cover image

Über dieses E-Book

Verlieb dich niemals in einen Kollegen! So lautet Regel Nummer eins der Escort-Agentur für die Lola arbeitet. Als sie allerdings bei einem ungewöhnlichen Auftrag auf Sam trifft, fällt es ihr zum ersten Mal schwer, sich daran zu halten. Denn Sam schafft es nicht nur, tiefe Sehnsüchte in ihr zu wecken, deren Existenz sie längst vergessen hatte, sondern sieht auch mehr in ihr als nur die schöne Escort-Lady. Doch Lola kann nicht zulassen, dass er ihr zu nahe kommt und ihr größtes Geheimnis herausfindet. Wäre da nur nicht diese unbändige Leidenschaft, in der sie bei jedem Blick von ihm zu ertrinken droht …

Impressum

Secret Desires

Erstausgabe August 2020

Copyright © 2022 Secret Desires, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
Made in Stuttgart with ♥
Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-96817-265-1
Taschenbuch-ISBN: 978-3-96817-373-3

Covergestaltung: Vivien Summer
unter Verwendung von Motiven von
shutterstock.com: © Ron Dale, © LightField Studios, © seksan wangkeeree
Lektorat: Claudia Steinke

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Unser gesamtes Verlagsprogramm findest du hier

Website

Folge uns, um immer als Erste:r informiert zu sein

Newsletter

Facebook

Instagram

Twitter

Youtube

1. Lola

„Heilige Scheiße, du hast die geilsten Ohren, die ich jemals gesehen habe!“

Warmer Atem streift meinen Hals und seine Zungenspitze spielt mit meinem Ohrläppchen. So kann er wenigstens nicht sehen, wie sehr ich mit mir kämpfe, um nicht laut loszuprusten.

„Glückwunsch. Du hast gerade Dein Po erinnert mich an meine Mutter vom Thron gestoßen. Damit landest du offiziell auf Platz 1 der seltsamsten Komplimente, die ich bekommen habe. Aber trotzdem danke, freut mich, wenn sie dir gefallen.“

Er stößt ein tiefes Lachen aus und leckt an der Rückseite meines Ohres entlang. Nun, da ich mir sicher bin, dass er meinen Humor versteht, kann ich mich ganz seiner Zärtlichkeit hingeben. Mit geschickten Griffen öffne ich die Knöpfe seines weißen Hemdes. Er schiebt meine dunkle Mähne beiseite und macht an meinem Hals weiter. Sofort stellen sich die Härchen in meinem Nacken auf. Ich schließe genüsslich die Augen und lasse das leise Stöhnen zu, das meinen Lippen entweichen will.

„O ja, zeig mir, wie heiß es dich macht.“

Nichts leichter als das. Ich weiß genau, was zu tun ist.

Blitzschnell schiebe ich meine Hand zwischen seine Beine und umfasse mit festem Griff die Wölbung unter der Anzughose. Dabei raune ich ihm einen weiteren Lustlaut ins Ohr und schiebe meine Hüfte nach vorne.

Er reagiert genau wie geplant und drängt sich keuchend gegen mich. Ich muss schmunzeln. Das klappt eben bei jedem. Er streift sich das Hemd von den Schultern und lässt sich nach hinten in die Laken fallen. Ich klettere von seinem Schoß, halte seine Härte aber weiterhin durch den Stoff fest umschlossen.

„Weißt du, was mich noch viel heißer machen würde?“ Ich lege den Kopf schief und sehe ihm tief in die Augen. Normalerweise hebe ich mir diesen Blick länger auf, doch sein angestrengtes Hecheln verrät mir, dass ich ihn heute nicht brauchen werde, um die Sache zum Ende zu bringen. Das wird kein langes Vergnügen.

Er streicht sich durch die grau melierten Haare und schüttelt den Kopf. „Verrat es mir. Ich geb dir alles, was du willst.“

„Es würde schon reichen, wenn du dieses blöde Ding hier loswirst.“ Ich zupfe an seiner Hose.

Er macht sich sofort am Gürtel zu schaffen.

„Und dann will ich ihn spüren. Tief in mir. Während du an meinem Ohrläppchen knabberst. Mmmmh, und langsam meine Ohrmuschel entlangleckst …“

Seine Augen weiten sich. Das lässt er sich nicht zweimal sagen. Ungeschickt quält er sich aus seiner Hose und seinen Shorts. Zeit für meinen Lieblingsmoment.

Ich ziehe mir das Kleid über den Kopf und werfe es neben das Bett. Sein Blick gleitet über meine Kurven. Mit jeder Sekunde kann ich seine Erregung wachsen sehen. Ich gefalle ihm, eindeutig.

„Wow. Du …“ Weiter kommt er nicht, denn ich beuge mich über ihn und recke ihm meine Brüste ins Gesicht. Sofort umschließt er sie mit seinen Händen und beginnt, gierig daran zu saugen. Ein wohliges Ziehen fährt durch meinen Körper.

„Mach weiter“, bitte ich ihn und greife zum Nachttisch, um das Kondom aus seiner Verpackung zu befreien. Als ich es ihm überstreife, kneift er die Lippen zusammen und sieht mit einem unmissverständlichen Flehen im Blick zu mir hinauf. Das Ziehen setzt sich zwischen meinen Beinen fest. Er will mich so sehr.

Kaum merklich schüttle ich den Kopf. Nein, so einfach mache ich es dir nicht.

Seine Brust hebt und senkt sich wie nach einem Marathonlauf. Trotzdem lasse ich mir alle Zeit der Welt. Langsam nähere ich mich. Er saugt Luft durch die Zähne ein, als meine Brüste sich gegen seinen Oberkörper drücken. Wie in Zeitlupe streiche ich eine Strähne hinter mein Ohr und recke es ihm entgegen.

Das ist zu viel für ihn. Er umschließt es mit seinen Lippen und ein animalisches Grollen entweicht seiner Kehle. Auf der Suche nach Halt streicht er hektisch über meinen Körper und drängt sich gegen mich. Gut so. Mein Puls beschleunigt sich. Ich kann mich kaum an seiner Lust sattsehen, aber ich habe ihn lange genug gequält.

Ich öffne meine Beine und lasse ihn gewähren. Er schreit auf. Direkt in mein Ohr. Ich zucke zusammen und stoße ihn zurück auf die Matratze. Dabei bewege ich meine Hüften nur ganz sanft auf und ab, doch es reicht, um seine Wangen rot anlaufen zu lassen.

„O Gott, o Gott, o Gott!“, wimmert er und streckt beide Hände nach meinen Ohren aus. Ich muss mir erneut ein Grinsen verkneifen. Wie können diese Dinger jemanden so sehr anmachen?

Plötzlich ziehen sich seine Gesichtsmuskeln zusammen und seine Mundwinkel zucken unkontrolliert. Wirklich, so schnell?

