weil wir es ja auch so schön hatten! Welch eine Logik!«

Sie holt kurz Luft, und bevor ihr nächster Redeschwall losbricht, stelle ich ihr schnell die Frage, die mich schon die ganze Zeit beschäftigt: »Ihr Mann ist einfach so gegangen, ohne Vorwarnung, ohne Gespräche?«

»Ja! Einfach so. Nach ein paar Wochen hat er versucht, es mir zu erklären. Er wollte unsere Beziehung einfach nicht mehr. Wollte ein aufregendes Leben führen, bevor er alt wird. Ich hätte es auch gerne aufregender gehabt! Aber ständig kam von ihm nur: Ach, Schatz, in unserem Alter macht man dies und das nicht mehr. Nein, wir machen kein Trekking im Himalaya. Lass uns ein schönes Hotel in Österreich buchen. Ach nein, was soll ich noch Tangotanzen lernen, du, ich bin müde von der Arbeit, lass uns einfach nur noch ein wenig fernsehen, und so weiter. Und ich habe klein beigegeben, meine Träume und Wünsche unterdrückt. Mich in Wellness-Hotels zu Tode gelangweilt. Alles wegen ihm. Und dann geht der Mistkerl einfach.«

Sie ist kaum zu stoppen. Ihr Weinen klingt mittlerweile mehr wütend als traurig. »Und wissen Sie was, Frau Klein? Jetzt hat er den Motorradführerschein gemacht und fährt mit seiner Harley die Route 66 ab!«, sagt sie, und fügt dann ganz leise hinzu: »Er erfüllt sich meine Träume.«

Ich komme ins Grübeln. Das gibt es doch nicht. So etwas Beklopptes kann ein Mann doch nicht machen. Da hat er eine so wunderbare Frau mit dem Elan und der Lebenslust einer 25-Jährigen. Und was macht er? Abhauen, um ein neues Leben zu beginnen. Allein. Er hatte nicht einmal eine Affäre. (Wenn es so wäre, könnte man tröstlicherweise wenigstens der Geliebten einen Teil der Schuld in die High Heels schieben.)

Mein Kaffee ist leer, ich sitze immer noch im Schlafzeug in der Küche. Scheußlich. Und ich hatte keiner plötzlich verlassenen Frau, die in meinem Büro saß, bisher so richtig Glauben schenken wollen. Und es waren viele, die mir ihr Leid geschildert haben.

Eigentlich unglaublich, wie oft sich Männer nach vielen Jahren Beziehung auf diese Weise aus einer Partnerschaft verabschieden. Wie oft habe ich mir überlegt, dass man das doch merken muss, wenn der Partner unglücklich ist. Und mich gefragt, warum um alles in der Welt diese Männer nicht mit ihren Frauen reden. Da werden Tisch und Bett miteinander geteilt, Kinder gezeugt und dann – schwups –, weg ist er. Wovor haben Männer Angst, die so was machen? Vor den Tränen, Vorwürfen, dem Chaos nach der »Ich will dich verlassen«-Ansage?

Ja, das wird es wohl sein. Wahrscheinlich hofft der Mann, dass sich der große Schmerz schneller wieder verkrümelt, wenn er rasch einen Schlussstrich zieht. Also nicht langsam, mit vielen Gesprächen, Auseinandersetzungen, Streit, Hoffnungen, zerbrochenem Geschirr, Psychologen und was alles sonst noch dazugehört.

Er hat gewissermaßen schon lange vorher die innere Kündigung ausgesprochen, ohne seiner Partnerin die Möglichkeit zu geben, dazu Stellung zu nehmen.

Was ich dir sagen möchte

Wenn du in einer Beziehung lebst, dann steh sofort auf und frage deinen Lebenspartner, wie es ihm mit dir geht. Wie er zu dir steht. Was ihm nicht gefällt. Lass ihn ausreden. Hör ohne Vorwürfe zu.

Unternimm Dinge allein, wenn er sie nicht mit dir teilen will und du Lust darauf hast. Vielleicht muss man ihn auch erst »aufwecken«, gemeinsam mit dir einen neuen Weg zu gehen.

Wenn er schon weg sein sollte: Ja, dann ist er eben weg. Vielleicht hast du Glück, und er findet nicht gleich eine neue Frau. Dann kommt er wahrscheinlich gern wieder zu dir zurück, und alles fängt von vorne an. (Ob das gut ist?) Also hör genau hin auf das, was dein Partner sagt und tut.

***

O Gott, und nun habe ich am eigenen Leib solch ein unwürdiges Ende einer schönen (?) Beziehung erlebt. Jetzt heule ich doch wieder, wenn ich daran denke. Einsam, verzweifelt fühle ich mich, und dann schaue ich aus Versehen auch noch in den Spiegel. Ich sehe scheußlich aus und werde wohl als alte Jungfer (na ja, mehr so im übertragenen Sinne) enden.

Kapitel 3

Wozu hat man Freunde?

