Albrecht Greule / Peter Wiesinger
Baiern und Romanen
Zum Verhältnis der frühmittelalterlichen Ethnien aus der Sicht der Namenforschung
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
Da sich sowohl der historische Stamm als auch der Dialektverband über die Länder Bayern, Österreich, Südtirol und bis 1945 auch über Teile der Tschechoslowakei erstreckte, wird im Anschluss an den Usus der Sprachwissenschaft unabhängig von staatlichen Gebieten Baiern mit ai geschrieben.
Zitiert nach der Edition von Giunta / Grillone (1991), S. 116 und der Übersetzung von Martens (1913), S. 95.
Zitiert nach den Editionen von Krusch (1885) und Leo (1881) und der Übersetzung von Fels (2006), S. 4 und 401. Fels bringt jedoch an beiden Stellen statt des Namens der Breonen die Ortsangaben S. 4 „in der Nähe des Brenners“ und S. 401 „wo nah die Orte des Brennerstammes liegen“. Diesen Übersetzungen, die hier zugunsten des überlieferten Namens ausgetauscht sind, liegt die Annahme zugrunde, dass sich der Name des Brenners, an dessen beiden Seiten allerdings tatsächlich Breonen gesiedelt haben, von diesen herleite. Dabei beruft man sich auf ein antikes Scholion zu Horaz, in dem die Breuni als Brenni (Verschreibung?) bezeichnet werden, vgl. Anreiter (1997), S. 11. Nach Finsterwalder (1962/1990), S. 231ff. hieß der Ödgürtel um den Brenner-Pass zunächst im 12. Jh. Wibetwald nach Vipitenum / Wipptal, ehe 1337 eine curia Prennerius de Mittenwalde auftritt, also ein Hofbesitz eines Brandroders im Mittenwald – der nächste Gegendname. Schließlich löst sich der Name Prenner von dem eines Besitzers und wird zur neuen Gegendbezeichnung.
Vgl. zum Folgenden wie überhaupt zu den nächsten Abschnitten Wiesinger (2016), wo auch weitere Literaturangaben genannt werden. Vgl. ferner Reindel (1967) und Reindel (1981) und zur Etymologie des Namens auch Heinrich Beck: Bajuwaren. I. Philologisches, in Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd. 1, Berlin/NewYork 1973, S. 601 f.
Vgl. Zeuß (1837), S. 372 ff.
Einen Überblick über die ältere Forschung geben Reindel (1967), S. 77 ff. und ausführlich Menke (1990).
Vgl. Berndt (2013), S. 624.
Vgl. zu neueren solchen Volksetymologien Reitzenstein (2005/06).
Der schwer erkrankte Rainer Christlein verwies in seinen letzten Arbeiten mehrfach auf diese Fundzusammenhänge zwischen Südböhmen und dem Donauraum, so etwa noch Christlein (1982), S. 244 f., konnte sie aber nicht mehr ausarbeiten. Sie wurden weiter verfolgt von Thomas Fischer, vgl. die knappen Überblicke von Fischer / Geisler (1988) und Fischer (1988a) sowie ausführlich Fischer (1988), S. 33 f. und 47-59.
Vgl. Fischer / Geisler (1988), S. 67.
Vgl. Wolfram (1985), S. 105 ff.
Vgl. Wolfram (1979), S. 395 f.
Vgl. Wiesinger (1980b).
Zu den Übereinstimmungen und Unterschieden des Althochdeutsch-Bairischen und -Alemannischen vgl. Bergmann/Götz (1998), zur Verbreitung des Bairischen, seiner Dialektgliederung und seinen Charakteristika vgl. u.a. Wiesinger (1983), S. 836-842.
Zu den frühen Kontakten der Elbgermanen mit den Ostgermanen im Odergebiet sowie zu gotischen Entlehnungen im Bairischen vgl. Wiesinger (1985a).
