Cover
Cover

Ein Psychothriller der Extraklasse – typisch Molly Katz: Schlaflose Nächte garantiert!

Die junge und erfolgreiche Talkshow-Moderatorin Lynn findet nach vielen unglücklichen Beziehungen endlich den Partner fürs Leben. Es ist ein Mann wie aus dem Bilderbuch. Er ist der perfekte Liebhaber und scheint die geheimsten Wünsche der Frauen zu kennen. So erobert er nicht nur Lynn, sondern auch ihren gesamten Freundes- und Bekanntenkreis im Sturm. Sehr früh kommen ihr allerdings Zweifel an seinem Auftreten. Und es dauert nicht lange, bis sie erkennt, dass sie es mit einem gefährlichen Psychopathen zu tun hat, der nur von einem einzigen Wunsch besessen ist: sie vollständig zu beherrschen. Er arbeitet mit allen erlaubten und unerlaubten Tricks, und nur mit Mühe gelingt es Lynn, Hilfe zu finden. Denn kein Mensch in ihrer Umgebung glaubt ihr, dass dieser Traummann teuflisch ist...  

"Hochspannung bis zur letzten Seite!" (Norddeutscher Rundfunk)

19. KAPITEL

Die Sendung war fast vorbei. Lynns Kopfschmerzen waren bis auf ein dumpfes Drücken verschwunden. Die Medikamente hatten ihren Scharfsinn anscheinend nicht beeinträchtigt, doch sie war auch froh, daß sie ihrem Verlangen nach weiteren Tabletten nicht nachgegeben hatte. Aber sobald der Abspann lief, würde sie völlig erschöpft sein. Nach der qualvollen und so gut wie schlaflosen Nacht hatte sie bereits ihre letzten Kräfte mobilisieren müssen, um die Sendung einigermaßen glatt hinter sich zu bringen.

Das war alles, worauf sie sich konzentrieren konnte. Die Sendung endlich hinter sich zu bringen. Danach wollte sie nach Hause gehen, eine dieser verflixten Tabletten nehmen, die Vorhänge zuziehen, die Augen schließen und, falls nötig, das ganze Wochenende durchschlafen.

»Dennis?«

»Hallo, Vicky.«

»Wie sieht’s bei euch aus?«

Er zögerte keinen Augenblick, ihr reinen Wein einzuschenken. Wußte der Himmel, was ihr bereits alles zu Ohren gekommen war.

»Nicht besonders«, sagte Dennis.

»Ich habe mir zwei, drei Sendungen mit ihr angeguckt. Lynn sieht fürchterlich aus.«

»Stimmt.«

»Die anderen Sender drängen darauf, daß wir die Pilotaufzeichnung wieder ins Programm nehmen. Ich fürchte, ich muß ihnen unter diesen Umständen mitteilen, daß wir das Projekt fallenlassen.«

Als er schwieg, sagte Vicky: »Tut mir leid.«

»Mir ebenfalls.«

»Weiß Lynn Bescheid?« fragte Kara, als Dennis ihr von dem Telefonat berichtet hatte.

»Noch nicht. Ich werde nach dem Wochenende mit ihr sprechen.«

»Haben Sie noch einmal über meinen Vorschlag nachgedacht?«

Dennis rieb sich die Augen. »Jawohl. Und Sie haben recht. Wir werden Sie als verantwortliche Produzentin einsetzen. Damit müssen Sie und Lynn sämtliche Entscheidungen untereinander absprechen.«

»Glauben Sie mir, daß ich mich dabei nicht besonders gut fühle. Aber hier geht es nicht um persönliche Gründe. Ich möchte nichts weiter, als unsere Show retten.«

»Ich bin sicher, daß Lynn dafür Verständnis haben wird«, sagte Dennis.

26. März

Ich möchte, daß Du ebenso stirbst, wie ich sterben werde. Jetzt ist alles bereit.

Niemand kann in Deine neue Wohnung eindringen. Niemand ... außer mir.

Lynn schloß ihre Wohnungstür auf, ging sofort ins Schlafzimmer und nahm zwei Percodan.

Sie hatte nichts mehr gegessen, seit ... war das schon gestern mittag gewesen? Sie war auch jetzt nicht hungrig, doch mit leerem Magen konnte ihr von den Medikamenten übel werden.

Sie machte sich einen Toast, brachte aber kaum etwas davon herunter.

Dann zog sie sich aus und drehte die Dusche auf.

Immer wieder hatte sie Bernadines tränenüberströmtes Gesicht vor Augen. Ein Bild des Jammers.

Und auch Kara mußte wegen ihr furchtbares Leid erdulden.

Ihr Bruder, dessen Gesundheit sicher mehr und mehr Schaden nahm ...

Dennis, dessen Leben völlig aus den Fugen geraten war ...

Als sie an Mike dachte, drehte sich ihr der Magen um.

Wenn sie an diesem Morgen funktionsfähig bleiben wollte, mußte sie jeden weiteren Gedanken über Mikes wahres Ich unterdrücken. Doch das persönliche Stillhalteabkommen, das sie mit sich geschlossen hatte, war abgelaufen, und die Fragen drangen nur so auf sie ein.

Schließlich drehte sie das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Sie wickelte ein Handtuch um ihr nasses Haar und drückte einen Klecks Zahnpasta auf die Bürste.

Als sie sich zum Zähneputzen über das Waschbecken beugte, sah sie im Spiegel, daß ein Frotteefaden vom Handtuch an ihrer Lippe hing, und sie wollte ihn mit der Zahnbürste wegmachen.

Plötzlich brannte ihre Lippe.

Lynn rieb daran, da sie nicht begriff, daß der kleine Tupfer Zahnpasta, den sie beim Wegwischen an ihre Lippe gebracht hatte, der Auslöser war. Das Brennen wurde auf der Stelle unerträglich, ein greller, sengender Schmerz.

Entsetzt riß sie die Augen auf, als die Haut an ihrem Mundwinkel weiß und blasig wurde und nach verbranntem Fleisch roch.

Sie schrie und schrie immer wieder auf ihr angstverzerrtes Gesicht im Spiegel ein, bis ihre Ohren von den unmenschlichen Schreien taub wurden.

Es war eine andere Notaufnahmestation, doch die Prozedur war genauso widerlich.

Sie konnte sich nur noch vage daran erinnern, daß jemand an ihre Tür gehämmert hatte und sie zwei Polizisten eingelassen hatte, deren Gesichter sie noch nie gesehen hatte.

Anscheinend verfügte diese Stadt über ein unerschöpfliches Aufgebot.

Aber in ihrem Fall nutzte das wenig.

»Offenbar wurde etwas in die Tube injiziert. Ich nehme an, es war Abflußreiniger«, sagte der Arzt. »Sie haben anscheinend nur äußere Verletzungen erlitten. Wenn Sie etwas geschluckt hätten, wäre Ihre Speiseröhre verätzt worden.«

Er hatte Lynn Marchette erkannt und hob die Augenbrauen, und sie hatte noch nicht einmal den Versuch einer Erklärung oder Rechtfertigung unternommen.

Es gab keinerlei Anhaltspunkt.

Sie wollte nur nach Hause gehen, sich in ihr Bett legen und alles vergessen.

Das Brennen bereitete ihr noch die wenigste Qual.