Ehe mir vollends schlecht wird, beschließe ich, nun das zu tun, was ich schon einen Monat lang vor mir herschiebe: die Freunde anrufen und ihnen mitteilen, dass wir – nein, ein »wir« gibt es ja nicht mehr –, dass ich wieder Single bin.

Die Freunde sind entsetzt: »Gerade ihr, so ein tolles Paar, wie konnte das passieren?« Nicht wirklich hilfreich, dieser Kommentar. Ebenso wenig das, was ich sonst noch zu hören bekomme: »Melde dich, wenn was ist, wir sind immer für dich da, ist doch klar.« –

»Ach, jetzt ist mir klar, warum ihr euch so zurückgezogen habt.« Ja, krank waren wir nicht. – »Du, komm doch einfach immer bei uns vorbei, wenn du allein bist.« Sie haben das schlimme Wort »allein« mit mir in Verbindung gebracht. Ich fange wieder an zu heulen.

Nun bin ich vollkommen fertig, meine Nerven liegen blank. All die liebenswerten Angebote meiner lieben Freunde nutzen mir heute gar nichts. Sie werden sich jetzt mit ihren anderen Paarfreunden zusammenrotten, und innerhalb kürzester Zeit weiß jeder, wie und warum unsere Trennung passiert ist. Wahrscheinlich haben sie auch alle schon lange gemerkt, dass bei uns was nicht stimmte. Nur ich Idiotin war völlig ahnungslos.

Eine Stunde später ist das Küchenhandtuch klatschnass von Tränen. Ein weiteres will ich einfach nicht nehmen, mir brennen eh schon die Augen, und in den Spiegel will ich jetzt gerade auch auf gar keinen Fall schauen. Wenn das besser werden soll, muss ich aufhören zu heulen und logisch denken. Beim logischen Denken muss man nicht heulen.

Also, jetzt mal möglichst ruhig und nüchtern: Was hat sich in meinem Leben geändert? Im Grunde ja »nur« eine Sache: Der Mann ist weg.

Alles in allem kein Grund, das Leben an sich allzu dramatisch zu sehen. Ich muss nur mit den Konsequenzen dieser Veränderung fertig werden.

Mein übriges Leben bleibt, wie es ist. Nur eben ohne Mann. Das Einzige, was ich machen muss: mich, was Freunde, Freundinnen und Männer angeht, neu orientieren.

Die scheinbar so sachliche Erkenntnis trifft mich wie ein Keulenschlag: Ich muss tatsächlich in meinem biblischen Alter beziehungs- und freundschaftsmäßig VON VORNE anfangen.

Aber ich wollte ja nüchtern und logisch nachdenken. Also weiter im Text: Dann werde ich eben genau das tun! Ich werde VON VORNE anfangen, und zwar sofort! Ich begebe mich hinaus ins tobende Leben und fange VON VORNE an.

Doch wo genau ist das? Ab welchem Alter fängt man denn normalerweise VON VORNE an? Ich beschließe, nicht mein biologisches, sondern mein gefühltes Alter zu nehmen. Wie alt fühle ich mich denn heute?

20? Nein, so jung will ich nicht mehr sein. 30? Da habe ich meine Kinder bekommen. Geht auch nicht. 40? Och nee. 50? Ach du meine Güte.

Ich entscheide mich für das Alter zwischen 30 und 40. Ja, das ist gut, um von vorne anzufangen. Ich fühle mich jung. Und wie! Mindestens zehn Jahre jünger … (Okay, ich nehme diesen Ausspruch zurück. Im Grunde hasse ich ihn. Viele Frauen behaupten von sich, dass sie sich mindestens zehn Jahre jünger fühlen und auch so aussehen, als sie tatsächlich sind. Sie sind es nicht! Ich bin es nicht!)

Nun habe ich mich von neuem selbst deprimiert. Wie blöd kann man eigentlich sein? Im Grunde will ich gar keine neuen Freunde. Meine alten, gemütlichen und verlässlichen Ehepaarfreunde sind klasse. Da weiß man, was man hat. Ich liebe sie.

Und ich will auch nicht wieder auf die Pirsch gehen. Das ganze Theater wieder VON VORNE. Und wie viele Kerle muss ich wohl durchtesten, bis Mr. Right vor der Tür steht?! Das Dumme ist: Der steht nicht einfach vor der Tür. Weder mit noch ohne Gaul.

Also doch das ganze Theater wieder VON VORNE!

Von vorne anfangen, das hat auch die Ex-Frau eines meiner Klienten getan. Ich spüre, wie ich ruhiger werde, während mir diese Geschichte einfällt.

Mein Klient war das, was wir Frauen gerne als »Sahnestückchen« bezeichnen. Um die 50, groß, durchtrainierter Körper, jugendlich verschmitztes, sympathisches Lächeln. Das verging ihm allerdings schnell, als er mir seine Geschichte erzählte.

