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Matthias Schu

Das
E-Food Buch

Märkte – Player – Strategien

Mit Geleitworten von Udo Kiesslich, Dominique Locher,
Dominic Mehr und Mirko Warschun

Unterstützer

Folgenden Unternehmen und Institutionen danke ich für ihre Unterstützung im Erstellungsprozess des vorliegenden Werkes:

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Geleitwort I

Vor mehr als 10 Jahren sind in Deutschland die ersten digitalen E-Food Geschäftskonzepte mit Vollsortiment an den Start gegangen. Oft belächelt und hinterfragt: Kann und muss man eine Banane auch im Internet nach Hause bestellen?

Seitdem hat sich eine rasante Entwicklung vollzogen und selbst ohne den disruptiven Schub im Zuge der COVID-19 Pandemie in 2020 ist die Bedeutung und Wahrnehmung von E-Food stark gestiegen. Was sich aber nicht verändert hat: Die hohe Komplexität und die täglichen, operativen Herausforderungen für jedes E-Food Geschäftsmodell.

Während auf der einen Seite E-Food mit einem rasanten Wachstum glänzt und viele Markt- und Jobchancen bietet, ist das fachliche Wissen und die operative Erfahrung in dem Markt auf wenige Know-how-Träger aus der Praxis limitiert.

Die neue Publikation von Dr. Matthias Schu «Das E-Food Buch» wird dieses Ungleichgewicht schrittweise verändern. Es bietet in der Tat sowohl Neueinsteigern als auch angehenden Praktikern einen sehr guten Überblick und Einstieg in die E-Food Welt. Die Grundlagen des E-Food vom Einkaufsprozess, dem Shopdesign, dem Fulfillment, der Last Mile und der Kundenbindung werden sehr gut ausgeleuchtet, relevante Fachbegriffe werden eingeführt und mit Praxisbeispielen ergänzt. Hätten Sie diese Begriffe vorher gekannt: Bannerblindheit, Auto Complete, Micro-Fulfillment, Cross-Dock, Drop-Rate oder asset-light Geschäftsmodelle?

Vorgeschaltet ist den einzelnen Kapiteln eine Historie der geschäftlichen Entwicklung von E-Food mit dem bekannten Klassiker Webvan (1996), aber auch den wahren Pionieren wie LeShop (1998) oder Ocado (2000).

Weiterhin bietet Dr. Schu 10 interessante Thesen, die dem Leser ohne Vorkenntnisse und operative Erfahrung eine sehr gute Orientierungshilfe geben für die Rezeption des Buches als auch für die weitere Meinungsbildung.

Das Buch vermittelt sehr gut, dass es kein dominantes Geschäftsmodell bei E-Food gibt. Vielmehr gibt es viele Spielarten bei Shop, Fulfillment und Last Mile, die je nach Marktsituation und Ambitionsniveau des einzelnen Händlers eine sinnvolle Lösung darstellen können. Der deskriptive Überblick der verschiedenen Ansätze wird im hinteren Teil des Buches praxisnah ergänzt um Dutzende Steckbriefe von einzelnen Geschäftsmodellen aus 19 Ländern.

Es wird deutlich, dass erfolgreiche E-Food Modelle oft mehrere Evolutionsstufen durchlaufen, um mit Blick auf die jeweilige Geschäftsgrösse operative Exzellenz, sehr gute Customer Experience und Wirtschaftlichkeit sinnvoll auszubalancieren. Die Vielzahl der Cases aus Ländern mit verschiedenem Reifegrad bietet dabei hinreichend Anregungen, falls ein Leser selbst vor einer solchen strategischen Geschäftsentscheidung steht oder wenn man aus Kundensicht nicht versteht, warum es oft für Kunden von E-Food keine Lieferslots gibt am Donnerstagabend.

Weiterführende Themen zu E-Food sind ebenfalls angerissen. Bevor sich der geneigte Leser aber in Spezialthemen wie Personalisierung mit Advanced Data, Rolle von UPS (Produktivität) bei den Unit Economics oder autonomes Fahren auf der Last Mile vertieft, sollten die Grundlagen gut verstanden sein. Diese Neuerscheinung in der 1. Auflage leistet dabei einen wertvollen Beitrag.

Dipl.-Kfm. Udo Kießlich (WHU – Otto Beisheim School of Management) ehem. GF Allyouneed Fresh (Berlin), GF kollex (Berlin) sowie Expert-Partner bei etribes

Geleitwort II

«Wann fällt der Groschen? Wann kauft das breite Publikum sein Essen online? Wann erheben die Händler ihren Online-Kanal von der Kür zur Pflicht?» Du willst Erfolg mit E-Food? Der klassische Handel ist unter grossen Playern verteilt und hart umkämpft. Die Margen sind verschwindend klein, gross aber die Aufwände für die komplexe Logistik. Die Frischprodukte sind verderblich. Du lagerst und lieferst sie in verschiedenen Kühlzonen. Lebensmittel sind ein Geschäft mit dem Vertrauen – die Ansprüche deiner Kunden sind haushoch. Viele haben den neuen Service, mit all seinen Vorzügen oder Tücken, erst entdeckt. Einige sind noch skeptisch. Warum willst Du Geld, Kraft und Nerven in dieses Abenteuer investieren? Ein spannenderes Business hätte ich mir nie vorstellen können. Einfach kann jeder. Das E-Food-Geschäft dagegen gilt als Königsdisziplin des E-Commerce. Dieses Superlativ verdient es sich nicht alleine durch die vielfältigen Herausforderungen. Jedes Glied der Wertschöpfungskette erreicht durch die Aspekte Frische, Tempo und Servicequalität eine neue Dimension. Das bringt neben Fallhöhe auch Vorteile. Analysen entlang der Customer-Journey bringen präzise und aussagekräftige Daten und Erkenntnisse. Anpassungen am Nutzererlebnis, an Prozessen und Infrastruktur sind vergleichbar einfach umzusetzen. Es gewinnt, wer schnell, kreativ und beweglich ist. Und nicht zwingend Marktmacht oder Kapitaldecke. Ein Eldorado für Schnell- und Querdenker mit Ideen, Leidenschaft, Ausdauer und Mut.

