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1. Auflage 2015
 
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Redaktion: Bärbel Knill
Umschlaggestaltung: Maria Wittek, München
Umschlagabbildung: dilotec GmbH, De Lorenzis
Illustrationen: Heyko Stöber
Gestaltung: Maria Wittek, München
Satz: Carsten Klein, München
E-Book: Daniel Förster, Belgern
 
ISBN Print 978-3-86881-595-5
ISBN E-Book (PDF) 978-3-86414-740-1
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86414-741-8
 
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Inhalt



Vorwort von Christian Jacobi
Geleitwort von Gianluca De Lorenzis

Teil I: Mobilität – die Branche der Zukunft
Kein Überleben ohne Zukunftsbewusstsein
Zukunft ist, was man draus macht
Die Technoskala

Teil II: Das Zukunfts­kompen­dium
#1 Der Lkw im Weltall
#2 ­Hotel im Weltraum
#3 Satelliten-Recycling
#4 Der Überschall- Wasserstoff-Jet
#5 Der Lang-Lkw
#6 Der Streamliner
#7 Die Brummispur
#8 Städte im Himmel
#9 Das Pod Car
#10 Die Sky Farm
#11 Die Frischeampel
#12 Der Nonstop-Zug
#13 Lebendes Plastik
#14 Der Frische-Scanner
#15 Der City-Maulwurf
#16 Der Chiron
#17 Der Stelzenbus
#18 Fliegende Zigarren
#19 Der Faltcontainer
#20 Das Transformer-Auto
#21 Die dritte Hand
#22 Der Webstuhl im Kleiderschrank
#23 Der digitale ­Maßschneider
#24 Der Vakuum-Tunnel
#25 Der Kombi-Auflieger
#26 Strom im Schneckentempo
#27 Schiffe, die Drachen fliegen lassen
#28 Der SkyTran
#29 Strom aus dem Meer
#30 Der Waagengabelstapler
#31 Die grüne Handy-Welle
#32 Das Kranradar
#33 TV im Auge
#34 Die ganze Welt ist Ihr Bildschirm!
#35 Roboter an der Rampe!
#36 Der künstliche Arm
#37 Der Schiffsdynamo
#38 Die intelligente Straßenlaterne
#39 Geräte mit eingebautem Kraftwerk
#40 Der telepathische Roboter
#41 Der Roboter- Assistent
#42 Grüne Containerschiffe
#43 Mittagessen aus dem Computer
#44 Setzkasten- Container
#45 Der elektrische Pinguin
#46 Der Buszug
#47 Die E-Autobahn
#48 Die elektrische Brieftaube
#49 Die Güterstraßenbahn
#50 Schwarmintelligenz im Lager
#51 Die Supraleiter- Magnetbahn
#52 Die Schachtel spricht
#53 Klemmbrett zum Einrollen
#54 Der Zug auf der Straße
#55 Der Wandkletterer
#56 Vertikalgärten
#57 Das fliegende Auto
#58 Das Luftauto
#59 Die CO2-Wasch­maschine
#60 Das autonome Auto
#61 Die Fabrik im Wohnzimmer
#62 Die Transport­ameise
#63 Das Exoskelett
#64 Die Müllrohrpost
#65 Das Pilzauto
#66 Der Schwarm-Heli
#67 Der Komfortzonenanzeiger
#68 Die elektronische Haut
#69 Kluge Kleidung
#70 Der virtuelle Radweg
#71 Hausgemachter Diesel
#72 Paket mit Ankündigung
#73 Das CargoCap
#74 Das T-Shirt aus der Sprühdose
#75 Der Supermarkt in der Wand
#76 Der elektrostatische Greifer
#77 Der fliegende Postbote
#78 Die Flugpalette
#79 Das Bumerang-Flugzeug
#80 Intelligente Container
#81 Bergbau im Weltall
#82 Lebende Solarzellen
#83 Aufzug ins Weltall
#84 Der Logistiker als Farmer
#85 Der Turm­briefkasten
#86 Der Parkhaus­roboter
#87 Welt im Meer
#88 Das mobile Distributionszentrum

Nachwort vom richtigen Schritt
Anlage: Übersicht der 88 Innovationen
Referenzen
Weiterführende Literatur
Dank
Über die Autoren

Vorwort von Christian Jacobi

Kann man das Rad neu erfinden? Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie darauf antworten: Ja, man kann. Und ich möchte ergänzen: Man muss es sogar! Denn technische Innovationen sind ein Garant für den Erfolg und das Wachstum der Wirtschaft in Deutschland. Unsere Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit hängt heute mehr denn je davon ab, wie schnell wir entlang von Zielgrößen wie Nachhaltigkeit, Flexibilität, Agilität und Effizienz technologisch und innovatorisch vorankommen.

Innovationen kommen allerdings nicht von ungefähr und nicht von allein, Innovationen müssen gezielt gefördert werden. Die Ära des einsamen Genies im stillen Kämmerlein neigt sich dabei unaufhaltsam ihrem Ende zu. Gute Ideen entstehen heute in und aus Netzwerken. Sie müssen gemanagt werden, sie brauchen funktionierende Strukturen und institutionalisierte Prozesse, über Unternehmensgrenzen hinweg. So ist es kein Zufall, dass das vorliegende Buch seinen Ursprung im EffizienzCluster LogistikRuhr hat, dem größten Forschungs- und Innovationscluster der Logistik in Europa. Die Arbeit in einem solchen Netzwerk ist effizienter, innovativer und schneller. Denn: Die mehr als 200 Akteure im EffizienzCluster sind über eine gemeinsame Strategie und ein klares Ziel eng miteinander verbunden – für die Welt von morgen, eine Welt in Bewegung.