Vgl. dazu besonders Schneider (1963), Wiesinger (2003); Wiesinger (2005a), S. 1116-1119 und Wiesinger (2017d), S. 107-110.
Vgl. Rettner (2004), S. 273.
Vgl. Noll (1963), S. 94/95.
Vgl. Rettner (2004), S. 278.
Vgl. Reitzenstein (2005/06), S. 10 ff.
Wenn ich recht sehe, handelt es sich bei diesem baium um ein erschlossenes Substantiv, denn es ist weder bei Du Cange: Glossarium mediae et infimae Latinitatis, Bd. 1 (1883) noch im Thesaurus linguae latinae, Bd. 1 (1892) nachgewiesen.
Vgl. Reitzenstein in seiner Rezension zum Beitrag von Ludwig Rübekeil in Fehr / Heitmeier (2012/14) in Blätter für oberdeutsche Namenforschung 51 (2014), S. 222 und Leserbrief „Ein lateinisch-germanischer Name: Die Baiern heißen Lastträger“ in Bayerische Archäologie 2017/4, S. 7 und 47.
Vgl. Rettner (2012/14), S. 289: „Dass mit verstärkter Zuwanderung ab dem späteren 5. Jahrhundert zu rechnen ist, steht außer Frage, denn anders lässt sich die Bevölkerungsexplosion kaum erklären, die an der steigenden Zahl von Körpergräberfeldern zwischen der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts (ca. 50 Funde) und der Zeit um 600 (mehrere hundert Funde) in Südbayern abzulesen ist“.
Bereits in seiner Freiburger Dissertation von 2003, die inzwischen als Fehr (2010a) veröffentlicht ist, und im zunächst daraus gewonnenen Beitrag Fehr (2008) wird gezeigt, dass Reihengräber mit Körperbestattungen in Nordgallien kein mitgebrachter germanischer Brauch sind. Sie sind vielmehr deutlich erkennbar als Innovation um die Mitte des 5. Jhs. im römischen Milieu des römischen Hinterlandes und der Grenzzone zum germanischen Gebiet entwickelt worden, doch ist „ein bedeutender Anteil der eigentlichen Germania jenseits der Grenzzone dagegen kaum nachzuweisen“ (S. 101).
Der von Jaurosch / Sabrow (2002) eingeführte Begriff „Meistererzählung“ wird seit Rexroth (2007) für historische Angaben im früh- und hochmittelalterlichen Schrifttum verwendet, die sagenhaft anmuten und keinen wahrscheinlichen Realitätsbezug haben, und auch für ältere Geschichtsauffassungen, die nun als unwahrscheinlich betrachtet werden, so dass die Bezeichnung „Meistererzählung“ ironisierenden und polemischen Charakter hat.
Diese neuen Ansichten der jüngeren Archäologen wenden sich gegen die bis 1988 vor allem von Thomas Fischer vorgetragenen Forschungsergebnisse. Nachdem Fischer 1992 als Professor für die Archäologie der römischen Provinzen an die Universität Köln berufen worden war, gab er jedoch keinerlei Stellungnahmen mehr zur bayerischen Archäologie ab.
Vgl. Bosl (1971), S. 22 ff.
Diese ausführlich argumentierte Auffassung Bosls fand keinen Eingang in die bayerische Geschichtsforschung und blieb isoliert. Die gängige Ansicht trägt u.a. Kraus (1983/2013), S. 13 ff. vor.
Obwohl Mayerthalers umfängliche Studie erst 1984 erschien, schickte er ihr 1983 in der Österreichischen Namenforschung 12 (1981-83) eine Kurzfassung voraus.
Obwohl erst 2017 publiziert, trug Rowley seinen Beitrag bereits 2013 auf der 12. Bayerisch-Österreichischen Dialektologentagung in Wien vor.