Ich gebe noch mal ordentlich Gas. Doch schon der zweite Stoßbringt ihn an seine Grenzen. Er krallt sich an meinen Ohren fest. Dann entlädt sich seine Lust mit einem kräftigen Zittern, das seinen ganzen Körper erfasst. Zum Glück habe ich meine Ohren in Sicherheitsabstand gebracht. Diesen Schrei hätte mein Trommelfell aus der Nähe wohl nicht ausgehalten.

Nach einigen endlos langen Atemzügen entspannt sich sein Körper wieder. Er schlägt die Augen auf und ein Lächeln schleicht sich auf seine Lippen. Endlich lässt er meine Ohren los und streicht mir zärtlich durchs Haar.

„Danke. Du bist unglaublich. Wirklich.“ Er zieht mich noch mal zu sich hinunter und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Nun bin ich es, der ein wohliger Schauer über den Rücken läuft. Ich korrigiere mich in Gedanken. DAS ist mein Lieblingsmoment. Doch ich finde schnell mein professionelles Lächeln wieder und krabble aus dem Bett.

„Ich habe zu danken. Mich hat schon lange kein Mann mehr so heiß gemacht. Du weißt, wie man mit Frauen umgeht.“ Wie immer kommt mir die Lüge so locker über die Lippen, dass er keinen Grund hätte, an meiner Aussage zu zweifeln.

Er setzt sich ans Bettende, sammelt sein Hemd vom Boden auf und zieht es wieder an. „Darf ich dich noch was fragen?“

Ich ziehe mir ebenfalls wieder mein Kleid über den Kopf und durchkämme meine Haare mit den Fingern.

„Solange du nicht meine Bankdaten oder meine Adresse willst … schieß los.“

„Das mit den Ohren … das habe ich mir hoffentlich nicht eingebildet, aber … das hat dich auch richtig angemacht, oder?“

Am liebsten würde ich mir die flache Hand vors Gesicht schlagen. Ich mag eine überzeugende Schauspielerin sein, aber wenn er seinen Denkapparat benutzen würde, könnte er sich die Frage eigentlich selbst beantworten. Er weiß, warum ich hier bin. Es ist meine Aufgabe, Männerträume wahr werden zu lassen. Trotzdem schmeichelt es mir, dass er mir selbst diesen Teil abgekauft hat.

„Und wie. Es hat mich total überwältigt. Ich wusste bisher gar nichts von dieser Vorliebe. Deswegen habe eigentlich ich zu danken“, säusle ich und schenke ihm ein zuckersüßes Lächeln.

Er schlüpft in seine Hose und kommt zu mir hinüber. „Dann können wir das bald wiederholen?“

„Ich bitte darum. Du weißt, wie du mich erreichst.“ Ich zwinkere ihm zu und lasse mich ein letztes Mal in seine Arme ziehen.

Im Flur werfe ich noch einen prüfenden Blick in den Spiegel. Mein Make-up sitzt noch, meine Haare sind nicht durchgewuschelt und mein blaues Kleid trage ich richtig herum. Nichts deutet darauf hin, was hier gerade passiert ist. Zufrieden schlüpfe ich in meine Heels. Er lehnt im Türrahmen und beobachtet jeden meiner Handgriffe. Ich genieße seine Aufmerksamkeit und stelle abermals fest, dass er ziemlich gut aussieht. Vor allem in diesem teuren Anzug, der sein Image als erfolgreicher Banker perfekt unterstreicht.

Ich schnappe mir meine Handtasche und ziehe den Reißverschluss auf. Das Kuvert ist noch an seinem Platz. Durch das dünne Papier kann ich das Grün der Scheine leuchten sehen. Ich atme auf. Alles ist gut.

„Melde dich. Bald“, hauche ich ihm zum Abschied ins Ohr und fahre mit den Lippen über seinen Hals. Sofort bildet sich dort feine Gänsehaut. Klappt immer.

„Gott, ja, darauf kannst du dich verlassen.“

 

Ich lasse mir Zeit, den richtigen Schlüssel zu finden und ihn im Schloss herumzudrehen. Schließlich hat Miss Flauschig eine faire Chance verdient, unser Spiel zu gewinnen. Schon durch den Türspalt kann ich erkennen, dass ich ihr zu viel Vorsprung gegeben habe. Sie steht mit aufgerichtetem Schwanz auf der Couch und begrüßt mich mit einem Maunzen.

„Gib’s zu, du schummelst. Liegst den ganzen Tag da rum und wenn ich heimkomme, tust du so, als wärst du schneller gewesen.“

Zur Antwort erhalte ich ein weiteres Miauen. Ich ziehe die Tür hinter mir zu, kicke meine Schuhe in die Ecke und stürme zu ihr aufs Sofa. Natürlich nicht, ohne ihr ein Leckerli aus der Dose auf dem gläsernen Couchtisch zu besorgen. Sie klaut es mir aus den Fingern und verschlingt es mit nur einem Bissen.

Dafür hebe ich sie hoch, drücke sie sanft an mich und vergrabe das Gesicht in ihrem weichen Fell. Sie strampelt um ihr Leben, aber das ignoriere ich. Ein paar Sekunden Liebe haben noch niemanden umgebracht. Sie windet sich trotzdem viel zu schnell aus meinem Griff und verschwindet beleidigt hinter ihrem Kratzbaum.

„Jaja, schmoll du nur, Prinzessin. Wenn es Abendessen gibt, hast du mir sowieso wieder alles verziehen.“

Am liebsten würde ich mich jetzt quer auf die Couch legen und nichts tun, doch ich weiß, dass ich mich nicht entspannen kann, bevor ich alles erledigt habe.

Auf dem Weg in die Küche sammle ich meine Handtasche vom Boden auf und ziehe das Kuvert hervor. Dann öffne ich einen der Hochglanzschränke und stelle einige Lebensmitteldosen und Nudelpackungen auf die Arbeitsplatte. Bis ich endlich an den grünen Müslikarton komme. Ich falte die Laschen auseinander. Mein Geheimvorrat kommt zum Vorschein und ich ziehe die Scheine aus dem Umschlag, um sie zu den anderen zu legen. Zweihundert, Vierhundert, fünfhundert, fünfhundertfünfzig. Passt genau. Ich lege einen grünen Schein beiseite und stopfe die anderen mit in die Müsliverpackung. Wenn ich ihn nicht gleich auf die Garderobe lege, vergesse ich nur, ihn nächstes Mal mit in die Agentur zu nehmen. Dann verstaue ich alles wieder und schlurfe ins Badezimmer.

Nach zwei Minuten bin ich abgeschminkt und trete endlich unter die Dusche. Ich kann es kaum erwarten, den fremden Geruch von meiner Haut zu spülen. Vorsichtig drehe ich den Hahn auf und lasse das dampfende Nass aus der Regendusche auf meinen Körper prasseln. Sofort lockern sich die angespannten Muskeln in meinen Schultern. Es geht eben nichts über eine heiße Dusche.

