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Über dieses Buch

Die Gedanken aus Hegels »Vorlesungen zur Philosophie der Religion« sind verblüffend aktuell: Religion ist für Hegel zentrale Praxis der Selbstverständigung von Gesellschaften. Das religiöse Leben ist für ihn deshalb eines der Versöhnung – Versöhnung als Bemühen, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Entsprechend muss auch der religiösen Vielfalt Rechnung getragen werden. Religionen können nicht isoliert existieren, sind sie doch auch durch die Beziehungen bestimmt, in denen sie zu anderen Religionen stehen. Jeder Absolutheitsanspruch einer Religion ist also bereits ein Widerspruch in sich.

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Endnoten

empirisch: sich auf Erfahrung beziehend.

affirmativ: bejahend, bestätigend.

Räsonnement: Überlegung.

Jacobi: Friedrich Heinrich Jacobi (17431819), deutscher Aufklärer, Philosoph, Schriftsteller.

pp: usw.

Das Partikulare: das Besondere, das Vereinzelte.

Relation: Bezug, Beziehung.

ens: lat. (ein) Seiendes.

Appellieren: sich mit Nachdruck wenden an …

Reminiszenz: Erinnerung an …

Akzidentelle: Zufällige, Unwesentliche.

manifestieren: offenbar werden, sich als etwas zu erkennen geben.

Prädikate: die (Gott) zugeschriebenen Eigenschaften.

Kant: Immanuel Kant (17241804), deutscher Philosoph der Aufklärung (vgl. Nachwort).

populär: allgemeinverständlich, geläufig, weit verbreitet.

aktualiter: wirklich (im Gegensatz zu ›möglich‹).

realiter: wirklich (im Gegensatz zu ›bloßem Schein‹).

perennierend: wörtl. ›das ganze Jahr hindurch‹, andauernd, beständig.

Credo: lat. ›Ich glaube‹, das apostolische Glaubensbekenntnis.

Gemeine: die Gemeinde der Gläubigen.

sich dirimieren: auseinanderbringen, sich in sich unterscheiden.

sich entschlagen: auf etw. verzichten, sich enthalten, etw. zu tun.

Vanini: Lucilio Vanini (15851619), italienischer Philosoph, der von der Inquisition als Ketzer verbrannt wurde.

Diremtion: Trennung, Absonderung.

Prosaische: Schlichte, Alltägliche (von Prosa ›ungebundene Rede‹).

Kanaa: Wundererzählung im Neuen Testament aus dem Johannesevangelium, in der Jesus Wasser in Wein verwandelt.

Voltaire: Voltaire (16941778), französischer Philosoph und Schriftsteller der Aufklärung.

Codicibus: lat. Codex, Zusammenbund mehrerer Handschriften.

Theta: griechischer Buchstabe mit dem Lautwert th.

pantheistischer: Pantheismus: Gott und Universum bzw. Welt sind identisch (wörtl. ›Lehre von Alles-ist-Gott‹).

Meister Eckhart: ca. 12601328, Theologe und Philosoph des Spätmittelalters, Mystiker.

Fichte: Johann Gottlieb Fichte (17621814), Philosoph des deutschen Idealismus.

Ingredienz: Zutat, Bestandteil.

Manen: dii manes (lat.), ›römische Totengeister‹.

[…] Indem wir die Religion betrachten machen wir keinen abstrakten Anfang, sondern das womit wir hier anfangen, ist in Betreff der Wissenschaft schon vorausgesetzt. Diese Voraussetzung ist doppelter Art, empirische1 Weise, unmittelbarer Anfang, die andere ist der wissenschaftliche Anfang, so dass wir auf die Wissenschaften verweisen, welche der unseren haben vorangehen müssen, und welche das hier Abzuhandelnde zum Resultat haben. Beide Weisen werden wir anwenden, nicht allein die wissenschaftliche, sondern auch die empirische, weil die in der allgemeinen Bildung unserer Zeit sich philosophisch nennenden Ansichten in dem empirischen Standpunkt enthalten sind. Diese Ansichten begegnen uns hier und die vorkommenden Ausdrücke sind uns verständlich. Diese Seite gibt uns allerdings die Bestimmungen an die Hand, welche auf die abstrakt subjektive Weise der Religion fallen, es ist jedoch dies nichts als hohle, leere Subjektivität, nur Form der endlichen Subjektivität, das ist denn aber auch ein Moment in dem höheren Standpunkt, in der Idee des absoluten Geistes, aber nur eine formelle Seite.

