INHALT

VORWORT

EINFÜHRUNG

Kapitel I

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WELTEN

Kapitel II

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ERSCHEINUNG DES GÖTTLICHEN

Kapitel III

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DIE SEELE DES MENSCHEN

Kapitel IV

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HEILIGKEIT

Kapitel V

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TORA

Kapitel VI

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DIE ENTSCHEIDUNG – EIN WORT ZUR ETHIK

Kapitel VII

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DER MENSCH ALS BILDNIS

Kapitel VIII

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UMKEHR

Kapitel IX

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DIE SUCHE NACH SICH SELBST

Kapitel X

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MIZWOT

Kapitel XI

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GEBET

Kapitel XII

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EINE ZUSÄTZLICHE BEMERKUNG ZUM KIDDUSCH

Kapitel XIII

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PATACH ELIJAHU
ELIJAHU BEGANN UND SPRACH

GLOSSAR

„GLEICH WIE DIE ROSE ZWISCHEN DEN DORNEN…“

(HOHELIED 2:2).

„Was ist die Rose ? Knesset Israel, die Gemeinschaft Israels. Denn es gibt eine Rose (oben) und eine Rose (unten). So wie die Rose unter den Dornen rot und weiß besitzt, so besitzt Knesset Israel Gerechtigkeit und Erbarmen. So wie die Rose dreizehn Blütenblätter hat, so hat Knesset Israel dreizehn Gnadeneigenschaften, die sie von allen Seiten umgeben.“

BEGINN DES SOHAR

VORWORT

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Dieses Buch entstand vor bald drei Jahrzehnten als Antwort auf die Fragen einiger Bekannten und Freunde, die mehr über die innere Bedeutung des jüdischen Lebens wissen wollten. Auch wenn die Dinge den Eingeweihten bekannt sind, so gibt es viele, die mit ihnen nicht vertraut sind. In diesem Buch sind die wesentlichen Inhalte zusammengetragen und in einfacher Sprache angeordnet worden, um jedem zugänglich zu sein.

Dieses Buch zu schreiben, war eine außergewöhnliche Erfahrung für mich. Ich schrieb oder diktierte es in einem abgelegenen Raum, ohne zu wissen oder mir vorstellen zu können, wer seine Leser sein würden. Anfangs wusste ich nicht, ob dieses Buch überhaupt Leser finden würde. Manches schien zu kompliziert, manches schien meilenweit entfernt von irgendjemandes Denkweise.

Das Buch hat dann irgendwie im Laufe der Zeit eine große Zahl von Leuten stark beeinflusst. Dies wurde mir allmählich bewusst in den vielen kleinen Begegnungen, die ich als Autor mit meinen Lesern hatte. In einigen Fällen war die Wirkung weit intensiver, als ich je erwartet hätte. Zumindest für einige begann mit der Begegnung mit diesem Buch eine Veränderung in ihrem Leben, manchmal eine drastische Veränderung.

Ich kann das eigentlich nicht erklären, aber zwei Dinge sind wohl von Bedeutung. Zum einen ist die „Rose“ sicher nicht eines der vielen Bücher, die über die Kabbala geschrieben wurden. Auf seine schlichte Art – und ohne Fachjargon – ist es ein kleines, vielleicht nicht immer ganz eingängiges Buch der Kabbala. Der große Vorteil des Buches ist es, dass es nicht von „außen“ geschrieben wurde, sondern ein Einblick aus dem Inneren heraus ist. Und scheinbar ist der Blick auf das Innere des jüdischen Lebens, des jüdischen Denkens, für Viele von großer Bedeutung.

Zum anderen schrieb ich das Buch, so glaube ich, aufrichtig. Meiner Meinung nach ist die Kabbala die Theologie des jüdischen Volkes. In der „Rose“ geht es eigentlich nicht darum, was andere über die Kabbala sagen, sondern sie beschreibt, was für mich das wahre Bild der Kabbala ist, in den meisten ihrer oft verborgenen Ausbildungen. Die Kabbala ist versteckt, nicht nur durch die Sprache, sondern auch durch ihren Stil, durch Tausende von unverständlichen Redewendungen. Ich versuche nicht, sie zu popularisieren, sondern einige der Prinzipien der Kabbala, die ich als wahr empfinde, einseitig darzustellen.

In unserer heutigen Zeit, da einige entstellte, vermarktete und billige Popularisierungen der Kabbala Mode geworden sind, ist es wichtig zu erklären, dass dieses Buch nicht beabsichtig, die Kabbala simpel zu präsentieren. Diesem Buch muss man begegnen, es kommt nicht jedem entgegen. Der Leser muss sich selbst anstrengen, und diese Anstrengung ist für viele eine leise Berührung der Wahrheit, die von großer Kraft ist.

Obwohl „Die dreizehnblätterige Rose“ ursprünglich auf Hebräisch geschrieben wurde, erschien sie erst in mehreren anderen Sprachen, bevor es zu einer hebräischen Auflage kam. Damals wollten einige den urprünglichen Text korrigieren und verbessern, aber dann ließen sie es sein. Zwei neue Kapitel wurden hinzugefügt. Die vorliegende deutsche Übersetzung entstand ursprünglich aufgrund der ersten beiden englischen Ausgaben. Sie wurde dann aufgrund der hebräische Ausgabe überarbeitet und die beiden neuen Kapitel hinzugefügt.