Ich seife meine Hüften gründlich mit dem fruchtig duftenden Duschgel ein. Das Wasser unter meinen Füßen färbt sich hellbraun. Ich seufze und schließe die Augen. Nicht nach unten schauen. Heute nicht mehr. Ich kenne den Anblick meines Körpers ohne das wischfeste Make-up gut genug. Die zartrosa Dehnungsstreifen, die sich mahnend über meine Haut ziehen und mich an Zeiten erinnern, die ich am liebsten aus meinem Gedächtnis verbannen würde. Ich muss sie nicht sehen, um ihre Last zu spüren. Endlich rinnt das Wasser wieder ungetrübt in den Abfluss und ich drehe es ab.

Das Rauschen der Dusche klingt in meinen Ohren nach. Leider nicht lange genug. Schnell umfasst mich die bedrückende Stille, während ich mich abtrockne. Wenigstens ist der Spiegel beschlagen, sodass ich mich nicht selbst dabei beobachten muss. Trotzdem legt sich nach und nach eine Schlinge um meinen Brustkorb, die sich mit jeder Sekunde enger zieht.

Ich werfe das Handtuch unachtsam in eine Ecke und greife nach meiner Hose. Das eingenähte Schild ragt mir entgegen und mich überkommt der Impuls, sie wieder wegzulegen und eine andere Größe aus dem Schrank zu holen, die über mein ausladendes Hinterteil passt. Werde ich mich jemals daran gewöhnen? Schon vor Jahren ist aus der vier der 48 eine drei geworden. Ich habe die überflüssigen Pfunde abgeworfen wie einen Panzer – doch was ich mir davon erhofft habe, ist nie eingetreten. In meinem Kopf taucht immer noch eine dreistellige Zahl auf, wenn ich auf die Waage steige. Ich spüre Speckrollen, die nicht mehr da sind. Und obwohl die Stille jeden Winkel des Badezimmers erfüllt, kommt sie nicht gegen die leisen Stimmen in meinem Hinterkopf an, die mir zurufen, dass ich nie schön sein werde.

Eilig schlüpfe ich in meine Klamotten und reiße die Badezimmertür auf. Kühle Luft schlägt mir entgegen. Ich lasse sie tief in meine Lunge strömen, doch es hilft lediglich dabei, die Schlinge ein wenig zu lockern.
Erst als ich die Anlage einschalte und mein Handy verbinde, kann ich aufatmen. Die sanften Pianoklänge des Satie-Stücks füllen den Raum und verdrängen die gespenstische Stille. Seufzend lasse ich mich auf die Couch sinken.

Ich werfe einen Blick auf den Kratzbaum, aber Miss Flauschig reckt mir ihr Hinterteil entgegen und scheint nicht an einer Kuschelrunde interessiert zu sein. Also wickle ich mir meine Lieblingsdecke um den Körper und sinke in die Kissen.

Eigentlich wäre das der Zeitpunkt, um zu entspannen und alle Gedanken loszulassen. Ich konzentriere mich auf die Melodie, das Zusammenspiel der harmonischen Töne, die Ruhe, die das Stück mir zu vermitteln versucht. Doch es gelingt mir nicht. Immer wieder drängt sich mein Unwohlsein in den Vordergrund. Dabei kann ich nicht einmal festmachen, woran genau es liegt. Was ist heute nur wieder los? Es ist doch alles wie immer. Kein Grund für schlechte Laune. Und erst recht nicht für diese drückende …

Ich schrecke auf. Eine mir nur allzu bekannte Melodie übertönt das Piano. Mein Handy tanzt in ihrem Takt auf dem Tisch.

Es ist Dominik. Eigentlich habe ich keine Lust, mit ihm zu reden. Aber meine Neugier ist stärker.

Ich stoppe die Musik und nehme den Anruf an.

„Ich hoffe, du hast einen guten Grund, meinen Feierabend zu stören“, begrüße ich ihn.

Er lacht. „Dir auch einen guten Abend. Ja, ich bin noch am Arbeiten und habe nicht so früh Feierabend wie du, danke der Nachfrage.“

Ich rolle mit den Augen, allerdings zucken auch meine Mundwinkel nach oben. Zum Glück kann er das nicht sehen.

„Und du rufst an, um mir das mitzuteilen? Ich habe kein Mitleid, sorry. Immerhin bin ich diejenige, die dein Geld verdient.“

„Ach, Lola.“ Er lacht abermals. „Ich habe einen besonderen Auftrag für dich.“

Ich runzle die Stirn. „So besonders wie der Letzte? Nein, das brauchst du gar nicht noch mal zu versuchen. Ich werde keinen erwachsenen Mann wickeln. Auf keinen Fall.“

„Das hab ich kapiert. Es ist nicht der Windel-Typ, versprochen. Es wird dir gefallen.“

„Seit wann ist dir wichtig, dass ich Spaß an meinem Job habe?“, necke ich ihn.

„Nicht ablenken, Süße. Kann ich auf dich zählen? Samstag Abend, drei Stunden?“

Ich zögere. Domis Spezialaufträge. Gleichermaßen geliebt und gefürchtet. Eigentlich bin ich im Moment genug ausgelastet. Ich schnappe mir meinen Planer von der Ablage unter dem Tisch und blättere zum richtigen Datum. Der Samstag ist tatsächlich der einzige Tag, an dem ich noch nicht mindestens 2 Buchungen habe. Trotzdem bin ich mir nicht sicher, ob ich zusagen oder das Vergnügen lieber einem anderen Mädchen überlassen soll.

„Geht das auch noch etwas genauer?“

„Klar. Komm morgen mal vorbei, dann können wir drüber quatschen.“

„Hm“, antworte ich nur. Er klingt so enthusiastisch. Vielleicht hat er wirklich etwas Tolles für mich. Aber das kann auch täuschen. Warum will er es denn nicht am Telefon besprechen? Ich bin nach wie vor skeptisch, doch ich weiß auch, dass die Neugier mich zerfressen würde, wenn ich es mir nicht wenigstens anhören würde.

„In Ordnung. Ich komme vorbei. Aber das ist noch kein Ja!“ „Das reicht mir schon. Wenn ich dir die Konditionen verrate, krieg ich dich sowieso.“

Ich kann das Schmunzeln in seiner Stimme hören. „Das werden wir noch sehen. Bis morgen, Big Boss.“

Ich warte seine Antwort nicht ab, sondern lege sofort auf.

Dann drücke ich erneut auf Play und lausche den Melodien, bis meine Gedanken davonfliegen.

2. Lola

Das edle Leuchtschild des „Diamond Club“ ist noch ausgeschaltet, als ich auf das Backsteingebäude zusteuere. Ob Domi endlich mal eingesehen hat, dass das bei Sonnenschein nur Stromverschwendung ist?