Wer erinnert sich an den Einwähl-Sound des 56K-Modems? Die Entwicklung seither forderte von allen Akteuren viel Beharrlichkeit. Wie prognostizierten wir damals in den Businessplänen das Wachstum an Share-Of-Wallet, Warenkorb und Bestellfrequenz? Ich weiss es nicht mehr. Aber sie waren ebenso falsch wie die Hockeystick-Umsatzkurven in Startup-Pitchs. Die neue strategische Grösse im E-Food-Markt nenne ich «Share-of-Plate». Welche Konzepte bringen übermorgen das Essen auf den Teller? Wie genügen diese den Ansprüchen an Lifestyle, Qualität, Convenience und neu auch Nachhaltigkeit? Wie stille ich neue Bedürfnisse mit ergänzenden Konzepten: Klassisches Filialgeschäft, Online-Supermarkt, Menüs im Foodbox-Versand, Pizzalieferung oder gar eine Kombination davon? Vollständige Antworten darauf bringt vermutlich kein noch so umfassendes Buch. Aber ein solides Wissen und Verständnis über Grundlagen, Wirkzusammenhänge und Funktionen. Das regt an, um darauf basierend breiter, tiefer und weiter zu denken. Das vorliegende Werk erfüllt dies ansprechend und nützlich.

Die weltweite Pandemie wirkte jüngst wie ein Tritt an die Jukebox. Der Groschen ist gefallen. Viele Händler haben jetzt endlich verstanden: Die digitale Präsenz Ihres Ladens ist kein modischer Luxus, sondern eine Grundvoraussetzung, um zu überleben. Hunderttausende von Haushalten haben erstmals Essen im Netz bestellt und sind vom Service überzeugt. Die Heimlieferung hat das Potenzial, so alltäglich zu werden wie das fliessende Leitungswasser. Jetzt spielt die Musik. Ich bin gespannt, was die Jukebox «E-Food» künftig darüber hinaus zu bieten hat.

Dominique Locher
E-Food-Pionier und Unternehmer

Geleitwort III

In den letzten 20 Jahren haben sich eine grosse Anzahl von Industrien, getrieben durch die Digitalisierung, teilweise drastisch verändert. Wer hätte zum Beispiel in den 90er Jahren gedacht, dass wir wenige Jahre später unsere neue Matratze oder gar das ganze Schlafzimmer online bestellen würden? Ganz ohne physischen Besuch beim Bettenspezialist, wo schon die Eltern eingekauft haben. Bei Fashion, Spielwaren, Büchern oder Elektronik werden bereits heute über ein Drittel des gesamten Umsatzes online erwirtschaftet. Nicht so bei Lebensmitteln, deren Anteil in Relation zum Gesamtmarkt noch gering ist und grosses Potential bietet. Dafür gibt es viele Gründe: Zum einen die Komplexität aus Technologie, Logistik und Vermarktung. Und zum anderen die hohen Investitionskosten in Infrastruktur, welche sich die wenigsten Start-ups und bestehenden Anbieter in der Vergangenheit leisten wollten oder können. Der Hauptgrund, warum bisher nur ein Bruchteil des Umsatzes im Supermarkt-Bereich online generiert wird, liegt aber wohl an einem anderen Ort: Die wenigsten Anbieter haben bislang den Fokus wirklich auf den Kunden und seine Bedürfnisse gelegt. Dies gilt sowohl für den eigentlichen Service mit teilweise hohen Mindestbestellwerten, Gebühren für Lieferung oder höhere Produktpreise als im stationären Laden und nicht selten auch Lieferfenster von bis zu vier Stunden, an dem der Kunde zu Hause ausharren muss, bis ein Third Party KEP-Dienstleister den Einkauf an der Haustüre übergibt. So war der Mehrwert gegenüber dem klassischen Supermarkt für die breite Masse der Bevölkerung, vor allem vor Zeiten von COVID-19, bisher nicht gegeben. Neue Technologien, Logistikprozesse und effizientere Modelle auf der letzten Meile bieten jedoch Chancen, auch diesen Milliardenmarkt für den Endkunden gewinnbringend umzukrempeln. Die grossen Veränderungen und Entwicklungen im Online Food beginnen gerade jetzt. Jeder Gründer, Konzernleiter oder Berater sollte sich die Zeit nehmen, um dieses Buch zu lesen. Es beleuchtet alle wichtigen Aspekte im komplexen Konstrukt eines Online-Supermarktes, von Kunden und Zielgruppen, Shopgestaltung, über das Produkt bis hin zur Vermarktung und dem Fulfillment. Matthias Schu kombiniert im E-Food Buch wertstiftend praktische Tipps, wissenschaftliche Erkenntnisse und Einschätzungen zur Zukunft basierend auf seiner langjährigen Erfahrung aus mehr als einer Dekade Handel und E-Commerce.

Dominic Mehr
CEO MIACAR

Geleitwort IV

Wir schreiben das Jahr 2020: Der Handel mit Lebensmitteln im Internet ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch immer eine überschaubare Nische. In Deutschland deckt dieser gerade einmal rund zwei Prozent des Gesamtmarktes für Lebensmittel ab, in der Schweiz knapp 2.5 Prozent und in Österreich nur gut ein Prozent. Und es ist nicht valide abzusehen, ob und wann die Nische zum Massenmarkt heranwächst; Prognosen von Fachleuten weisen hier eine grosse Spannweite auf. Wenngleich zunächst belächelt und vom Umsatzvolumen her durchaus klein, kann es sich fast kein führender Lebensmittelhändler im DACH-Raum und darüber hinaus mehr leisten, auf den Online-Vertriebskanal zu verzichten. Spätestens seit den Lockdown-Erfahrungen im Frühling 2020, hervorgerufen durch die weltweite Corona-Pandemie, ist der Online-Kanal nicht mehr nur ein «nice to have» und Spielwiese für Start-Ups, sondern quasi über Nacht zum Imperativ geworden. Alle grösseren Vollsortimenter, die sich von den Experimenten mit E-Food bisher teils noch ferngehalten haben oder diese wieder einstellten, müssen jetzt rasch nachziehen und die Potentiale ausloten. Andere Händler, die über Jahre in den Onlinelebensmittelhandel investiert haben, ohne jedoch den Break-even zu erreichen, stehen nun als Gewinner dar.

