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Mit Beiträgen von:

Daniela Eisenheld

ist Master Personal Trainer und hat darüber hinaus Ausbildungen in den Bereichen Bewegung und Ernährung absolviert. Als Mutter weiß sie gut, was es bedeutet, Job, Familie und Fitness unter einen Hut zu bringen.

„Wer sich bewegt, der bringt etwas in Bewegung!“ - so lautet ihr Motto. Mehr über Daniela Eisenheld finden Sie unter www.elli-macht-fit.com

DI Pascale Neuens

Plötzliche Nahrungsmittel-Unverträglichkeiten haben die Architektin Pascale Neuens auf ihren neuen Weg zum Herzensbusiness geführt. Und so ersetzte sie Zahlen, Pläne und ihren Job an der TU Wien durch bunte Erfolgsrezepte und Traditionelle Chinesische Medizin.

Mit Gemüserezepten, klaren Gedanken und einem guten Gefühl integriert sie Wohlbefinden, Leichtigkeit und Lebensfreude in den dichten Alltag ihrer Kund*innen.

Univ.-Prof. Dr. Christian Wöber

ist Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Prof. Wöber leitet den Spezialbereich Kopfschmerz an der Univ.-Klinik für Neurologie Wien. Seine Beschäftigung auf dem Gebiet des Kopfschmerzes umfasst Patientenbetreuung, Lehre und Forschung. Prof. Wöber ist Autor/Koautor von mehr als 180 Artikeln in Zeitschriften, Büchern und Lehrbüchern.

Ein besonderes Anliegen ist Prof. Wöber die ärztliche Fortbildung auf dem Gebiet des Kopfschmerzes, wie auch die umfassende Information von Kopfschmerzbetroffenen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Leseanleitung

Meine persönliche Geschichte - mit einem Lichtstreifen am Horizont

Medizinische Grundlagen der Migräne

Was ist Migräne?

Genetik

Entstehungsmechanismen

Botenstoffe

Häufigkeit

Diagnose und Symptome

Migräne mit und ohne Aura

Abgrenzung

Therapie

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Medikamentöse Maßnahmen

Prophylaxe

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

Medikamentöse Maßnahmen

Was Sie unbedingt über Migräne wissen sollten

Weniger Medikamente für mehr Lebensqualität

Immer auf Hochtouren

Der Teufelskreis Stress – Migräne – Stress

Vor dem Gewitter

Nach dem Gewitter

Selbsthilfe

Erste Schritte zur Selbsthilfe

Das Superhirn

Wovor schützt mich meine Migräne?

Mal wieder als Superwoman unterwegs?

Hat Migräne auch positive Aspekte?

Mein Porsche im Kopf

In kleinen Schritten zu mehr Lebensfreude

Was will mir meine Migräne sagen?

Die inneren Stressverstärker

Der Stressverstärker-Test

Neuausrichtung der inneren Glaubenssätze

Akzeptanz

Der Umgang mit meiner Migräne

Verdrängung und Verleugnung

Positive Ablenkung

Die Migräne akzeptieren

Kein Schönreden!

Freiheit trotz Migräne – raus aus der Opferrolle

Funktionieren Sie noch oder leben Sie schon?

Mein Zufriedenheitsmobile

Meine persönliche Wertehierarchie

Mein Migräne-Ziel

Und wenn es nun doch passiert?

Präventive Maßnahmen

Die Körperwahrnehmung stärken

Körperbewusstsein aufbauen

Loslassen von emotionalem und körperlichem Ballast

Überbelastung vorbeugen

Entspannung auf Knopfdruck

Zur Ruhe kommen

Pause machen

Allein sein dürfen

„Nein“ sagen dürfen

Ich darf um Hilfe bitten

Positive und stabile Grundstimmung

Mentale Gedankenlenkung

Fokuslenkung

Umgang mit Emotionen

Abgrenzung

Und tschüss!

Ich darf mir selbst etwas Gutes tun

Ernährung nach TCM (Traditionelle Chinesische Medizin)

Gesundheit – was ist das?