Das betrifft nicht den auch im Bairischen vorhandenen gesamtdeutschen, auf germanisch-römische Kontakte in den antiken Grenzgebieten zurückgehenden lateinischen Lehnwortschatz sowie nicht den im Südbairischen von Tirol und Kärnten als deutsch-romanische Kontaktgebiete bzw. in Tirol als lange romanisch gebliebenes Siedlungsgebiet auftretenden romanischen Lehnwortschatz. Vgl. oben Abschnitt 1.4 und Anm. 16.
Es ist darauf hinzuweisen, dass sowohl romanische wie bairisch-althochdeutsche Lautentwicklungen nicht in allen davon betroffenen Personennamen schriftlich festgehalten sind. So wäre z.B. *Cloza und nicht Clauza zu erwarten.
Vgl. Rübekeil (2002), S. 327 ff.
Zu Boiodurum und Boitro vgl. Gassner / Pülz (2015), S. 128 ff. und im Internet https://de.wikipedia.org/wiki/Kastell_Boiodurum und Kastell_Boiotro, 10.8.2018.
Vgl. Bammesberger (1995).
Ablehnend auch Wolf-Armin Fhr. von Reitzenstein in seiner Besprechung des Sammelbandes von Fehr / Heitmeier in Blätter für oberdeutsche Namenforschung 51 (2014), S. 321-326, hier S. 322.
Vgl. Berndt (2013), S. 625.
Vgl. Wolfram (2014), S. 86.
Zur Schreibung e für germ. ai im Fränkisch-Althochdeutschen vgl. Braune / Reiffenstein (2004), S. 45 ff. Echt langobardische PN schreibt der Gothanus in langobardischer Weise mit ai: Gaidulfo, Aistulfus. Zu germ. ai im Langobardischen vgl. Bruckner (1895), S. 98 ff.
Vgl. Heitmeier (2012/14), S. 502.
Eine frühe bair.-ahd. Integrierung des Namens Noricum als 923 Nurihtal / ca. 955-75, 993-1000, 1002-04 Norica valle mit Hebung von o zu u vor i der Folgesilbe und früher Zweiter Lautverschiebung von <c>/[k] zu <h>/[χ] betrifft das Südtiroler Eisacktal. Das Eisacktal gehörte nie zu Binnennoricum, sondern zur Raetia secunda. Aber es wird angenommen, dass angesichts der Bedrängung der Romanen durch die im Pustertal nach Westen vordringenden Slawen, was 592 östlich von Innichen zu schweren verlustreichen Kämpfen der Baiern mit den Slawen führte, Romanen dieser Gebiete nach Westen flohen und sich im Eisacktal ansiedelten und mit dem Namen ihres Herkunftsgebietes bezeichnet wurden. Ansonsten ist keine bair.-ahd. integrierte Namenform von Noricum bekannt. Vgl. Kühebacher II (1995), S. 61 f. und ANB II (2014), S. 798.
Alle diese Gewässernamen werden behandelt bei Wiesinger (1985), S. 385 ff., im ANB und von Schuster I–III (1989-94). Teilweise andere Etymologien bringt Greule (2014).
Die germanistische Namenforschung hat bis gegen 2000 mit idg. Ansätzen nach dem Indogermanischen Wörterbuch von Julius Pokorny, Bern 1959 gearbeitet, doch hat sich seither die Laryngaltheorie durchgesetzt, so dass nun nach dem Wörterbuch der indogermanischen Verben von Helmut Rix, 2. Aufl., Wiesbaden 2001 (LIV) und den Nomina im indogermanischen Lexikon von Dagmar Wodtke u.a., Heidelberg 2008 (NIL) Laryngalansätze getroffen werden, die zum Teil zu anderen Ergebnissen und Bedeutungen führen. Als Kompromiss geben wir die Ansätze und Bedeutungen der älteren Forschung mit „idg.“ und die neuen Laryngalansätze in Klammern mit „uridg.“ an.
Einem ahd. erila ‚Erle‘ mit Primärumlauts-e widerspricht die Dialektaussprache mit offenem aus ahd./mhd. ë. Mhd. e vor r würde zu īɒ führen, wofür es weder schriftliche noch mündliche Zeugnisse gibt.