Dass das «E-Food-Buch» von Matthias Schu just in diese Zeit fällt, da der Handel mit Lebensmitteln übers Internet, wegen weltweiter Ausgangs- und Kontaktsperren einen unerwarteten Schub erlebt hat, macht es nur umso aktueller. Auf kluge Weise bringt es verschiedenen Aspekte in die gesamthafte Perspektive der Customer Journey – die einzige Perspektive, die am Ende des Tages zählt und über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. Angereichert durch zahlreiche Praxisbeispiele, die anschaulich davon erzählen, welche Stolpersteine das Abenteuer des Online-Lebensmittelhandels den Unternehmern in den Weg legt und welche Abkürzungen und Ausblicke sich lohnen.

Ausgehend von der durchaus provokanten These, der gegenwärtige Online-Handel mit Lebensmittel sei über die Stunde null nicht hinausgekommen, beleuchtet Matthias Schu die relevanten Märkte, ihre Teilnehmer und ihre Strategien. Wenn man sich klar macht, dass wir in Deutschland von einem Markt reden, der 2019 einen Umsatz von nicht einmal zwei Milliarden Euro erreicht hat, mag diese These durchaus provokant klingen. Sie zeigt aber doch vor allem und das zu Recht, dass es noch kein Patentrezept gibt und dass man immer noch experimentiert, was für welche Zielgruppe gut funktioniert.

E-Food ist ein Markt in den Kinderschuhen, ein Markt im Werden, in dem noch nicht entschieden ist, wie die Kräfte verteilt werden, in dem neue Zielgruppen hinzukommen – wie jüngst durch COVID-19 die ältere Generation – und sich laufend neue Nischen und Opportunitäten auftun.

Als Amazon Fresh im Jahr 2017 den deutschen Markt betrat, zitterten die etablierten stationären Lebensmittelhändler, doch das grosse Massensterben des stationären Handels blieb aus. Heute ist klar, von online geht keine Kannibalisierungsgefahr aus. Die Frage ist nicht, ob die Händler des klassischen, stationären Lebensmittelhandels den Online-Kanal bespielen sollen, sondern wie ihr Online-Angebot auszugestalten ist, um nachhaltig profitabel zu sein.

Ein griffiges, anschauliches und praxisnahes Handbuch hierfür hat Matthias Schu mit diesem Werk vorgelegt.

Dr. Mirko Warschun

Partner & Managing Director, Head of Consumer & Retail Practice Europe, A.T. Kearney GmbH

Vorwort

E-Food. Hierbei sprechen wir von einem vergleichsweise jungen Phänomen, das den LEH/Detailhandel nun seit rund zwei Dekaden begleitet. Vom modernistischen Lager hochgehyped, von Traditionalisten oftmals kleingeredet oder mit Ehrfurcht, respektive Angst bedacht. Die Realität liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Nichtsdestotrotz besitzt E-Food – also der Verkauf von Lebensmitteln im Internet – eine enorme Sprengkraft, um den LEH als quasi letzte analoge Bastion des Handels aufzubrechen. Auch bei Konsumenten erfreut sich der Lebensmittelonlinehandel stetig wachsender Beliebtheit, befeuert von den Expansionsbestrebungen sowohl alteingesessener Player als auch den jungen Wilden, also «Online Pure Playern» und Startups, die E-Food als Spielwiese und Expansionsfeld für sich entdecken. Zudem konnte sich E-Food durch die Corona-Pandemie quasi weltweit nochmals stärker im Verbraucherbewusstsein als zusätzlicher und vor allem auch bequemer und sicherer Einkaufskanal positionieren.

Doch die «Königsdisziplin des E-Commerce», wie der Onlinelebensmittelhandel oftmals betitelt wird, ist kein einfaches Business und sicherlich per se keine neue Goldgrube oder Selbstläufer. Komplexes Handling, Einhaltung von Kühlketten, gesetzliche Vorschriften und schnelle Verderblichkeit der Ware, in Kombination mit geringen Margen sowie hohen Kosten, machen den Lebensmittelonlinehandel aus Anbietersicht zur Challenge. Dort setzt das E-Food Buch an. Ziel des Buches ist es, Praktikern und Neueinsteigern in das Thema eine Art Leitlinienkatalog an die Hand zu geben, der Komplexität, Challenges und Stolpersteine im E-Food anschaulich anhand von etlichen Beispielen aus der internationalen Handelspraxis aufzeigt und Lösungsvorschläge präsentiert.

Als Gliederung wird im ersten Teil des Buches eine Customer Journey zugrunde gelegt. Teil zwei des Buches geht anhand von 60 Case Studies auf praktische Umsetzungsbeispiele aus aller Welt ein und bewertet diese systematisch, um dem Leser eine Vergleichbarkeit zwischen den Ansätzen sowie der Anbieterpositionierung zu ermöglichen.

Kapitel 1 stellt den gewählten Ansatz der Customer Journey dar und beleuchtet anhand von 10 Thesen überblicksartig den Markt für E-Food.

Kapitel 2 geht auf die Entwicklung von E-Food von seinen Anfängen bis zum heutigen Zeitpunkt ein, stellt das Geschäftsmodell in den Kontext von klassischen Handelstheorien und gibt einen Überblick über am Markt verfügbare Prognosen.

Kapitel 3 betrachtet E-Food aus der Perspektive der Relevanz, sowohl aus Händler- wie auch aus Kundensicht. Zudem werden potentielle Käufertypen und Kundengruppen von E-Food charakterisiert sowie eine Anbietertypologisierung und Einteilung in mögliche Businessmodelle vorgenommen.

In Kapitel 4 wird detailliert auf den Einkaufsprozess als solches sowie Best Practices bei Shopfunktionalitäten und Shopgestaltung eingegangen. Ebenfalls wird M-Commerce als quasi der neue Desktop im Rahmen von E-Food beleuchtet.

Kapitel 5 beleuchtet Aspekte der Lagerhaltung und des Fulfillment, insbesondere Auslieferstrategien, Optimierungsansätze der letzten Meile sowie verschiedene Liefergebührenmodelle.

Das sechste Kapitel widmet sich dem Thema Kundenbindung, mit Fokus auf Lock-in Strategien und Loyalitätsprogramme.

In Teil zwei des Buches beschreibt Kapitel 7 Struktur und Methodik der dargestellten Case Studies. Es folgen 60 Case Studies, die standardisiert E-Food Anbieter aus der ganzen Welt analysieren sowie deren zugrunde liegende Geschäftsmodelle vergleichbar machen.