Die Bilder, die ihr durch den Kopf gingen, schmerzten viel mehr. Die mußte sie irgendwie aussperren.

Die Vorstellung, was die Zahnbürste an ihrer Zunge und in ihrem Mund hätte anrichten können.

Die Erinnerungen an die anderen Beinahekatastrophen: der Waschbär; das Messer aus der Küchenmaschine ...

»Sind Sie sicher, daß wir niemanden für Sie anrufen sollen? Einen Familienangehörigen oder eine Freundin?« fragte eine Schwester.

Lynn schüttelte ihren schmerzenden Kopf.

Sie wußte, daß ihr alles mögliche zustoßen konnte, wenn sie wieder in ihre Wohnung ging.

Sie hatte kaum noch die Kraft, sich darüber Sorgen zu machen.

Sie schlief mehrere Stunden lang, ohne zu träumen, und als sie aufwachte, war es draußen dunkel. Sie wollte aufstehen und ins Badezimmer gehen, fühlte sich aber schwindlig und elend.

Die Salbe an ihrem verätzten Mundwinkel war verwischt, und die Wunde war offen und näßte. Wieder mußte sie daran denken, daß sie sich den ganzen Mund und Hals hätte verätzen können.

Vorsichtig fragte sie sich, weshalb sie eigentlich nicht viel entsetzter war.

Viel mehr außer sich.

Doch sie war es nicht.

Sie mußte an die LSD-Kids denken, die aus Hochhäusern sprangen, weil sie meinten, sie könnten fliegen. Sie fühlte sich ganz ähnlich. Gefahr spielte keine Rolle mehr. Darüber war sie weit hinaus.

Der Unterschied bestand darin, daß sie das Gefühl gehabt hatten, sie seien zu allem fähig. Sie fühlte sich bloß, als wäre sie bereits tot.

Es gab keinerlei Grund aufzubleiben, also schlüpfte sie wieder unter die Decke.

Sie schlief wieder ein, wurde jedoch von der Türklingel geweckt. Sie reagierte nicht darauf. Als es noch zweimal klingelte, stand sie auf.

»Wer ist da?« fragte sie über die Sprechanlage.

»Mike.

»Ich, äh ... fühle mich nicht besonders.«

»Ich hab’s gehört. Laß mich bitte rein, ja?«

Und wieder ging sie teilnahmslos den Weg des geringsten Widerstandes. Sie drückte auf den Türsummer.

Als sie die Wohnungstür öffnete, stand er in seinem Tufts-Sweatshirt vor ihr. Er runzelte die Stirn, als er ihr Nachthemd sah, ein überdimensionales T-Shirt mit aufgedruckten Kätzchen, das ihr über die eine Schulter gerutscht war. Die Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Ihre Augen waren verklebt. An ihrem Mundwinkel befand sich eine offene rote Stelle, aus der eine blutige Flüssigkeit sickerte.

Er knipste das Licht an, und sie kniff die Augen zusammen.

»Im Polizeibericht war von einem ätzenden Stoff in deiner Zahnpasta die Rede. Hast du etwas in den Mund bekommen?« fragte er.

»Nein.«

Er legte ihr die Hände auf die Schulter, zog sie unter die Lampe und besah sich die Wunde aus der Nähe.

Nach wie vor nahm sie das Geschehen wie aus der Kameraperspektive wahr, konnte alles aufnehmen und festhalten, aber nicht reagieren. Sie nahm die Finger auf ihrer bloßen Haut wahr, den Geruch nach Rasiercreme, den warmen Atem auf ihrer Wange.

»Muß höllisch weh tun«, sagte er.

Sie antwortete nicht. Aber sie mußte gähnen und stöhnte leise auf, da ihr das weh tat.

»Hat man dir nichts zum Draufschmieren gegeben?«

»Doch.«

»Wo ist es?«

»Im Badezimmer.«

Er ging die Salbe holen und tupfte sie mit einem Q-Tip auf.

»Setzen wir uns doch«, sagte er.

Sie folgte ihm ins Wohnzimmer und setzte sich in einen Sessel. Mike nahm gegenüber von ihr Platz.

»Wann hast du diese Zahnpasta gekauft?« fragte er.

»Ich habe sie unten in der Drogerie gekauft. Das habe ich der Polizei schon gesagt.«

»Dann muß es jemand dort getan haben. Es sei denn, er war hier drinnen. Fragt sich nur, wie, wenn dein Bruder den einzigen anderen Schlüssel hat.«

Erschöpft legte sie den Kopf zurück. Sie fühlte sich völlig ausgelaugt.

Mike stand auf und berührte sie am Knie. »Sprich mit mir, Lynn. Was ist denn mit dir los?«

»Ich bin müde.«

»Du bist apathisch. Ich mache mir Sorgen um dich.«

Die Kamera registrierte seinen besorgten Unterton.

»Wir müssen das klären«, sagte er. »Irgend jemand will dir unter allen Umständen weh tun, und er strengt sich offenbar immer mehr an. Wir müssen herauskriegen, wer es ist. Hörst du, was ich sage?«

»Ja. Deine Liste.«

»Komm, wir fangen noch mal damit an.« Er nahm seinen Notizblock und einen Stift heraus. »Kara. Mary. Dennis Orrin. Seine Frau. Dein Bruder ...«

Lynn erhob sich mühsam aus dem Sessel, stützte sich auf die Lehne und ging in die Küche.

Mike sah ihr mit offenem Mund zu. »Wo, zum Teufel, willst du hin?«

Sie antwortete ihm nicht. Er folgte ihr und sah, daß sie vor dem Kühlschrank stand und aus einer Zweiliterflasche Cola trank.

»Ich hätte sie dir holen können«, sagte er.

Sie setzte die Flasche ab und wollte sie in den Kühlschrank zurückstellen. Sie glitt ihr aus den Händen. Mike wollte sie auffangen, griff jedoch daneben, und sie landete auf Lynns bloßen Füßen, so daß der ganze Fußboden, die Schränke und sie beide mit Cola bespritzt wurden.

Es war, als sei durch den plötzlichen Schmerz in ihrem Fuß ein Schalter betätigt worden. Auf einmal konnte sie ihn spüren, und auch die klebrige Flüssigkeit an ihren Beinen. Entsetzt riß sie die Augen auf, als sie sich ihrer ganzen Trostlosigkeit bewußt wurde.

Mike führte sie ins Wohnzimmer zurück. Sie zitterte am ganzen Körper. Er setzte sie in den Sessel, ging ins Schlafzimmer, zog die Decke vom Bett und breitete sie über sie.

Als das Zittern langsam nachließ, sagte er: »Ich weiß, daß du die Liste verabscheust ...«

Leise erwiderte Lynn etwas, das er nicht verstehen konnte.

»Was?« sagte er.

»Du bist nicht darauf!«

»Was meinst du damit?«

»Ich meine damit, ob du derjenige bist, der mir das antut?«

Er starrte sie an.

»Diese Liste ist doch auch nur einer deiner Tricks, die Wahrheit so darzustellen, wie sie dir paßt!« schrie sie. »Du warst hier drinnen! Bist du an meiner Zahnpasta gewesen? Bist du der wahre Psychopath? Hast du mir eingeredet, es wäre Greg, obwohl du es warst?«

Mike war aufgesprungen.