Ich begrüße unseren neuen Türsteher mit einem Nicken. Er winkt mich durch und eilig schlüpfe ich ins Innere, um mich vor der Kälte dieses Oktobermorgens zu retten. Sofort stehe ich in einer Wolke des blumigen Dufts, der im ganzen Club versprüht wird.

„Hey, Lola, du lebst ja noch!“ Lilly beugt sich über den Empfangstisch aus Marmor. Wie schafft sie es nur, jedes Mal hübscher zu werden?
„Hat jemand Gerüchte über meinen Tod verbreitet oder vermisst ihr mich hier nur?“ Ich umrunde den Tresen und drücke sie.

„Es ist bestimmt schon zwei Monate her. Hast du keine Lust mehr auf uns? Was hast du getrieben?“

Ich zucke mit den Schultern. „Es läuft gut. Ich habe mehr Termine, als ich annehmen kann. Da muss ich nicht herkommen.“

„Doch, um uns Gesellschaft zu leisten. Du hast einiges verpasst.“ Sie hält sich die Hand vor den Mund und kichert.

„Ich erwarte detaillierte Berichte. Aber heb’ dir das für später auf. Ich hab einen Termin beim Chef.“

Sie hebt eine Braue und wird plötzlich ganz leise.

„Meinst du, er will …“

Ich schüttle energisch den Kopf. „Nein, er hat einen dieser Spezialaufträge für mich.“

„Ach so … schade. Na dann mal viel Glück.“

„Bis später.“

Ich folge dem Teppich zur geschwungenen Treppe am Ende des Flurs und steige die Stufen hinauf. Ihre Andeutung schwirrt mir durch den Kopf und setzt sich dort fest.

Ich habe schon lange nicht mehr daran gedacht. Es macht auch wenig Sinn, darauf zu hoffen, denn es liegt allein in Dominiks Hand, darüber zu entscheiden. Aber ich könnte es ansprechen. Wenn er mir diesen komischen Auftrag unbedingt andrehen will, wird er bestimmt bereit sein, zu handeln.

Ich widerstehe dem Impuls, wie gewohnt nach links zu den Zimmern abzubiegen und schiebe stattdessen die massive Holztür auf der rechten Seite auf.

Jedes Mal fühlt es sich an, als würde man aus einem Traum herausgerissen werden. Während der Rest des Clubs moderne und prunkvolle Elemente in sich vereint, wird man im Bürotrakt beinahe von der Nüchternheit der Einrichtung erschlagen. Kein einziges Bild schmückt die weißen Wände, das Holz des Parkettbodens ist grau ausgeblichen. Ich klopfe an Dominiks Zimmer.

„Hereinspaziert“, dringt es zu mir nach draußen.

Er sitzt hinter seinem Schreibtisch, der fast die gleiche Farbe hat wie der Boden. Als ich den Raum betrete, hebt er den Blick von seinem Bildschirm. Neben zwei Aktenschränken und einer halb vertrockneten Topfpflanze ist auch dieser Raum völlig kahl. Eins muss man ihm lassen: Er lässt seinen Reichtum nicht raushängen und scheint sehr genügsam zu sein. Oder er hat einfach keinen Geschmack.

„Ich würde dir ja einen Kaffee anbieten, aber die Maschine ist kaputt. Wasser oder ein Glas Sekt?“

„Gute Taktik. Mich abfüllen, damit ich für deinen Auftrag gefügig bin und einfach ja sage. Also nein, danke.“

Ich versuche, meinen todernsten Gesichtsausdruck beizubehalten, doch ich halte nicht lange durch und grinse ihn an.

„Du weißt doch, so mag ich meine Mädels am liebsten - willenlos und komatös.“ Ich stimme in sein Lachen mit ein.

Dominik ist definitiv der beste Chef, den man sich als Escort nur wünschen kann. Im Gegensatz zu vielen anderen in der Branche behandelt er uns nicht wie seelenlose Kapitalanlagen, bei denen nichts als der Körper zählt. Schon bei meinem Vorstellungsgespräch vor drei Jahren hat er mir offengelegt, dass er nur Frauen einstellt, die mehr zu bieten haben als Silikon in den Brüsten – nämlich Köpfchen und Charakter. Deswegen brauche ich mir keine Gedanken zu machen, wenn ich ihn ein wenig ärgere. Er wird es mir nicht übel nehmen - ganz im Gegenteil. Ich kann sogar noch damit punkten.

„Also, hau raus. Welchen Anschlag willst du diesmal auf mich verüben?“

Er lehnt sich im Drehstuhl zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. Seine blauen Augen blitzen auf, als er zu sprechen beginnt. „Drei Stunden. Fünf fünf. Einen davon für mich. Jede Menge Spaß für dich. Kein Sex mit dem Kunden.“

„Das ist unser normaler Satz für eine Stunde. Und das für drei? Warum sollte mich das überzeugen?“

„Nicht hundert. Tausend.“

Ich schlucke. „4500 Euro für drei Stunden ohne Sex?“ Das kann nicht sein. Da muss es einen Haken geben.

„Das habe ich nicht gesagt. Ich sagte, kein Sex mit dem Kunden.“

Jap, da haben wir es. Da kommt das Aber.

„Ich schlafe nicht mit Tieren oder Kindern, falls du das andeuten willst. Und du solltest so was auch gar nicht erst anbieten.“

Er fährt sich übers Gesicht. „Ich erinnere mich, warum ich dich angestellt habe. Du hast wirklich eine blühende Fantasie. Aber es erschreckt mich, was du mir alles zutraust.“

Ich hebe die Brauen. „Also nicht? Was ist es dann?“

„Pass auf. Das ist einer meiner besten Kunden. Er hat schon viele schöne Stunden mit unseren Mädels verbracht und immer wieder angefragt. Ich habe ihm jedes Mal gesagt, dass wir diesen Service nicht anbieten, aber er hat nicht locker gelassen. Diesmal konnte ich nicht Nein sagen. Er hat so viel geboten. Überleg mal, wie lukrativ das ist - und ich will ihn nicht als Kunden verlieren. Verstehst du?“

„Gewissermaßen. Wenn du mir nur endlich verrätst, was zur Hölle ich für ihn tun soll.“

„Er hat eine … leicht voyeuristische Ader. Er hat noch nie mit einem der Mädchen geschlafen, er hat ihnen immer nur zugesehen. Aber das reicht ihm diesmal nicht. Er will den ultimativen Kick. Deswegen …“ Er stockt, aber ich bedeute ihm mit einer Geste, weiterzusprechen.

„Deswegen will er nicht nur eine Frau buchen, sondern ein Paar. Um sie aus nächster Nähe zu beobachten. Sam wird den männlichen Part übernehmen. Fehlt nur noch eine passende Dame.“

Mein Mund klappt auf. Hat er das gerade wirklich gesagt?