Solch ein Buchprojekt lässt sich natürlich nicht ohne die Unterstützung von Familie, Freunden und Partnern realisieren. Diesen gebührt grösster Dank für ihren Support! So danke ich Alessa, die mich stets motiviert hat, nie den Mut und den Ansporn für dieses Herzensprojekt zu verlieren. Des Weiteren danke ich Udo Kiesslich, Dominique Locher, Dominic Mehr und Dr. Mirko Warschun fürs Gegenlesen, fruchtvolle Diskussionen und Zweitmeinungen, wertvollen Input und das Anfertigen der Geleitworte. Ebenfalls danke ich Carsten Kraus und Albert Pusch von Omikron Data Quality, Dr. Harald Schröpf und Dr.-Ing. Michael Schedlbauer von der TGW Logistics Group, Thomas Karst und Freddy Schneider-Heil von Trusted Shops sowie Lars Hofacker vom EHI Retail Institute, die mit ihrer Unterstützung dieses Buch erst möglich machten.

Dr. Matthias Schu

Inhaltsverzeichnis

Unterstützer

Geleitworte

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

TEIL I: DIE E-FOOD JOURNEY

KAPITEL 01: EINLEITUNG

E-Food anhand der Customer Journey denken

Lebensmittel online: 10 Thesen zum E-Food Markt

KAPITEL 02: AWARENESS SCHAFFEN

E-Food – (K)ein wirklich neues Phänomen

Einordnung des Lebensmittelonlinehandels in den Kontext klassischer Handelstheorien

Lebensmittel online kaufen – ein Überblick über am Markt verfügbare Prognosen

KAPITEL 03: CONSIDERATION – WARUM LEBENSMITTEL ONLINE KAUFEN?

Onlinelebensmittelhandel – ein relevantes Thema für Händler und Kunden?

Käufertypen: Wer kauft eigentlich Lebensmittel im Internet

Die Player im Online-Lebensmittelhandel – Typen und Businessmodelle

KAPITEL 04: PURCHASE – WORAUF ES BEIM BESTELL-PROZES ANKOMMT

Der Shop – das virtuelle Regal im E-Commerce

Die Startseite – das digitale Einfallstor

Menü und Navigation – sich im Shop zurechtfinden

Die Suche – Schnelles finden, ohne viele Clicks

Kategorie- und Produktdetailseiten – das Pendent zur klassischen Warenpräsentation

Conversion – auch im E-Food von hoher Relevanz

Optimierung von Formularen und Eingabefeldern – kleiner Aufwand, grosse Wirkung

M-Commere: Mobile als der neue Desktop?

KAPITEL 05: DELIVERY: AUS DEM LAGER IN DIE TÜTE – UND BIS VOR DEN KÜHLSCHRANK

Lagerhaltung und Fulfillment – wie die Bestellung in die Tüte kommt

Ausliefermodelle – die Bestellung auf der letzten Meile zum Kunden

Liefergebühren auf der letzten Meile: Player und Strategien im Vergleich

Optimierung auf der letzten Meile – Ansätze zur Steigerung der Effizienz

KAPITEL 06: AFTER SALES – DEN KUNDEN HALTEN

Lock-in Strategien – oder wie man den Kunden erfolgreich im eigenen System hält

Loyalitätsprogramme – was ein gutes Treueprogramm ausmacht

Retouren – kein grosses Thema im Lebensmittelonlinehandel

TEIL II: DIE PLAYER IM E-FOOD MARKT

KAPITEL 07: EINLEITUNG UND METHODIK DER CASE STUDIES

Case Studies

Über den Autor

Über Fact Finder

Über TGW Logistics

Über Trusted Shops

QUELLENVERZEICHNIS

Teil I:

Die E-Food
Journey

01

EINLEITUNG

E-Food anhand der Customer Journey denken

Methodische Einführung ins Thema E-Food

Egal ob stationärer Händler oder Online Pure Player: Als zentrales Element des langfristig erfolgreichen unternehmerischen Handelns stehen der Kunde und dessen Bedürfnisse. Beim US-amerikanischen Onlinehändler Amazon geht diese Kundenzentrierung sogar so weit, dass in jedem Meeting, in dem Unternehmenschef Jeff Bezos anwesend ist, ein Stuhl frei gelassen wird; dieser leere Platz soll den Kunden repräsentieren und dessen Interessen, damit diese bei den gefällten Entscheidungen nicht ausser Acht gelassen werden.1 Gerade mit Bezug auf E-Commerce und den Einkaufsprozess im Internet zeigt sich, dass sich der heutige Kunde nicht mehr nur in einem Kanal bewegt, sondern oftmals sogar parallel in mehreren Kanälen aktiv ist. Dabei fokussieren sich Unternehmen mehr und mehr auf die tatsächlichen Berührungspunkte, den so genannten «Customer Touchpoints», an denen mit dem Kunden – in welcher Form auch immer – interagiert wird. Diese Berührungspunkte und die daraus resultierende Kundenbeziehung und das kundentypische Verhalten lassen sich dann ebenfalls – ähnlich einer Landkarte – in einer so genannten Customer Journey abbilden.2, 3 Um die Bedeutung des Lebensmittelonlinehandels und entsprechende Ansatzpunkte aus Unternehmenssicht, die die jeweiligen Kundenbedürfnisse optimal befriedigen darzustellen, wird daher als zentrales Gliederungselement des vorliegenden Werkes ebenfalls die Betrachtung einer Customer Journey gewählt (vgl. Abbildung 1). Anhand der zentralen Elemente einer typischen Customer Journey im Lebensmittelonlinehandel werden aus Unternehmens- und Kundensicht relevante Aspekte eingehend beleuchtet, die einen Erfolg in der «Königsdisziplin des Onlinehandels» ermöglichen. Die gewählten Elemente, denen im Folgenden jeweils ein Kapitel des Manuskripts gewidmet ist, sind:

imageAwareness,

imageResearch/Consideration,

imagePurchase/Order Process,

imageDelivery sowie

imageAfter Sales.