Diese beiden Kapitel unterscheiden sich vom Rest des Buches. Das eine behandelt ausführlich das Gebet, oder besser das Beten. Nicht die Formen des Gebetes, sondern wie wir beten. Das andere ist ein Kommentar zu einem Kapitel aus dem Sohar, dem wichtigsten Buch der Kabbala, das seine Grundbegriffe enthält. Die Deutung ist so gegeben, dass der Leser etwas Authentischem begegnet, einem Teil der Sache selbst – ich schreibe nicht darüber, beschreibe nicht, sondern ich schreibe es nieder, schreibe es so, wie es ist.

Was wir Wahrheit nennen, birgt in sich ein Geheimnis. Die „Rose“ enthüllt etwas von diesem Geheimnis – sie ist dabei manchmal nicht sehr ausführlich. Und nicht immer sehr vergeistigt. Auch ist vieles in ihr nicht unbedingt neu. Aber sie hat ihre eigene Schönheit. Ich übergebe Ihnen „Die dreizehnblättrige Rose“, damit Sie versuchen können, dem zu begegnen, das in sich wahr ist. Möge dies der Nutzen einer Begegnung zwischen Buch und Leser sein.

Adin Steinsaltz

EINFÜHRUNG

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Wir leben heute in einer Welt, die immer mehr vom Körperlichen bestimmt wird. Dank unserer modernen Technologie werden alle unsere materiellen Wünsche befriedigt: Wir haben nicht nur Brot zum Essen, Kleidung zum Tragen und ein Dach zum Schutz vor den Naturgewalten, sondern auch ein großes Maß an Freizeit. Es ist für uns eine Genugtuung, dass unsere Bedürfnisse mehr als nur befriedigt werden. Natürlich haben wir noch nicht alle diesen Zustand erreicht. Es gibt in unserer Welt immer noch Armut und Hunger (und zu keinem geringen Ausmaß innerhalb der Wohlstandsgesellschaft). Doch jeder weiß, dass einige Dinge knapp sind, und überall auf der Welt unternehmen viele Menschen große Anstrengungen, um Armut, Krankheit und die anderen Geißeln der Menschheit zu bekämpfen. So wie immer mehr Institutionen uns das „Brot“ in all seinen Formen liefern, so gibt es auch immer mehr und immer größere Unternehmen, die sich um den „Vergnügungsanteil“ unserer Bedürfnisse kümmern. Ziel dieser Unterhaltungsindustrie ist es, uns die Zeit zu vertreiben, und zwar mit Produkten der Phantasie, mittels derer wir das Leben und die Erlebnisse anderer genießen können und so unseren Geist befriedigen.

Im Grunde gilt dies auch für die, die sich eigentlich mit unseren geistigen Bedürfnissen beschäftigen sollten. In der Psychologie wird die Psyche kaum betont, und das nicht nur, wenn chemische Mittel benutzt werden, sondern auch, wenn Heilung der inneren Probleme des Menschen mittels Worten versucht wird. Hier geht es darum, praktikable Systeme zu errichten, durch die die Primärtriebe des Menschen innerhalb der jeweiligen sozialen Ordnung weiter funktionieren können. Das religiöse Establishment ist dieser Tendenz nicht sehr fern, ob es nun religiöse Themen psychologisiert oder aus religiösen Institutionen und religiösen Gemeinschaften ein soziales Umfeld für die gegenseitige Hilfe und Unterstützung anderer macht.

Natürlich ist das nicht verwerflich, denn die physischen und sozialen Bedürfnisse eines Menschen müssen ja irgendwie befriedigt werden. Doch der Mensch ist im Grunde ein Geschöpf mit zwei Gesichtern. Wie es in Genesis heißt, der Mensch ist einerseits Staub vom Acker andererseits wurde ihm ein heiliger Geist eingehaucht. Der Körper begreift die Wirklichkeit durch seine körperlichen Sinne. Wir wissen, was wir sehen oder hören, riechen, schmecken und fühlen können. Was wir nicht so direkt erfahren können, erkennen oder fühlen wir über gewisse Drüsen, durch Sexualhormone, Nebennieren oder die Schilddrüse. Aber außerdem hat der Mensch eine Seele. Ob es uns gefällt oder nicht, diese Seele existiert in Symbiose mit dem Körper und bedarf des Körpers, um sich auszudrücken. Aber von sich aus sucht sie nach anderen Welten, tappt in der und durch die körperliche Hülle und ihre Sinne, durch all die Scheidewände des Körperlichen, um sich zu verwirklichen und den Weg in andere Dimensionen zu finden.

Der ständige Druck unserer körperlichen Bedürfnisse, die Unruhe unseres immer hastigeren Lebens, der Lärm und die Aufregung aller möglichen Arten von Vergnügen dämpfen zwar die Begehren der Seele, aber beseitigen sie nicht. Nichts kann sie ersetzen. Oft bleibt nur ein dunkler Schmerz, ein fast unbewusstes Gefühl des Mangels, der Lücke oder der Unzulänglichkeit. Manchmal bricht es mit ungeheurer Kraft als eine große Sehnsucht der inneren Not hervor, auch wenn es nicht so klar ist, was uns da eigentlich fehlt.