„Regel Nr. 1: Don’t fuck the company. Waren das nicht deine Worte?“

Er wendet den Blick ab und fährt mit dem Finger den Papierstapel auf dem Tisch entlang. „Schon … aber dieses eine Mal wird ja wohl nicht schaden. Und es ist etwas anderes, wenn es ein Auftrag ist.“

„Warum soll ich das machen? Tiffy wäre sicher sofort dabei.“

Mit konzentrierter Miene sortiert er die Papiere neu. Es ist ihm also verdammt unangenehm – zurecht. Schließlich ist er es, der uns immer wieder predigt, sich auf nichts mit einem unserer Callboys einzulassen. Bisher habe ich ihm dabei sogar recht gegeben. Es könnte zu Gerüchten und unangenehmen Situationen im Club führen. Oder im schlimmsten Fall dazu, dass einer der beiden seinen Job nicht mehr richtig ausüben kann. Umso mehr überrascht mich sein Angebot. Er kennt meinen Standpunkt.

„Ehrlich gesagt hatte ich schon eine von den Diamonds eingeteilt.“

„Aha, zweite Wahl also.“ Ich verschränke ebenfalls die Arme vor der Brust und schiebe die Unterlippe vor.

„So würde ich das nicht sagen. Der Kunde hat explizit nach einer Dame mit dunklen Haaren und blauen Augen gefragt. Da kommen nicht so viele in Frage. Und nachdem ich mir schon dachte, dass du nicht sofort Juhu schreien wirst, habe ich erst Jeanny gefragt. Aber sie hat sich gestern krank gemeldet.“

Er hebt den Kopf und sieht mir in die Augen. „Bitte. Sonst kann ich mich doch auch auf dich verlassen. Die Männer lieben dich. Du bist die einzige, die sich dieses Jahr noch keine Beschwerde eingehandelt hat. Enttäusch mich nicht.“

Er macht es mir wirklich nicht leicht. Die Konditionen sind verlockend und im Prinzip ist es leicht verdientes Geld. Der Gedanke, einen stillen Beobachter zu haben, behagt mir zwar nicht ganz, aber ich habe schon deutlich Schlimmeres über mich ergehen lassen. Andererseits muss ich dafür mit einem Kollegen schlafen. Kann ich ihm danach noch im Club begegnen, ohne vor Scham zu erröten? Wird er vielleicht sogar mit jemandem aus dem Team über mich reden und am Ende wissen alle, wenn ich etwas falsch gemacht habe oder es ihm nicht gefallen hat?

Dominik steht die Verzweiflung jedoch ins Gesicht geschrieben. Ich soll ihm aus der Patsche helfen – und ich bin vermutlich die Einzige, die das kann. Wenn es ihm so wichtig ist, ist er vielleicht auch bereit, noch mehr dafür zu geben. Lilly hat mir unfreiwillig die perfekte Verhandlungsbasis offenbart.

Das ist meine Chance. „Wenn alle so zufrieden mit mir sind und ich dir so viel wert bin …“ Er seufzt, bevor ich den Satz beendet habe. Natürlich weiß er, worauf ich hinaus möchte. „… bin ich es dann nicht auch wert, endlich in die Diamond-Kategorie hochgestuft zu werden?“

Ich sehe ihn mit großen Augen an und zaubere den niedlichsten und unschuldigsten Gesichtsausdruck aus meinem Repertoire. Dominik stützt sich auf den Tisch und reibt sich die Stirn.

„Jetzt weiß ich wenigstens, wie du die Männer alle um den Finger wickelst“, murmelt er. Doch ich gebe nicht nach und bedränge ihn weiterhin mit meiner Niedlichkeit. Jetzt kann ich nicht nachgeben. Er ist so kurz davor. Los, sag ja!

„Verdammt. Na gut. Wenn du das am Samstag zur Zufriedenheit des Kunden erledigst, kriegst du dein Upgrade.“

„Dauerhaft?“, hake ich nach.

„Ja, was denn sonst. Wir machen hier keine halben Sachen, du kennst mich doch.“ Er klingt genervt, doch seine Worte zaubern mir ein strahlendes Lächeln ins Gesicht. Ich kann es kaum glauben. Es war so einfach. Warum habe ich monatelang gewartet, um das Thema anzusprechen? Ich springe auf und stürme um den Tisch herum. „Danke, danke, danke! Du bist der beste Chef auf der Welt!“ Ich umschlinge ihn und den Stuhl von hinten und drücke ihn fest. Er denkt wohl, ich will einen Anschlag auf ihn verüben, denn er zieht den Kopf ein und macht sich klein. „Nicht mehr lange, wenn du mich zerquetschst.“

Ich lasse ihn wieder los und er dreht seinen Stuhl zu mir um. Nachdenklich mustert er mich und steht dann auf. „Du hättest es auch so gemacht, stimmt‘s?“

„Wer weiß. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht.“ Ich zwinkere ihm zu und wende mich zum Gehen. „Schick mir die Adresse durch. Und sag diesem Sam, dass ich ihn eigenhändig kastriere, falls er irgendwem davon erzählt.“

Dominik setzt sich aufs Fensterbrett und schüttelt den Kopf, als ich ihm von der Tür aus winke.

„Nächstes Mal stelle ich ein paar devote Dummchen ein. Ihr bringt mich noch ins Grab.“

Ich werfe ihm noch eine Kusshand zu und verlasse den Bürotrakt.

Der Tresen ist unbesetzt, als ich wieder im Empfangsbereich ankomme. Weil ich Lilly auch nicht in der Kaffeeküche finde und keine Ahnung habe, wohin sie verschwunden ist, schreibe ich kurzerhand Tiffy eine Nachricht. Wenn ich schon mal hier bin, kann ich die Zeit auch nutzen, um ein wenig mit meiner besten Freundin zu plauschen. Sie antwortet sofort. Sie ist zwar nicht hier, aber da ihre Wohnung nur zwei Straßen weiter liegt, wird sie jeden Moment hier sein.

 

Zehn Minuten später sitzen wir gemeinsam an der Bar. Normalerweise nutzen wir den Club nicht für private Treffen und Gespräche, doch um diese Uhrzeit am Morgen verirrt sich niemand hierher. Außerdem ist Tiffy immer dabei, wenn sie unsere Mitarbeiter-Getränke-Flatrate ausnutzen kann.

Der Barkeeper stellt uns wortlos zwei Cappuccino vor die Nase. Währenddessen berichte ich ihr von dem Gespräch mit Dominik und meinem Upgrade. Sie lauscht gebannt.

„Krass, da hast du ihn einfach erpresst. Wenn ich nur mal früher gewusst hätte, wie leicht das geht …“ Sie winkt ab und greift zu ihrer Tasse. „Auf dich, deine Beförderung und ewigen Reichtum!“

Lachend stoße ich mit ihr an und verbrenne mir fast die Zunge.