Abbildung 1: Die E-Food Customer Journey als struktureller Rahmen

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Aufbau des vorliegenden Werkes

Das vorliegende Werk gliedert sich thematisch in 2 Teile:

Teil 1 («Die E-Food Journey») widmet sich hierbei den oben beschriebenen Kernelementen und analysiert innerhalb dieser Strategie, Best Practices und Vorgehensweisen, mit denen Online-Lebensmittelhändler Ihre Kundenbindung verbessern und Ihren Kunden ein besseres Shopping-Erlebnis bieten können. Der Fokus liegt dabei im Sinne eines «How to»-Ansatzes darauf, dem geneigten Praktiker möglichst anschaulich wichtige Strategieelemente sowie potentielle Stolpersteine aufzuzeigen, die wesentlich zum Erfolg im Lebensmittelonlinehandel beitragen können. Der Fokus des vorliegenden Werkes richtet sich dabei primär auf die Lieferung von Lebensmitteln im Sinne eines Supermarkteinkaufes. Reine Essenslieferdienste mit Fokus auf verzehrfertige, gekochte Produkte, wie bspw. JustEat oder Deliveryhero werden nur am Rande angerissen, da dies sonst den Rahmen des vorliegenden Werkes sprengen würde. Im Folgenden werden die einzelnen Kapitel des ersten Teils kurz beschrieben:

Kapitel 01 leitet thematisch in den Aufbau des Buches ein und gibt mit den «10 Thesen zum E-Food Markt» einen ersten Einblick in die «Königsdisziplin des E-Commerce».

Kapitel 02 («Awareness schaffen») klärt wichtige Begriffe und Konzepte und gibt einen grundlegenden Einblick in verschiedene Erwartungshaltungen zum Thema E-Food.

Kapitel 03 («Consideration – warum Lebensmittel online kaufen») zeigt generelle Entwicklungen im Lebensmittelonlinehandel auf. Des weiteren werden Gründe aus Kunden- und Händlersicht sowie generelle Treiber und Barrieren bei E-Food analysiert. Eine Kundensegmentierung anhand Einteilung in relevante Kundengruppen sowie eine Kategorisierung von Playern und Business-modellen runden das Kapitel ab.

Kapitel 04 («Purchase – worauf es beim Bestellprozess ankommt») geht detailliert auf Shopgestaltung und wichtige Funktionen innerhalb des Einkaufsprozesses ein.

Kapitel 05 («Delivery – aus dem Lager in die Tüte und bis vor den Kühlschrank») beleuchtet detailliert den Fulfillmentprozess, Kostenstrukturen verschiedenster Fulfillment-Optionen sowie die Auslieferung auf der letzten Meile.

Kapitel 06 («After Sales – den Kunden halten») fokussiert insbesondere auf die Schaffung von so genannten «Lock-In»-Effekten und wie der Kunde zum wiederholten Bestellen animiert werden kann.

Teil 2 (»Die Player im E-Food Markt») verfolgt einen Case Study Ansatz und analysiert mit einem standardisierten Vorgehen Geschäftsmodelle und Player aus verschiedenen Märkten rund um den Globus. Der geografische Fokus liegt dabei jedoch auf Europa und Nordamerika.

Lebensmittel online: 10 Thesen zum E-Food Markt

Wohl kein anderes Segment im E-Commerce Ökosystem wird seit geraumer Zeit so kontrovers diskutiert wie E-Food – der Verkauf von Lebensmitteln im Internet. Von den einen als neuer Hype und Megatrend im Retail gelobt, von anderen als bedeutungslos mit begrenztem Potential kleingeredet. Wohin die Reise geht, wird die Zukunft zeigen. Doch eins lässt sich heute schon sagen: E-Food wächst stetig und hat seine Daseinsberechtigung. Auch wenn Umsätze und Verbreitung, hier im Rahmen der 10 Thesen mit beispielhaftem Fokus auf den deutschsprachigen Markt im DACH-Raum, heute noch gering sind und das Wachstum in den vergangenen Jahren weniger schnell vonstatten ging als von manch einem prophezeit, so ist es doch an den klassischen Lebensmittelhändlern, heute das dringend benötigte Rüstzeug für morgen zu lernen. Alain Caparros, 2006-2017 CEO der Rewe Group, hat dies bereits 2013 in einem Interview mit der Wirtschaftswoche trefflich zu Papier gebracht: «Wohin der Online-Zug fährt, weiss niemand genau, wie schnell er fährt auch nicht. Ich weiss nur, dass wir an Board sein müssen.»4 So hat denn auch der Markteintritt von Amazon Fresh in 2017 im Vorfeld eine ganze Branche aus dem Dornröschenschlaf gerissen.

Drei Jahre später (2020) lässt sich jedoch im deutschsprachigen Markt feststellen: Die in Europa einmalige Komplexität des Lebensmittelmarktes, an dem sich stationär bereits international erfolgreiche Player wie Walmart die Zähne ausgebissen haben, findet sich auch online wieder und bremst sowohl nationale wie internationale Player in ihren Expansionsbemühungen. Und dass E-Food nicht eine Lizenz zum Geldrucken ist, zeigt ebenfalls das Scheitern, respektive der (vielleicht verfrühte und mit dem Kauf von Real.de wieder revidierte5) Rückzug von gestandenen Händlern wie Kaufland oder Feneberg.

Doch allen Schwarzsehern zum Trotz: Lebensmittel online bergen disruptive Sprengkraft für die gesamte Branche und nehmen weiter Fahrt auf. Dies hat den Autor des vorliegenden Werkes dazu bewogen, einleitend seine Sicht des deutschsprachigen E-Food Marktes in einer etwas anderen Analyse einmal in 10 Thesen zu formulieren:

01 It’s still «Day One»

Um es einmal mit den Worten von Amazon Gründer Jeff Bezos auszudrücken: It’s still «Day One» im deutschsprachigen E-Food Sektor. Sowohl was Wettbewerber und Produkte angeht, jedoch auch für Entwicklungspotential des Marktes und Ergattern von relevanten Marktanteilen. Der Anteil von Lebensmitteln online am Gesamtmarkt lag in 2019 in Deutschland gerade einmal bei rund 1.4 Prozent und der Reifegrad des Marktes ist immer noch gering. Grossbritannien mit rund 7 Prozent Marktanteil oder Frankreich mit rund 6 Prozent Marktanteil beim Lebensmitteleinkauf im Internet sind hier bereits ein gutes Stück weiter. In asiatischen Ländern, bspw. Südkorea, strebt der Anteil von E-Food sogar schon in Richtung 20 Prozent. In Relation zum Gesamtmarkt ist im DACH-Raum jedoch noch viel Potential vorhanden, das es zu heben gilt, sowohl mit reinen Pure Player- als auch mit Omnichannel-Modellen, wie bspw. «Click & Collect», das in Frankreich eine starke Verbreitung aufweist.