Indem wir uns nun so entschließen empirisch zu Werke gehen zu wollen, so können wir in Ungewissheit sein, was wir auf dem Wege der Erfahrung finden werden. Wir können hierbei große Hoffnungen haben das wesentliche, substantielle Innere zu finden, aber wir können auch wissen auf was sich das Zufindende beschränken wird. Wir wissen nämlich dass Gott sich nicht beobachten lässt, nicht aus äußerlicher Erfahrung sinnlich wahrnehmen als solch gegebenes Ding, als Objekt, aber sich auch nicht finden aus der inneren Erfahrung, als Erfahrung von uns. Außen ist die natürliche Welt, innerlich sind wir, was wir also darin finden ist unser subjektives Tun außer Gott und so genommen ist Gott weder in uns noch außer uns.

Auf empirische Weise finden wir so drei Bestimmungen.

1. Wir wissen von Gott und zwar unmittelbar, Gott soll nicht begriffen werden, es soll nicht über Gott räsonniert werden, weil es mit vernünftigem Erkennen nicht hat gehen wollen.

2. Wir müssen nach einem Halte dieses Wissens fragen. Wir wissen nur in uns, es ist so nur subjektiv, daher wird nach

3. Wir wissen von Gott unmittelbar und er ist im Gefühl, das dritte ist nun die Bestimmung beider gegen einander, dass Gott nicht Ich ist, das Andere des Ich ist und das Subjekt welches an sich selbst negativ, das Endliche ist und Gott das nicht Negative, das Unendliche in jeder Rücksicht.

Diese Sätze sind ganz wichtig und es soll keiner negiert werden, aber sie sind so trivial, dass es nicht der Mühe wert ist hier davon zu sprechen. Wenn die Religionswissenschaft auf diese Sätze beschränkt wird, so ist es nicht wert sie zu haben und es ist nicht einzusehen, weshalb es dann Theologie giebt.

1. Wir wissen unmittelbar dass Gott ist. Das ist ganz wichtig können wir sagen und unsere Vorstellung muss dies zugeben. Dieser Satz hat zunächst einen ganz unbefangenen Sinn, dann aber auch einen nicht unbefangenen, nämlich den, dass dies sogenannte unmittelbare Wissen, das einzige Wissen von Gott ist und die moderne Theologie ist insofern der geoffenbarten Religion entgegen, als auch der vernünftigen Erkenntnis, die den Satz ebenso leugnet. Dies unmittelbare Wissen hat zuerst Jacobi4 aufgebracht, er sagt wir wissen nicht dass wir Körper haben, dass um uns Äußerliches ist, durch Räsonnement, nicht durch Beweise pp5 sondern wir glauben es unmittelbar. Dies unmittelbare Wissen hat Jacobi Glauben genannt, wir glauben dass Gott ist, insofern wir unmittelbar von ihm wissen, wir glauben an Freiheit insofern wir unmittelbar wissen, dass wir frei sind.

Das Wahre daran ist näher zu betrachten. Wir wissen dass Gott ist und wissen dies unmittelbar. Was heißt wissen? Es ist vom Erkennen unterschieden. Wir haben den Ausdruck gewiss, und setzen wissen der Wahrheit entgegen. Wissen

Sein Sein und mein Sein sind identisch und dass der Gegenstand ist, ist mir gewiss, wir sagen, es ist so gewiss wie ich bin; was mir gewiss ist, ist in meinem Sein, ich unterscheide den Inhalt, aber beider Sein ist ungetrennt. Die Wahrheit ermittelt daran, dass die Gewissheit und die Objektivität auseinandertreten können. Ich sage dies ist, es ist mir, da tritt das Sein in die Objektivität und das wahre Sein kann davon verschieden sein.

Wissen ist also überhaupt dies, dass der Gegenstand, das Andere ist und sein Sein mit meinem Sein verknüpft ist. Ich kann auch wissen was es ist, aus unmittelbarer Anschauung oder als Resultat der Reflexion, aber wenn ich sage, ich weiß es, so weiß ich nur sein Sein, das Übrige sind dann nähere Bestimmungen, Beschaffenheiten, welche so eintreten dass sie sind. Man gebraucht wissen auch als Vorstellung haben, aber es liegt immer darin, dass der Inhalt ist. Wissen ist also abstraktes Verhalten. Erkennen sagen wir dagegen, wenn wir von einem Allgemeinen wissen, aber es auch nach seiner besonderen Bestimmung fassen. Wir erkennen die Natur, den Geist, aber nicht ein Haus, jenes ist Allgemeines, dies Besonderes und jenen reichen Inhalt erkennen wir nach seiner notwendigen Beziehung auf einander.