„Hat er dir wenigstens verraten, mit wem du diese Show abliefern sollst?“, hakt Tiffy nach.

„Ich glaube, er hat Sam gesagt oder so ähnlich. Aber damit kann ich nicht viel anfangen, ich kenne keinen von den Jungs persönlich.“ Ich zucke mit den Schultern, doch Tiffy pfeift durch die Zähne und fächert sich Luft zu.

„Uhhh, da hätte ich auch nicht Nein gesagt. Den hab ich gleich an meinem ersten Tag in der Küche getroffen. Wollte ihn zur Schnecke machen, weil ich dachte, er wäre ein Kunde und hätte sich eingeschlichen. Da wusste ich noch gar nicht, dass wir auch männliche Escorts haben. War ziemlich peinlich, aber er hat es zum Glück mit Humor genommen.“ Typisch Tiffy. Doch durch ihre vorlaute und direkte Art hat sie im Gegensatz zu mir keine Probleme damit, immer wieder mit Fremden ins Gespräch zu kommen. Kein Wunder also, dass sie Sam kennt. Wahrscheinlich arbeitet hier niemand, mit dem sie noch nicht gequatscht hat. Oder gestritten.

„Also kein arrogantes Arschloch. Sehr schön. Ein gutes Gefühl habe ich bei der Sache aber trotzdem nicht.“

„Warum, was soll schon passieren? Er ist verdammt heiß und du kriegst sogar noch Geld dafür, das auszukosten. Wenn du tauschen willst … ich bin sofort dabei.“

„Stell dir vor, es läuft irgendwas schief. Ich bekomme plötzlich meine Tage oder tu ihm versehentlich weh. Wenn mir das bei einem Kunden passiert, ist das auch blöd, aber sobald ich aus der Tür draußen bin, ist es vergessen. Nicht bei ihm. Er erzählt es seinem Kumpel, der erzählt es einem der Mädels … und sofort wissen alle, was passiert ist. Oder es gefällt ihm einfach nicht und er erzählt allen, dass ich schlecht im Bett bin.“

Tiffy wirft ihre Haare zurück, die im Licht der LED-Lampen in noch dunklerem Rot erstrahlen als sonst. Dann beugt sie sich zu mir hinüber und greift nach meiner Hand.

„Na und? Du machst dir viel zu viele Gedanken. Scheiß doch drauf, was die über dich denken. Hab Spaß und mach dich mal ein bisschen locker. Warum sollte ausgerechnet mit ihm etwas schiefgehen? Wir machen so was jeden Tag, wir wissen doch, wie es geht.“ Sie lächelt mir aufmunternd zu.

Ja, sie hat recht. Einmal weniger denken. Und am Ende mit einem netten Haufen Scheine nach Hause kommen. Ich drücke ihre Hand. „Danke. Dann werde ich mal testen, was unser Kollege so drauf hat.“

3. Sam

Grau. Ich betrete den Kleiderschrank und die obere Stange sticht mir ins Auge. Schon habe ich mich entschieden. Trotzdem fahre ich mit einer Hand die Reihe entlang. Mit der anderen ziehe ich mein Lieblingshemd vom Haken. Beim Anblick des einsamen, weißen Hemdes am hinteren Ende schleicht sich ein hämisches Grinsen auf meine Lippen. In welchem Wahn habe ich den Fetzen nur gekauft? Ich werde es sowieso niemals tragen. Weiß. Weiß wie die Unschuld. Wie ironisch.

Der Alarm meines Handys reißt mich aus den Gedanken. Mist. Schon wieder so spät. Wo ist die Zeit nur hin? Ich streife mir das Graue über und schließe eilig die Manschettenknöpfe. Die Dinger wehren sich wie blöd, also lass’ ich es sein.

Auf dem Weg nach draußen schnappe ich mir mein schwarzes Jackett von der Sofalehne. Das geht immer. Hab’ auch keine Zeit mehr, etwas Passenderes zu suchen. Heute ist es eh egal. Für Jeanny wird es gerade noch reichen.

Ich nehme zwei Treppenstufen auf einmal. Erst an der Haustür fällt mir auf, dass ich auch meine Krawatte vergessen habe. Scheiß drauf.

Die Scheinwerfer meines Lamborghini leuchten auf. Ich schwinge mich hinter den Fahrersitz und starte den Wagen per Knopfdruck. Das tiefe Röhren des Motors lässt meinen Brustkorb vibrieren. Sofort fühle ich mich besser. Wer könnte in dieser Kanone unglücklich sein?

Ich drehe das Radio auf, aber meine Gedanken sind lauter. Es war eine Scheißidee, diesen Auftrag anzunehmen. Hätte Domi mir gleich gesagt, dass meine Partnerin Jeanny sein wird, hätte ich niemals zugestimmt, verdammt. Die letzten Male, als wir uns im Club begegnet sind, haben mir gereicht. Am Anfang fühlte ich mich ja noch geschmeichelt von ihren Bemühungen, sich an mich ranzumachen. Doch spätestens nach ihrer dritten Aktion, bei der sie mir vor Kollegen zwischen die Beine gefasst hat, war es echt nicht mehr witzig. Ich hätte wissen müssen, dass sie mit ’ner direkten Abfuhr nicht umgehen kann. Aber dass sie mir das Leben gleich so schwer machen musste …

Ich umfasse das Lenkrad fester. Schade, dass es nicht ihr Hals ist. Zu gerne würde ich ihn ihr umdrehen. Die Aktionen, die sie danach gebracht hat, gingen einfach zu weit. Da hilft auch ihre Entschuldigung vor ein paar Wochen nicht mehr. Die hat sie sowieso nur vorgeschoben, um den erbärmlichen Rest ihres Rufs zu retten. Dieses hinterhältige Miststück.

In der Nähe des Luxushotels finde ich sogar einen Parkplatz. Ich rangiere in die Lücke und nehme mir einen Augenblick, um mich zu sammeln. Am liebsten würde ich sofort wieder abzischen. Kann ich aber nicht.

Es geht um einen Haufen Kohle und Domi wäre nicht gerade erfreut, wenn ich seinen besten Kunden vergraule. Also Augen zu und durch. So schlimm wird es schon nicht werden. Wenn Jeanny sich darauf einlässt, kann ich das auch.

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich es schaffe …

Ich öffne die Mittelablage und nehme den Alustreifen zögerlich heraus. Sofort habe ich Alex’ Stimme im Ohr.

„Die Dinger sind Gold wert, Bro. Musst dich deswegen nicht einscheißen. Die brauchen wir alle ab und zu. Es passiert nichts, versprochen. Nur in deiner Hose.“

Ich drehe die blauen Pillen in meiner Hand. Auch wenn Alex sie ständig einschmeißt, wird mir bei ihrem Anblick flau im Magen. Es fühlt sich verdammt falsch an. Andererseits bin ich mir fast sicher, dass sich nichts zwischen meinen Beinen regen wird, wenn Jeanny vor mir steht. Es wird mich schon all meine Kraft kosten, freundlich zu bleiben und mir vor dem Kunden nicht anmerken zu lassen, was ich von ihr halte.