Pioniere des Fortschritts erhalten hiermit einen Einblick in diese Welt, die von Innovationen aus Mobilität und Logistik angetrieben wird. Diese Innovationen werden in den kommenden Jahren Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft formen – und damit unser aller Leben. Allen Beteiligten wird diese Formgebung umso besser gelingen, je offener sie für das werden, sind und bleiben, was auf unserem Innovationsradar erscheint. Dabei wird in diesem Buch – verstanden als Fahrplan für die Zukunft – einmal mehr deutlich: Es sind Mobilität und Logistik, die heute und morgen einen entscheidenden Beitrag zu den großen Herausforderungen und Zukunftsfragen unserer Zeit leisten.

Ihr Dr. Christian Jacobi

Vorsitzender der Geschäftsführung EffizienzCluster Management GmbH, Geschäftsführender Gesellschafter agiplan GmbH

Geleitwort von Gianluca De Lorenzis

Wem gehört die Zukunft? Die Zukunft gehört den schwachen Signalen und Datenwolken. Sie gehört damit in charakteristischer Weise jenen, die in diesen undurchdringlich scheinenden Wolken und hinter kaum vernehmbaren Signalen sinnhafte Muster nicht nur erkennen, sondern aus diesen vielversprechenden Mustern auch erfolgreiche Dienstleistungen und Produkte erschaffen können. Ein Mensch alleine kann das nicht leisten. Selbst ein Expertenteam tut sich mit der zufriedenstellend zuverlässigen Bewältigung dieser Aufgabe in der heutigen und vor allem in der künftigen turbulenten, dynamischen, komplexen und disruptiven Welt zunehmend schwer. Aus diesem Grund wird aktuell von allen Seiten die Entwicklung professioneller und wissenschaftlich gestützter Foresight Support Systems (FSS) mit Macht vorangetrieben. Es sind diese Systeme, die im Sinne des Wortes »Trend-Making Technology« darstellen. Sie werden der Menschheit die dichteste Datenwolke und noch die schwächsten Signale erschließen.

Das IT-gestützte Management der Zukunft lebt dabei von Trends, Innovationen, Entwicklungen und technologischen Neuerungen. Genau diese »Zutaten« stellt das vorliegende Zukunftskompendium in umfassender und zugleich unterhaltsamer Fülle zur Verfügung. Es versorgt alle gut geführten Trenddatenbanken der betrieblichen und akademischen Zukunftsforschung mit nötigen, neuesten, manchmal paradoxen, stets zukunftsweisenden und oft überraschenden Impulsen. Je mehr dieser Impulse auf Ihrem Zukunfts- und Innovationsradar aufblinken, desto sicherer dürfen Sie sein, dass Ihnen keine wichtige Zukunftsentwicklung, kein bedrohliches Risiko und erst recht keine profitable Zukunftschance entgeht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele neue, attraktive und lohnende Impulse für Ihren Zukunftserfolg – und gute Unterhaltung. Denn nichts ist unterhaltsamer und gleichzeitig profitabler als die fundierte Beschäftigung mit der Zukunft.

Ihr Gianluca De Lorenzis

Geschäftsführer FGND Group

Teil I:
Mobilität – die Branche der Zukunft

Kein Überleben ohne Zukunftsbewusstsein

Womit haben Sie Ihre ersten Fotos fürs Familienalbum gemacht? Klar, mit Kompakt- oder Spiegelreflexkamera. Wo sind Leica, Kodak, Polaroid, Agfa und Praktica heute? So ist das mit der Zukunft: Die einen werden übel von ihr überrascht, sodass sie sich mühsam wieder aufbauen müssen, die anderen machen auch in Zukunft gute Geschäfte. Warum?

Die Antwort kommt mit einem einzigen Wort aus: Zukunftsmanagement. Dazu ist noch nicht einmal ein Zusatzstudium nötig. Ein wenig Zukunftsbewusstsein und guter Wille reichen völlig. Leider hapert es an beidem, wie die beiden US-Wissenschaftler Hamel und Prahalad belegen. Schon vor Jahren stellten sie empirisch fest, dass sich der durchschnittliche Manager lediglich 2,4 Prozent seiner Zeit mit der langfristigen Entwicklung seiner Branche und seines Unternehmens befasst – das sind gerade mal 14 Minuten und 24 Sekunden eines Zehn-Stunden-Tages [1]. Kein Wunder, dass die meisten Unternehmen ihre eigene Zukunft nicht erleben.

Diese fatale Zukunftsschwäche kennt auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), weshalb es seit Jahren Vorhaben wie den EffizienzCluster LogistikRuhr fördert. Eines der Verbundprojekte dieses Clusters, der Competitiveness Monitor (CoMo), hat in seinen drei Jahren explizit diese Schlüsselkompetenz für unternehmerischen Erfolg in Mobilität und Logistik erforscht [2]. Damit hat das Projekt maßgeblich zu einem der sieben Leitthemen des Clusters beigetragen: Aktivierung von Clusterpotenzialen. Das ist das Stichwort.