Dieses kleine Buch ist ein Buch für die Seele. Es beginnt mit voller Absicht (und vielleicht zum Schrecken einiger Leser) mit der Sicht einer anderen Realität. Es geht nicht von dieser Welt aus oder von dem vertrauten Weg des Menschen in unserer Gesellschaft. Stattdessen versucht es, vom wahren Zentrum allen Seins aus zur Welt und zum menschlichen Leben zu gelangen. Hier wird nicht versucht, vom Judentum zu sprechen, seinen Wert zu beweisen oder es zu rechtfertigen, sondern die Botschaft soll sich vielmehr selbst vermitteln. Wenn jemand seine Seele zuhören lässt, wird die Seele bald herausfinden, dass sie sich nur zu erinnern braucht; denn irgendwie weiß sie das schon alles.

Kapitel I

WELTEN

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Die körperliche Welt, in der wir leben, das uns umgebende objektiv wahrgenommene Weltall, ist nur ein Teil eines unfassbar ausgedehnten Gefüges von Welten. Die meisten dieser Welten sind in ihrem Wesen geistig. Sie gehören einer anderen Ordnung an als die uns bekannte Welt. Was nicht notwendig bedeutet, dass sie irgendwo anders sind, sondern eher, dass sie in anderen Dimensionen des Seins existieren. Die verschiedenen Welten durchdringen einander derart und wirken in einer Weise aufeinander ein, dass sie als Gegenstücke zu einander betrachtet werden können, weil jede sich in der Welt unter oder über ihr widerspiegelt oder auf sie projiziert – mit allen Abwandlungen, Änderungen und auch Verzerrungen, die sich aus einer solchen Wechselwirkung ergeben. Das Ergebnis dieser unendlich verwickelten Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Bereichen beinhaltet auch die spezifische Welt der Wirklichkeit, die wir in unserem Alltagsleben erfahren.

Spreche ich von oberen oder unteren Welten, dann will ich damit keine wirkliche körperliche Beziehung beschreiben, denn im Reich des Geistigen gibt es keine solche Unterteilung, und Worte wie „hoch“ und „niedrig“ beziehen sich nur auf den Ort einer jeden einzelnen Welt auf der Leiter der Ursachen und Wirkungen. Eine ursprünglichere, grundlegendere, weil der Urquelle allen Einflusses näher stehende Welt heißt „höher“; ist eine Welt nachgeordnet, gewissermaßen eine Kopie, dann ist sie „weiter unten“. Die Kopie ist jedoch nicht eine Nachahmung, sondern eher ein ganzes System, ein Gefüge, das mehr oder weniger eigenständig mit seiner eigenen Vielfalt an Erfahrungen, an Eigenarten und an Fähigkeiten lebt.

Die Welt, in der wir gewöhnlich leben, mit allem, was zu ihr gehört, nennen wir die „Welt der Tätigkeit“. Sie schließt die Welt sowohl unserer sinnlichen als auch unserer nichtsinnlichen Wahrnehmung ein. Diese Welt der Tätigkeit ist jedoch nicht durchgängig ein und desselben Wesens und nur von ein und derselben Beschaffenheit. Was wir als die „Welt der physischen Natur“ und der mehr oder weniger mechanischen Vorgänge kennen, d. h. die vom Naturgesetz beherrschte Welt, ist der untere Teil der Welt der Tätigkeit. Über dieser Welt der körperlichen Natur gibt es jedoch einen anderen Teil derselben Welt, den wir die „Welt der geistigen Tätigkeit“ nennen können. Diese beiden Bereiche der Welt der Tätigkeit überschneiden sich in einem Geschöpf – im Menschen, der so zwischen ihnen steht, dass er an beiden teilhat. Als Teil des körperlichen Gefüges des Weltalls ist der Mensch den physikalischen, chemischen und biologischen Gesetzen der Natur unterworfen; aufgrund seines Bewusstseins aber gehört er selbst dann noch zur geistigen Welt, zur Welt der Ideen, wenn dieses Bewusstsein restlos mit Dingen niedrigerer Ordnung beschäftigt ist. Zweifellos sind diese der Welt der Tätigkeit zugehörigen Ideen fast ganz an die materielle, stoffliche Welt gebunden, denn sie erwachsen aus ihr und gehen über sie hinaus, ohne aber je wirklich von ihr loszukommen. Dies gilt ebenso für die Höhen des ausgreifendsten und umfassendsten Philosophierens wie für die Denkprozesse des Unwissenden, des urtümlichen Wilden oder des Kindes.

Jeder Aspekt der menschlichen Existenz besteht somit aus beidem, aus Stofflichem und aus Geistigem. Dabei ist in der Welt der Tätigkeit das Geistige dem Stofflichen jederzeit untergeordnet, weil es eben die Naturgesetze sind, die das Gesicht und die Gestalt aller Dinge festlegen und als Brennpunkte aller Prozesse fungieren. In dieser Welt kann der Geist nur im festen Rahmen des Wirkens der sogenannten Naturkräfte auftreten und seine Rolle spielen. So weit sich auch das Denken von der sogenannten Realität gelöst und getrennt haben mag, so gehört es doch noch immer zur Welt der Tätigkeit.