Meridiane und Organe

Gesund bleiben mit gezielter Ernährung

Der Kochtopf

Migräne aus Sicht der TCM

Allgemeine Migräne-Auslöser

Ernährungstipps

Spezifische Formen der Migräne aus Sicht der TCM

Rebellion der Gallenblase

Allgemeine Tipps aus der TCM

Zehn Praxistipps

Experimentierfreude und Genuss

Frühstück

Mittagessen zum Mitnehmen (fürs Büro)

Abendessen

Move it! Bewegung bei Migräne

Individuelles Bewegungsprogramm

Ausdauersport und „langsame“ Bewegung

Welcher Ausdauersport ist passend?

Ein Gewitter zieht auf

Auf die ersten Anzeichen reagieren

Stressempfinden und Copingstrategien

Nur Geduld

Das Gewitter annehmen und ihm den Schrecken nehmen

Stressabbautechniken bei einem beginnenden Gewitter

Gespräch mit meiner Migräne

Gedankenlenkübung für einen ruhigen, klaren Kopf

Entlastende Atemübung für einen freien, leichten Kopf

Was will mein Körper denn von mir?

Der eigenen Intuition vertrauen

Meine inneren Ressourcen

Zugang zu den inneren Ressourcen finden

Innere Ressourcen aufbauen

Zuversicht gewinnen

Die Migräne meldet sich zurück

Wenn es dann doch wieder passiert

Was tun, wenn nichts mehr geht?

Ausstieg aus dem Teufelskreis Stress – Migräne – Stress

Situation annehmen

Distanz zu negativen Emotionen

Depressive Verstimmung als Phase

Sie sind nicht Ihre Gefühle

Linderung des Leidensdrucks

Nicht gegen, sondern mit dem Schmerz

Den Schmerz wegatmen

Mentale Schmerzauflösung

Akupressur

Für die akute Schmerzlinderung

Die Geheimwaffe bei Migräne

Gegen die Übelkeit

Medikamente

Ich darf ich sein

Selbstannahme

Rückzug

Hilfe annehmen

Ausgelesen – und was nun?

Literaturangaben

Vorwort

Zum Thema Migräne gibt es sehr viele Mythen und viele gut gemeinte Ratschläge. In Österreich zählt die neurologische Erkrankung Migräne neben Wirbelsäulenbeschwerden, Bluthochdruck und Allergien zu den häufigsten Krankheitsbildern. Und trotzdem wird noch immer zu wenig über diese Art des Kopfschmerzes und die Belastungen, die damit verbunden sind, gesprochen. Nicht in der Gesellschaft, nicht in unseren Familien und nicht in unserem Freundeskreis - und noch viel weniger am Arbeitsplatz.

Wahrscheinlich haben Sie im Lauf Ihres Lebens schon sehr vieles ausprobiert. Manches hat Ihnen eventuell sogar einige Zeit geholfen oder für eine kurze Zeit Linderung verschafft, doch dann war die Migräne wieder da - und hat Sie wieder mit voller Wucht getroffen! Und damit kehren auch wieder die Ernüchterung und die Verzweiflung zurück, ebenso wie die Angst, wann es das nächste Mal wieder so weit ist - und das Gefühl „Da hilft mir eh nichts“.

Vielleicht haben Sie aber auch gerade erst die Diagnose „Migräne“ erhalten? Auch wenn Sie sich bei Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin gut aufgehoben gefühlt haben, sind Sie mit Ihrem Rezept und mit dem gut gemeinten Ratschlag, Entspannungsmethoden auszuprobieren - denn „Die helfen gut bei Migräne“ - eventuell etwas verunsichert nach Hause gegangen.

Und das soll es schon gewesen sein? Mehr geht nicht?

Es wäre nun einfach, den Kopf in den Sand zu stecken, ein Leben lang Unmengen von Medikamenten zu nehmen und zu resignieren. Aber vielleicht möchten Sie die Aussage „Migräne ist unheilbar - lernen Sie, damit umzugehen“ nicht einfach so hinnehmen? Und außerdem verspüren Sie vielleicht den Wunsch, Ihre Medikamenteneinnahme zu reduzieren?

Dann ist dieses Buch - unabhängig davon, ob die Migräne schon ein langjähriger Begleiter in Ihrem Leben ist oder Sie sich gerade frisch mit Ihrer Erkrankung auseinandersetzen müssen - genau das Richtige für Sie!