Eine Studie von A.T. Kearney [3] im Jahr 2011 zeigt: Aktivierung lohnt sich. Vor allem, wenn es um das Zukunftsbewusstsein von Managern geht. Unternehmen, die zehn Jahre oder länger planen, erreichen ganz eindeutig einen um das Mehrfache höheren Total Shareholder Return als zukunftsschwache Unternehmen. Warum zahlt sich das aus? Weil diese Unternehmen über ein geschärftes Zukunftsbewusstsein verfügen – und weil das zehnjährige Vorausplanen beweist, dass sie jene Instrumente zur Bewältigung unsicherer Entwicklungen beherrschen, die weitaus besser zum Umgang mit den Herausforderungen der Zukunft geeignet sind als die übliche lineare Extrapolation (Fortschreibung mit Prozentaufschlag). Und weil eine so lange Zeitspanne eben nachhaltig ist. So langfristig planende Unternehmen lassen sich nicht vom Tagesgeschäft oder von Vorstandsvorlieben in die Irre führen. Sie verfolgen langfristige Ziele, sie laufen sozusagen synchron mit der Zukunft. Wie schaffen sie das?

Im Grunde genommen mit exakt dem, was Sie gleich erleben werden: mit verrückten Ideen. Zugegeben, das ist nicht der wissenschaftliche Ausdruck. Aber es ist der springende Punkt: Überraschungen. Wenn wir mit Entscheidern und Unternehmenslenkern sprechen, zum Beispiel über den Aufzug ins Weltall (S. 196), zeigen sich die einen von so einer »verrückten Idee« überrascht bis befremdet, während die anderen bereits nach dem Business Case, Investitionsoptionen und den Konsequenzen für die eigene Branche fragen. So weit ein Aufzug in den Orbit hergeholt sein mag, er trifft genau die Herausforderung: Zukunftskompetente Entscheider rechnen heute schon mit »total verrückten« Ideen – im Sinne des Wortes. Sie rechnen das schon mal durch. Was das kosten könnte, mit wie viel Einsatz man dabei sein könnte, wie sich das für wen auszahlen könnte. Wirklich überrascht werden dann immer nur jene, die in zehn oder 20 Jahren vom Markt fliegen. Weil sie nicht sehen wollten oder konnten, was Sie gleich sehen werden. Was werden Sie sehen?

Verrückte, bahnbrechende, hochinnovative, Branchen auf den Kopf stellende oder einfach einen Teilprozess wesentlich verbessernde Ideen – technisch-organisatorischer Art. Natürlich gibt es noch viele andere Arten bestechender Ideen – soziokultureller, politischer, ökologischer, ökonomischer und rechtlicher Art, die unsere Zukunft maßgeblich beeinflussen werden oder könnten. Diese finden Sie in anderen Büchern. Wir werden uns auf den folgenden Seiten ausschließlich mit dem beschäftigen, was die meisten Menschen am meisten begeistert: neue Techniken, neue Technologien, große und kleine Prozess- und Produktinnovationen. Dabei reichen die Ideen von einfach, aber einfach genial über äußerst nützlich bis zu atemberaubend. Und natürlich diskutieren wir dabei getreu dem systemischen Ansatz stets auch die Rahmenbedingungen, von denen die folgenden tollen Ideen getrieben oder aber auch ausgebremst werden: Zukunft ist immer das, was aus dem Zusammenwirken aller Kräfte im Kräfteparallelogramm entsteht. Zukunft ist immer eine gemeinsame Anstrengung.

Und so ist auch dieses Buch entstanden, weshalb wir allen an diesem Buch Beteiligten danken möchten, die uns die vielen nützlichen Hinweise auf neue, überraschende und innovative Entwicklungen der Mobilität von Menschen und Gütern gaben (siehe auch Danksagung am Ende des Buches).

Warum überhaupt Mobilität? Ganz einfach: Weil diese Branche der »Motor der Globalisierung« ist – wie jeder weiß. Logistik ist mit ihren mehr als 2,89 Millionen Beschäftigten und einem Branchenumsatz von rund 230 Milliarden Euro im Jahr der größte Wirtschaftsbereich in Deutschland nach Automobil und Handel [4–6]. Damit liegt sie noch vor Elektronik und Maschinenbau. Schon jetzt. Und in der nicht so fernen Zukunft, um die sich dieses Buch dreht, wird sie eine noch viel bedeutendere Rolle für den Wohlstand der Nation spielen. Wenn der deutsche Konsument auch in Zukunft Kiwis aus Neuseeland, Jeans aus der Türkei, Schuhe aus Pakistan und Spielzeug aus Schanghai jeden Tag wie selbstverständlich im Warenregal vorfinden möchte, dann verlässt er sich praktisch ohne sein Wissen und Zutun auf den grundlegenden Paradigmenwechsel in der modernen Wirtschaft: Wir stehen an der Schwelle zur vierten industriellen Revolution, welche die Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse grundlegend transformieren wird. Branchengrenzen reißen ein; die Digitalisierung bringt neue Geschäftsmodelle hervor, die über traditionelles Branchendenken weit hinausgehen. Jegliche Gegenstände und Maschinen werden IP-fähig und im Internet der Dinge miteinander digital vernetzt. Und Vernetzung ist genau jenes Spezialgebiet, in dem Mobilitätsmanager und Technologieproduzenten entlang der Wertschöpfungskette vom Lieferanten über den Hersteller bis zum Spediteur heute schon nach Perfektion streben. Sie alle werden buchstäblich das Gesicht der Welt von morgen prägen, das große Rad der Zukunft drehen und die Welt bewegen – mit vielen der folgenden Ideen.

Zukunft ist, was man draus macht

Das nächste große Ding

Das Rad wurde vor 6000 Jahren erfunden, der Container vor knapp 60 Jahren. Beide Innovationen haben die Mobilität, den Transport und damit die Welt revolutioniert – was kommt als Nächstes? Was ist The Next Big Thing? Welche Innovation wird in den nächsten fünf, zehn, 20, 30, 50 Jahren die Welt auf den Kopf stellen? Keine triviale Frage.