Die Welt der Tätigkeit ist jedoch nur eine Welt innerhalb eines allgemeinen Gefüges, das vier grundlegende Seinsdimensionen, vier verschiedene Welten umfasst, jede von ihnen mit ihrem eigenen Kosmos unterschiedlicher Wesenheiten. Die überlieferten Namen dieser vier Welten, von oben nach unten geordnet, lauten „Ausstrahlung“, „Schöpfung“, „Gestaltung“ und „Tätigkeit“. Die Welt unmittelbar über uns ist also die Welt der Gestaltung. Um den Unterschied zwischen den Welten zu verstehen, müssen wir zuerst bestimmte Faktoren begreifen, die allen vier gemeinsam sind und die die Überlieferung als „Welt“, „Jahr“ und „Seele“ bezeichnete. Heute würden wir von „Raum“, „Zeit“ und „Selbst“ (der Erfahrung des eigenen Seins) sprechen. Jede Welt ist von den anderen durch die Art und Weise unterschieden, in der diese drei Faktoren in ihr in Erscheinung treten. So kann es zum Beispiel in unserer Welt Dinge nur in der Weise geben, dass sie einen bestimmten Platz einnehmen. Körperlicher Raum ist der Hintergrund, vor dem alle Objekte sich bewegen und alle Geschöpfe tätig sind. Das, was in den höheren Welten und auch in der Welt der geistigen Tätigkeit dem Raum der körperlichen Tätigkeit entspricht, nennen wir einen „Palast“. Er ist der Rahmen, in dem sich unterschiedliche Formen und Wesen einander nähern und verbinden. Vielleicht können wir ihn mit den in sich geschlossenen Systemen vergleichen, die man in der Mathematik unter der Bezeichnung „Gruppen“ oder „Felder“ kennt. In jedem von ihnen sind alle Teile der Einheit in einer eindeutig feststehenden Weise auf alle anderen Teile und auf das Ganze bezogen. Derartige Systeme und Gefüge können bewohnt oder randvoll, verhältnismäßig dünn besiedelt oder leer sein. Wie dem auch sei – ein derartiges Gefüge aufeinander bezogener Wesen bildet einen „Ort“, einen „Palast“ in den höheren Welten.

Auch die Zeit bedeutet in den verschiedenen Welten jeweils etwas anderes. In unserem Erfahrungsbereich wird Zeit mittels der Bewegung körperlicher Gegenstände im Raum gemessen. Der Begriff „Jahr“ an sich bezeichnet das, was den Vorgang der Veränderung als solchen ausmacht. Es ist der Übergang von einer Sache zur anderen, von Form zu Form, und beinhaltet auch den Begriff der Ursächlichkeit, die alle Umformungen in den Schranken des Gesetzes hält. Je höher man in der Ordnung der Welten kommt, desto weniger lässt sich dieses Zeitgefüge noch gegenständlich fassen, noch ähnelt es irgendeiner Art von Zeit, wie sie uns in der körperlichen Welt bekannt ist. Schließlich wird es nur noch zum reinen Wesen von Veränderung selbst, ja sogar zur bloßen Möglichkeit der Veränderung überhaupt.

Schließlich geht es um das, was wir „Seele“ nennen. Auf der Ebene der Körper ist sie die Gesamtheit der lebendigen Geschöpfe, die in den Dimensionen von Zeit und Raum dieser Welt tätig sind. Obwohl diese Lebewesen ein wesentlicher Teil dieser Welt sind, treten sie innerhalb des allgemeinen Zusammenhangs dadurch hervor, dass sie um sich selbst und um die Welt wissen. Ähnlich sind die Seelen in den höheren Welten ihrer selbst bewusste Wesenheiten, die im Rahmen des Palastes und des Jahres ihrer jeweiligen Welt wirken.

Die Welt der Gestaltung ist, so könnte man sagen, ihrem Wesen nach eine Welt des Fühlens. Ihr hauptsächlicher Gehalt, ihre Art von Erfahrung, ist die Gefühlsregung, welcher Art auch immer. Gefühle sind die Grundstoffe, die die Lebensmuster dieser Welt prägen. Die Lebewesen dieser Welt sind bewusste Erscheinungen einzelner Triebkräfte – Antriebe, etwas ganz Bestimmtes zu tun oder in ganz bestimmter Weise zu reagieren – oder Erscheinungen der Kraft, einen Anstoß in die Tat umzusetzen, der Richtung einer Neigung oder einer Eingebung zu folgen und sie zu verwirklichen. Die lebendigen Geschöpfe der Welt der Gestaltung, die Wesen, die in ihr so am Werk sind wie wir in der Welt der Tätigkeit, nennen wir im Allgemeinen „Engel“.