Er war fast sein ganzes Leben mit seiner Frau zusammen gewesen. Sie hatten drei Kinder, einen umgebauten Bauernhof, zwei Pferde, Hund, Katze, Swimmingpool im Garten und alle erdenklichen Annehmlichkeiten des Lebens. Sein Baugeschäft lief gut. Sie war künstlerisch tätig und stellte ihre Bilder mittlerweile in großen Galerien aus.

Traditionell verbrachte sie jedes Jahr eine Woche Urlaub ohne Familie nur mit ihren Freundinnen. Mit traurigem Gesicht erzählte er erst stockend, dann zügig, was vor kurzem geschehen war: »Als ich meine Frau mit ihren Freundinnen vom Flugplatz abholte, war alles noch ziemlich normal. Sie redete zwar weniger als sonst, ich schob das aber auf ihre Müdigkeit. Zu Hause angekommen, ging meine Frau direkt ins Schlafzimmer und fing an, ihre Koffer zu packen.«

»Hey, Liebling, falsche Reihenfolge, du musst aus-, nicht einpacken«, sagte ich scherzhaft zu ihr.

»Nein, die Reihenfolge ist schon richtig. Ich packe ein. Alles, was ich in zwei Koffer bekomme. Dann verlasse ich euch«, antwortete sie sehr bestimmt und ohne erkennbare emotionale Regung.

»Und das tat sie wirklich«, fuhr mein Klient fort. »Sie ging mit zwei Koffern aus dem Haus. Ohne sich von den Kindern persönlich zu verabschieden. Ich war so entsetzt, dass ich sie nicht einmal aufgehalten habe. Als das Taxi kam und sie darin verschwand, war alles in mir so leer, ich habe gar nichts mehr gefühlt. Am Abend habe ich dann versucht, den Kindern, die ja zum Glück schon zwischen 15 und 22 Jahre alt sind, zu erklären, was geschehen ist. Aber so etwas kann man gar nicht erklären.

Nach einer Woche kam dann ein Brief von ihr und ihrem Anwalt. Sie hatte die Scheidung eingereicht und auf jeglichen Unterhalt und weitere Zahlungen verzichtet. Darüber hinaus teilte sie mir mit, dass sie im Urlaub einen Mann von einer kleinen ostfriesischen Insel kennengelernt habe. Einen Mann mit einem kleinen Kiosk am Strand und einem kleinen alten Häuschen. Mit ihm wolle sie nun noch einmal von vorne anfangen.«

»Wie lange ist das jetzt her, seit Ihre Frau gegangen ist?«, fragte ich ihn.

»Das ist acht Wochen her.«

»Oh, sind Sie sicher, dass Sie jetzt schon wieder nach einer neuen Frau suchen wollen? Vielleicht kommt Ihre Frau ja auch wieder zurück?«, fragte ich ihn überrascht.

»Sie kommt nicht mehr zurück. Ich kenne sie. Selbst wenn es mit ihrem neuen Partner nicht klappen würde. Und ja, natürlich möchte ich sofort wieder nach einer Frau suchen. Mein ganzes Leben habe ich in einer Beziehung verbracht. Ohne eine Partnerin zu leben ist für mich in keiner Weise eine akzeptable Lebensform«, sagte er bestimmt.

Da er sehr groß war, stellte ich ihm meine größte Klientin vor (1,82 Meter – endlich hatte ich einen tollen großen Mann für sie). Sie war im gleichen Alter wie er, sehr naturverbunden und unfreiwillig kinderlos. Einen Mann mit Kindern empfand sie als Bereicherung. Diesen Mann allerdings wollte sie zunächst gar nicht treffen, da er erst seit kurzem getrennt war.

»Nein, Frau Klein, der soll doch erst mal die Trennung überwinden, mindestens ein Jahr ohne Frau sein, eine Therapie machen, Trauerarbeit leisten etc.!«, machte sie ihren Befürchtungen Luft.

Nachdem ich ihr klargemacht hatte, dass Männer nicht abwarten wollen, bis sie ihren Schmerz verwunden haben, ließ sie sich, wenn auch zögerlich, auf eine Verabredung mit ihm ein.

Um es kurz zu machen: Er ist glücklich mit seiner neuen Frau – die »alte« ist glücklich in Ostfriesland. Meine Klientin hat endlich Kind und Hof und Hund. Und da sie nicht gestorben sind, leben alle seit acht Jahren fröhlich und zufrieden mit dem neuen Partner.

Nun habe ich mich wieder ein wenig beruhigt. Nicht nur Männer verlassen ihre Frauen so Knall auf Fall. Es passiert auch umgekehrt. Und: Viele Menschen fangen frohen Mutes VON VORNE an. Also sollte mir das doch mit meiner Erfahrung erst recht gelingen.

Was ich dir sagen möchte

Männer brauchen nach einer Trennung erst mal Zeit.

Diese Vorstellung kannst du getrost ad acta legen. Männer wollen nach einer Trennung wieder eine Frau, die sie lieben können. Fertig. Und während du brav abwartest, bis er die – wie nur du findest – nötige Trauerarbeit abgeleistet hat, ist er schon wieder mit einer anderen Frau zusammen.