Denn von dieser Frage hängt sowohl die Existenz als auch der Erfolg jedes einzelnen Servicedienstleisters ab, jedes Branchenverbandes, der Hersteller, des Handels und zu großen Teilen auch der Konsumwelt, wie wir sie kennen. Zu jeder Epoche hat der Mensch quasi das Rad neu erfunden – was wird das »Rad der Zukunft« sein? Was wird uns bewegen? Die folgenden Kapitel beantworten diese Frage – und nicht nur einfach, sondern 88-fach. Kein Zufall: Die Zahl 88 ist in den aufstrebenden Industrienationen und dem größeren Teil der Welt eine Glückszahl, die – inspiriert aus der chinesischen Numerologie – für Einsicht, Glück und Reichtum steht. In diesem Sinne könnten die folgenden 88 Innovationen das Gesicht der Zukunft prägen und Managern zu ungeahntem Reichtum verhelfen – unter einer Voraussetzung.

Die Voraussetzung ist simpel: Wer von der Zukunft profitieren will, muss sie kennen. Nur wer die Technologien der Zukunft (rechtzeitig) erkennt, partizipiert am Erfolg der Zukunft. An dieser frühen Kenntnis hapert es in der Praxis deutlich. Allzu viele Unternehmer und Führungskräfte sind viel zu oft vollkommen überrumpelt, wenn sich eine neue Technologie durchsetzt. Sie verpassen den Anschluss, warten zu lange ab, laufen hinter dem Stand der Technik her. Das ist vermeidbar. Und zwar ohne großen Aufwand: Lesen reicht schon. Die Lektüre, die Sie begonnen haben, ist der erste oder ein weiterer nützlicher Baustein für Ihr allumfassendes Innovations- und Zukunftsradar. Wer die Zukunft erleben möchte, braucht dieses Radar. Das sagen schon die Zahlen.

Zum Beispiel die Automobilindustrie – um nur eine Branche zum Vergleich heranzuziehen. Sie gibt jedes Jahr über 20 Milliarden Euro für Forschung aus [7]. Raten Sie mal, wie hoch diese Summe in der Logistik ist. 20 Milliarden? 15? Fünf? Ihre Schätzung ist so gut wie unsere, denn die betrübliche Wahrheit lautet: Forschung in der Logistik ist so schwach vertreten, dass es noch nicht einmal eine verlässliche Schätzung ihrer Ausgaben gibt. Innovation und Forschung sind in leider allzu vielen Unternehmen der Branche stiefmütterlich vernachlässigte Themen. Laut einer Studie der Bundesvereinigung Logistik (BVL) halten 65 Prozent der Manager ihre Branche für nicht bis wenig innovativ [8]. Jede wichtige, gesellschaftstragende Branche (Stichwort »Motor der Globalisierung«) forscht milliardenschwer und weiß auch, was sie für ihre eigene Zukunftssicherung ausgibt. Diese Branche weiß es nicht. Auch deshalb fordert Prof. Dr. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, dass jedes Logistikunternehmen jedes Jahr mindestens ein Prozent seines Umsatzes für Forschung ausgeben sollte [9]: »Stapler fahren und bauen können auch die Chinesen. Wir müssen Hightech-Entwicklungen liefern.« Einige führende Unternehmen der Branche haben bereits angekündigt, den ten Hompel’schen Imperativ innerhalb der nächsten zehn Jahre umzusetzen. Warum? Weil dieser Imperativ ein denkbar einfaches Erfolgsrezept der Zukunft ist. Hierin liegen unsere nachhaltige Existenz und die Basis unseres künftigen Erfolgs. Nur innovative Logistikunternehmen werden die Herausforderungen der Zukunft meistern (können). Innovation ist der Schlüssel zum Erfolg der Zukunft. Im Grunde wissen wir das längst. Der springende Punkt ist: Wir setzen diese Erkenntnis nicht im gebotenen Maße um. Warum nicht?

Megatrends nützen keinem

Die meisten Führungskräfte würden herzlich gerne innovativ sein, wissen jedoch nicht, wo sie anfangen, woher die guten Ideen kommen sollen. Exakt aus diesem Grund halten Sie dieses Buch in Händen. Hier finden Sie jede Menge guter Ideen. Und weitaus tiefergehend, als Sie das sonst gewöhnt sind. Zum Beispiel: Urbanisierung. Das Schlagwort kennt inzwischen jeder. Jeder weiß, dass die Zukunft zu großen Teilen in den Städten liegt. Und? Was bringt dieser Trend dem einzelnen Unternehmen? Nicht viel.

Megatrends wie die Urbanisierung sind zwar megawichtig, gleichzeitig aber so abstrakt, dass der Manager am Schreibtisch und der Strategieplaner im stillen Kämmerlein nicht wirklich etwas damit anfangen können. Megatrends müssen zwingend durch Mikrotrends erklärt und ergänzt werden, damit man überhaupt etwas Handlungsleitendes mit ihnen anfangen kann. Um genau diese Mikrotrends geht es auf den folgenden Seiten. Die dort vorgestellten Technologien liefern die (schwachen) Signale, die für die Etablierung der Mikrotrends von morgen unabdingbar sind [10]. Auf gut Deutsch: Lesen Sie, um das Gras wachsen zu hören. Oder wissenschaftlich ausgedrückt: Wir geben Ihnen die ersten Bausteine Ihrer Technologie-Früherkennung an die Hand. Kein kleines Geschenk.