»Du glaubst, ich könnte dir weh tun?«

»Von wem kamen denn die ganzen Hinweise? Und egal, für wie viele neue Schlösser und Türen und Parolen du gesorgt hast, es ist immer wieder etwas geschehen!«

»Ich habe meine Arbeit vernachlässigt, um dir zu helfen! Ich habe dreißig Stunden am Tag gearbeitet! Ich habe zu dir gestanden, als alle anderen dich fallengelassen haben.«

Er zitterte förmlich vor Wut. Dick zeichneten sich die Sehnen an seinem Hals ab.

»Verflucht noch mal! Wo lebst du eigentlich! Wegen dir habe ich mit einem Wahnsinnigen gekämpft, Lynn! Um deiner Sicherheit willen wäre ich fast gestorben!«

Mit langen Schritten ging er zur Tür und öffnete sie. »Du kannst dich von mir aus zum Teufel scheren!«

27. März

Ihre schmerzliche Buße genügt mir noch lange nicht. Ich will, daß sie erfährt, was sie mir genommen hat.

Ich werde dafür sorgen, daß sie so lange lebt.

Greg ist nicht zu mir zurückgekommen, und ich werde ihr mitteilen, daß es allein ihre Schuld ist.

Er hätte es getan. Er hat alle anderen verlassen, und er hätte auch Lynn wieder verlassen. Aber wegen ihr ist er jetzt tot.

Sie hat dafür gesorgt, daß ich ihn nie wiedersehen werde.

Ich hasse Dich, Star. Ich hasse Deine bloße Nähe. Ich hasse Dich bis aufs Blut.

Ich hatte nicht geglaubt, daß es mir so schwerfallen würde, in Deiner Nähe zu sein. Ich dachte, ich könnte meinen Plan ohne innere Anteilnahme ausführen. Doch meine Trauer vor Dir zu verbergen fiel mir schwerer, als ich mir vorgestellt hatte. Ich mußte nett zu Dir sein, wo ich doch nichts anderes wollte, als Dich sterben zu sehen.

Mein Haß wird von Tag zu Tag größer. Nachdem Du Greg umgebracht hattest, konnte ich keinen Satz mehr zu Papier bringen. Ich war derart von Haß erfüllt, daß ich keine Worte dafür fand.

Doch jetzt ist es fast unmöglich, ihn noch länger vor Dir zu verbergen.

Ich konzentriere mich mit aller Macht auf die Rolle, die ich spielen muß, denn wenn ich mein wahres Wesen zu früh zeige, wird mir wieder alles genommen.

Doch ich werde es schaffen. Und am Ende werde ich ihr mein Gesicht zeigen, dieses Gesicht, das ich so lange verbergen mußte.

Lynn sehnte sich nach einer Betäubung.

Sie konnte all diese Gefühle nicht mehr ertragen.

Sie wollte nichts weiter, als schlafen, doch sobald sie die Augen schloß, wurde sie wieder von Panik befallen. Stimmen flüsterten. Ihre Wunde brannte, kribbelte und schien immer größer zu werden, so daß sie kaum den Mund bewegen konnte, ohne vor Schmerzen aufzuschreien.

Sie wollte keine Percodan mehr nehmen, hatte entschieden abgelehnt, als ihr der Arzt in der Notaufnahme Medikamente angeboten hatte. Doch entweder das, oder sie würde vor Schmerzen das Bewußtsein verlieren.

Am Samstagabend wußte sie nur noch, daß sie vier Stück geschluckt hatte.

Irgendeine Stimme beharrte allerdings darauf, daß es mehr gewesen sein mußten, da sie allmählich wieder diese innere Taubheit spürte. Trotzdem – nur so ließ sich das Grauen ertragen, und bevor sie auf die Tabletten verzichtete, wollte sie lieber nicht genauer darüber nachdenken.

Und der Mund, ihr Mund. Er tat so weh, daß sie lieber aufs Essen verzichtete. Wenn sie Durst hatte, mußte sie einen Strohhalm benutzen.

Sie träumte von Mike.

Keine bösen Träume, sondern sanfte Traumgespinste – eine Erlösung zwischen den düsteren Bildern, die auf sie einprasselten.

In dem einen Traum war sie wieder in ihrer Wohnung am Hafen, lag auf dem Sofa und hatte so heftige Kopfschmerzen, daß sie die Augen nicht aufschlagen konnte. Mike massierte unermüdlich ihren Kopf, und überall, wo seine Finger sie berührten, verschwand der Schmerz.

Am Sonntagnachmittag war sie eine Weile wach. Ihr Mund war noch mehr angeschwollen. Vorsichtig versuchte sie mit Watte und Wasserstoffperoxyd die klebrige Kruste abzuwischen, doch selbst bei der leichtesten Berührung mußte sie aufschreien. Sie suchte nach der Salbe, konnte sie jedoch nicht finden.

Sie versuchte ein paar Löffel Joghurt zu essen. Sie ließ es sein, als sie feststellte, daß sie den Mund nicht weit genug aufmachen konnte.

Sie überlegte, ob sie den Joghurt mit etwas Milch verrühren und im Mixer soweit verflüssigen sollte, daß sie ihn trinken könnte; zumindest würde sie auf diese Weise etwas Nahrung zu sich nehmen können.

Aber dann fiel ihr ein, daß sie dazu den Mixer herausholen mußte.

Eigentlich wollte sie sowieso nur schlafen.

Auf dem Weg ins Schlafzimmer ging sie noch einmal ins Bad und suchte nach der Salbe, gab aber auch das rasch wieder auf.

Bevor sie sich wieder ins Bett sinken ließ, beugte sie sich ein letztes Mal über das Waschbecken und blickte in den Badezimmerspiegel. Auf diese Weise hatte sie früher immer zu sich finden können – entweder, um irrationale Ängste zu besänftigen, oder um ihre Aufmerksamkeit gezielt einem Problem zuzuwenden.

Sie hob die hängenden Schultern und strich sich die Haare aus den Augen. Sie versuchte sich auf ihr Spiegelbild zu konzentrieren. Dabei fiel ihr die morgige Sendung ein.

Innerlich wußte sie genau Bescheid, doch sie konnte es sich nicht eingestehen: Sie konnte unter keinen Umständen vor die Kamera treten.

Statt Zwiesprache mit ihrem Spiegelbild zu halten, kniete sie schließlich über der Toilette und entleerte ihren ohnehin schon leeren Magen.

Sie dachte, sie hätte mit Kara telefoniert. Doch als sie schließlich am Montagmorgen um sieben Uhr aufwachte, war sie sich nicht mehr sicher, ob sie wirklich angerufen oder nur davon geträumt hatte.

Sie wählte Karas Nummer, und der Anrufbeantworter schaltete sich ein.

Sie versuchte es über ihren Anschluß im Sender. Niemand nahm ab.

Dennis anzurufen brachte sie nicht übers Herz.

Alle zehn Minuten versuchte sie es über ihren Anschluß. Schließlich meldete sich Pam.

»Ich habe mich am Mund verletzt«, erklärte ihr Lynn. »Er ist ekelhaft geschwollen, und ich kann kaum sprechen. Ich konnte Kara nicht erreichen. Offenbar ist sie noch unterwegs. Sie muß eine Wiederholung laufen lassen.«

Lynn hörte, daß sie lispelte, und die Pausen zwischen den Worten kamen ihr endlos lang vor. So redete man unter Drogeneinfluß. Sie überlegte, ob sie Pam erklären sollte, daß sie wegen des unerträglichen Brennens Schmerzmittel genommen hatte.