Die besten Männer sind die, die weniger als ein Jahr Single sind. Ist ein Mann länger als zwei Jahre allein, wird er es vermutlich auch bleiben. Und weißt du, warum? Er hat in dieser Zeit so viele Frauen gedatet, dass er sich nicht mehr entscheiden kann. Der frisch getrennte, männliche Single ist glücklich, wenn er seinen Normalzustand (»Ich habe eine Frau, und wir lieben uns«) so rasch wie möglich wiederherstellen kann. Und genau an dem Punkt musst du ihn abholen.

***

Ich beschließe, ganz planmäßig in meinen neuen Lebensabschnitt zu starten. Mein Leben mit meinem bisherigen Partner ist vorbei. Ich kann die Uhr nicht zurückdrehen. Und rückwärtsgehen will ich auch gar nicht.

Für den Rest des Tages – mittlerweile sitze ich seit drei Stunden deprimiert in der Küche – ist also vorwärtsgehen angesagt. Ich werde folgerichtig jetzt duschen, mich schminken, etwas Hübsches anziehen, mich auf die Terrasse eines Restaurants direkt am Seeufer setzen, das ich liebe, dort etwas essen und trinken und einen Plan ausarbeiten – schriftlich!

Zwei Stunden später sitze ich am See. Tonnenweise Abdeckstift im Gesicht, literweise Augentropfen gegen die Rötungen eingeträufelt, eine fette Sonnenbrille für und gegen alles.

Zum Ausgleich einen Hingucker angezogen – ein leichtes, zartes Sommerkleidchen, dazu hohe Riemchenschuhe, in der Hoffnung, dass mein Outfit vom geschwollenen Heulgesicht ablenkt.

Nach einer großen Portion Wurstsalat – ich brauch was Fettes für die Nerven – und einem Glas Weißwein geht es mir schon fast wieder gut. Na ja, fast.

Was ist das Wichtigste bei einem Neustart? Planung! Ich brauche jemanden zum Quatschen, jemanden, den ich anrufen kann, der sich mit mir auf ein Glas Wein trifft, in die Sauna geht … eben alles, was »frau« gerne macht, aber halt nicht allein.

Dieser Jemand sollte am besten eine Frau sein. Also eine neue Freundin, idealerweise auch Single, die genauso viel unnütze Zeit hat wie ich. (Ja, ich weiß, man sollte nicht sagen, dass die Zeit unnütz verbracht ist, nur weil man keinen Partner hat. Für mich ist sie das aber. Im Moment jedenfalls noch.)

Wo finde ich diese neue Freundin? Na ja, am ehesten doch wohl da, wo Frauen sind. Auf Veranstaltungen extra für Frauen. Ich schmeiße meinen Laptop an (wie gut, dass ich mir den noch schnell gegriffen habe, bevor ich aus dem Haus bin) und gebe ein: »Veranstaltungen für Frauen«.

Wow, super! 39200000 Treffer. Ich bin also nicht allein. Jetzt muss ich nur noch sortieren: mit Kindern, ohne Kinder, sie sucht sie, Feministinnen, Frauennetzwerke für und gegen alles, Esoterikerinnen jedweder Couleur, männerhassende Frauen (nee, so schlimm ist es bei mir doch noch nicht) … Ach du meine Güte. Wie’s aussieht, bin ich doch allein.

Ich wechsle zu Xing und suche dort Veranstaltungen, Vorträge usw. für Frauen. Ja, hier werde ich fündig, und das praktischerweise direkt vor Ort. Schnell melde ich mich für den Vortrag eines Business-Netzwerks für Frauen an. Und klappe dann rasch den Laptop zu, bevor ich es mir wieder anders überlege.

Mein Blick schweift über den heute sehr ruhigen See. Wie viele Tausende Farben sich im Wasser widerspiegeln. Von Grün über Türkis, Blau bis hin zu Grau und Schwarz. Und wie viele Gesichter der See hat: ruhig, mit weichen Wellen, stürmisch, mit weißem Schaum, der auf den Wellen tanzt, um dann wieder spiegelglatt dazuliegen. Wenn er klar ist, kann man tief in ihn hineinschauen. Zu anderen Zeiten ist er wieder grau und dreckig, wenn ein Sturm ihn aufgewühlt hat. Er ist gelangweilt und temperamentvoll, liebenswürdig und launisch. Ein See bringt Spaß und auch den Tod. Ein See ist wie ein Mensch. Immer ein See und trotzdem immer wieder anders.

Während ich meinen Gedanken nachhänge, merke ich, wie ich ruhiger werde. Ein emotionaler Tag geht zu Ende. Ich breche auf – in ein neues Leben.

Was ich dir sagen möchte

Wenn du weinen willst, dann weine, tobe, schreie, wirf etwas an die Wand (nichts Schönes natürlich, Eier in die Dusche schmeißen macht Spaß und ist leicht zu entfernen).