Denn die meisten Menschen machen es verkehrt: Sie extrapolieren, womöglich auch noch linear, aktuelle Trends, schreiben sie also mit prozentualen Aufschlägen in die Zukunft fort – und tun so, als ob das eine Trend-Frühaufklärung wäre. Ist es nicht. Es ist genau genommen das Gegenteil davon – und brandgefährlich. Hätten alle Stuttgarter um die vorletzte Jahrhundertwende lediglich den dramatischen Zuwachs der Zahl ihrer Pferdedroschken extrapoliert, wäre das Automobil nie erfunden worden. Ist es aber. Heute ist es die Grundlage der Mobilität – nicht das Pferd. Trotzdem gingen damals in Paris, London, Berlin, Madrid und Rom Tausende Droschkenunternehmen pleite. Weil sie linear extrapolierten – was keine Früherkennung ist. Früherkennung lässt sich von der Extrapolation nicht in die Irre führen, weil sie sehr intensiv auf Wild Cards [11] – auch als schwarze Schwäne bekannt – fokussiert; auf Trendbrüche, Überraschungen, Um- und Strukturbrüche. Und das aus doppeltem Grund.

Erstens fällt es Menschen naturgemäß schwer, in Umbrüchen, das heißt »out of the box«, zu denken – daher ihre fatale Vorliebe für die Extrapolation. Und zweitens sind es die Strukturbrüche und schwarzen Schwäne, die uns das Leben zur Hölle oder zur einmaligen Chance machen. Nur wer auch »verrückte« Technologien auf dem Schirm hat, ist sprungbereit, wenn der Markt zum nächsten großen Sprung ansetzt. Technologie-Früherkennung erschließt Zukunftschancen und vermeidet Zukunftsrisiken. Aus diesem Grund sind selbst die verrücktesten Ideen nicht wirklich verrückt.

Wann kommt die Zukunft?

Alle Technologien, denen Sie gleich begegnen werden, sind plausibel, denkbar, einige liegen bereits als Konzeption vor, andere wurden schon getestet, stehen kurz vor der Marktreife oder wurden in Test- und anderen Märkten bereits eingeführt. Trotzdem winken viele Praktiker ab: »Wer weiß, wann sich das auch in unserem Business durchsetzt! Erst einmal abwarten!« Das ist das Gegenteil von Zukunftskompetenz. Wer so denkt, spricht oder handelt, ignoriert die Variable »Marktreife«. Natürlich kann keiner sagen, wann eine Innovation sich am Markt durchsetzt. Citroën konnte das auch nicht, als sie vor 50 Jahren in Europa das Kurvenlicht für Autos einführten. 50 Jahre lang verschlief der Markt diese äußerst nützliche Technik – und plötzlich bauen alle Hersteller das Kurvenlicht ein. Bis auf jene, die es verschlafen haben. Citroën zählt nicht dazu. Das ist Technology Intelligence: sich frühzeitig mit der Technologie vertraut machen und dann sofort sprungbereit sein, wenn die Technologie sich am Markt durchzusetzen beginnt. Wer Technologien verschläft, verliert. Wer sie frühzeitig kennt, gewinnt. So einfach kann Zukunft sein.

Das heißt nicht, dass Sie jede neue Technologie sofort einsetzen sollen. Allerdings gibt es die Innovationsrendite: Die Ersten im Markt erzielen naturgemäß höhere Preise als die Nachzügler. Dafür müssen die Pioniere auch sehr viel höhere Kosten der Innovation vorfinanzieren. Das heißt: Wenn Sie das Gras wachsen hören, alle zukunftsrelevanten Technologien auf dem Schirm haben, können und müssen Sie immer noch entscheiden: Wollen wir zu den Pionieren gehören? Early Adopter sein? Wollen wir bei der frühen Mehrheit dabei sein? Oder bei der späten? Oder machen wir gezielt den Nachzügler, der clever alle Kinderkrankheiten der neuen Technologie vermeidet und deshalb die höhere Marge einfährt? Dass Sie das Gras wachsen hören können, enthebt Sie nicht Ihrer unternehmerischen Freiheit – es weitet sie aus. Je früher Sie das Gras wachsen hören, desto größer wird Ihre Freiheit, die richtige Entscheidung zu treffen. Wenn das so einfach ist – warum werden dann so oft die vermeintlich falschen Entscheidungen getroffen, wenn es um die Zukunft geht?

Das Bewusstsein determiniert das Sein

Ob Sie bezüglich Ihrer eigenen Zukunft die korrekten Entscheidungen treffen, liegt nicht nur an der Güte Ihres Innovationsradars, sondern auch am von Ihnen womöglich weitgehend unbewusst gepflegten Innovationsklima. Insbesondere deutsche Unternehmen verwenden im internationalen Vergleich sehr viel Energie auf Risikominimierung. Was ganz prima ist. Leider ist es die Kehrseite der Medaille: Auf diese Weise werden Kreativität und Innovationsfreude nicht gefördert, sondern ausgebremst. Deshalb werden viele Zukunftschancen ausgelassen, die man wegen des gefürchteten Risikos dann doch lieber nicht anpackt. Hab keine Angst vor der Zukunft! Geh ein kalkuliertes Risiko ein, aber geh ein Risiko ein. Genau das machen zu wenige Führungskräfte in der Logistik und anderswo. Und das ist nicht unbedingt die Schuld der Führungskräfte.