Aber was kümmerte es sie eigentlich? Glaubte ihr etwa auch nur einer ein Wort?

Sie fühlte sich total erschöpft, und weil ihr Mund so scheußlich schmerzte, nahm sie drei Percodan und ging wieder zu Bett.

»Ich kann nicht weg«, sagte Mary. »Ich habe alle Hände voll zu tun. Ich komme ja kaum zur Toilette.«

»Es ist ein Notfall.« Kara blickte zu Pam, worauf diese nickte. »Pam sagt, sie klang völlig weggetreten. Wir müssen zu ihr. Sie hat sonst niemanden.«

»Verdammt noch mal! Einverstanden.«

Lynn träumte, daß sie wieder geschlagen wurde, doch diesmal auf den Mund statt an die Schläfe. Sie konnte nicht erkennen, wer sie schlug. Sie wurde nicht auf der Stelle bewußtlos. Ihr Angreifer schlug nur immer wieder auf sie ein, bis sie lieber die Besinnung verlor, als mit diesen Schmerzen aufzuwachen.

Dann tauchte Mike auf, nahm ihre Hand und zog sie weg von den Schlägen. Er führte sie aus der Wohnung und durch eine andere Tür, und mit einem Mal waren sie bei Nancy Jean.

Dort ertönte zauberhafte Musik, und sie und Mike betraten die Tanzfläche. In ihrem Traum war es nur ein winziger Fleck, und während sie darauf tanzten, bemerkte Lynn, daß sie die einzigen Gäste in dem Lokal waren. Niemand sonst war dort, nicht einmal Nancy Jean, nur Lynn und Mike, die sich sanft im Rhythmus der Musik wiegten.

Doch sie hielten sich nicht wie Tanzende, sondern umklammerten einander mit beiden Händen. Mike hatte die Arme so eng um sie geschlungen, daß sie kaum atmen konnte, doch sie wünschte, daß er damit nie wieder aufhören möge.

Mikes Wangen kratzten sie leicht. Seine Haut war kühl. Die Haare in seinem Nacken, wo ihre eine Hand ruhte, fühlten sich angenehm an. Mit dem anderen Arm, den sie um seine Taille geschlungen hatte, zog sie ihn so eng wie möglich an sich.

Sie bewegten sich im Auf und Ab der Musik, als seien ihre Körper miteinander verschmolzen.

Auf einmal wurde ihr bewußt, daß die ganzen Leute vor dem Lokal standen und hereinwollten. Sie konnte sie hören. Sie hob den Kopf und sah sie durch das Fenster, sah, wie sie ihre Gesichter an die Glasscheibe drückten.

Mike sagte irgend etwas, doch wegen des Lärms, den die Leute machten, konnte sie ihn nicht verstehen.

Sie kam wieder zu sich.

Ihr wurde klar, daß der Lärm echt war.

Sie schlug die Augen auf und sah blutige Streifen auf ihrem Kissen, frisch und feucht.

Im ersten Augenblick wäre sie am liebsten aus dem Bett gesprungen, doch sie konnte sich nur wie in Zeitlupe bewegen. Ihre Glieder waren wie aus Blei.

Jemand war an ihrer Tür.

Sie berührte ihren Mund. Er schmerzte nicht mehr ganz so schlimm, doch ihre Finger waren feucht und blutig.

Mühsam ging sie zum Badezimmer. Sie mußte sich mit einer Hand an der Wand abstützen.

Von ihren Lippen war Blut auf ihr Nachthemd getropft. Sie betrachtete sich im Spiegel, nahm ein Handtuch und hielt es sich an den Mund.

Ebenso mühsam schleppte sie sich zur Wohnungstür. Dort angekommen, lehnte sie sich an die Wand, um sich einen Augenblick auszuruhen.

»Lynn! Mach die Tür auf!«

»Kannst du uns hören?«

Kara und Mary. Ihre Freundinnen.

Waren sie das?

Sie wußte überhaupt nichts mehr.

Mit steifen Fingern machte sich Lynn am Schloß zu schaffen, und endlich sprang die Tür auf.

Kara keuchte auf. Mary nahm Lynn am Arm. Lynn ließ die Tür los und wäre beinahe hingefallen.

Sie brachten sie zurück ins Schlafzimmer. Mary nahm das Kissen vom Bett und holte einen frischen Bezug aus dem Schrank.

»Und nun«, sagte Mary, als Lynn sich wieder hingelegt hatte, »eins nach dem anderen. Was ist passiert?«

»Jemand ...« Vage entsann sich Lynn, daß sie dieses Wort nicht mehr gebrauchen wollte. Sie fing von neuem an. »Da war ... Säure in meiner Zahnpasta. Ich habe mir die ... die Lippen verätzt.«

Mary setzte sich auf das Bett. »Hast du einen Arzt aufgesucht?«

Lynn nickte. »Die Polizei war da. Ich kam in die Notaufnahme. Mein zweites Zuhause.«

»Wer von der Polizei? Mike Delano?«

»Nein ...«

»Hat der Arzt dir Medikamente gegeben? Bist du deswegen so groggy?«

»Nicht ... der Arzt ... ich hatte noch ...«

Mary sah in das Nachtkästchen und entdeckte Lynns Percodanröhrchen.

»Die sind ja fast alle. Nimmst du die etwa schon seit Freitag?«

»Ja.«

»Vorher auch schon?«

»Von Zeit ... zu Zeit ...«

Mary wandte sich zu Kara, doch Kara war ans Fenster getreten. Schweigend starrte sie hinaus.

»Ich rufe jetzt deinen Bruder an«, sagte Mary. »Wir brauchen jemanden, der dir hilft.«

»Und Mike«, preßte Lynn zwischen beinahe bewegungslosen Lippen hervor. »Ruf Mike an.«

Mary wandte den Blick ab. »Ich glaube nicht ...«

»Doch!« zischte Lynn. »Ich muß ... ihm erklären ...«

»Der einzige, den du im Augenblick brauchst, ist dein Bruder. Er wird sich um dich kümmern.«

»Mike ... kümmert sich ... um mich!«

Mary stand auf. Seufzend blickte sie wieder zu Kara. Schließlich sagte sie: »Nein, das tut er nicht. Er steht nicht auf deiner Seite.«

»Doch, er ...«

»Hör zu, Lynn. Eigentlich rede ich grundsätzlich nicht darüber, was in meiner Praxis gesprochen wird, doch im Augenblick habe ich keine andere Wahl. Du bist mir wichtiger.« Mary faltete die Hände. »Mike ist nicht dein Freund. Er glaubt, daß du hinter diesen Anschlägen steckst, daß du für all das selbst verantwortlich bist.«

Kara hatte sich vom Fenster abgewandt und hörte zu.

»Mike kam gestern in meine Praxis«, sagte Mary. »Er bestand auf einem Sonntagstermin. Er war über eine Stunde da und versuchte mich über dich auszuhorchen. Er stellte mir alle möglichen Fragen – ob es möglich sein könnte, daß eine Frau in derartige Wahnvorstellungen verfällt, daß sie solche Taten begeht.