Dieser Ratgeber stellt eine Anleitung zur nicht-medikamentösen Selbsthilfe bei Migräne dar. Was können Sie für sich - abseits oder zusätzlich zu Ihrer medikamentösen Behandlung - tun, um trotz oder gerade auch wegen Ihrer Migräne zu einem besseren mentalen, emotionalen, sozialen und körperlichen Wohlbefinden zu finden? Ganz nach dem Motto: „Tausche Kopfgewitter gegen Lebensfreude!“

Ich gratuliere Ihnen zu dem mutigen Entschluss, hinzuschauen und sich und Ihren Körper besser kennenzulernen!

Leseanleitung

Dieses Buch ist in verschiedene Teile gegliedert. Einerseits finden Sie darin Strategien zur Prävention - für beschwerdefreie Zeiten ebenso wie für jene Situationen, in denen Sie merken, dass das „Gewitter“ schon aufzieht. Andererseits finden Sie aber auch Methoden zur mentalen Schmerzauflösung, die Sie im Falle des Falles dabei unterstützen sollen, den Migräneanfall leichter zu ertragen. Gedacht ist es so, dass Sie im Laufe der Zeit alles lesen. Sollten Sie sich jedoch zu einem Kapitel besonders hingezogen fühlen, dann beginnen Sie einfach dort. Sie finden auch immer wieder Querverweise zu anderen Kapiteln oder Abschnitten, in denen Sie Gelesenes vertiefen können.

Alle Übungen sind bewusst in der Du-Form geschrieben. Außerdem werden Sie bemerken, dass Sie kaum Zeitangaben finden - einfach, weil es wichtig ist, dass Sie sich die Zeit nehmen, die Sie dafür benötigen. Und wenn Sie hineineinspüren, dann finden Sie auch die richtige Dauer für sich.

Meine persönliche Geschichte – mit einem Lichtstreifen am Horizont

Meine eigene Geschichte mit der Migräne begann im Jahr 1983 - ich war damals drei Jahre alt. Mein Bruder Alexander hatte eine Schulaufführung, meine Eltern und ich saßen schon im Publikum, da wurde mir plötzlich schlecht. Das war der Anfang einer langen und intensiven Leidensgeschichte, auf vielen Ebenen.

In meiner Kindheit hatte ich circa alle zehn Tage einen Migräneanfall. Dieser zeichnete sich durch erschöpfende Schläfrigkeit und stundenlanges Erbrechen aus. Meist begann es am Nachmittag: Ich wurde müde und sehr ruhig, alles wurde anstrengend. Wenn ich gerade bei Freunden war, ging ich nach Hause oder ließ mich von meiner Mama abholen. Keiner sollte mich so sehen und schon gar nicht einen meiner Migräneanfälle miterleben.

Zuerst wollte ich mich nur hinlegen - alle Arten von Geräuschen oder Licht waren zu belastend für mich. Kurze Zeit später jedoch musste ich mich übergeben, schlief danach total erschöpft ein, wachte auf, übergab mich usw. Diese Abfolge wiederholte sich mehrmals, bis ich dann am späteren Abend endlich wirklich schlafen konnte.

Am nächsten Tag wachte ich mit einem enormen Energieschub auf und hatte das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Ich war wieder das lustigste Kind von allen und erbrachte Bestleistungen. Schon als Kind war ich sehr ehrgeizig, wollte im Kindergarten und natürlich auch später in der Schule die Beste sein, wollte gefallen und beliebt sein - Anerkennung um jeden Preis war sehr wichtig für mich. Auch nein zu sagen oder jemandem eine Bitte abzuschlagen, war - und ist manchmal heute noch - sehr schwer für mich.

Diese Furcht vor Misserfolg und Ablehnung begleitete mich über weite Strecken meines Lebens. Daher war es für mich immer sehr schwer, wenn ich einmal - und sei es auch nur ganz leise und vorsichtig - kritisiert wurde. Das traf mich besonders hart. Um solch eine für mich extrem schmerzhafte Kritik zu umgehen, strengte ich mich noch mehr an und zeigte noch mehr Leistung. Meine Eltern versuchten manchmal, meinen Ehrgeiz und meine Anstrengungen etwas zu bremsen, indem sie mich von zusätzlichen „Leistungssituationen", wie z. B. sportlichen Wettkämpfen, fernhielten.