Schuld sind die vermaledeiten Biases (kognitive Verzerrung, Denkfehler), vor allem der Omission Bias (englisch omission – Auslassung) [12]. Gerade bei neuen Technologien sagen viele Führungskräfte automatisch und reflexhaft: »Erst mal die Finger davon lassen! Keine Ahnung, ob das funktioniert. Wenn es bei uns nicht funktioniert und ich mich dafür starkgemacht habe, dann ist meine Karriere in diesem Unternehmen beendet. Also lassen wir diese Innovation erst mal aus.« Ganze Unternehmen werden von diesem Bias sabotiert. Das Fatale daran: Meist merkt das keiner. Weil der Bias unbewusst etabliert und gepflegt wird und sich durch pseudorationale Argumente gegen Entdeckung immunisiert, wie: »Geht die Technik schief, ist meine Karriere futsch!« Dass ein vernünftiger Mensch unter dieser Prämisse die Finger von möglichst vielen Innovationen lässt, ist so rational wie zwangsläufig. Auf diese Weise werden Innovation und Zukunftssicherung nicht gefördert, sondern es wird die Zukunft geradezu bekämpft. Was ein aussichtsloser Kampf ist: Noch nie hat sich die Zukunft von Menschenhand aufhalten lassen. Aber was will man machen? Alle Menschen sträuben sich doch gegen das Neue! Alle?

Nein. Nicht jene, die in Unternehmen arbeiten, deren Führungskultur so weit entwickelt ist, dass sie weitgehend verzerrungsfrei arbeitet, weil die verschiedenen Biases erkannt, identifiziert, aufgedeckt, bewusst gemacht und durch sinnvollere Denkgewohnheiten und Regeln ersetzt wurden. Bei einem mittelständischen Mobilitätsdienstleister gilt zum Beispiel das ungeschriebene Gesetz: »Wer sich bei uns für etwas Neues starkmacht, ist automatisch Geschäftsführers Liebling – egal, wie das ausgeht.« Kein Wunder, dass dieses Unternehmen mit außerordentlich kreativen und hochinnovativen Mitarbeitern und Führungskräften seit Jahren Marktführer in seinem Segment ist. Gemacht wird, was belohnt wird: Die Innovationskultur determiniert die Innovationsstärke eines Unternehmens langfristig stärker als seine Finanzstärke oder technische Expertise.

Wenn Sie also gleich ziemlich »verrückte« Innovationen kennenlernen werden, wie den Fernseher im Auge (#33), das Auto mit Pilz-Karosserie (#65) oder das Hotel im Weltraum (#2) – überblättern Sie diese nicht! Überblättern würde bedeuten, dass Ihr Omission Bias im Hintergrund immer noch ungehindert sein Unwesen treibt. Die Selbstsabotagestrategie ist unbemerkt noch aktiv geschaltet. Schalten Sie sie ab! Indem Sie sich dazu überreden, sich zumindest wohlwollend anzuschauen, was morgen schon Realität sein könnte. Heute noch Science-Fiction, morgen schon Science Fact. Ein gutes Trend-Radar darf niemals ruhen, muss immer blinken, immer piepsen, immer laufen – auch wegen des Katapulteffekts.

Der Katapulteffekt

Neue Technologien können jahrelang kurz vor der Marktreife stehen und scheinbar in der Endlosschleife kreisen, da kann schon eine kleine Änderung in Gesellschaft, Wirtschaft, Natur oder Gesetzgebung eine Katapultwirkung entfalten und der vormals inaktiven Innovation plötzlich zur Marktdominanz verhelfen. Solche Katapulteffekte passieren ständig (denken Sie an Lehman, Fukushima, Eurokrise oder den AKW-Ausstieg). Und plötzlich ist eine Technologie in aller Munde, die vorher keiner auf der Rechnung hatte. Keiner? Doch. Natürlich jene, die sich schon frühzeitig mit ihr beschäftigten und sich passende Pläne in die Schublade legten, die sie dann herausholen und aktivieren können, während die Konkurrenz noch hektisch erst einmal planen muss. Was sind das für Pläne?

Es sind Roadmaps. Wenn Sie heute vom Hotel im Weltraum (#2) lesen, ist Ihnen vielleicht klar, dass so etwas auf jeden Fall irgendwann kommen wird – wenn Richard Branson heute schon Touristen ins All schießt. Solche Hotels müssen dann vom Boden aus logistisch versorgt werden – Ihre Businesschance der Zukunft. Ab wann könnte das ungefähr der Fall sein? Was machen Sie bis dahin, um dann sprungbereit zu sein, wenn der Markt loslegt? Genau das legen Sie in groben Schritten und Meilensteinen, die Sie aus dem ganz normalen Projektmanagement kennen, in einer sogenannten Roadmap fest, Ihrer Straßenkarte der Zukunft für die Schublade. Mit so einer Straßenkarte sind Sie bestens vorbereitet, wodurch jede Zukunft ihren Schrecken verliert. Das ist zugleich Stich- und Schlusswort.

Zukunft ist Einstellungssache

Hand aufs Herz: Dass wir uns so wenig um das Wichtigste in unserem Leben, nämlich um unsere Zukunft, kümmern, hat auf der tiefsten menschlichen Ebene hauptsächlich damit zu tun, dass uns die Zukunft unangenehm ist oder eher einen milden Schrecken einjagt. Das liegt nicht an der Zukunft.

Es liegt an uns. Es gibt nämlich auch Menschen, die beim Gedanken an Städte im Meer (#87) nicht genervt und mit Hinweis auf ihre operative Belastung abwinken, sondern begeistert in die Hände klatschen und die Fährte aufnehmen: Zukunft ist das, was Sie draus machen. Und was Sie draus machen, hängt in erster Linie von Ihrer Einstellung gegenüber der Zukunft ab.

Für die meisten Menschen ist die Zukunft eine ständig lauernde schlechte Überraschung, eine Bedrohung, eine lästige Pflicht, der Feind der Routine und des Gewohnten. Das, womit man nolens volens fertigwerden muss und womit man deshalb eher schlecht als recht fertigwird, eben weil man sich so zwanghaft eingeschränkt nur darauf konzentriert, irgendwie damit fertigzuwerden. Ganz anders ergeht es jenen, die die Zukunft als Verbündeten, als Überbringer ungeahnter Chancen und Stifter von attraktiven Herausforderungen betrachten. Auch sie ernten den Lohn ihrer Einstellung: eine gute, chancenreiche und erfolgreiche statt einer verkrampften und eingeschränkten Zukunft.