Natürlich habe ich ihm nur sehr allgemein geantwortet. Ich habe aber deutlich gemacht, daß ich zu keinerlei persönlichen Auskünften bereit bin.

Trotzdem, Lynn, er glaubt offenbar, dir sei irgendwie daran gelegen, daß diese Nachstellungen weitergehen.

Schließlich haben die Anschläge nicht aufgehört, obwohl der Verbrecher tot ist.«

»So ein Mistkerl, dieser Mike«, versetzte Kara.

Mary nickte. »Du hast schon genug mitgemacht«, sagte sie zu Lynn. »Du mußt nicht auch noch zulassen, daß dir ein Feind in den Rücken fällt, den du für einen Verbündeten gehalten hast.«

Booboo saß an ihrem Bett, hielt ihre Hand und weinte mit ihr.

»Ich hätte dich zwingen sollen, bei uns zu bleiben. Ich hätte dich anketten sollen.«

Mary kam herein. »Im Laurel Glen ist ein Bett frei. Wir können dich jetzt gleich hinfahren.«

»Ich möchte da nicht hin«, sagte Lynn.

»Kann ich dir nicht verübeln«, erwiderte Mary. »Aber es ist nicht so, wie du denkst. Das Haus ist gemütlich und das Personal zuvorkommend. Du wärst nicht die erste Prominente, die dort unter absoluter Geheimhaltung behandelt wird.«

»Werden Sie sie ärztlich betreuen?« fragte Booboo.

»Wenn Sie das wollen.«

Er wandte sich an Lynn. »Hilft dir das etwas?«

»Ich möchte trotzdem nicht dorthin.«

Booboo stand auf. »Vielleicht«, sagte er, »sollte ich das tun, was ich schon viel früher hätte tun sollen. Vielleicht sollte ich meine Schwester einfach mit zu mir nach Hause nehmen. Meine Frau und ich können uns dort um sie kümmern.«

»Davon rate ich dringend ab«, entgegnete Mary. »Sobald die Betäubungsmittel nachlassen, wird es ihr ziemlich übel gehen. Und sie hat eine ganze Menge genommnen. Im Krankenhaus ist so etwas reine Routine. Außerdem kann man dort auch die Wunde behandeln. Die sieht nämlich fürchterlich entzündet aus.«

»Du mußt in medizinische Behandlung«, wandte sich Mary an Lynn. »Du mußt dich ausruhen, du mußt Nahrung zu dir nehmen, du brauchst Medikamente. Und im Laurel Glen bist du in Sicherheit. Dort kann niemand hinein und dir weh tun.«

Sie ließen Lynn im Schlafzimmer allein, während Booboo seinen Wagen holte und Lynn und Kara die wichtigsten Utensilien in einen Koffer packten.

Lynn ließ sich wieder auf das Kissen zurücksinken und schloß die Augen.

Seit Stunden hatte sie keine Tabletten mehr genommen, und ihr Mund brannte wie Feuer.

Im Laurel Glen bist du in Sicherheit. Dort kann niemand hinein und dir weh tun.

In ihre beiden Wohnungen konnte angeblich auch niemand hinein.

Wem konnte sie denn noch trauen? Wer sollte sie beschützen, wenn sie sich nicht mehr selbst beschützen konnte?

Oder mußte sie sich darüber keine Sorgen mehr machen, weil ihr Peiniger am Ende ohnehin siegen und sie sterben würde?

Noch waren Lynns Gedanken durch die Nachwirkung der Betäubungsmittel blockiert; noch war ihr das ganze Ausmaß ihres Elends nur begrenzt bewußt. Doch das würde sich ändern. In der Klinik würde es keine weichen Wattepolster mehr für sie geben.

Gott sei Dank war ihr Bruder hier. Ihr wunderbarer, fürsorglicher Bruder, dem sie vertraute.

Gab es überhaupt noch jemand anderen?

Mike ist nicht dein Freund ...

Aber er war es. Lynn glaubte das aus vollem Herzen. Er hatte ihr das immer wieder erklärt, und sie hatte sein Vertrauen in den Schmutz getreten.

Sie mußte wieder daran denken, wie Mike seine Zeit für sie geopfert und sein ganzes Können aufgeboten hatte. Er hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, Faxe verschickt, herumtelefoniert und Fragen gestellt. Er war Greg gefolgt, hatte ihn gestellt.

Um ihretwillen wäre Mike beinahe getötet worden.

Mary mußte sich einfach irren.

Aber wieso – Lynn rieb über ihre Augen und versuchte sich zu konzentrieren –, wieso hatte er Mary über sie ausgehorcht? Wieso hatte er gesagt, er habe den Verdacht, sie täusche nur vor, daß noch immer jemand hinter ihr her sei?

Konnte es sein, daß sie selbst sich irrte?

In letzter Zeit war sie sich immer weniger sicher, was zutreffend war und was nicht.

Folglich sollte sie sich auch bei Mike ihrer Sache nicht zu sicher sein, oder? Vielleicht hielt er sie ja wirklich für eine verwirrte Spinnerin, die lediglich auf sich aufmerksam machen wollte.

Vorsichtig setzte sie sich auf und griff nach dem Telefon. Mit ungelenken Fingern wählte sie die Nummer.

Mikes Anrufbeantworter schaltete sich ein.

Sie konnte sich auf keine kurze, prägnante Nachricht konzentrieren, deshalb unterbrach sie die Verbindung und rief im Polizeirevier an.

»Detective Delano ist nicht da, Madam.«

Lynn bewegte die Lippen, damit sie ihr besser gehorchten. Sie verabscheute ihre unbeholfene Sprechweise. »Wann ... wann wird er zurückerwartet?«

»Schwer zu sagen. Wer spricht da?«

Noch bevor Lynn ihren Namen nennen konnte, wurde ihr klar, daß es nicht besonders schlau war, sich zu erkennen zu geben, solange sie wie eine Betrunkene klang.

Überhaupt sollte sie vermutlich nicht mit Mike sprechen, solange sie so klang.

Doch sie wollte es.

»Hallo? Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen, Madam?«

Sie mußte einfach erfahren, wieso Mike Mary solche Fragen stellte, wo er doch immer wieder sagte, er vertraue ihr.

Sie mußte ihm einfach erklären, wie sehr sie ihre furchtbaren Vorwürfe bedauerte ...

Doch das Freizeichen ließ sie wieder schläfrig werden.

28. März

Was für ein Jammer, daß mein Liebster nicht mehr Zeit hatte.

Lynn nahm sie ihm.

Nun, jetzt läuft auch ihre Zeit ab.

Ich werde sie ihr nehmen.

Es ist fast vorbei.

Im Laurel Glen gab es ausschließlich Privatbetten. Lynns stand in einem Zimmer im ersten Stock, von wo aus sie auf einen Garten voller Blumen und Kräuter blickte.

Booboo bestand darauf, bei ihr zu bleiben. Ab und zu schlief er eine Weile auf einem Klappbett, und ansonsten achtete er auf sie, kümmerte sich um sie und ließ die Schwestern nur zu ihr, wenn sie wieder einmal eine Spritze brauchte.

Am Mittwochmorgen war er selbst krank. Er hustete und hatte Fieber, so daß man ihn nach Hause schickte.