Bevor ich es mir anders überlegen kann, drücke ich eine Pille aus dem Streifen und schlucke sie ohne Wasser herunter. Sie stellt sich in meinem Rachen quer. Ein kräftiger Hustenanfall überkommt mich, aber ich schaffe es, sie in meinen Magen hinunterzuzwingen. Scheiße. Jetzt bin ich offiziell genauso abgefuckt wie die anderen.

Ich sperre mein Auto ab und nehme die kühle Herbstluft in meinen Lungen auf. Dann mal los. Je schneller wir den Mist hinter uns bringen, desto besser.

Wenige Minuten später betrete ich die Designerlobby des Hotels. Ich versuche, die Lage mit einem Blick zu erfassen. Das gestaltet sich jedoch schwieriger als gedacht. Um diese Uhrzeit wimmelt es hier nur so von reichen Schnöseln, die sich zum Ausgehen treffen oder auf den Loungesesseln bei einem Glas Wein plauschen.

Die Dame am Empfang begrüßt mich freundlich, ich erwidere ihren Gruß nur mit einem Nicken und steuere zielstrebig auf die Aufzüge zu. Bloß nichts anmerken lassen. Eines habe ich mit der Zeit gelernt: Man sollte in einer Hotellobby nie so aussehen, als wüsste man nicht, wohin. Die darauffolgenden Gespräche mit den Angestellten können verdammt unangenehm werden.

Dummerweise hat mir Dominik keine Zimmernummer gegeben. Die Anweisung war klar: Treff dich mit Jeanny in der Lobby und geht gemeinsam aufs Zimmer. Pünktlich.

Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass wir schon vier Minuten zu spät sind. Sie muss hier also irgendwo stecken.

Ich lehne mich neben einen der Aufzüge und checke die Lage erneut. Nichts. Sie ist nicht da. Was soll das?

Ich trete von einem Fuß auf den anderen und kontrolliere meine Nachrichten. Ebenfalls nichts. Den Spaß, Domi anzurufen, hebe ich mir allerdings noch ein paar Minuten auf. Sie kommt sicher noch. Sie ist zwar eine Schlampe – aber eine, die ihren Job liebt.

Der Aufzug neben mir öffnet sich mit einem Pling. Er spuckt ein älteres Ehepaar aus und ich trete einen Schritt zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Dabei bleibt mein Blick an der Frau hängen, die neben dem zweiten Aufzug steht. Heilige Scheiße.

Sie streicht sich durch die geglätteten, dunklen Haare, die ihr Gesicht umspielen und aus diesem Winkel nur einen Blick auf ihre gerade Nase gewähren. Aber ihr Kostüm sorgt dafür, dass ich nicht mehr wegsehen kann. Ihr dunkelroter Blazer will einen seriösen Eindruck vermitteln. Der Streifenrock spricht jedoch eine andere Sprache. Er gibt nicht nur ihre endlos langen Beine frei. Ich bin mir sicher, dass ich den Ansatz ihres Pos erkennen könnte, wenn sie sich umdrehen würde. Abgerundet wird ihr Outfit von weißen High Heels und einem Pulli in der Farbe ihres Blazers, unter dem sich jede ihrer Kurven deutlich abzeichnet.

Ich versuche, nicht zu starren. Bestimmt ist sie von vorne nicht mehr so höllisch heiß. Ja, sie hat sicher Warzen, Pickel und Herpes.

Leider ist es aussichtslos. Sie zieht meine Blicke auf sich wie ein Magnet. Es ist sinnlos, sich dagegen zu wehren.

Plötzlich wendet sie den Kopf und sieht in meine Richtung. Mein Herz schlägt einen Salto. Ich blicke geradewegs in ihre Augen. Sterne. Lange Wimpern und ein Strahlen, das mich beinahe umhaut. Keine Warzen, keine Pickel. Die perfekt geformten Lippen ziehen sich zu einem Lächeln. Ob sie sich so weich anfühlen, wie sie aussehen? Diese Frau ist der absolute Wahnsinn.

Plötzlich spüre ich ein Zucken zwischen meinen Beinen. Scheiße. Die Pille. Nicht jetzt! Ich schiebe lässig die Hand in die Hosentasche, um meine aufkommende Erektion zu verbergen. Dann wende ich mich in eine andere Richtung. Sie hat sowieso schon bemerkt, dass ich geglotzt habe. Nicht mehr hinsehen. An alte Omas oder dreckige Rastplatztoiletten denken.

Eine Hand streift meine Schulter. Ich fahre herum und blicke sofort wieder in den Sternenhimmel.

„Bist du Sam? Wenn nicht, ist die Frage jetzt ganz schön peinlich.“ Ihre Stimme klingt tiefer, als ich erwartet hatte. Aber sie gefällt mir. Aus der Nähe ist sie noch schärfer als von weitem. Und das bringt mich so aus dem Konzept, dass es viel zu lange dauert, bis mein Gehirn ihre Frage verarbeitet. Sie weiß, wie ich heiße. Kenne ich sie? Nein, dieses Gesicht und so einen Körper würde ich nicht vergessen. Woher weiß sie also, wer ich bin?

„Jetzt wird es eher für mich peinlich. Ich hab’ nämlich keinen blassen Schimmer, wer du bist.“

Sie legt den Kopf schief. Dabei rutschen ihre Haare von der Schulter und geben ihren Hals frei. Ich beiße mir auf die Zunge, aber es hilft nichts. Sämtliches Blut schießt zwischen meine Beine.

„Lola, wer sonst?“

Ich ziehe eine Augenbraue nach oben. Sie erwartet also, dass ich weiß, wer sie ist. Hab’ ich was verpasst?

„Hat dir Domi wohl nicht Bescheid gesagt?“, fragt sie weiter und rettet mich damit.

Langsam dämmert mir, warum sie hier sein könnte. Bei dem Gedanken scheint sich die Lobby um zwanzig Grad aufzuheizen. Ich schüttle den Kopf, unfähig, meine Vermutung auszusprechen. Verdammt, reiß’ dich zusammen!

„Ich soll dich hier treffen. Wir sind gemeinsam für den Auftrag gebucht. Du hast wahrscheinlich auf Jeanny gewartet, oder?“

Ich kann das dümmliche Grinsen nicht zurückhalten, das auf meine Lippen tritt. Sie muss mich für einen Idioten halten. Ganz toll. Jetzt ist es eh schon scheißegal, was ich sage.

„Ja, aber ich bin froh, dass du da bist. Eindeutig die bessere Wahl.“

Sie senkt den Kopf und ihre blassen Wangen nehmen augenblicklich Farbe an. Am liebsten würde ich über sie streichen, ihre weiche Haut spüren. Ihr Kinn anheben und sie küssen.