Als ob wir es nicht schon geahnt hätten: Alles ist Einstellungssache. Auch die Zukunft. Arbeiten wir daran. Einstellungen werden nicht vererbt, sondern erworben. Arbeiten wir an einer gesunden, offenen, vernünftigen, antizipativen, vorurteilsfreien, leicht zweckoptimistisch gefärbten Einstellung zur Zukunft und seien wir gewiss: Die Zukunft wird es uns lohnen.

Die Technoskala

Sie werden gleich jede Menge neuer Technologien kennenlernen. Viele werden Sie begeistern, einige überraschen, etliche staunend machen – die Frage ist: Was fangen Sie an mit den vielen schönen neuen Ideen? Das ist die Frage nach der Bewertung. Denn fast noch wichtiger als das Kennenlernen neuer Ideen ist deren Einordnung, Bewertung, Skalierung. Genau dafür haben wir die Techno-Skala entworfen.

Sie ist auf jede Technologie anwendbar. Sie hilft Ihnen bei der Bewertung der jeweiligen Technologie mit drei nützlichen, aussagekräftigen und handlichen Kriterien:

  1. 1.Zeitbezug
  2. 2.Innovationsgrad
  3. 3.Einfluss auf Mobilität und Logistik

1. Zeitbezug

Im angegebenen Zeitraum rechnen Experten mit der Realisierung der Technologie. Das heißt: In diesem Zeitraum können Sie damit rechnen, das vorgestellte Produkt beziehen und einsetzen zu können – natürlich nicht immer in Deutschland. Aber wozu gibt es Global Sourcing? Kleiner Tipp: Achten Sie nicht nur – was man meist automatisch macht – auf Technologien mit einem Zeitbezug von einem bis drei Jahren. Genau das ist eher nicht das, was wir mit »über den Tellerrand hinausblicken« meinen. Weitsicht bedeutet doch gerade: Weiter vorausdenken. Vor allem bei weitreichenden, umwälzenden Innovationen sind zehn Jahre Vorausplanung kein Zeitraum. Denken Sie daran, wie lange zum Beispiel eine »simple« RFID-Einführung in einem Unternehmen dauern kann. Jahre. Wer da nicht weit im Voraus plant, verpasst den Anschluss. Betrachten wir zwei Beispiele.

Das Autonome Auto (#60). Sein Zeitbezug ist ein bis drei Jahre. Denn dieses Auto fährt als Prototyp bereits auf Amerikas Straßen – und zwar auf öffentlichen Straßen. Das Auto hat dort eine ganz normale Zulassung zum Straßenverkehr. Die Frage ist also nicht, ob das kommt. Das kommt – wie fast alles aus den USA – ganz sicher auch zu uns. Also ist Abwarten keine Alternative.

Bergbau im Weltall (#81). Bis es so weit ist, dauert es nach Expertenschätzung noch mehr als zehn Jahre. Die Technik ist noch nicht so weit. Das heißt: zu vertretbaren Kosten. Es ist noch zu teuer, Erze im All abzubauen. Doch hier können wir fest mit dem Fracking-Effekt rechnen: Fracking, also das Herauspressen von Erdöl, Erdgas oder Wasser aus porösen Gesteinsschichten unter Einsatz von Druck und Chemikalien, war vor zehn Jahren noch zu teuer. Seit der Ölpreis stieg, die Ölvorkommen abnehmen und die Technik voranschritt, lohnt sich dieser aufwendige Abbau jedoch plötzlich – und dasselbe wird irgendwann mit dem Abbau im All passieren.

2. Innovationsgrad

Innovation heißt: tatsächlich neu. Lateinisch innovare – erneuern. Die Frage ist: Wie neu ist neu? Alles, was total neu ist, muss ich länger planen, ich muss mich länger damit beschäftigen, bis ich es überhaupt verstehe. Darüber hinaus sind Innovationen mit hohem Innovationsgrad oft auch komplex. Und wie wir alle wissen: Komplexe Systeme sind störungsanfälliger. Wobei »niedrig« beim Innovationsgrad eben oft auch bedeutet: Das sieht jetzt zwar neu aus, kann aber bei näherem Hinschauen auf eine bekannte Technologie zurückgeführt werden, die auf eine neue Anwendung, eine neue Situation oder Zielgruppe übertragen wurde. Das ist dann allerdings neu.

Ein hoher Innovationsgrad bedeutet demgemäß oft auch hohe technische Komplexität, was wiederum bedeutet: Da muss man im Vorlauf schon etwas geistige Kapazität investieren, bevor man die Technologie überhaupt nachvollziehen und ihre Chancen für das eigene Geschäft erkennen und nutzbar machen kann. Betrachten wir wieder zwei Beispiele:

Der Waagengabelstapler (#30). Diese Innovation hat klar einen niedrigen Innovationsgrad. Denn wir kennen schon die zugrunde liegenden Techniken: den Stapler und die Waage. Dass ein findiger Kopf nun zusammenbringt, was zusammen­gehört, ist genial – und genau das, was der Praktiker auf dem Unternehmensgelände und im Lager benötigt. Da fragt man sich nur noch: Wieso hat das so lange gedauert? Und woher bekomme ich das schnellstmöglich und am günstigsten? Lohnt sich das für uns? Wer rechnet mir das schnell mal durch?