Trotz der mhd. Schreibung mit einfachem n und der heutigen Schreibung als volksetymologische Anlehnung an ‚zehn‘ bestätigt das erhaltene n der Dialektaussprache die ahd. Gemination. Vgl. auch Greule (2014), S. 612, Zenn.
Vgl. zum Folgenden Wiesinger (1985), S. 352 ff.
Wenn Ernst und Schuster daneben auch mit der umgelauteten PN-Variante Selo aus den flektierten Kasus Selin rechnen, so ist diese Namenlautung zwar im Alemannischen und Fränkischen, nicht aber im Bairischen belegt. In den Passauer und Freisinger Traditionen tritt nur nicht umgelautetes Sal(l)o auf (Tr. Pass., Nr. 43 [785-805], 230 [1110-20]; Tr. Freis., Nr. 706 [849]).
Ernst (1989), S. 11 und 178f. nennt noch den Hof Schröding in Abetzberg, Gem. Aschbach-Markt, PB Amstetten, dessen Erstbelege jedoch 1396 Schrting und 1424 Schrêting geschrieben werden. Beide Vokalgraphien drücken den Sekundärumlaut mhd. ä aus, so dass dieser Name nicht zu den wenigen ON mit Primärumlaut gestellt werden kann.
Die Zuordnungen der urkundlichen Überlieferungen sind hier besonders schwierig, weil es neben umgelautetem Empfing auch nichtumgelautetes Ampfing, Lkr. Mühldorf a. Inn, gibt und wahrscheinlich Vermischungen der Schreibungen erfolgt sind. Die jeweiligen Zuordnungen werden daher von den Historikern auf Grund der jeweils genannten Orte der Umgebung vollzogen. Hier handelt es sich um die Nennungen Tr. Herrenchiemsee, Nr. 181a und Salzburg II, Nr. 416a sowie Tr. Berchtesgaden, Nr. 162. Freundliche Auskunft von Wolfgang Janka, München, mit e-mail vom 28. September 2018.
Auch hier sind die Zuordnungen der beiden Belege wegen der Nähe der beiden Orte schwierig, doch dürfte sich nach Wolfgang Janka (vgl. Anm. 49) der jüngere Beleg wegen der Funktion seines Trägers auf Sölling bei Büchelberg beziehen.
Vgl. Bruckner (1895), S. 164 ff.
Für freundliche Auskünfte per e-mail vom 23. September 2018 sei dem Wiener Archäologen em. Univ.-Prof. Dr. Herwig Friesinger herzlich gedankt.
Vgl. u.a. Wiesinger (1983), S. 836-842; Wiesinger (1990a) und Rowley (1990).
Vgl. als Übersichten für ganz Österreich Wiesinger (1994), für Oberösterreich Wiesinger (1980) und für Niederösterreich Wiesinger (1985).
Eine zusammenfassende Übersicht gibt Krahe (1964).
Vgl. Anreiter (1997).
Vgl. Kühebacher II (1995), S. 62.
Vgl. Diepolder (1957).
Vgl. die Karte bei Menke (1988), S. 71.
Vgl. für Österreich Wiesinger (1994), S. 72 ff. und für Oberösterreich im Besonderen Wiesinger (1980), S. 162 ff. und die dazugehörigen entsprechenden Karten. Die Personennamen der mit -ing und -heim gebildeten Besitznamen in Oberösterreich werden außerdem aufgelistet bei Wiesinger (1977), S. 105 ff. und 111f., sind jetzt aber teilweise nach dem „Ortsnamenbuch des Landes Oberösterreich“ (1989ff.) zu ergänzen.
Neben den hier beschriebenen echten -ing-Namen gibt es auch jüngere unechte -ing-Namen, bei denen das häufige -ing-Suffix analog an die Stelle lautlich ähnlicher Suffixe trat, wie z.B. -en und slaw. -ika.
