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PATRAS BWANSI, LYDIA ZIEMKE
MEIN NAME IST BINO BYANSI BYAKULEKA
Doppel-Essay
ein mikrotext

Übersetzung aus dem Englischen: Lydia Ziemke

Lektorat: Nikola Richter

ePub-Erstellung/Cover: Andrea Nienhaus

Coverfoto: pixaby.com

Covertypo: PTL Attention, Viktor Nübel

www.mikrotext.de – info@mikrotext.de

ISBN 978-3-944543-20-8

Alle Rechte vorbehalten.

© mikrotext 2015, Berlin

Patras Bwansi, Lydia Ziemke

Mein Name ist Bino Byansi Byakuleka
Doppel-Essay

Patras Bwansi
Mein Name ist Bino Byansi Byakuleka

Es gibt nirgends einen einfachen Weg zum Frieden, und viele von uns müssen durch das Schattental des Todes, bevor wir den Gipfel unserer Wünsche erreichen. Nelson Mandela

Ein Geschenk für den Präsidenten

Vielleicht war es wirklich eine gute Idee. Vielleicht klappt es! Dachte ich.

Der General schlief im besten Hotel, während die Soldaten und ich uns ärmliche Zimmer im Dorf-Hostel teilten. Aber mir war das egal. Ich konnte beruhigt dem nächsten Tag entgegenschlafen. Bevor ich sie getroffen hatte, hatte ich die Hoffnung schon fast aufgegeben. Jetzt hatte ich für kurze Zeit das Gefühl, ich könnte mit meiner Arbeit etwas bewegen.

Zu Hause in Uganda hatten die Leute meine Kunst gemocht. Seit ich klein war, habe ich immer etwas mit meinen Händen gemacht und Stoffe und Farben geliebt. Damals wusste ich schon, dass ich damit etwas Besonderes schaffen wollte.

Nach dem Studium wurden meine Bilder, gemalte und gewebte aus Stoff, in Galerien ausgestellt, darunter die „Cassava Republic Art Gallery Kamwokya“ in Kampala. Eines meiner Lieblingsstücke sandte ich dem Oberhaupt der Orthodoxen Kirche von Afrika mit Sitz in Alexandria, Ägypten. Aber mehr über die Kirche später.

Mir wurde langsam klar, dass es in unserer Gesellschaft nicht genug Unterstützung für die schönen Künste gab. Künstler wurden in ihren Communities oft nicht ernst genommen. Viele Menschen misstrauten unserer Art zu arbeiten. Um meinem Beruf einen besseren Stand zu geben, entschied ich mich, mein bestes Werk dem Präsidenten von Uganda selbst zu schenken: eine gewebte ugandische Flagge für Yoweri Kaguta Museveni. Ich machte das, um ihn um Unterstützung für die kreativen Künste zu bitten, damit er der Öffentlichkeit klar macht, dass diese talentierten Künstler gut und wichtig für die Gesellschaft sind. Dass sie lokale Ressourcen benutzen, auf diese Weise die Hersteller fördern und gleichzeitig wunderschöne Dinge produzieren, und dass sie auch Arbeitsplätze für junge Menschen schaffen.

Wenn wir in meinem Land etwas von jemandem wollen, dann loben und beschenken wir ihn oder sie.

Also rief ich einen Abgeordneten in Lubaga im Norden an. Er sagte mir, dass nicht jeder dem Präsidenten einfach so ein Geschenk machen könne. Er meinte, ich müsse einen Antrag stellen, worin ich auseinandersetzen sollte, warum ich dem Präsidenten das Stück schenken wolle. Dann wollte er bestimmen, ob es ein geeignetes Geschenk für den Präsidenten sei. Ich legte auf und entschied mich: Ich werde auf eine öffentliche Veranstaltung gehen und ihm das Geschenk persönlich geben. Bald würde er eine Rede halten, anlässlich des 30. Jahrestages seiner Partei, die am 26. Februar 1986 an die Macht gelangt war. 1979 war der Diktator Idi Amin Dada durch Militon Obote entmachtet worden, mithilfe der Armee aus Tansania. Der wiederum hatte die folgenden Wahlen manipuliert, woraufhin der jetzige Präsident gegen ihn in den Kampf zog. 1986, fünf Jahre später, hatte er endlich diesen Kampf gewonnen, und seine Herrschaft hatte begonnen. Zuerst mochte ihn das Volk, aber heute vertraut die Mehrheit ihm nicht mehr.