Die ganze Welt ist Ihr Bildschirm (#34). Die Brille mit integrierter Bildschirmfunktion ist neu, hochinnovativ und hat das Potenzial, ganze Branchen und Geschäftsmodelle nachhaltig zu verändern. Das wünscht sich der moderne Fernsehgucker doch seit Jahren. Aber wie soll das funktionieren? Google und einige seiner Konkurrenten haben bereits Prototypen und Entwicklerversionen so einer Brille vorgestellt. Außerdem haben avantgardistische Skifahrer schon einen Vorgeschmack darauf bekommen: Zur Saison 2012/13 hatte ein namhafter Brillenhersteller die Skibrille »MOD Live« mit integriertem Monitor auf den Markt gebracht. Während Sie die Piste runterrasen, können Sie rechts unten im Blickfeld Ihre Geschwindigkeit in Kilometern pro Stunde ablesen – und demnächst per Uplink zu Google Maps, wann Sie an der nächsten Abzweigung zum Jagertee vorbeikommen …

3. Einfluss auf Mobilität und Logistik

Die wichtigste Frage schlechthin – für jeden, der Geld verdienen möchte. Denn was nützt mir eine Innovation, die ich in den nächsten ein bis drei Jahren schon kaufen kann, die hochinnovativ ist – aber ohne nennenswerten Einfluss auf mein Geschäft? Das wäre ein ziemlich teures Hobby. Genau deshalb unterscheiden wir drei Stufen des Einflusses der Innovation. Aber Vorsicht: Auch diesen Skalenwert sollte man stets cum grano salis lesen (deshalb erklären wir das hier etwas ausführlicher).

»Niedriger Einfluss« bedeutet eben nicht: egal, marginal, geht mich nichts an. Denn es kommt oft vor, dass eine Innovation mit niedrigem Einfluss auf die meisten Unternehmen gleichzeitig für wenige andere Firmen sehr hohen Einfluss und Bedeutung entwickelt. Das heißt: Genau hinschauen und vor allem mitdenken! Wer kennt Ihr Business am besten? Sie selbst. Wer kann am besten sagen, welchen Einfluss eine Innovation auf Ihr Geschäft hat? Sie allein. Tun Sie es.

Umgekehrt bedeutet dann natürlich »hoher Einfluss«: Diese Innovation ist für viele wichtig – aber eben nicht für alle. Es kann gut sein, dass Sie diese Innovation aussitzen können. Aber eben nur diese. Wenn Sie das für Ihr Business gewissenhaft prüfen, sparen Sie jede Menge Geld und machen keine Moden mit, die Ihnen nichts bringen. Auf der anderen Seite: Sie verschlafen keine Innovation, die wirklich wichtig ist. Betrachten wir wieder einige Beispiele:

Das Hotel im Weltraum (#2). Ganz klar: niedriger Einfluss – für die meisten. Selbst wenn Hilton schon im nächsten Jahr 20 Hotels in den Orbit schießen sollte – das juckt die meisten Menschen kaum (es sei denn als gut betuchte Gäste im Orbit). Mit der Betonung auf »die meisten«. Denn die Cleveren unter den Managern werden sofort denken (wenn sie es nicht schon längst getan haben): So ein Hotel braucht doch auch Transport und Versorgung bis zur Startrampe. Könnten wir da einsteigen? Das ist innovativ. Das ist Weitsicht.

Die Welt im Meer (#87). Eine Innovation mit mittlerem Einfluss. Warum nicht niedrig wie das Hotel im All? Weil es allein technisch viel wahrscheinlicher ist, dass bald viel mehr auf dem Meeresboden los ist als im Orbit. Es gibt nämlich jetzt schon viele Unternehmen in der maritimen Wirtschaft. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese nicht nur Ölplattformen versorgen, sondern auch Offshorewindparks, Freizeitparks auf dem Meeresgrund, Hotels … Wenn sich die Besiedelung der Meere durchsetzt, werden auch auf dem Festland sehr viele Dienstleister via Trickle-down-Effekt davon profitieren – wenn sie darauf vorbereitet sind. Genau dafür sind wir hier.

Die Schwarmintelligenz im Lager (#50). Auf den ersten Blick: hoher Einfluss. Allein schon wegen der Kostenersparnis. Das mag für viele ein Gräuel sein, doch wenn der Maschinenschwarm im Lager einfällt, dann funktionieren große Teile der Wertschöpfungskette künftig komplett menschenleer. Das stellt nicht nur die Logistik, sondern unsere ganze Arbeitswelt auf den Kopf. Das wird vielen nicht gefallen – aber genau deshalb ist der Einfluss dieser Technik so hoch. Und je höher der Einfluss, desto früher sollten Sie sich darüber Gedanken machen. Früher bedeutet: Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt.

Legen Sie los!

Und nun: Viel Spaß in der Welt der Zukunft! Fühlen Sie sich frei. Frei zu lesen, wie und wo immer Sie Lust haben. Von vorne bis hinten? Wenn es Ihnen Spaß macht. Rosinen picken? Auch eine gute Idee. Jede Lesart ist gut, die gut für Sie ist. Sie haben die Wahl. Sie werden ohnehin schnell feststellen, wie einzelne Technologien miteinander korrespondieren, sich kombinieren, ergänzen lassen, sich von Ihnen zu komplett neuen Innovationen zusammenstellen, sich an Ihre Anwendungen anpassen lassen … Ergo: Die Zukunft ist ein Baukasten zur freien Verwendung – für den Verständigen. Für alle anderen ist sie ein Buch mit sieben Siegeln. Diese sieben Siegel öffnen sich für Sie. Jetzt.