Ein Engel ist eine geistige Wirklichkeit, mit einem ihr eigenen einzigartigen Gehalt, mit ihr eigenen Eigenschaften und Gepräge. Nicht die körperliche Eigenschaft räumlichen Abstandes unterscheidet einen Engel von einem anderen, sondern ihre unterschiedlichen (höheren, tieferen) Ebenen aufgrund ihrer ungleichen Kraft, etwas zu verursachen, was sich wiederum aus ihren verschiedenen Wesen ergibt. Nun gehören Engel, wie bereits gesagt, in die Welt des Fühlens und Spürens, und deshalb kann ein Engel in seinem eigentlichen Wesen ein Antrieb oder ein Drang sein, etwa eine Neigung zur Liebe, oder ein Ausbruch von Angst, von Mitleid oder Ähnlichem. Kommt ein breiterer, umfassenderer Gefühlsbereich als ganzer zum Ausdruck, dann können wir von „einem Heerlager von Engeln“ sprechen. Im weiten Feldlager der Liebe zum Beispiel gibt es viele Unterabteilungen, praktisch unzählbare Schattierungen und Intensitätsgrade der Zuneigung. Keine Liebe gleicht genau der anderen, so wenig wie zwei Ideen das tun. So ist jeder allgemeine und umfassende Drang oder Antrieb ein ganzes Heerlager, vielleicht sogar ein Palast, und ist nicht durchgehend gleich auf jeder Ebene. Während menschliche Gefühle sich ändern und verändern, weil sich entweder die Leute oder die zeitlichen und örtlichen Umstände ändern, ist ein Engel ausschließlich das Erscheinen des Wesens eines einzigen Gefühls. Das Wesen eines Engels ist somit durch die Grenzen festgelegt, die einem bestimmten Gefühl von innen her gezogen sind, so wie in unserer Welt Persönlichkeit und Innerlichkeit das Selbst jedes Einzelnen festlegen. Dabei führt ein Engel durchaus kein bruchstückhaftes Leben, das lediglich dazu taugen würde, ein Gefühl auszudrücken. Er ist ganz, vollständig, seiner selbst und seiner Umgebung bewusst und fähig, im Rahmen der Welt der Gestaltung zu handeln, zu schaffen und etwas zu bewirken.

Der Engel hat seiner Natur nach die Aufgabe, wie es sein hebräischer [und griechischer] Name besagt, in gewissem Maß ein Bote zu sein, eine ständige Verbindung zwischen unserer Welt der Tätigkeit und den höheren Welten. Er ist es, der Ströme von Lebensenergie zwischen den Welten hin und her fließen lässt. Die Aufgaben eines Engels haben zwei Richtungen: Er kann der Gesandte Gottes sein, den dieser nach unten zu anderen Engeln und zu Welten und Geschöpfen unterhalb der Welt der Gestaltung schickt, oder er kann dazu dienen, Dinge von unten nach oben, aus unserer Welt zu den höheren Welten zu bringen.

Der wirkliche Unterschied zwischen Mensch und Engel besteht nicht darin, dass der Mensch einen Leib hat, sondern entscheidend ist der Vergleich zwischen der menschlichen Seele und dem Engel. Die Seele des Menschen ist äußerst vielschichtig und schließt eine ganze Welt unterschiedlicher lebensbestimmender Faktoren aller Art in sich. Der Engel hingegen hat ein einfaches Wesen, ist also in gewissem Sinne eindimensional. Hinzu kommt, dass der Mensch, aufgrund seiner Vielseitigkeit, aufgrund seiner Fähigkeit, mit inneren Widersprüchen zu leben, und aufgrund einer ihm geschenkten inneren Kraft der Seele, jenes göttlichen Funkens, der ihn zum Menschen macht, die Fähigkeit der Unterscheidung besitzt, insbesondere jener zwischen gut und böse. Es ist diese Fähigkeit, die es ihm ermöglicht, zu großen Höhen aufzusteigen, und umgekehrt die Möglichkeit schafft, zu versagen und auf die schiefe Bahn zu geraten. Für den Engel gilt weder das eine noch das andere. Von seinem Wesen her betrachtet, ist der Engel ewig derselbe. Er bleibt, was er ist. Ob er eine Zeit lang oder allezeit existiert, sein Dasein ändert sich nicht, festgelegt durch die Begrenztheit seiner Eigenart, die ihm bei seiner Erschaffung gegeben wurde.

Unter den abertausenden Engeln, die man in den verschiedenen Welten findet, gibt es jene, die schon vom Anbeginn der Zeit an da waren, weil sie ein fester Bestandteil des Ewigen Seins und der fest gefügten Ordnung des Weltalls sind. Diese Engel bilden in gewissem Sinne die Bahnen des Lebensstroms, auf denen die göttliche Huld in den Welten aufsteigt und niedersteigt.