Ein anderes wichtiges Thema für mich war die Schnelligkeit. Schon im Kindesalter war ich immer etwas flinker als andere, hatte auch den Ehrgeiz, in der Schule immer die Schnellste und Beste zu sein. Ganz besonders liebte ich die „Verständnisübungen“ in der Volksschule, bei denen man zuerst einen Text lesen und danach Verständnisfragen beantworten musste. Für mich brach eine Welt zusammen, wenn ich einmal langsamer als andere war oder - besonders tragisch - sich vor lauter Schnelligkeit dann doch mal ein Fehler eingeschlichen hatte. Erst sehr spät habe ich erkannt, dass ich mich mit diesem Tempo um sehr viel gebracht habe: positive Momente, etwas genießen zu können, achtsam zu leben. Ich arbeite noch immer daran.

In meiner Kindheit und frühen Jugend hatte ich noch keine Kopfschmerzen. Daher konzentrierte sich der Fokus meiner Eltern auf die immer wiederkehrenden Bauchschmerzen, verbunden mit Übelkeit. Dass ich Migräne haben könnte, darauf kam keiner. Und somit blieb mein Zustand unverändert. Meine verzweifelten Eltern unternahmen alles, um herauszufinden, was mit mir los war - der erste Weg führte natürlich zum Kinderarzt, der jedoch nichts feststellen konnte. Danach versuchten wir Kinesiologie, Homöopathie, Familientherapie bis hin zu Heiler*innen.

In den frühen Neunzigern redete noch keiner über „Clean Eating“. Gemacht haben wir es trotzdem. Meine Eltern kochten zuckerfrei für mich, mein Vater stellte sogar Ketchup und Senf ohne Zucker für mich her. Erst als wir ein ganzes Jahr lang zuckerfrei gegessen hatten, hatte ich nicht mehr alle zehn Tage einen Migräneanfall, sondern nur noch alle elf Tage. Ein Tag mehr - ein Gewinn, der für Außenstehende läppisch erscheinen mag. Doch für meine Eltern und mich war es ein riesiger Unterschied. Wenn man sich also die Frage stellt: „Lohnt sich der Aufwand?“, dann lautet, wenn man meine Eltern fragt, die Antwort: „Ja!“

Das Familienleben musste sich meiner mysteriösen Erkrankung unterordnen: Ausflüge und Urlaube wurden zu großen Herausforderungen, der Alltag war geprägt von Wachsamkeit und der Angst vor dem nächsten Anfall.

Was mich am meisten belastete, war, wenn ein Familienausflug wegen mir abgebrochen werden musste oder gar nicht erst stattfinden konnte. Weil es mir eben wieder einmal nicht gut ging. Oder wenn die Familie sich aufteilen musste - meine Mama blieb bei mir und mein Papa unternahm etwas mit meinem Bruder, damit zumindest die beiden etwas gemeinsam machen konnten. Ich hatte immer ein wahnsinnig schlechtes Gewissen. Einfach so auszufallen, anders zu sein - warum ich?

Schon bald bemerkte ich es selbst, wenn wieder ein Anfall bevorstand. Ich sagte aber nie etwas, denn ich wollte nicht schon wieder einen schönen Nachmittag mit meiner Familie ruinieren, eine Urlaubsfahrt stören oder Unruhe in unseren Alltag bringen.

Ich wurde einfach immer ruhiger. Meine Eltern fragten, ob es mir gut gehe, und ich sagte ja. Ich hoffte jedes Mal aufs Neue, dass es irgendwie vorbeiging. Ich wollte es nicht wahrhaben - vielleicht würde ja diesmal alles anders sein? Doch leider endete es immer auf die gleiche Weise: mit einem Migräneanfall. Heute weiß ich: Hätte ich früher etwas gesagt, hätten meine Eltern früher reagieren können. Doch aus falscher Rücksichtnahme und wegen des Wunsches, „normal zu sein“ und nicht aufzufallen, schwieg ich.

Bald erkannten meine Eltern, dass die Migräne ein Art „Druckventil“ war. Oft versuchten sie herauszufinden, was mir zu viel gewesen sein könnte. Sie begannen -verständlicherweise -, mich in Watte zu packen und zu schonen.

Nachdem kein Arzt und keine Methode mir nachhaltig helfen konnte, folgte das, was nach so langer vergeblicher Anstrengung unweigerlich folgen muss: Resignation. Und ich wurde als das abgestempelt, was für mich schon damals das Schlimmste war: ein „Sensibelchen“, das mit Druck nicht besonders gut zurechtkommt. Meine Familie lernte, damit umzugehen: „Die Ulli hat das halt“, hieß es. Und außerhalb der Familie wurde nicht darüber gesprochen.