„Wir sollten uns beeilen – wir sind schon spät dran.“

Sie sieht mich nicht noch mal an, sondern betätigt den Knopf des Aufzugs. Er öffnet sich und ich lasse ihr den Vortritt. Die Türen schließen sich hinter uns und das Stimmengewirr aus der Lobby verklingt.

Wir sind alleine.

Der Aufzug füllt sich binnen Sekunden mit süßlichem Zimtduft. Er vernebelt meinen Kopf. Ich muss mich beherrschen, nicht das Gesicht in ihrer Haut zu vergraben, um ihn in mir aufzusaugen. Ist es ein Parfüm? Ein Shampoo oder eine Lotion? Ich werde es hoffentlich gleich herausfinden. Mein Atem beschleunigt sich. Der Stoff der Anzughose spannt sich um meine Erektion. Es ist beinahe unmöglich, die Ausbeulung jetzt noch zu verstecken. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht hinsieht. Sonst hält sie mich nicht nur für dumm, sondern auch noch für einen Perversling. Zurecht.

Verdammt, warum habe ich dieses Ding geschluckt? Es wäre absolut überflüssig gewesen. Bei ihrem Anblick hätte ich garantiert keine Probleme gehabt. Im Gegenteil. Ich will nicht warten. Ich will sie hier und jetzt. Ohne Zuschauer. Es wäre so schnell passiert. Ein Griff an meinen Reißverschluss, eine Hand, die ihren Rock hochschiebt …

Sie öffnet den Mund und will offensichtlich etwas sagen, schließt ihn aber gleich wieder. Stattdessen streicht sie sich eine Strähne hinters Ohr und wendet sich der Tür zu, die sich jede Sekunde öffnen muss. Ich habe mich nicht getäuscht. Sie ist schüchtern. Wie passt das zu ihrem Job als Escort?

Mit einem Pling entlässt uns der Aufzug in den fünften Stock. Ich folge ihr den Flur hinunter. Ihr Po schwingt direkt vor meinen Augen auf und ab und ihr Rock rutscht ein Stück nach oben. Aber ich halte meinen Blick starr geradeaus gerichtet. Diese Frau. Ich muss dringend runterkommen. Schließlich bin ich zum Arbeiten hier.

Am Ende des Ganges bleibt sie vor Zimmer S512 stehen und schenkt mir ein verlegenes Lächeln.

„Bereit?“

Sie nickt, zieht ihren Rock wieder zurecht und klopft an die Tür. Sobald das Signalgeräusch der Schlüsselkarte auf der anderen Seite ertönt, verändert sich ihre Haltung schlagartig. Sie richtet sich auf und schiebt die Hüfte zur Seite. Die Tür öffnet sich und ein hässlicher Kerl Mitte Vierzig steht uns gegenüber. Sie setzt ein Lächeln auf, das wohl jeden Mann um den Verstand bringen würde. Krass, wie macht sie das? Sie findet den Typen sicher nicht heiß.

„Guten Abend. Ich bin Lola“, säuselt sie und legt ihm die Arme um den Hals. Dann haucht sie ihm einen sanften Kuss auf die Wange. „Wir dürfen doch reinkommen, oder?“

Auch ihm scheint ihr Anblick die Sprache zu verschlagen, denn er nickt nur eifrig und deutet in sein Zimmer.

Lola stolziert hinein. Doch ich bin mir unsicher, wie ich ihn begrüßen soll. Mist, darüber hätte ich mir auch schon vorher Gedanken machen können. Die Situation ist schließlich nicht alltäglich für mich. Es ist das erste Mal, dass mir ein männlicher Kunde gegenübersteht. Und ich habe keine Ahnung, was er von mir erwartet. Ist er schwul oder bi? Oder bin ich nur dabei, um ihm eine realistische Show zu bieten und es geht hauptsächlich um Lola?

Ich entscheide mich für einen freundlichen Händedruck. Es liegt eben nicht in meiner Natur, mit Männern zu flirten.

„Sam. Schöne Suite haben Sie da.“

Sein Lächeln ist mir sofort sympathisch. Umso seltsamer ist der Gedanke, mich gleich vor ihm auszuziehen und vor seinen Augen mit Lola Sex zu haben.

Die Anerkennung für seine Suite war allerdings ernst. Ich staune nicht schlecht, als ich den Wohnbereich betrete. Hinter der Ledercouch befindet sich eine kleine Bar. Der dazugehörige Glasschrank ist der Wahnsinn – mit allen Alkoholika gefüllt, die man sich nur vorstellen kann. An der gegenüberliegenden Wand entdecke ich einen Kamin, in dem bereits die Flammen züngeln. Doch das Highlight des Hotelzimmers ist eindeutig die andere Hälfte des Raumes. Vor der Glasfront führen drei Stufen hinauf zu einer riesigen Wanne.

Lola zieht ihren Blazer aus und legt ihn auf die Armlehne der Couch. Der Mann kommt zögerlich näher und bleibt unentschlossen zwischen uns stehen. Seinen Namen will er uns scheinbar nicht verraten. Kein Problem. Diskretion gehört zum alltäglichen Geschäft.

Sofort schmiegt Lola sich wieder an ihn. Sie fährt mit einem Finger über seine Brust und berührt wie beiläufig mit der Hüfte seinen Unterleib.

„Welchen Traum darf ich dir heute erfüllen? Du darfst dir alles wünschen, was du willst. Wirklich alles.“ Sie zwinkert ihm zu und ich spüre einen Stich in meiner Brust. Wie gerne würde ich jetzt an seiner Stelle stehen. Ich bin völlig baff. Was ist mit dem zurückhaltenden Mädchen von eben passiert? Von ihrer Schüchternheit ist nichts mehr zu spüren. Im Gegenteil. Sie sprüht nur so vor Stärke und Selbstsicherheit. Und bringt damit nicht nur unseren Kunden völlig aus dem Konzept.

Er schluckt und schiebt zwei Finger unter seinen Hemdkragen, um die Krawatte zu lockern. Sie beugt sich zu ihm und flüstert ihm etwas ins Ohr, das ich nicht verstehe, ihn aber erröten lässt. Das macht sie definitiv nicht zum ersten Mal.

„Ich … also …“, stottert er und räuspert sich. „Ich will euch zusehen. Wenn das geht. Ich will sehen, wie er dich … und … also … “ Sie tritt einen Schritt zurück und gibt ihm damit Raum, sich zu sammeln. Ich schlendere zur Couch und setze mich auf die Armlehne. Wahrscheinlich fällt es ihm leichter, wenn wir ihn nicht beide anstarren.

„Ihr schlaft miteinander und ich … werde es mir hier gemütlich machen und euch ein wenig zusehen. Wie genau ist mir egal. Ich habe nur zwei Wünsche.“

„Mmmmh, und die wären?“, fragt Lola.