»Bleib in deinem Zimmer. Laß niemanden herein«, befahl er Lynn mit heiserer Stimme, während Angela draußen wartete, um ihn zurück nach Salem zu chauffieren.

Lynn saß am Fenster, als Mary sie besuchen kam.

»Wo ist dein Bruder?«

»Daheim. Er ist krank.«

Mary las Lynns Befund und maß ihren Puls. Dann untersuchte sie ihren verschorften Mund.

»Ich habe gehört, du ißt nicht. Hast du keinen Appetit?«

»Nein«, antwortete Lynn.

»Was können wir dagegen tun?«

Lynn konnte ihre muntere Fröhlichkeit nicht ertragen. Sie wandte sich wieder dem Fenster zu.

»Wie wär’s mit einem Dampfbad?« fragte Mary. »Ich bringe dich zum Club und fahre dich anschließend wieder hierher zurück. Komm, laß mich einen Termin für dich vereinbaren.«

»Booboo sagte, ich soll nicht hier weg.«

»Ist schon okay. Schließlich bin ich ja bei dir.«

Lynn wußte, daß Mary nicht nachgeben würde. Daher zog sie ihre Sportsachen an und band ihre Haare mit einem Gummi zusammen.

Mary betrachtete sie stirnrunzelnd, als sie die Treppe hinunter in den Broome Club gingen. Lynn bewegte sich wie eine Schlafwandlerin, hielt sich am Geländer fest und achtete überhaupt nicht darauf, wohin sie trat.

Elizabeth Vail kam aus dem Raum mit den Foltermaschinen. Sie wollte Lynn begrüßen, doch dann schwieg sie, und man sah ihr deutlich an, wie erschrocken sie war.

»Was ist denn passiert?«

»Ich ... habe mich verletzt.«

Mary sah, wie wackelig Lynn auf den Beinen war. »Ich glaube, ich bleibe hier und warte auf dich.«

»Das brauchst du nicht«, sagte Lynn.

»Du solltest aber nicht allein sein.«

»Das ist sie ja nicht«, erwiderte Elizabeth. »Ich werde ihr nicht von der Seite weichen.«

»Tja ... dann von mir aus. Was meinen Sie, wie lange es dauert? Eine Stunde?«

»Bis dahin sollten wir fertig sein«, sagte Elizabeth.

Sie führte Lynn in den Massageraum. Die Luft war warm vom angrenzenden Dampfbad. Elizabeth ging zur Stereoanlage und suchte das Band mit den Wasserfallgeräuschen, das Lynn so gern mochte.

Sie half Lynn auf den Tisch, konnte aber nicht umhin, auf ihren geröteten und geschwollenen Mund zu blicken.

Lynn wartete auf ihre Fragen. Ihr war nicht danach zumute, sie zu beantworten.

Mary redete ständig davon, daß sie depressiv sei, aber war das wirklich eine Depression, diese geistige Leere? Sie fühlte sich innerlich völlig leer. Alles, für das sie so schwer gearbeitet hatte, war ihr genommen worden.

Elizabeth zog die Riemen aus den Schlitzen im Tisch und befestigte sie – einen über Lynns Brust und Armen, den anderen über ihren Füßen.

Es war unbequem, so daliegen zu müssen, ohne sich bewegen oder auch nur einmal kratzen zu können.

»Hat Mary Ihnen etwa gesagt, ich müßte angeschnallt werden?« fragte Lynn.

Elizabeth starrte auf sie herab, und Lynn dachte zunächst, sie habe sie nicht gehört. Sie wollte die Frage gerade wiederholen, schwieg aber verwirrt, als Elizabeth beiseite trat und sich langsam auszog.

Lynns Herz pochte – irgendein sechster Sinn mußte auf die Gefahr reagiert haben, noch bevor ihr Verstand sie erkannte.

Elizabeth war aus ihren Shorts geschlüpft und schälte sich gerade aus ihrer Strumpfhose. Langsam zog sie den rechten Fuß aus dem Stoff. Sie hielt ihn so, daß Lynn ihn sehen konnte.

An ihrem Knöchel befand sich in Blau und Rot die Tätowierung, zu der Greg auch Lynn überredet hatte: die Lippen und die Initiale G.

Lynn begann unter den Riemen zu schwitzen. Sie war schreckensstarr, versuchte fieberhaft die Fragen zu entwirren, die ihr durch den Kopf schossen.

Elizabeth beugte sich dicht zu Lynn herab. Ihr Gesicht war mit einem Mal ganz anders. Ihre Augen stierten sie an, ihr Mund war verkniffen.

»Du hast ihn umgebracht«, flüsterte Elizabeth. »Du hast ihn mir weggenommen. Alles ist nur wegen dir passiert.«

»Greg«, krächzte Lynn.

»Ich war diejenige, die er geliebt hat. Ich war seine Tina. So lautete sein Liebesname für mich. Er hat mich gerettet. Vor diesem Scheißtyp, der mich von morgens bis abends geschlagen hat.

Greg hatte mit mir Schluß gemacht. Aber er wäre zurückgekommen. Die anderen Frauen haben ihm nichts bedeutet. Aber du ...« Elizabeth ließ sich nun von ihrem Haß mitreißen, und ihr Gesicht wurde immer verkniffener. »Du warst im Fernsehen, jeder hat dich geliebt.« Sie sprach nun in einem höhnischen Singsang, spie die Worte förmlich aus. »Du hast es darauf angelegt, daß er dir nicht widerstehen konnte.«

»Aber ich wollte ihn doch loswerden«, protestierte Lynn und stemmte sich gegen die Riemen. »Er wollte nicht aufhören. Er wollte mich nicht in Ruhe lassen. Er schickte mir pornographische Sachen, er ...«

»Ich weiß. Ich weiß über alles Bescheid, was er getan hat.« Elizabeths halbnackter Körper schimmerte blaß im gedämpften Licht; ihre Beinmuskeln wirkten wie aus Perlmutt gemeißelt. Sie stützte die Hände in die Hüften und wölbte das Becken vor, ganz nah vor Lynns Gesicht.

»Das ist der Körper, den er wirklich geliebt hat! Nicht deiner!« Heftig schlug sie auf Lynns Bauch, und Lynn schrie auf.

»Schrei ruhig.« Elizabeth zog ihre Strumpfhose wieder an. »Deine Qualen haben noch nicht einmal angefangen.«

Lynn konnte es nicht fassen.

Nicht Kara, Dennis, Mary oder ... Mike ...

Elizabeth. Elizabeth, die immer dafür gesorgt hatte, daß es ihr wieder besserging. Elizabeth, die nun mit ihr allein war.

»Jetzt wirst du kriegen, was du verdient hast. So viel Dampf, daß du vor deinem Tod begreifen wirst, was wirkliche Schmerzen sind. Du kannst schreien, solange du willst, aber damit zwingst du mich nur dazu, mein anderes Spielzeug zu benutzen – zum Beispiel den Reiniger, den ich in deine Zahnpasta gemischt habe. Ich ätze dir den ganzen Mund weg, bevor jemand deine Schreie hören kann.«

Lynn wurde von heller Panik erfaßt.

Dann schaltete sich endlich auch ihr Verstand wieder ein, suchte verzweifelt nach einem Ausweg.

Elizabeth drehte den großen Tisch herum und wollte ihn auf die Tür des Dampfbades zuschieben.