Aber dann geh aus dem Haus. Raus in die Natur. Iss was Gutes, auch wenn du keinen Hunger hast. Und nicht vergessen: Atme!

Kapitel 4

Allein unter Frauen

Ein paar Tage später gehe ich zum ersten Mal wieder alleine unter Menschen. Unter Frauen.

Mein Navi zeigt mir den Weg zum Ort der Veranstaltung, zu der ich mich angemeldet habe. Als ich das Haus betrete, muss ich gar nicht erst nachfragen, wo der Vortrag stattfindet. Ich orientiere mich einfach an der Geräuschkulisse von schnatternden Frauenstimmen. (Ja, ich weiß, damit habe ich jetzt gerade mal alle Klischees bedient.)

Geschnatter allerorten, Bussis ohne Ende, ab und zu ein neugieriger Blick auf mich. Zaghaft lächle ich die anderen Frauen an, die sich alle schon zu kennen scheinen. Puh – ich bin schüchtern! Ist das noch normal, sich als Frau unter Frauen so was von allein und verloren zu fühlen?

Nachdem wir zum Platznehmen aufgefordert wurden – jeder freie Platz neben jeder Frau wurde für die Freundin freigehalten –, finde ich irgendwann doch noch einen leeren Stuhl. Der Abend beginnt mit einer Vorstellungsrunde – wegen »der Neuen«, wie es heißt. Das bin ich.

O mein Gott, so viel geballte Intelligenz, gepaart mit tollen Berufen, tollen Ehemännern (»Mein Mann ist der Chef von …«), noch tolleren Kindern und »Ich kriege alles unter einen Hut«-Gehabe ist an diesem Tag für mich kaum zu verkraften.

Und dann komme ich an die Reihe: Partnervermittlerin, selbständig, zwei erwachsene Kinder, geschieden und vom Lebenspartner verlassen nach 13 Jahren, jetzt wieder Single.

Ruhe im Saal. Entsetzte Blicke der unfehlbaren »Mutter, Chefin und Geliebte«-Frauen. Tapfer stehe ich zwei Stunden durch. Grauenvoll. Nee, hier finde ich keine Freundin.

Total deprimiert und heulend (schon wieder) fahre ich nach Hause. Nicht mal ansatzweise eine neue Freundin zu finden ist wirklich schrecklich ernüchternd. Muss man denn nach der Trennung vom Mann auch noch Trauerzeit verstreichen lassen, um eine neue Freundin zu finden?

Am nächsten Tag habe ich mich wieder ein wenig von diesem unvergnüglichen Zwischenfall erholt.

Warum eigentlich eine neue Freundin finden? Es können doch nicht alle früheren Freundinnen in einer Beziehung leben. Das habe ich jetzt davon, dass ich es über der Beziehung zu meinem Lebensgefährten versäumt habe, Kontakt zu den Freunden und Freundinnen zu halten. Ein Klassiker, ich weiß. Und ein großer Fehler, vor dem auch ich nicht gefeit war. Da hat man einen neuen Typen kennengelernt und wirft so ziemlich alle liebgewordenen Bekanntschaften erst mal über Bord. Und entschuldigt sich auch noch dafür. »Weißt du, ich habe ja jetzt den Heinz getroffen und muss ihn nun erst mal so richtig kennenlernen. Ja – ich melde mich dann wieder.« Schwups, und schon hat man die alten Freunde abgehakt. Man lernt neue Menschen kennen – natürlich nur Paare – und vergisst die »alten« darüber. Und nun sitze ich da und bin – allein.

Während ich traurig vor mich hin grüble, blättere ich mein 13 Jahre altes Telefonbuch durch. (Meine Güte, sogar ein neues Telefonbuch habe ich damals angefangen, als ich mit meinem Lebensgefährten zusammenzog.) Ich versuche, die mittlerweile verblichenen Einträge zu entziffern. Bei einigen muss ich richtiggehend nachdenken – wer war denn das noch gleich? Ah genau, da ist sie, die alte Freundin! Meine Anja. Sie ist auch wieder Single und sehr hübsch. Aber, wie ich bei einem kurzen Zufallstreffen vor ein paar Wochen feststellen musste, mittlerweile das genaue Gegenstück von mir. Ihren früheren Optimismus, was Männer, Jobs, das Wetter und noch vieles andere angeht, hat sie im Pfandleihhaus abgegeben und eingetauscht gegen: »Männer wollen nur das Eine« (na, das ist doch schon mal was, finde ich), »Sicher wird mir morgen gekündigt« und ähnlich entmutigende Überzeugungen. Selbst bei strahlend blauem Himmel nimmt Anja mittlerweile einen Regenschirm mit.

Was soll’s, ich rufe sie trotzdem an. Ich brauche einfach jemanden, mit dem ich meine Freizeit verbringen kann. »Hallo Anja, ich bin’s, Maria!«, trällere ich betont fröhlich ins Telefon.

»Ah, hab schon gehört, dass du wieder allein bist.« (Hat sich also schon rumgesprochen, wie peinlich.) »Und da fällt dir dann natürlich die alte Freundin wieder ein. Hättest dich ja auch mal früher melden können«, trällert Anja zurück.