Diese öffentliche Veranstaltung fand im Nakasongola Distrikt statt, drei Stunden nördlich von Kampala. Ich kam am Abend vorher an, als es schon dunkel war. Da ich niemanden kannte, schaute ich mich erstmal genau um und sprach dann mit den Soldaten. Sie waren dabei, Poster aufzuhängen. Vorsichtig ging ich auf sie zu. Sie sagten, ich solle laut und deutlich erklären, was ich wollte, und ihnen gefiel die Idee. Da sie bewunderten, dass ich alleine so weit gereist war, stellten sie mich gleich Captain Mugisha vor, der mit mir zu General Mwondo ging. Der General mochte mich, die Idee und den Wandteppich auch. Also gab er dem Captain Anweisung, einen Schlafplatz für mich zu finden. Später musste ich dann noch mit ihnen ausgehen, weil der Captain Bierdurst hatte. Die Leute aus dem Dorf haben uns Essen gebracht und luden uns in die Bar ein. Zu dieser Zeit trank ich keinen Alkohol und musste so tun, als würde es mir schmecken. Die anderen betranken sich, und mir machte es Spaß, sie heimlich-nüchtern zu beobachten: Diese Leute regen sich sehr leicht auf, wenn sie betrunken sind. Dann darf man nichts Falsches sagen, sonst gehen sie gleich in die Luft. Der General war viel professioneller. Er benahm sich ruhig, zuvorkommend, sprach wenig und befahl den Soldaten, es nicht zu übertreiben, und besonders, morgens nicht zu spät zu kommen. „Was dich betrifft“, sagte er zu mir, „keine Sorge, du wirst den Präsidenten treffen.“ Er versprach mir, mich dem Präsidenten während der Zeremonie vorzustellen, also schlief ich zufrieden ein, eben mit dem Gefühl, mit meiner Arbeit etwas erreichen zu können. Alles war, wie gesagt, sehr einfach: Das Frühstück am nächsten Morgen bestand nur aus Tee und Brot.

Während der letzten Vorbereitungen bekam der General dann ganz plötzlich einen anderen Befehl und musste sofort zurück nach Kampala. Enttäuscht verabschiedete ich ihn und übergab ihm den Wandteppich – und er versprach, ein Extra-Treffen für mich mit dem Präsidenten zu arrangieren. Wegen seiner vielen Arbeit für die Wahlen 2006 wurde dann nichts daraus. Und direkt nach den Wahlen, ich hatte nicht für den Präsidenten gestimmt, verließ ich Uganda, um ein Stipendium in Griechenland anzutreten: ein dreijähriges Studium der Ikonographie im St. Arsenios Kloster und der angeschlossenen Kunstschule in Ormylia, Thessaloniky.

Aber es war eine gute Idee gewesen. Und kurz hatte ich gedacht, es könnte klappen.

Ein Tag im Leben eines Aktivisten

In unserem Wohnzimmer in der Wildenbruchstraße in Berlin steht ein großer Rahmen mit einem Netz voller Reihen gewebten Stoffes. Pink und Lila, etwas Grün. Oft schaue ich ihn mit Sehnsucht an, aber ich habe einfach keine Zeit, daran zu arbeiten. Glaube ich jedenfalls.

Mein normaler Tag in Berlin sieht in etwa so aus: „Ok, ich habe ein Treffen um zehn Uhr. Mit wem? Lass mal sehen, oh ja, die Initiative X, die mit mir über eine Veranstaltung sprechen wollen. Aber um elf Uhr muss ich in diesem Verein sein, dort wollen wir in zwei Monaten ein Flüchtlingscafé eröffnen, um den Austausch zwischen Studenten, Anwohnern und Flüchtlingen zu ermöglichen … ich muss noch rausfinden, wo ich da hin muss. (Das Telefon klingelt) Moment … Hallo? Ja, mir geht’s gut, und dir? Was kann ich für dich tun? ... Ok, kann ich dich morgen anrufen – wir brauchen etwas Zeit, und jetzt habe ich gerade eine Besprechung hier… Sekunde … gegen drei Uhr? Oder nein, warte, um zwei Uhr, geht das? Ok, ich freue mich, dich dann zu sprechen....Gut, gleich kommt eine Theatergruppe, die mit uns arbeiten will. Und am frühen Abend leite ich eine ARU-Versammlung, die African Refugee Union. Im Moment arbeiten wir an einer Veranstaltung zu Ehren Mandelas, im nächsten Monat, oder nein, in diesem Monat, es ist in diesem Monat – morgen beginnen wir die Vorbereitungen für die Ausstellung dazu … die wird einen Monat lang zu sehen sein, bis … April, ja … danach, am 15. machen wir dann die Veranstaltung. Dazu planen wir auch andere Dinge. Nächsten Monat zum Beispiel starten wir ein Programm an der Humboldt-Universität, ein wöchentliches Programm, um über politische Probleme in Deutschland zu sprechen und um zu sehen, wie Flüchtlinge in die Universität integriert werden können. Wir koordinieren auch Ideen mit der Freien Universität. (Das Telefon klingelt)

Ich brauche wirklich eine Sekretärin!

Aber in letzter Zeit setze ich mich immer öfter hin und webe. Es dehnt die Zeit. Es öffnet die Gedanken, es macht alles einfacher. In diesen Momenten überlege ich, wieviel Solidarität es doch in Berlin gibt, aber wieviel Energie darauf verwendet wird, solche Strukturen und Möglichkeiten zu kreieren, die mit „staatlicher Erlaubnis“ automatisch da wären, und wieviel Energie in diesem Falle in das Aufbauen von Leben fließen könnte. Es macht mich sprachlos.

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Am Webrahmen in der Wildenbruchstraße in Berlin. Foto: privat.