Nach der Pubertät kamen zu den anderen Beschwerden noch die schrecklichen Kopfschmerzen dazu. Die Anfälle kamen unregelmäßiger und waren nicht mehr so leicht vorhersehbar. In der Zeit vor meiner Matura wurden sie immer häufiger. Und dann - endlich! - kam uns der Zufall zu Hilfe. Mein Vater kam mit einem Neurologen ins Gespräch, und wie das Leben so spielt, kam die Sprache auf mich. Dem Arzt waren die beschriebenen Symptome durchaus vertraut und er riet meinem Vater, bei ihm rasch einen Termin für mich auszumachen. So bekam ich schließlich meine Diagnose: Migräne mit Aura. Was das genau bedeutet, können Sie im medizinischen Teil nachlesen.

Endlich Klarheit - und zumindest die Chance, die richtigen Medikamente nehmen zu können, welche die Anfälle etwas milderten. Es gab einen Lichtstreifen am Horizont.

„Meine Triptane“ - migränespezifische Medikamente - wurden daraufhin meine treuesten Begleiter. Ich scherzte immer: „Mit meinen Triptanen, meinem Pass und meiner Kreditkarte gehört mir die Welt!“, aber eigentlich war es nicht lustig, weil diese Aussage die Bedeutung der Tabletten und die Abhängigkeit von ihnen sehr klar aufzeigte.

Nach dem Studium begann ich zu arbeiten, und meine Anfälle häuften sich wieder. Ich arbeitete sechs Tage in der Woche und erreichte sehr schnell eine fordernde Führungsposition. Der Druck und die Hektik im Arbeitsumfeld waren enorm: keine Zeit für die Mittagspause, das erste Essen überhaupt meist erst am Nachmittag schnell zwischendurch und nur wenn ich Glück hatte ohne Störung und ohne Telefonanruf, den ich entgegennehmen musste.

Ich nahm in dieser Zeit viel zu viele Medikamente: Endlich hatte ich etwas, um weiter zu „funktionieren“, um keine Schmerzen fühlen zu müssen! Alles war auf einmal so einfach: Tablette rein und weitermachen. Wachte ich mit Schmerzen auf, schaffte ich es gerade noch, zu duschen und mit Mini-Schritten zum Bus zu gehen - Autofahren war in dieser Phase nicht möglich. Ich wusste genau, wie lange es dauert, bis „mein“ Medikament wirkt. In der Arbeit würde es wieder gut sein und keiner würde etwas merken. Das war immer meine größte Sorge: zu versagen, schwach zu sein. Heute verstehe ich nicht, warum ich selbst mir nicht mehr wert war. Warum ich nicht besser auf mich geschaut habe. Warum ich das zugelassen habe und nicht öfter nein gesagt habe. Ein Lernprozess ...

Oft haderte ich mit der Migräne: Warum ich? Wie ungerecht, dass gerade ich das hatte! Am schlimmsten empfand ich immer die depressive Verstimmung, die mit der Migräne einhergeht: Alles wirkt anstrengend, aussichtslos, der Mühe nicht wert. Alles, worauf man sich freut, verblasst zu grau in grau.

Den ersten Schritt zur Bewältigung - das weiß ich heute - stellt immer die Akzeptanz dar. Erst wenn man die Situation annimmt, kann man damit beginnen, sie zu verändern.

Leicht gesagt - wie sollte ich etwas akzeptieren, das ich nicht haben wollte, das mir das Leben so schwermachte? Wäre Akzeptanz nicht gleichbedeutend mit totaler Aufgabe und Resignation? Damals hatte ich noch keinen Weg zur Versöhnung dieses scheinbaren Widerspruchs gefunden.

Mein Mann brachte mich oft zu Nachtapotheken, weil die Tabletten wieder mal ausgegangen waren und ich kein Rezept mehr daheim hatte. Ich saß immer wieder einmal weinend beim Hausarzt, weil die Schmerzen so stark waren, dass ich glaubte, sie nicht mehr aushalten zu können. Ich weiß, wie erniedrigend es ist, wenn man schief angeschaut wird und keiner nachvollziehen kann, was in einem vorgeht. Wie dankbar ich für die Infusion war, die ich bekam, und wie schön es war, wenn die Schmerzen endlich nachließen!