Andere Engel aber werden ständig neu geschaffen, in allen Welten und insbesondere in der Welt der Tätigkeit, in der Gedanken, Taten und Erfahrungen Engel verschiedener Art hervorrufen. Jede Erfüllung einer Mizwa, eines göttlichen Gebotes, ist nicht nur eine Verwandlung in der stofflichen Welt, sondern auch ein geistiges Geschehen, aus sich heraus heilig. Diese Dimension verdichteter Geistigkeit und Heiligkeit in der Mizwa ist der Hauptbestandteil dessen, woraus ein Engel entsteht. Mit anderen Worten: Die Gefühlsregung, die Absicht, die wesenhafte Heiligkeit des Handelns vereinigen sich und werden zum Wesen der Mizwa als ein selbstständig Seiendes, als eine eigenständige Realität. Dieses unabhängige Dasein der Mizwa schafft, da einzigartig und heilig, den Engel. Eine neue geistige Wirklichkeit, die zur Welt der Gestaltung gehört. So übersteigt die aktive Erfüllung einer Mizwa ihre Wirkung in der stofflichen Welt und verursacht durch die Kraft der in ihr enthaltenen geistig-geistlichen Heiligkeit – einer Heiligkeit, die unmittelbar mit allen höheren Welten in Verbindung steht – eine grundlegende und bedeutsame Umformung.

Die Person, die eine Mizwa tut, die betet oder ihr Denken dem Göttlichen zuwendet, erschafft dadurch einen Engel, eine vom Menschen zu den höheren Welten hin ausgestreckte Hand. Ein solcher Engel, in seinem Wesen mit dem Menschen verbunden, der ihn schuf, lebt aber im Großen und Ganzen in einer anderen Seinsdimension – in der Welt der Gestaltung. Dort, in der Welt der Gestaltung, gewinnt die Mizwa Eigengehalt. Dies ist der Vorgang, in dem die der Mizwa innewohnende besondere Botschaft oder die Gabe an Gott aufsteigen und Veränderungen im Gefüge der höheren Welten auslösen kann – zunächst in der Welt der Gestaltung und dadurch dann in den noch höheren Welten. Wir sehen also, dass eine Tat von höchstem Rang vollzogen wird, wenn das, was unten geschieht, von der körperlichen Bestimmtheit durch Ort, Zeit und Person losgelöst, wenn es ein Engel wird.

Umgekehrt wird manchmal ein Engel von einer höheren Welt zu einer tiefer gelegenen herabgesandt. Was wir die Aufgabe des Engels nennen, kann auf vielen verschiedenen Wegen in Erscheinung treten. Seine wirkliche Gestalt kann der Engel dem Menschen nicht enthüllen, denn dessen Sein, Sinne und Werkzeuge der Wahrnehmung gehören ausschließlich der Welt der Tätigkeit an. In dieser Welt ist der Engel nicht zu begreifen. Er gehört auch dann weiterhin zu einer anderen Dimension, wenn er in der einen oder anderen Form wahrgenommen wird. Wir können das mit jenen Schwingungen eines elektromagnetischen Feldes vergleichen, die außerhalb des von uns gewöhnlich wahrgenommenen begrenzten Frequenzbereiches liegen. Bekanntlich verarbeitet der Gesichtssinn des Menschen nur einen kleinen Ausschnitt des Spektrums; alles andere gibt es für unseren Sehsinn nicht.

Das für gewöhnlich Unsichtbare wird nur durch geeignete Mittel der Umformung und Deutung „gesehen“; in der Sprache der Kabbala ausgedrückt heißt das: Dann, wenn es in Kleider gehüllt oder in Gefäße gefüllt wird, die es für uns wahrnehmbar machen. So müssen zum Beispiel Radio- oder Fernsehwellen durch geeignete Gefäße übertragen werden, damit sie unseren Sinnen zugänglich werden. Gleichermaßen gibt es in der Wirklichkeit der geistigen Welt Bereiche, deren wir uns nur verschwommen bewusst sind. Sogar Tiere können manchmal, wenn auch in begrenztem Maß, die Gegenwart einer solchen geistigen Wesenheit erspüren. Bileams Eselin zum Beispiel, die einen Engel „sah“, hat den Engel natürlich nicht wirklich gesehen. Vermutlich hatte das Tier irgendeine dunkle Empfindung, dass etwas auf es zukomme oder es bedrohe.

Engel sind Menschen auf einem von zwei Wegen offenbart worden: Entweder durch die Schau des Propheten, des Sehers oder des Heiligen, also über die Erfahrung eines Menschen auf dem höchsten Niveau, oder durch eine ganz für sich stehende Wahrnehmung eines gewöhnlichen Menschen, der auf einmal das Vorrecht bekommt, eine Offenbarung von Dingen von höheren Ebenen her zu erhalten. Aber selbst dann, wenn ein normaler Mensch oder ein Prophet in gewisser Weise die Wirklichkeit eines Engels erfährt, bleibt seine sinnengeprägte Wahrnehmung an stoffliche Gebilde gebunden, und seine Sprache greift unvermeidlich zu Wendungen, die wirkliche oder eingebildete körperliche Gestalten wiedergeben. Versucht also der Prophet, wenn er einen Engel sieht, anderen seine Erfahrung zu schildern oder zu erklären, kommt die Beschreibung dem Unheimlichen und Phantastischen nahe. Ausdrücke wie „geflügeltes Himmelswesen“ oder „Augen am Thronwagen in der Höhe“ können die Erfahrung nur blass und unzulänglich wiedergeben, weil diese Erfahrung einer anderen Sphäre mit einer anderen Art von Bildern angehört. Die Beschreibung wird notgedrungen dazu neigen, das Andere in menschlicher Gestalt wiederzugeben. Wir wissen, dass ein Engel überhaupt kein Gesicht und sicher nicht das eines Ochsen hat. Wenn nun aber der Prophet einen Engel mit einem Ochsengesicht beschreibt, so könnte das innere Wesen dieses Engels, weil es eben innerhalb der stofflichen Wirklichkeit verdeutlicht und gespiegelt werden will, sich in einer bestimmten Ähnlichkeit zwischen dem Gesicht eines Engels und dem Gesicht eines Ochsen als Ausdruck einer bekannten geistig-geistlichen Eigenschaft darstellen.