«Still Day One» heisst aus Händlersicht ebenfalls, eine gewisse Vitalität und Experimentierfreudigkeit an den Tag zu legen, aber auch die Akzeptanz von Rückschlägen. Hier tun sich insbesondere jünger Player wie bspw. Picnic hervor, aber auch etablierte wie Rewe mit seinem Lagerprojekt Scarlet One, die beide klar auf Wachstum und Expansion setzen. Dies Bemühungen kommen auch beim Kunden gut an – wie die vom behv6 für 2019 ermittelte Wachstumsrate von rund 17% im E-Food Bereich zeigt. Corona-bedingt verzeichnete E-Food in Deutschland lt. bevh im 2. Quartal 2020 sogar ein Wachstum um rund 90 Prozent.7

02 «E-Food spielt sich in Ballungsräumen ab»

Betrachtet man die Verteilung der Liefergebiete der Anbieter von Lebensmitteln im Internet am Beispiel Deutschland, fällt ins Auge, dass abgesehen von so genannten «Pantry»-Artikel-Anbietern wie bspw. früher Mytime.de oder Zoobee (das von Zooplus zum Sommer 2020 eingestampft wurde), deren Angebot sich durch lange Artikelhaltbarkeit und vergleichsweise unkomplizierte Lieferanforderungen auszeichnen, kein wirklicher Anbieter existiert, der flächendeckend oder zumindest im weitesten Sinne überregional agiert und ein Vollsortiment inklusive Frische offeriert. Dies verwundert kaum – einer nationalen Abdeckung stehen in Deutschland rund 83 Mio. Einwohner entgegen, die sich auf einer Fläche von rund 357'500 Quadratkilometern verteilen. Logistisch und kostenmässig ein absolutes Horrorszenario für jeden Unternehmer. Als Resultat wird sich E-Food auch die kommenden Jahre primär in den Ballungsräumen wie bspw. München, Berlin, Köln, Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt abspielen, die auch Dynamik und Innovationen vorantreiben werden. Das platte Land bleibt weiter aussen vor. In der Verbreitung am weitesten vorangeschritten scheint Rewe, Picnic agiert auf Platz 2 als grosser Verbraucher-Hoffnungsträger im nordwestdeutschen Raum mit Fokus auf Nordrhein-Westfalen.

03 «The Innovators’ Dilemma» – auch im dt. Handel präsent

In seinem Buch «The Innovator’s Dilemma» beschreibt Harvard Professor Clayton Christensen, dass grosse, traditionsreiche Unternehmen nicht deshalb versagen, weil sie den grossen Umbruch, also die in aller Munde befindliche disruptive Veränderung scheuen, sondern weil sie nur zögerlich, mit entsprechendem Timelag und grosser Skepsis neue Märkte und deren Potential akzeptieren. Der Grund liegt lt. Christensen darin, dass diese somit ihr traditionelles Geschäft untergraben könnten und kurzfristig hinter gefordertem Wachstum zurückzubleiben scheinen.8 Dieses Verhalten lässt sich auch im traditionellen deutschen Handel beobachten, bspw. mit der Aufgabe des Onlinegeschäfts bei Kaufland und Feneberg im Lebensmittelsektor oder den nur zögerlichen Gehversuchen anderer etablierter stationärer Player. Lediglich Rewe scheint hier in der Zeit von Alain Caparros einen Schritt weiter gekommen zu sein und hat bis heute von allen etablierten traditionellen Lebensmittelhändlern am stärksten das «Innovator’s Dilemma» mit Vorpreschen in das neue disruptive Segment E-Food mit entsprechender Innovationskraft und langem finanziellem Atem hinter sich gelassen.

04 Sortimentsumfang – auf die Auswahl kommt es an

Kunden lieben Auswahl. Im Allgemeinen trifft dies auch auf den Lebensmitteleinkauf im Internet zu. Für den Wocheneinkauf heisst das, dass dem Kunden etwa ein Supermarkt-Vollsortiment zur Verfügung stehen muss, um diesen Bedarf abzudecken. Im Durchschnitt bewegt sich die Artikelanzahl je nach Anbieter zwischen 15'000 und 25'000 Artikeln, inklusive Frische und TK-Ware. Sollte ein oder mehrere benötigte Artikel nicht erhältlich sein, bricht der Kunde oftmals den Einkauf komplett ab und wechselt zu einem stationären Kanal, wie die Praxis zeigt. Dabei kommt es i.d.R. nicht darauf an, dass er einen bestimmten Erdbeerjoghurt findet, sondern dass er einen findet, also ein für ihn adäquates Produkt innerhalb der gewählten Kategorie. Das Thema heisst also hier Sortimentsbreite und nicht zwangsläufig ebenfalls Sortimentstiefe mit einer Unmenge an Auswahl. Im Umkehrschluss heisst dies aber auch, dass sich Händler online über die Sortimentstiefe und -breite stark differenzieren können.

05 Frische – die Königsdisziplin im E-Food

Gerade bei Lebensmitteln spielt das Thema Frische für den Verbraucher eine grosse Rolle. Verbraucher stehen dem Thema Frische besonders kritisch gegenüber, und legen stationär besonderes Augenmerk darauf beim Einkauf durch Testen und insbesondere Befühlen der Ware zur Reifegradbestimmung. Ein wohl allen bekanntes Phänomen im stationären Handel ist der so genannte Tomatendrücker, der ausgiebig sämtliches Gemüse vor der Auswahl befühlt. Beim Onlineeinkauf ist dies natürlich kein Thema. Und die in der Regel schnelleren Durchlaufzeiten führen dazu, dass Obst und Gemüse tendenziell frischer sind als im stationären Supermarkt. Insbesondere für Lebensmittellieferdienste ist Frische also die Chance, sich zu differenzieren und weiteren Mehrwert für den Kunden zu schaffen, nicht nur bei Obst und Gemüse. Auch Fisch, Fleisch, Käse, frische Backwaren und sogar Schnittblumen erschliessen ein enormes Potential, wie der Blick ins Nachbarland Schweiz zeigt. Dort sind diese Kategorien dem quasi stationären Corner-Ansatz nachempfunden und sogar Personalisierung bzgl. Gewicht, Schnittdicke etc. ist möglich, wie das Beispiel Coop.ch zeigt. Zudem schafft «Frische», den Aussagen von Praktikern folgend, ebenfalls Bestellfrequenz: Dank Frische können E-Food Anbieter Bestellfrequenzen von im Schnitt zwei bis vier Bestellungen im Monat erreichen. Dies schafft der Non-Food Bereich höchstens bei absoluten Top-Kunden.