Ich wollte alles perfekt machen - einmal „Nein“ zu sagen oder „Das geht sich heute nicht mehr aus“? Undenkbar! Einmal krank zu sein oder auszufallen? Niemals! „Krank sein gibt's nicht!“, das war mein Motto - von meinen Vorgesetzten natürlich gerne gesehen. Ich hatte einen enorm hohen Anspruch an mich selbst, powerte mich total aus, wollte aber nicht hinhören, wenn sich mein Körper zuerst sehr leise, dann immer lauter meldete. Erst im Urlaub merkte ich, wie erschöpft ich wirklich war. Ich war gerade noch fähig, im Liegestuhl zu liegen und am Abend essen zu gehen, alles andere war viel zu anstrengend.

Ich war mein ganzes Leben lang immer „auf dem Sprung“, mit den Gedanken schon beim nächsten Termin oder plante den ganzen nächsten Tag durch. Sehr oft wurde ich als „unruhiger Geist“ bezeichnet, der Langeweile, oder - wenn man es positiv formuliert - Muße nur sehr schwer aushält. Auch hier: Erst sehr spät habe ich erkannt, dass ich lernen muss, auf meine Ressourcen zu achten, nicht immer über meine Grenzen zu gehen, etwas auch mal nicht zu erledigen oder liegenzulassen, es auch einmal gut sein zu lassen - um zur Ruhe zu finden.

Mit 33 schließlich begann ich ein berufsbegleitendes Studium zum Master of Science in Mentalcoaching, das mein Leben grundlegend verändern sollte. Ich lernte mich selbst besser kennen und konnte mich schließlich leichter so annehmen, wie ich bin. Ich erlebte eine Gemeinschaft, in der ich Ich selbst sein durfte - in allen meinen Facetten. Ich fand heraus, was für mich ein erfülltes Leben bedeutet und welche Rolle Gesundheit darin spielt. Ich erlernte mentale, emotionale und körperliche Werkzeuge, die sich gut für die Herausforderungen, die ein Leben mit Migräne mit sich bringt, anwenden lassen. Ich setzte mich mit meinen inneren Antreibern auseinander und erkannte, wie wichtig es ist, meinem Körper Ruhepausen einzuräumen, bevor meine Migräne mich dazu zwingt. Ich begann meine Migräne nicht als Feindin anzusehen, sondern als Verbündete. Als jemand, der sich meldete, wenn ich es wieder mal übertrieb. Wenn ich über meine Grenzen ging, wenn ich wieder mal „Ja“ sagte, obwohl ich „Nein“ meinte. Ich weiß mittlerweile, dass ich sehr geräusch- und lichtempfindlich bin und habe Wege gefunden, im Alltag besser damit umzugehen. Ich eignete mir eine bessere Körperwahrnehmung und die Fähigkeit an, die Vorboten der Migräne besser zu verstehen.

In meinem „neuen Leben“ begleite ich Migränepatient*innen und deren Angehörige im Umgang mit der Erkrankung. Der Fokus dabei liegt auf einer selbstbestimmten und fürsorglichen Selbsthilfe. Was kann ich tun, damit die Migräne nicht mehr mein ganzes Leben dominiert? Wie kann ich wieder mehr Lebensfreude spüren?

Ich halte unter anderem auch Vorträge in Selbsthilfegruppen; den gemeinsamen Austausch schätze ich sehr. Ich möchte Mut machen, offener über Migräne zu sprechen - darüber, wie sich ein Leben mit Migräne anfühlt und welche Unterstützung im Alltag hilfreich ist. Darüber hinaus biete ich auch Vorträge in Unternehmen an, um auf die Herausforderungen im beruflichen Umfeld hinzuweisen, die ein Leben mit Migräne mit sich bringt. Gemeinsam mit den Arbeitgebern entwickle ich geeignete Strategien, um betroffene Mitarbeiter* innen zu unterstützen.

Die Migräne hat für mich ihren Schrecken verloren - ich weiß, was ich präventiv, bei einer beginnenden Attacke und im Akutfall für mich tun kann, und dieses fachliche Wissen, gemeinsam mit meinen persönlichen Erfahrungen, möchte ich Ihnen in diesem Buch mit auf den Weg geben.