Näher betrachtet ist dies Wissen, Bewusstsein aber ganz abstraktes, für uns abstrakte Tätigkeit des Ich. Kenntnis betrifft schon den besonderen bestimmten Inhalt. Dies Wissen ist also bloß dies, dass irgend ein Inhalt ist, ist die abstrakte Beziehung des Ich auf den Gegenstand, der Inhalt mag sein welcher er will, Wissen und Bewusstsein ist eins und dasselbe, nur dass Bewusstsein zugleich nähere Bestimmung des Gegenstands

Näher ist denken, als das, in dem sein Gegenstand auch die Bestimmung eines Abstrakten hat, die Tätigkeit des Allgemeinen. Dies denken ist in Allem enthalten, man mag sich noch so konkret verhalten, aber man nennt es nur denken, insofern der Inhalt die Bestimmung eines Abstrakten, Allgemeinen hat.

Hier ist nun das Wissen, kein unmittelbares Wissen von einem körperlichen Gegenstand, sondern von Gott, Gott ist der ganz allgemeine Gegenstand, nicht irgend eine Partikularität,6 die allgemeinste Persönlichkeit. Unmittelbares Wissen von Gott, ist unmittelbares Wissen von einem Gegenstand der ganz allgemein ist, so dass nur das Produkt unmittelbar ist, dies ist denken. Unmittelbares Wissen von Gott, ist denken von Gott, denn denken ist die Tätigkeit für welche das Allgemeine ist.

Gott hat hier noch keinen Inhalt, keine weitere Bedeutung, er ist nur nichts Sinnliches, er ist nur ein Allgemeines, wir wissen so von ihm als nicht in die unmittelbare Anschauung fallend. Dies unmittelbare Wissen von Gott ist schlechterdings nur Denken, dies ist das Allgemeine als tätig und das Denken indem es tätig ist und sich unmittelbar verhält denkt es, das was es denkt als Allgemeines, es geht durch das Besondere hindurch. Indem man schließt fängt man von besonderen unterschiedenen Stoffen und Bestimmungen an und verwandelt sie in Allgemeines, es ist vermittelndes Denken, aber das bloß Allgemeine, unbestimmt Allgemeine ist sein unmittelbares Produkt, reines Denken ist der Inhalt der das Denken selber ist,

Das Wissen von Gott will also nichts sagen, als ich denke Gott. Das Weitere ist nun hinzuzusetzen, dieser Inhalt des denkens, dies Produkt ist, ist ein Seiendes, Gott ist nicht nur gedacht, sondern er ist, er ist nicht bloß Bestimmung des Allgemeinen. Über diese Bestimmung haben wir schon Bemerkungen gemacht und das Nähere ist, dass wir über diese Beobachtung uns aus dem Begriff Rechenschaft geben, sehen inwiefern das Allgemeine die Bestimmung erhält, dass es ist. Dass Gott eine weitere Bedeutung habe, wird weiter unten gezeigt werden. Es ist Rechenschaft zu geben, wie das Bewusstsein dazu kommt zu wissen, dieser Gegenstand ist.

Aus der Logik müssen wir zu Hülfe nehmen was Sein ist. Sein ist die Allgemeinheit in ihrem leeren, abstraktesten Sinn genommen, die reine Beziehung auf sich, ohne weitere Relation7 nach außen oder innen. Sein ist die Allgemeinheit, als abstrakte Allgemeinheit. Das Allgemeine ist wesentlich Identität mit sich, dies ist auch das Sein, es ist einfach. Die Bestimmung des Allgemeinen enthält sogleich die Beziehung auf einzelnes, diese Besonderheit kann ich mir vorstellen als außerhalb des Allgemeinen, oder wahrhaften innerhalb desselben. Das Allgemeine ist auch diese Beziehung auf sich, diese Durchgängigkeit im Besonderen. Das Sein entfernt alle Relation, jede Bestimmung die konkret ist, ist ohne weitere Reflexion, ohne Beziehung auf Anderes. Das Sein ist so in dem Allgemeinen enthalten, und wenn ich sage das Allgemeine ist, so spreche ich auch seine trockene, reine, abstrakte Beziehung auf sich aus, diese dürre Unmittelbarkeit die das Sein ist. Das Allgemeine ist kein Unmittelbares in diesem Sinne, es soll nicht

Wir sind so in der abstrakten Logik, dies geht immer so, wenn man meint man sei auf dem konkretesten Boden, auf dem Boden des unmittelbaren Bewusstseins, aber dieser ist der ärmste an Gedanken und die darin enthaltenen sind die kahlsten, leersten. Es ist die größte Unwissenheit wenn man glaubt das unmittelbare Wissen sei außer der Region des Denkens, man schlägt sich mit solchen Unterschieden herum und näher betrachtet schwinden sie zusammen.

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