Allerdings erhöhen frische Produkte ebenfalls massiv den Handlingaufwand für den Anbieter. Kürzere Haltbarkeiten von teilweise nur einem Tag bei Fisch oder frischem Hack, besondere Anforderungen an Kühlkette, Verpackung und Transport sowie allenfalls höhere Abschreiber bei der Lagerhaltung schaffen Komplexität und erhöhen die Kosten. Aus diesem Grund ist der Bereich Frische auch primär für Anbieter geeignet, die selbst eine eigene Auslieferflotte besitzen und ebenfalls die letzte Meile bis zum Kunden entsprechend steuern können. Nichtsdestotrotz bergen Frischeprodukte im Vergleich zum « pantry box »-Ansatz ein enormes Potential, das E-Food in Deutschland in neue Sphären führen wird.

06 Margendruck und das leidige Thema Prozesskosten

Betrachtet man den stationären LEH, ist dieser in Deutschland durch eine hohe Marktdruchdringung der Discounter geprägt, die Schätzungen zufolge rund 46 Prozent des deutschen LEH Umsatzes für sich erzielen (inklusive Non-Food). Zudem vereinen die vier führenden Handelsgruppen EDEKA, Schwarz, Rewe und Aldi rund 86% des Marktes auf sich – mit entsprechenden Auswirkungen auf Margen durch einen intensiven Preiswettbewerb.9 Diese generelle Situation sowie die in den Köpfen der Konsumenten vorherrschende «Geiz-ist-geil»-Mentalität machen es für Anbieter von Lebensmitteln online natürlich umso schwerer, mit Gewinn oder in der Anfangszeit zumindest kostenneutral zu arbeiten, bis eine kritische Masse erreicht ist. Doch selbst dann schlagen Kommissionierung und Auslieferung zu Buche, die von den Verbrauchern via Liefergebühren in der Regel zu einem bestimmten Teil weitergegeben werden. Gerade Margendruck und Prozesskosten, bis die Ware an der Haustüre der Bestellenden ist, lassen die traditionellen Händler wie Aldi & Co. derzeit noch vor dem Thema E-Food zurückschrecken und lieber in weitere Filialen und damit Betongeld investieren. Die Flächenproduktivität im stationären deutschen Handel wir es Ihnen danken.

07 Liefergebühren – ein notwendiges Übel aus Händlersicht

Aus Kundensicht sind Liefergebühren primär eins: Unliebsame Zusatzkosten, die auch einmal zum Bestellabbruch führen können. Insbesondere der deutsche Verbraucher steht Liefergebühren im Rahmen seiner Erwartungshaltung mit anerzogenem Schnäppchendenken eher skeptisch gegenüber. Für den Händler sind Liefergebühren jedoch primär eine Möglichkeit, die Kosten für die Zusatzdienstleistungen Kommissionierung und Lieferung bis an die Wohnungstüre zu decken. Daher sollte der Kunde diese denn auch als Anerkennung des geleisteten Mehrwerts sehen, statt als zusätzliche Gebühr. Durch die Bank weg sind Liefergebühren bei fast allen Anbietern von E-Food in verschiedenen Ausprägungen anzutreffen, auch gekoppelt mit Yield Management-Ansätzen wie bspw. bei Kolonial.no, Bringmeister oder in Form von Lieferflats wie bei Rewe. Lediglich Picnic bietet hier ein vollkommen konträres Modell an, bei dem Konsumenten keine Liefergebühr zahlen, jedoch dafür nur eine stark eingeschränkte Auswahl an Lieferterminen zur Verfügung haben.

08 Lock-in Effekt – die Kunden im eignen System halten

Ein wichtiger Aspekt des Kaufverhaltens, der beim Thema E-Food ebenfalls nur allzu gern übersehen wird, ist der so genannte «Lock-in-Effekt», also die Frage wie man als Händler den Kunden möglichst nachhaltig und lange im eigenen System halten kann. Auch im E-Commerce mit Lebensmitteln ist es bei weitem kein Geheimnis mehr, dass die Neukundenakquise um einiges teurer ist, als die Pflege und das Halten von Bestandskunden. Ein Beispiel, wie extrem wichtig das Thema ist, bietet der britische Lebensmittelonlinehändler Ocado. Dieser offeriert in regelmässigen Abständen zur Neukundenwerbung 30% Rabatt auf den ersten Einkauf und teilweise sogar ein ganzes Jahr lang Gratislieferung. Das Ziel dahinter: Den Kunden zum regelmässigen Bestellen anregen und ihn über das Thema Bequemlichkeit und Einfachheit (der Kunde kennt bspw. den Shop und Ocados System, benutzt seinen bestehenden Login, hat quasi «economies of scale», da er immer den gleichen Dienst nutzt sowie zahlt keine Liefergebühr) im eignen System halten. Der Lebensmittelshop von Real bot zeitweise ebenfalls ähnliches mit einem Rabatt von 50 Euro nach der 4. Bestellung an. Vergleichbare Resultate können auch mit einer Lieferflat erreicht werden, wie sie bspw. Rewe oder der zur Migros Genossenschaft gehörende Schweizer Anbieter LeShop anbietet. Auch die Bestrebungen eines Amazon Prime Service gehen in die gleiche Richtung.

Spannend ist in diesem Zusammenhang auch die Hub-Eröffnungsstrategie von Picnic, die versuchen, schon im Vorfeld Lock-in-Effekte zu erzielen, wie bspw. bei der Erschliessung des Hubs Bochum. Wird eine bestimmte Anzahl Nutzer bis zum Start erreicht, wird unter den Neuanmeldungen ein Monat gratis einkaufen verlost. Allerdings sind Erstkundenrabatte oder Verlosungen primär als Akquisitionsinstrumente zu sehen, um den Nutzer mit dem Service vertraut zu machen; ein erfolgreicher Lock-In Effekt setzt vermutlich erst nach 5 bis 7 Bestellungen ein.