So sind also die Beschreibungen des von den Propheten Geschauten allesamt nicht mehr als Wege, um eine abgehobene, gestaltlose, geistige Wirklichkeit mit dem Wortschatz der menschlichen Sprache darzustellen. Allerdings kann die Offenbarung eines Engels aber auch auf ganz alltägliche Weise geschehen, in ein vertrautes Gefäß gekleidet“ und als „normale“ Naturerscheinung. Das Problem dabei ist, dass derjenige, der einen Engel auf diese Weise sieht, nicht immer weiß, dass da etwas erscheint, dass die Feuersäule oder die menschliche Gestalt nicht ausschließlich dem natürlichen Bereich von Ursache und Wirkung angehören. Und doch tritt der Engel, d.h. die von einer höheren Welt entsandte Kraft, in der stofflichen Welt auf und handelt auch bis zu einem gewissen Grad in ihr. Dabei ist er entweder den Gesetzen unserer Welt gänzlich unterworfen oder er wirkt in einer Art von leerem Raum zwischen den Welten, in dem die körperliche Natur nur eine Art Gewand für eine höhere Wirklichkeit bildet. In der Bibel sieht Manoah, der Vater von Samson, den Engel in der Gestalt eines Propheten, spürt aber auf eine unerklärliche Weise, dass das, was er sieht, kein Mensch ist, dass er ein Geschehen anderer Ordnung erlebt. Erst als der Engel seine Gestalt völlig verändert und zur Feuersäule wird, erkennt Manoah, dass dieses Wesen, dieses Seltsame, das er gesehen und mit dem er sich unterhalten hat, kein Mensch, kein Prophet war, sondern ein Wesen aus einer anderen Dimension der Wirklichkeit – ein Engel.

Es hat noch nichts Überirdisches an sich, dass ein Engel in unserer Welt geschaffen und ohne Weiteres in eine andere Welt geschickt wird. Dies ist Teil eines uns vertrauten Erfahrungsbereichs, etwas, was zum Leben gehört, geradezu Alltagsroutine, weil es doch im Gefüge der Mizwot, in der Ordnung der Heiligung, von alters her verwurzelt ist. Während wir einen Engel schaffen, nehmen wir ihn, den gerade entstehenden, nicht wahr, dieser Vorgang scheint in den Gesamtablauf unserer stofflichen Lebenswelt mit hineinzugehören. Ähnlich hat der aus einer anderen Welt zu uns geschickte Engel nicht immer eine Bedeutung oder Wirkung, die über die normale Gesetzmäßigkeit der Körperwelt hinausgeht. In der Tat ist es oft so, dass der Engel sich genau in der Natur, in der gewöhnlichen Welt des gesunden, in Ursache und Wirkung denkenden Menschenverstandes offenbart; und nur eine prophetische Einsicht oder Ahnung kann zeigen, ob und in welchem Maß höhere Kräfte am Werk sind. Der Mensch ist nämlich, obwohl das Gefüge höherer Welten ihm nicht offenbar und nicht bekannt ist, schon aufgrund seiner Natur in dieses Gefüge eingebunden, und daher erscheint ihm dieses als etwas Natürliches, wie sich für ihn ja auch die Zwiefältigkeit seines Daseins, das sowohl Stoff als auch Geist in sich trägt, von selbst versteht. Der Mensch wundert sich nicht im Geringsten über all jene Übergänge, die er ständig in der Welt der Tätigkeit vollzieht, vom stofflichen zum geistigen Bereich. All die anderen Welten, die ebenfalls unsere Welt durchdringen, erscheinen uns als Teil von etwas ganz Natürlichem. Die Wirklichkeiten der Engel und der Welt der Gestaltung sind, so können wir sagen, Teil einer „natürlichen“ Seinsordnung, genauso an Regeln gebunden wie jener Bereich des Daseins, den wir unmittelbar beobachten können. Deshalb müssen weder das Dasein des Engels noch seine ihn von Welt zu Welt führende „Sendung“ die natürliche Wirklichkeit, die (im weitesten Sinne des Wortes) „Natur“ durchbrechen.