»Anja, ich weiß, das war nicht nett von mir, und ich kann auch verstehen, wenn du nun nichts mehr mit mir zu tun haben willst. Aber ja, so ist das nun mal. Ich bin wieder Single und habe an dich gedacht, weil du ja auch …« – mir wird schlecht.

»Schon gut, schon gut!«, lacht sie nun barmherzig ins Telefon. »Wenn du magst, gehen wir zusammen auf das Weinfest nächste Woche«, schlägt sie großzügig vor. Na also, geht doch. Nach ein paar Nettigkeiten und Erinnerungen an »alte Zeiten« beenden wir das Geplänkel.

Fühle ich mich jetzt besser?

Eine Kundin von mir – sie steht stellvertretend für viele andere Menschen, die in mein Büro kommen – war traurig darüber, dass ihr Lebensgefährte sie nach neun Jahren verlassen hatte. Und das recht zügig, ohne Vorwarnung – dachte sie.

Annabelle war 35 Jahre alt und erzählte mir ihre Geschichte.

»Als Michael und ich uns kennenlernten, waren wir beide noch im Studium. Es war eine tolle, aufregende Zeit. Wir hatten zwar kein Geld, aber ein altes Auto, mit dem wir unglaublich viele Reisen gemacht haben. Ein Zelt oder der Himmel über uns reichten zum Schlafen aus. Wir waren frei und glücklich«, erzählte sie sehnsuchtsvoll.

»Dann haben wir beide Karriere gemacht. Es gab nur Arbeit, wenig Freizeit, keine Zeit mehr für Freunde. Wir haben unglaublich viel verdient und waren unserem Traum von einer Familie, Haus, Hof und Hund sehr nah. An einem verregneten Sonntag fragte ich Michael, ob es jetzt nicht an der Zeit sei, nach einem geeigneten Haus für unseren Familienwunsch zu suchen. Er sah mich erschrocken an, sprang auf, lief im Wohnzimmer hin und her, blieb dann stehen und sagte ganz geradeheraus: »Ich möchte unsere Beziehung beenden. Du bist nicht mehr die Frau, die ich damals geliebt habe. Du warst fröhlich, unkonventionell, warmherzig, konntest aus nichts ein Essen zaubern, warst kommunikativ, wir hatten immer Freunde um uns herum und haben das Leben genossen. Jetzt bist du cool, beherrscht, bestellst das Essen beim Italiener, hast keine Lust mehr auf Sex und rennst nur noch in Designerklamotten rum. Sobald deine Schuhe dreckig werden, kriegst du einen Anfall, und im Regen spazieren zu gehen ist dir ein Graus geworden.« Annabelle rang sichtlich um Fassung, als sie mir das erzählte. »Ich habe schon gespürt, dass sich etwas bei uns verändert hat. Dabei habe ich alles nur für unsere Zukunft getan. Ich habe auch gemerkt, dass ihm was fehlt. Aber ausgesprochen haben wir uns nie. Und nun? Ich habe alles, was man mit Geld bezahlen kann, aber es gibt keine Menschen mehr um mich herum, die ernsthaft mit mir befreundet sind. Nur Bekannte, denen ich nicht einmal von meinem plötzlichen Alleinsein erzähle.«

Was ich dir sagen möchte

Es ist immer das Gleiche. Vergiss es nie mehr, wenn du einen neuen Menschen in dein Leben lässt. Durch dein neues Glück gibt es keine Zeit mehr für alte, liebgewonnene Freunde und Bekannte. Man zieht sich zurück in die heimische Zweisamkeit.

Es ist ja alles da, was du brauchst. Unterhaltung, Kuscheln, Sex, jemanden zum Verreisen, Liebhaben, Kochen, Einkaufen und … gemeinsam im Schlabberlook Fernsehen. Ach, ist das Leben zu zweit doch schön!

Der Job ist der einzige gesellschaftliche Raum, den du noch allein betrittst. Du änderst im Laufe der Jahre dein Verhalten, deinen Kleidungsstil, die früheren Gewohnheiten, und zwangsläufig ändert sich dein Wesen … das Wesen, in das dein Partner sich einstmals verliebt hat.

Kommen Zweifel an dieser Beziehung auf, werden sie ungeprüft weggeredet: Wie dumm »die anderen« dran sind. Diejenigen, die keinen Partner haben. Müssen ständig auf die Pirsch gehen, während man selbst seine Trophäe stolz an der Hand ausführt. Mitleidig schaut man den alleinstehenden Bekannten zu, wie sie in Bars und auf Partys den »Hallo, ist da wer?«-Blick haben. Nein, da schiebt man doch lieber alle gelegentlich aufkommenden zweifelhaften Befindlichkeiten beiseite und lässt in der gewohnt gemütlichen Beziehung alles, wie es ist. Besser langweilig zu zweit als allein sein. Bis einer von beiden den vielzitierten und verhängnisvollen Satz ausspricht: »Du bist nicht mehr der Mensch, in den ich mich verliebt habe!«

Die Beziehung zueinander hat uns zu einem langweiligen, bedeutungs- und manchmal auch lieblosen Partner gemacht. Wir haben es versäumt, in der Liebe an- und miteinander zu wachsen, gemeinsam Neues zu entdecken und zu versuchen, aus der schönen Vertrautheit ein lebendiges Miteinander zu schaffen.