09 Convenience – Haupttreiber für Bestellungen im Internet

Der heutige Kunde ist bequem. Insbesondere im E-Commerce. Im Jahr 2019 stellte der Konsumgüterproduzent KraftHeinz auf der Grocery Shop in einer Präsentation vor, dass rund 35% aller Konsumenten stationär und sogar rund 70% aller Konsumenten online in den USA die Themen Convenience und Zeitersparnis höher schätzen als das Thema Geld sparen. Dies heisst also: Konsumenten, insbesondere auch im E-Food, sind sehr wohl bereit, den angebotenen Mehrwert Kommissionierung und Heimlieferung und die resultierende Zeitersparnis finanziell zu honorieren. Meiner Meinung nach auch in Europa und Deutschland. Neben dem Hauptfaktor Zeitersparnis spielen hier auch vor allem Themen wie Bequemlichkeit, Öffnungszeiten oder kein Schleppen/Heimlieferung bis vor den Kühlschrank ebenfalls eine Rolle. Dieses Ergebnis bestätigt auch eine aktuelle Studie des IFH aus dem Frühjahr 2020.10

10 M-Commerce, Voice und Speed als neue Treiber

Innovationen verändern das Nutzerverhalten und können disruptiv bestehende Geschäftsmodelle und gelernte Muster der Verbraucher nachhaltig umprägen. Wie kaum ein anderes Phänomen hat in den letzten Jahren Mobile Commerce das Nutzerverhalten innerhalb der Handelslandschaft massiv verändert. Während bis 2017 Desktop und Laptop dominierten, haben inzwischen Smartphones und Tablets die Oberhand gewonnen und den klassischen Desktop deutlich überflügelt. Durch dieses geänderte Kaufverhalten und die damit verbundenen technischen Möglichkeiten ergeben sich ebenfalls neue Wege und Kaufsituationen innerhalb der Customer Journey. Darauf stellen sich Anbieter auch mehr und mehr mit entsprechenden mobilen Lösungen wie mobile-optimierten Webseiten und Apps ein, die auch von unterwegs oder von der heimischen Couch aus genutzt werden. Ein Beispiel ist die mobile Einkaufsliste Bring!, die es dem Kunden ermöglicht, seinen Einkaufszettel digital zu erfassen und dann in teilnehmende Webshops zu übertragen. Einen Schritt weiter gehen sogar Picnic und das zur Migros gehörende Schweizer Startup Miacar. Diese bieten keine Desktoplösung mehr an und haben kompletten Einkaufsprozess in die App und aufs Smartphone verlagert. Auch das Thema Voice-Commerce in Verbindung mit Smartphones und Smart Speakern nimmt als neue Einsatzmöglichkeit beim Einkaufen langsam an Fahrt auf, wenn auch mit derzeit (noch) beschränkten Einsatzmöglichkeiten, wie beispielsweise bei Rewe, Walmart oder mit Hilfe von «Dom» bei Domino’s Pizza.

Disruptiver und stärker im Verbraucherfokus ist jedoch die anhaltende Fokussierung auf das Thema Speed, also Fulfillment-Geschwindigkeit und damit Zeitspanne zwischen Bestelleingang und Auslieferung. Schwärmen hier teilweise alteingesessene E-Food Veteranen der ersten Stunde noch von Lieferfenstern von mehreren Stunden, ist der Standard und das, was der Verbraucher erwartet, definitiv im Maximum ein Lieferzeitfenster von einer Stunde. Anbieter wie Picnic, Miacar oder myMigros grenzen dieses sogar am Bestelltag noch auf bis zu 20 Minuten ein. Einen Schritt weiter sind bereits Anbieter wie Ocado mit Zoom oder der ebenfalls in Grossbritannien ansässige Retailer Sainsbury’s mit Chop Chop. Beide bieten in Teilen Londons eine Art Schnell-Lieferdienst, bei dem zwischen Abschicken der Bestellung und der Übergabe an den Kunden gerade einmal 60 Minuten vergehen. Noch schneller liefert das US-amerikanische Startup Go-Puff, das inzwischen bereits in über 500 Städten mit seiner App aktiv ist und nach eigenen Angaben 24/7 liefert. Auf den deutschen Markt adaptiert wurde dieses Konzept jüngst von Gorillas, einem Berliner Startup, das ein begrenztes Sortiment innerhalb von 10 Minuten ausliefert. Mit kleinen Warenkörben und Schnelligkeit versuchen somit immer mehr Unternehmen, neue, online-affine Kundengruppen abseits des Wocheneinkaufs anzusprechen und für sich zu gewinnen. Wie sich diese Konzepte in Zukunft entwickeln und ob diese einen Weg finden, kostendeckend zu arbeiten, bleibt abzuwarten.

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AWARENESS SCHAFFEN

E-Food – (K)ein wirklich neues Phänomen

Spätestens seit dem Markteintritt von Amazon Fresh in Deutschland im Jahre 2017 ist «E-Food», wie der Verkauf von Lebensmitteln im Internet auch international genannt wird, in aller Munde. In den Medien und der öffentlichen Wahrnehmung erfreut sich das Thema einer wachsenden Popularität, bei der die Meinungen zwischen den Polen «disruptiv» sowie «Sturm im Wasserglas» als die beiden Extreme eines Kontinuums in mannigfaltiger Form vorhanden sind.11 Anders als bei den im Internet typischerweise gehandelten Produkten wie Bücher, Unterhaltungselektronik, Kleidung oder Schuhe, handelt es sich bei Lebensmitteln um Waren des täglichen Bedarfs, die in der Regel kurzfristig zur Verfügung stehen sollten, sich durch eine kurze Haltbarkeit auszeichnen und allenfalls sogar Kühlung benötigen.12 Zudem besteht der durchschnittliche Warenkorb – anders als bei den typischen Non-Food-Käufen im Netz – aus vielen Einzelprodukten mit eher geringem Warenwert, die das Picking und den Versand insbesondere aus Kosten- und Margensicht zur Herausforderung werden lassen.

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«E-Food», oder auch Electronic Food, lehnt sich an den etablierten Begriff des E-Commerce an und bezeichnet den Kauf von Lebensmitteln über die digitalen Vertriebskanäle des Internets. Die typischen Prozessschritte wie Informationssuche, Produktvergleich, Kaufprozess, ggf. auch die Bezahlung finden dabei auf digitalem Weg im Internet statt. Weitere Synonyme sind Online-Food-Retailing, Online-Grocery-Shopping oder Lebensmittel-Onlinehandel.13, 14