Das Reich der Engel, die Welt der Gestaltung, ist ein Gesamtgefüge von körperlosen Wesenheiten, die meisten von ihnen sind in ihrem Sein also ganz einfach und stimmig. Jeder Engel hat ein deutlich umschriebenes Gepräge, das sich in der Art zeigt, wie es in unserer Welt wirkt. Aus diesem Grund heißt es, ein Engel könne nur eine einzige Aufgabe erfüllen, weil sein Wesen jenseits der Vielseitigkeit des Menschen steht. Das besondere Wesen eines Engels kann sich in unterschiedlichen Dingen und selbstständigen Gestalten bekunden, bleibt aber in sich selbst ein und dasselbe, ähnlich einer einfachen Naturkraft. Obwohl der Engel göttliches Bewusstsein hat, verändert dieses sein Wesen und Wirken in ihrer Eigenart nicht. Er gleicht darin den körperlichen Kräften in unserer Welt, jede von ihnen wirkt in der für sie festgelegten, bestimmten Weise und ändert nicht ständig ihr Wesen. Daraus folgt: So wie es heilige, ins Gefüge des Heiligen eingefügte und in ihm entstandene Engel gibt, so gibt es auch zerstörerische Engel, „Teufel“ oder „Dämonen“ genannt, hervorgebracht durch die Verbindung zwischen den Menschen und jenen Seiten der Wirklichkeit, die das Gegenteil des Heiligen sind. Auch hier erschaffen die Taten des Menschen und seine Lebensgestaltung in all ihren Formen Engel, aber Engel anderer Art, auf einer anderen Ebene, in einer anderen Wirklichkeit. Dies sind feindliche Engel, die Teil einer tiefer stehenden oder sogar einer geistigeren Welt sein können. Letzteres, obwohl diese Engel nicht der Sphäre des Heiligen zugehören, und dies deshalb, weil es, wie in allen Welten und Seinsgefügen, eine wechselseitige Durchdringung und Beeinflussung auch zwischen dem Heiligen und dem Nicht-Heiligen gibt.

Unmittelbar über der Welt der Gestaltung liegt die Welt, die wir „Welt der Erschaffung“ nennen. So wie die anderen Welten, beinhaltet auch sie viele verschiedene Bereiche, Ebenen und Paläste. Wie nun die Welt der Gestaltung eine Vielzahl von geistigen Wirklichkeiten enthält, deren Wesen in der reinen Gefühlsregung besteht, so ist die Welt der Erschaffung eine Welt des reinen Geistes. Diese Geistigkeit der Welt der Erschaffung ist in ihrem Wesen jedoch nicht ein bloßes Denken, sondern drückt sich eher als die Kraft und Fähigkeit zu einem ursprünglichen und tiefgehenden Begreifen aus. Sie ist, anders gesagt, Geist sowohl als Schöpfer als auch als das, was Wissen aufnimmt und verarbeitet.

Einer der Namen der Welt der Erschaffung lautet „Welt des Thrones“, er rührt her von Ezechiels Schau des göttlichen „Thrones der Herrlichkeit“. Derjenige Bereich des Göttlichen allerdings, der den Propheten offenbart worden ist, ist im Allgemeinen die Welt unmittelbar über der Welt der Erschaffung, die wir „Welt der Ausstrahlung“ nennen. Sie ist die Quelle, aus der einige wenige von Gott wissen, hingegen ist die Welt der Erschaffung Sein Sitz oder Sein Thron und, von ihr her, wie geschrieben steht, „die Erde der Schemel Seiner Füße“. Der Göttliche Thron oder Thronwagen ist darüber hinaus auch der Weg für den Strom der göttlichen Lebensfülle hinab zu den Geschöpfen und Dingen unserer Welt und das Mittel, um mit den vielschichtigen Gefügen aller Welten in Verbindung zu treten. Die Welt der Erschaffung ist also der Punkt, in dem sich alle Wege des Daseins kreuzen. Hier treffen sich die von den unteren Welten heraufflutende und die von den höheren Welten herabflutende Lebensfülle und gehen eine Art von Beziehung miteinander ein. Daraus folgt dann, dass das höchste Geheimnis der nicht-öffentlichen Lehre darin besteht, den „Weg des Thronwagens“ zu kennen und zu verstehen, wie der göttliche Thron der Herrlichkeit wirkt. Über dieses Geheimnis hinaus kann der Mensch, selbst der Seher oder der Empfänger einer Offenbarung, nur ungewisse Eindrücke erhalten von Wesenheiten, deren Ort jenseits menschlichen Begreifens liegt. Denn die Welt der Erschaffung ist eine Welt, die der Mensch nur auf dem höchsten Punkt seiner Entwicklung erreichen konnte, was beweist, dass ein Teil seiner Seele zu diesem besonderen Bereich gehört. So ergibt sich: Wer das Geheimnis des Thronwagens begreift, steht genau an dem Punkt, in dem sich die verschiedenen Welten kreuzen. An diesem Schnittpunkt wird dem Menschen Wissen von allem, was war, ist und sein wird, von dessen Bestand und Verwandlung zuteil, und er wird des Göttlichen als der ersten Ursache, als des ersten Bewegers all der Kräfte gewahr, die aus allen Richtungen wirken. Offensichtlich ist dem Menschen als Menschen ein vollständiges Erreichen dieser Einsicht unmöglich. Dennoch verschafft schon ein teilweiser Einblick in den Thronwagen ein Gespür für das, was in allen Welten vor sich geht.