Die Liebe stellt uns also ein Bein, wenn wir nicht aufpassen.

Kapitel 5

Das erste Mal ausgehen ohne Mann

Das Weinfest rückt näher. Mir graut schon seit zwei Tagen fürchterlich davor. Vor dem Weinfest, nicht vor Anja. Obwohl – wenn ich ehrlich bin, dann doch auch vor Anja.

Dann ist der bewusste Abend da, und bevor ich aufbreche, muss ich erst mal das größte Frauenproblem klären: Was ziehe ich an? Geht man mit dem Partner oder der Clique zum Weinfest, ist die Kleiderfrage schnell geklärt: bequeme Schuhe, warme Jacke, Pulli, Socken – nicht, dass man auch noch kalte Füße bekommt. Ohne Partner sieht die Sache gänzlich anders aus. Man möchte ja eventuell einen neuen Mann bezirzen. Gefallen kommt vor den praktischen Aspekten. Das Aussehen einer Frau geht Männern bekanntlich über alles. Männer lieben weibliche Frauen. Weiblich angezogen sein heißt: hochhackige Schuhe, Rock, Bluse oder ein süßes T-Shirt. Schließlich geht es darum, unter ein paar tausend Menschenfrauen aufzufallen. Der coole Schwarzweiß-Look geht daher gar nicht. Zu unauffällig. Also werde ich mich eher paradiesisch bunt, fröhlich und hell anziehen. Alles in allem hoffe ich, dass es nicht regnet und nicht zu kalt wird. Ich kriege jetzt schon kalte Füße bei dem Gedanken daran.

Auf dem Weinfest angekommen, sehe ich Anja schon von weitem. In bequemen Schuhen, warmer Jacke und Pulli, alles in neutralem Grau. Oh, und sie hat Socken an. Neiderfüllt blicke ich auf ihr gemütliches Outfit. Entweder weiß sie nicht um die Wirkung von Kleidung, oder sie steht schon weit über derart banalen Fragen.

»Wie siehst du denn aus?«, ruft sie mir schon von weitem entgegen.

»Klasse natürlich!«, rufe ich gut gelaunt zurück. Schließlich fühle ich mich paradiesisch. Ich trage eine weiße, enge Hose in 7/8-Länge, ein weißes, etwas ausgeschnittenes Top, darüber eine wunderschöne rosafarbene Seidenbluse und offene Schuhe mit höherem Absatz.

Als ich zu Hause flache Schuhe anziehen wollte mit der Begründung, ich sei sonst für die Männer zu groß, entgegnete Madeleine lakonisch: »Da kannst du doch nichts dafür, wenn die Männer alle so klein sind.«

Dieser Ausspruch hat mich sehr erheitert. So hatte ich das noch nie gesehen. Anja wohl auch nicht. »Musst du dich ausgerechnet auch noch größer machen, als du schon bist?«, fragte sie mürrisch.

Puh – muss ich mir das antun? Es geht mir sowieso schon nicht berauschend. Brauche ich einen Single-Menschen an meiner Seite, der mich noch mehr runterzieht?

Mir kommen schon fast die Tränen. Ich fühle mich scheußlich, einsam, verlassen, und die vielen Menschen um uns herum machen mir heute regelrecht Angst.

Ich spüre es ganz genau: Dieser Abend an der Seite meiner »Freundin« wird nicht mal mittellustig werden.

Meine Stimmung verschlechtert sich von Sekunde zu Sekunde. Die unhöflichen Bemerkungen und die negative Ausstrahlung meiner ehemaligen Freundin legen sich über mich wie ein schwarzes Tuch. Welchen Preis bin ich bereit zu zahlen, um den Abend nicht allein verbringen zu müssen?

»Anja, ich werde den Abend nicht mit dir verbringen!«, höre ich mich sagen. Tatsächlich, ich hab mich wirklich getraut, das auszusprechen! Der Stein, der mir vom Herzen fällt, knallt Anja direkt vor die Füße. Sie schaut mich mit großen Augen verärgert an, um dann den Kopf in den Nacken zu werfen und beleidigt abzurauschen.

Ich stehe da wie vom Donner gerührt. Wow, plötzlich fühle ich mich richtig gut!

Also werde ich meine ersten Schritte auf ein Fest mutig allein gehen. Kopf hoch, Bauch rein, lächeln – was soll mir letztlich auch Dramatisches passieren? Ich werde jetzt gemütlich durch die Gassen schlendern und einfach alles auf mich zukommen lassen.