»Warten Sie«, sagte Lynn. Sie war geschwächt und durch die Riemen völlig hilflos, aber noch konnte sie reden. Und reden konnte sie gut. »Ich verstehe das nicht. Sie müssen es mir erklären. Sie hatten mit Greg eine Beziehung, und dann lernte er mich kennen ...«

»Nicht gleich. Es gab noch andere. Aber es war immer schnell vorbei. Deswegen habe ich ihn ja weiter im Auge behalten. Ich wollte zur Stelle sein, wenn er wieder für mich bereit war.

Ich ging ständig an Orte, an denen wir gemeinsam gewesen waren. Und manchmal habe ich ihn entdeckt, und in seinen Augen konnte ich die Wahrheit erkennen: Die anderen bedeuteten ihm gar nichts. Dann« – keuchend stieß sie das Wort aus – »du ... an diesem Abend bei Geoffrey’s.«

»Sie waren an diesem Abend in Los Angeles?«

»Ja.« Ein trostloses Flüstern. »Du hast durch mich hindurchgeblickt, als wäre ich aus Luft. Greg ebenfalls. Greg und ich saßen zusammen mit einem Haufen anderer Leute am Tisch neben euch ... und er hatte nur noch Augen für dich.

Er war überrascht, als er mich an diesem Abend bei Geoffrey’s sah. Aber er bat mich, ich sollte mich zu ihm setzen. Und als er mich aufforderte, nach Hause zu gehen, sagte er, ich solle auf ihn warten, er werde kommen. Aber er kam nie.«

Elizabeth schluchzte erstickt auf, dann atmete sie gepreßt und krampfhaft ein.

»Danach wurde mir klar, daß er mich angelogen hatte. Er war nicht froh, mich zu sehen. Aber er mußte so tun als ob, sonst hätte ich ihm eine Szene gemacht, und wir wären aufgefallen. Und dann wäre ihm die Chance entgangen, sich an dich ranzumachen.«

»Ich bin Greg an diesem Abend zwar zum erstenmal begegnet«, sagte Lynn, die Elizabeth unter allen Umständen weiter ins Gespräch verwickeln wollte. »Aber wir waren erst ein Paar, als er nach Boston kam. Woher wußten Sie, daß wir hier zusammen waren?«

Elizabeth beugte sich über den Tisch und spie Lynn die Worte förmlich ins Gesicht: »Ich habe deine Tätowierung gesehen. Der ewige Kuß. In Los Angeles, am Fernseher. Danach wußte ich, wohin Greg gegangen war. Und dann bin ich hierhergezogen und habe diesen Job bekommen.«

Elizabeth lächelte. Einen verwirrenden Augenblick lang wirkte ihre Miene wieder so strahlend wie einst, doch dann verzerrte sie sich erneut zu einer boshaft triumphierenden Fratze.

»Ich habe es so hingetrickst, daß ich in deine Sendung komme. Mit diesem Video. Ich hatte es in Los Angeles herstellen lassen, ohne daß ich darin auftauchte. Nur für den Fall, daß Greg an diesem Tag deine Sendung sehen sollte. Dann habe ich dafür gesorgt, daß du dich im Club anmeldest.«

Elizabeth machte Anstalten, den Tisch weiterzuschieben. Sie atmete krampfhaft. Schweiß trat ihr auf Stirn und Nacken.

Verzweifelt überlegte sich Lynn, welche Fragen sie ihr noch stellen konnte. »Wußte Greg, daß Sie hier in Boston waren?«

»Einmal hätte er mich fast ertappt. Im Garten deiner Freundin, dieser Ärztin. Aber er hat es nie erfahren.« Sie schluckte. »Er starb, bevor ich es ihm sagen konnte.«

Erreichte sie mit diesem Gerede etwas? Oder zögerte Lynn das Unvermeidliche nur hinaus?

Aber es gab nichts, was sie sonst tun konnte.

»An Sie habe ich überhaupt nicht gedacht.«

Wutentbrannt schlug ihr Elizabeth mit dem Handrücken ins Gesicht. »Als Fernsehstar hättest du dir das doch denken können! Du weißt doch, daß jeder Idiot einen Job in einem Fitneßclub kriegen kann – in deiner Sendung haben sich doch die Leute darüber beschwert. Du weißt sogar, wo sich hier der Generalschlüssel für die Spinde befindet – du hast doch schon gesehen, wie ich ihn benutzt habe, wenn sich jemand ausgeschlossen hat. Ich habe mir deine sämtlichen Schlüssel nachmachen lassen. Und Bernadines. Ich war so schlau, daß ich bei deinen Anrufen mitgehört habe. So schlau, daß ich genau wußte, was ich mit den Bildern anstellen konnte, die du blöderweise in deinem Spind gelassen hast!«

Elizabeth trat gegen den Tisch, und Lynns ganzer Körper erbebte unter der Wucht.

»So schlau«, fuhr Elizabeth fort, »daß es hinterher aussehen wird, als wärst du so krank, geschwächt und durcheinander gewesen, daß dir bei der Hitzeregulierung im Dampfbad ein Fehler unterlaufen ist.«

Das Plätschern des Wasserfalls wurde lauter.

Elizabeth öffnete die Tür. Lynn spürte augenblicklich, wie ihr ein Schwall heißer, feuchter Luft entgegenschlug. Die Angst drohte sie zu ersticken, und sie ächzte vor Anstrengung, während sie sich unter den Riemen aufbäumte.

»Gib’s auf!« zischte Elizabeth, während sie rückwärts durch die Tür trat und den Tisch hinter sich herzog. »Daß ich nicht mit zuviel Gewicht trainiere, war auch nur Geschwätz. Hast du eine Ahnung! Ich habe früher mal in richtigen Krafträumen gearbeitet, verstehst du. Solltest du da wieder rauskommen, was nicht der Fall sein wird, könnte ich dich mit blo –«

Lynn, die verzweifelt ihren Kopf reckte, sah plötzlich, wie Elizabeth von einem Wasserstrahl von den Beinen gerissen und zur Seite geschleudert wurde.

War ein Rohr gebrochen? Würden sie jetzt beide im überfluteten Dampfbad ertrinken? Lynn spürte, wie der Dampf sich auf sie senkte, sie langsam unter sich begrub, und sie schrie und schrie ohne Unterlaß ...

... bis ihr klarwurde, daß die Schreie nicht nur von ihr kamen.

Andere Menschen waren im Dampfbad, brüllten herum. Überall Wasserstrahlen. Lynn bekam einen kalten Strahl ab und mußte husten. Sie versuchte sich weiter aufzurichten, so weit sie konnte.

Plötzlich wurde der Tisch aus der Tür gestoßen, als zwei miteinander ringende Menschen dagegenstürzten.

Elizabeth – und Mike Delano. Mit einem tiefen, kehligen Schrei drückte Mike Elizabeths Unterarme herunter und legte ihr Handschellen an.

»Ich bin vor lauter Streifenwagen kaum durchgekommen«, sagte Mary. »Was ist denn passiert?«

»Die Person, die mich umbringen wollte. Sie hat es wieder versucht, im Dampfbad. Sie haben sie festgenommen. Es war Elizabeth.«

Mary ließ sich neben Lynn auf die Bank sinken. »Deine Trainerin?«

Lynn nickte. Sie hatte die Knie hochgezogen und mit den Armen umschlungen, damit endlich das Zittern aufhörte.