Medizinische Grundlagen der Migräne

von Univ.-Prof. Dr. Christian Wöber

Was ist Migräne?

Migräne ist eine häufige, belastende, unterdiagnostizierte, untertherapierte, chronisch rezidivierende1 Krankheit, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann. Im jüngsten Bericht der WHO zur globalen Belastung durch Krankheiten (Global Burden of Disease Study) liegt Migräne unter mehr als 300 Krankheiten an zweiter Stelle und bei den unter 50-Jährigen sogar an erster Stelle. Neben der individuellen Belastung hat Migräne erhebliche volkswirtschaftliche Auswirkungen, die für Europa mit jährlich 50 Milliarden Euro berechnet wurden. Eine gezielte Diagnosestellung und wirksame therapeutische Maßnahmen entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Patient*innen sind daher unabdingbar.

Genetik

Migräne tritt familiär oft gehäuft auf. Ein ursächlicher oder jedenfalls begünstigender genetischer Faktor ist daher anzunehmen. Für die seltene familiäre hemiplegische Migräne2 sind bereits mehrere Gene bekannt. Den häufigen Migräneformen - der Migräne ohne Aura und der Migräne mit Aura3 - liegen komplexere genetische Mechanismen zugrunde, die noch nicht entschlüsselt sind.

Entstehungsmechanismen

Eine Migräneattacke wird über Funktionsänderungen im zentralen Nervensystem ausgelöst, die im Hirnstamm und im Hypothalamus nachgewiesen werden können. Der Migräneaura liegen Funktionsänderungen in der Hirnrinde zugrunde. Weiters ist gesichert, dass es infolge der Aktivierung des sogenannten trigemino-vaskulären Systems zu einer über Nervenimpulse vermittelten Entzündung im Bereich der Duragefäße (der Blutgefäße im Bereich der Hirnhaut) kommt. Die Gefäßerweiterung (Vasodilatation), die früher als zentral erachtet wurde, dürfte hingegen keine wesentliche Rolle spielen.

Migräne zeichnet sich auch durch eine veränderte Reizverarbeitung aus, die sich als Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Geräuschen und Gerüchen äußert und nicht nur den Migränekopfschmerz begleitet, sondern auch als Vorbote einer Attacke und in der Phase des Abklingens vorhanden sein kann. Zudem werden Sinnesreize auch zwischen den Attacken oft als unangenehm empfunden oder können eine Attacke auslösen.

Botenstoffe

Auf Ebene der Botenstoffe kommen dem Serotonin (5HT-1B- und -1D-Rezeptoren) und dem calcitonin gene-related peptide (CGRP) die größte Bedeutung zu. Die Entwicklung der Triptane, die zur Behandlung akuter Migräneattacken eingesetzt werden, beruht auf einem Wirkmechanismus, der in diese Botenstoffe eingreift (Triptane sind sogenannte 5HT-1B/-1D-Agonisten). Dies war ein Quantensprung in der Migränebehandlung. Mit den sogenannten monoklonalen Antikörpern gegen CGRP steht erstmals eine medikamentöse Prophylaxe zur Verfügung, die spezifisch für Migräne entwickelt worden ist.

Häufigkeit

Migräne betrifft 10-15% der Erwachsenen und 3-10% der Kinder, kommt bei Frauen 2,5- bis 3-mal häufiger vor als bei Männern und hat ihren Erkrankungsgipfel zwischen dem 25. und dem 55. Lebensjahr.

Diagnose und Symptome

Migräne wird auf Basis der Anamnese und einer klinisch-neurologischen Untersuchung diagnostiziert. Eine „routinemäßige“ Zusatzdiagnostik ist nicht notwendig.

Migräne ist viel mehr als „nur“ Kopfschmerz. Migräneattacken beginnen oft schon vor dem Einsetzen von Kopfschmerzen, und die Betroffenen sind oft auch nach dem Abklingen der Schmerzen noch nicht beschwerdefrei. Als Vorboten einer Migräneattacke können innere Unruhe, erhöhte Reizbarkeit, Müdigkeit, Gähnen, Antriebslosigkeit, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmung, Verspannung der Nackenmuskulatur oder Heißhunger auftreten.

Migräne mit und ohne Aura