Mein Blick schweift über die Menschenmenge. Beruhigend, so viele bekannte Gesichter zu sehen. Ich gehe auf eine Gruppe aus dem Ski-Club zu, in dem ich früher mal Mitglied war. Keine so gute Idee, wie sich kurz darauf zeigt: »Ach, wie geht’s dir denn? Ja, wir haben schon gehört, dass er weg ist. Hat er eine andere? Ja, aber sonst geht doch kein Mann!« Dachte ich bisher auch. »Gell, er hat dich verlassen. Oder? Was machst du denn jetzt? Haha, du stöberst sicher deine Kundenkartei durch. Ja, du hast es gut. Die Lisa ist auch fast 50 und findet schon seit sechs Jahren keinen Mann mehr. Zu hohe Ansprüche. Ja, nur gut, dass deine Kinder groß sind. Sonst hättest du gar keine Chance mehr. Ja, der Heinz und ich sagen auch immer, besser schlecht zusammen als allein und kein Geld. Hahaha. Du bist halt zu emanzipiert für die Männer. Die wollen lieber nette Frauen. Nein, nicht, dass du nicht nett bist. Hahaha. Na ja, kochen kannst du ja auch gut.« Warum hilft mir keiner?! »Bist eine tolle Frau, aber … du, die Uschi hat mich neulich gefragt: Warum hat er dich eigentlich verlassen?«

Diese letzte Frage sitzt. Sie trifft mich mitten ins Herz. Mitten in mein gebeuteltes Herz. Zu meinem Leidwesen schießen mir schon wieder Tränen in die Augen. Hastig verabschiede ich mich von der Meute und gehe schnell nach Hause zum Wundenlecken. Ja, ich dachte, ich sei fertig mit dem Kummer über den Partnerverlust. Und dabei weiß ich immer noch nicht wirklich, warum er eigentlich abgehauen ist. Ich muss das unbedingt mit ihm klären. Ich spüre, dass es wichtig ist, wenn ich mich eines Tages wieder gutfühlen will.

Nach dieser Attacke gehe ich traurig und frustriert nach Hause. Am nächsten Nachmittag rufe ich ihn an. (Ich musste so lange warten, bis ich den Weinkonsum vom Vorabend abgebaut hatte.)

Er ist lieb am Telefon – war er ja im Grunde immer, das Arschloch (Entschuldigung) –, und wir verabreden uns beim Italiener.

Aufgeregt betrete ich am nächsten Abend das Lokal. Freundlich, aber mit unruhigem Blick begrüßt er mich. Um es kurz zu machen: Der Abend ist noch unerfreulicher, als ich erwartet hatte. Männer reden einfach nicht gerne über Gefühle. Auf meine Frage, warum er mich so plötzlich verlassen hat, antwortet er: »Ach, es ging doch schon lange nicht mehr so gut, im Laufe der Zeit lebt man sich eben auseinander. Und besser jetzt als später, da haben wir doch beide noch die Chance auf einen neuen Partner.« (Dass seine Neue nicht schon vor der Lokaltür mit den Füßen scharrt, ist alles.) »Und es war doch so schön mit uns, mach doch jetzt nicht alles kaputt.« (Ich? Wieso ich?) »Und außerdem haben wir das doch alles ausreichend besprochen.« (Da war ich aber offensichtlich nicht dabei.) Als Sahnehäubchen dann zum Schluss noch der bescheuerte Satz, den wir alle hassen: »Lass uns Freunde bleiben.«

Nach dem Spruch gehe ich. Weine, tobe schon wieder und fange endlich richtig an, über mich und mein Leben nach der Trennung nachzudenken.

Mein Kopf und mein Herz stehen kurz vor einer Emotionsexplosion (lustig, da steckt das Wort »Sex« drin, fällt mir gerade auf …). Es ist höchste Zeit, das Ventil zu meinem Inneren zu öffnen und meinem Ex endlich einmal die Wahrheit über meine angestauten Gedanken und Emotionen nach unserer beziehungsweise seiner Trennung um die Ohren zu hauen.

Genau, das mache ich sofort – bevor ich wieder handzahm werde. Und dann ab damit in die Post!

 

Brief an eine verlorene Liebe

Ich hasse Dich!

 

Für Dein Werben um mich,

für mein Nachgeben,

dafür, dass Du mich in Dich verliebt gemacht hast,

für die fette Blasenentzündung,

für die romantische Liebesbeziehung,

für die vielen schönen Dinge, die wir unternommen haben,

für den Schmerz, dass ich diese Dinge nicht mehr mit Dir habe,

dafür, dass ich stundenlang in der Küche gestanden und für Dich gekocht habe,

für mein Unvermögen, Dich nicht gleich nach dem ersten schlechten Sex aus dem Bett geschmissen zu haben,

für Dein erreichtes Ziel – mich,

dafür, dass Du einfach den Schwanz eingezogen hast, als ich Dir mein Herz, meine Gedanken und Gefühle offenbart habe,

dafür, wie Du unsere Liebe einfach abhakst,