»Mein Gott«, sagte Mary. »Mein Gott! Ist mit dir alles in Ordnung?« Sie nahm Lynns Hand und suchte nach dem Puls. »Ich kann nicht begreifen, wieso man dich hier so allein läßt.«

»Tut man auch nicht«, sagte Mike, der gerade um die Ecke kam. Er hielt sich den Rücken. »Ich werde mich jetzt sofort um sie kümmern.«

Lynn ließ ihre Knie los und setzte sich auf. »Du hast versprochen, alles zu erklären«, sagte sie. »Erklär’s mir jetzt. Erkläre mir alles, was –«

»Ich werd’s dir auf der Fahrt ins Krankenhaus erklären.«

»Ich gehe nicht noch mal in die Notaufnahme.«

»Nicht wegen dir. Meinetwegen. Ich habe mir wieder die Rippen gebrochen.«

»Du sagtest doch, du glaubst mir. Wieso hast du dann Mary all diese Fragen über mich gestellt?«

Mit schmerzhaft verzogenem Gesicht wandte Mike sich ihr zu. »Doch nicht über dich. Meine Fragen galten Elizabeth Vail. Ich bin ihr allmählich auf die Schliche gekommen. Und Mary dachte, ich hätte dich gemeint?«

»Ja. Sie hat mich gewarnt, daß du nicht auf meiner Seite wärst.«

»Sie ist ’ne dumme Nuß.«

»Sie kann dich auch nicht leiden.«

Mike zuckte wieder zusammen, als er vor einer roten Ampel auf die Bremse gehen mußte.

»Danach habe ich bei dir auf dem Revier angerufen«, sagte Lynn. »Aber man wollte mir nicht sagen, wo du warst. Ich dachte, du wolltest mir vielleicht aus dem Weg gehen. Mir war klar, daß ich dir nicht eben die nettesten Dinge an den Kopf geworfen habe.«

Er zögerte. »Einen Tag lang war ich ziemlich am Boden deswegen. Aber dann wurde mir allmählich klar, daß es nur die Angst war, die aus dir sprach.«

Er warf ihr einen Blick zu, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte. »Ich wette, du hast nicht gewußt, daß ich dich überwachen ließ.«

»Du meinst, ich bin bewacht worden? Wo?«

»Überall. Ich wollte dich unter Beobachtung haben. Als Mary dich ins Laurel Glen brachte, dachte ich, du wärst dort eine Weile in Sicherheit. Norm Lee sollte dich heute überwachen. Er konnte nicht wissen, welche Gefahr im Broome Club auf dich wartete, weil ich ihn nicht näher eingeweiht hatte. Deshalb konnte er mir auch nicht sagen, wo du warst, bis es ... fast ...«

Lynn erwartete, daß er »fast zu spät war« sagte, doch er verlor kein weiteres Wort darüber. Erstaunt blickte sie zu ihm und stellte fest, daß er zusammengekrümmt über dem Steuer hing.

Sie mußte wegsehen. Ihr Herz hämmerte. Sie wußte nicht, was sie tun oder sagen sollte.

Mike räusperte sich. »Als du mich nicht erreichen konntest«, sagte er, »war ich in Los Angeles und habe mich über Elizabeth Vail erkundigt.«

»Aber wieso?« fragte Lynn. »Wie bist du überhaupt auf sie gekommen?«

Er zuckte mit den Schultern und verzog wieder das Gesicht.

»Laß mich fahren«, sagte Lynn.

»Nein. Wenn ich stillsitze, wird es bloß noch schlimmer. Weißt du noch, was ich zu dir gesagt habe, als du das erste Mal auf dem Revier warst? Als du mich wegen dem Tufts-Shirt angepflaumt hast?«

»Glaube niemals das, was du vor dir siehst«, zitierte Lynn, ohne nachzudenken.

Mike nickte. »Ich habe mich ununterbrochen mit dieser gottverdammten Liste beschäftigt. Du hast behauptet, es könnte niemand aus deinem Freundeskreis oder deiner Familie sein. Schließlich habe ich mich gefragt, warum ich dir dauernd unterstelle, daß du dich irrst.«

»Paß auf das Taxi auf.«

»Schon gesehen. Also dachte ich mir, ich nehme mir einfach mal das vor, was ich über dein Leben weiß, und sortiere alles aus, was nicht recht dazu paßt. Ich hab versucht, mich an Details zu erinnern. Und weißt du, was mir dabei aufgefallen ist? Dieses blöde Gespräch im Studio. Als ich kam, um dir die Unterlagen zum Thema Kindesmißbrauch für deine Pilotsendung zu bringen. Die Vail quatschte ständig was von niedriger Belastung daher, aber ich wußte, daß sie eine erfahrene Gewichtheberin ist. Sie hat die Gewichte mit der Außenseite nach innen auf die Hanteln gesteckt, wie’s die Bodybuilder machen. Die sehen gern, was sie aufgelegt haben. So was törnt sie an. Außerdem hat sie auch so geredet. Sie hat Redewendungen gebraucht, wie man sie bloß in Machostudios hört. Das war keine zierliche kleine Heilgymnastin. Hast du dir mal ihre Brustmuskulatur angesehen? Die Frau ist bärenstark.«

Er drückte auf die Hupe und überholte einen langsam fahrenden Honda. »Damals habe ich nicht groß darauf geachtet. Aber mit der Zeit habe ich mich gefragt, wieso sie ihre Fähigkeiten verheimlichte. Ich dachte mir, wer das tut, hat vielleicht auch noch etwas anderes zu verheimlichen.

Ich habe in den Unterlagen im Broome Club nachgeschlagen und dabei herausgefunden, daß sie erst kürzlich von Los Angeles hierhergezogen ist. Danach habe ich dann Schicht um Schicht abgetragen. Ich hatte recht – sie hat dort in einem Bodybuildingstudio gearbeitet. Sie ist keine stabile Persönlichkeit – sie war dreimal in der Anstalt. Aber eigentlich ging mir erst ein Licht auf, als ich den Zeitablauf verglichen habe. Greg lernt dich in Los Angeles kennen, fängt mit dir was an, ohne dir zu erzählen, daß er hier wohnt. Die Vail zieht hierher, mogelt sich in deine Sendung und damit in dein Leben. Greg kratzt ab, aber jemand hält ihm die Stange.«

Mike blickte sie an. »Ansonsten gab es niemanden, den du nicht schon vorher kanntest. Niemanden außer mir.«

Wieder spürte Lynn, wie ihr die Schamröte ins Gesicht schoß. »Mike, es tut mir so leid ...«

»Nicht so schlimm.«

Einen Augenblick später sagte Lynn: »Elizabeth war immer so nett zu mir. So verständnisvoll.«

»Weil sie gewartet hat.«

»Ja – auf Greg. Sie sagte mir, er wäre zu ihr zurückgekommen. Hatten sie irgendeine besondere Beziehung zueinander?«

Mike schüttelte den Kopf. »Keine andere als sonst auch. Aber bevor sie das noch ganz verarbeitet hatte, war er schon die große Liebe ihres Lebens. Jedenfalls glaube ich, daß es so war.«

»Dann waren also die Fragen, die du Mary gestellt hast ...«