Die Bezeichnungen Besitz-, Lage- und Artname sind in der österreichischen Namenforschung üblich, ihre Bildungsweisen werden aber hier nur nach dem häufigsten Auftreten kurz beschrieben.
Vgl. besonders Wiesinger (1985), S. 352 ff.
Die Karten 6–9 sind entnommen Wiesinger (1994). Sie basieren auf den Forschungsergebnissen der 1950er und 1960er Jahre und sind in einer Reihe von Einzelfällen auf Grund der neueren Forschungen zwar zu verbessern, doch ändert dies nichts an den gleichbleibenden großräumigen Verbreitungsverhältnissen der einzelnen Namentypen.
Es ist nicht möglich, die anhand der wesentlich später ins Bair.-Ahd. und Mhd. integrierten antik-rom. Namen in Tirol von Finsterwalder (1966/1990) festgestellten rom. Lautentwicklungen und annähernden Datierungen unmittelbar auf die Verhältnisse im Voralpen- und Donauraum zu übertragen. Zur historischen Grammatik des Romanischen in den folgenden Abschnitten vgl. u.a. Lausberg I, II, III (1967-1972); Kramer (1976) und Gartner (1883/1973).
In diesem Abschnitt werden für die labialen Laute die in der Romanistik und in der Altgermanistik üblichen Zeichen gebraucht, denen ansonsten andere Lautwerte entsprechen.
Vgl. Wiesinger (2011), S. 192 ff.
Vgl. Höfler (1955, 1956).
Vgl. Paul / Klein (2007).
Zu den folgenden Abschnitten vgl. an grundlegender Literatur Krahe / Meid (1969), Penzl (1969), Penzl (1975) und Schweikle (1996).
Zum Folgenden vgl. Wiesinger (2011).
Robert Nedoma, Wiener Skandinavist und Runologe, weist in seinem Referat auf der Bayerisch-Österreichischen Namenforschertagung in Linz am 5. Oktober 2018 darauf hin, dass immer mehr alemannische und bairiche Runeninschriften aus der Zeit um 600 gefunden werden, die Erkenntnisse zum Beginn der Zweiten Lautverschiebung bieten, wenn auch die einschlägigen Beispiele sehr gering sind und sich derzeit auf den alemannischen Raum beschränken. So findet sich dort der älteste verschobene Beleg mit dem PN Dorih auf der Speerspitze von Wurmlingen. Zur selben Zeit noch unverschoben sind die Runen von Pforzen II mit wraet (3. Pers. Sing. Prät.) und von Pforzen I mit gasokun (3. Pers. Plur. Prät.). Auch hier scheint keine zeitliche Stufung vorzuliegen. Vgl. auch Nedoma (2006), S. 141 f.
Vgl. Kranzmayer (1956), S. 111: „Erst seitdem im Bair. älteres śk zu geworden war, ugf. seit 1050, war zugleich mit dem -Laut auch das t heimisch geworden.“
Vgl. Kranzmayer (1957/1997), S. 6/357: „Etliche welsche Namen … bewahren im Deutschen die fremde Endbetonung und damit einen Akzent, wie er im Deutschen vor 1050 noch nicht möglich gewesen wäre.“
So nimmt Kranzmayer (1956), S. 48 an: „Innerhalb des Bairischen tauchen die ältesten urkundlichen Zwielautschreibungen ei und ou ganz vereinzelt schon um 1100 auf, und zwar in Südtirol“, wofür keine urkundlichen Belege vorliegen und was nicht länger zu halten ist.
Zu den bair.- ahd. und mhd. Namentypen und ihrer Verbreitung vgl. für ganz Österreich Wiesinger (1994), S. 72-131, für Oberösterreich Wiesinger (1980), S. 162-202 und für Niederösterreich Schuster I (1989), S. 105-135.
Vgl. dazu Wiesinger (1994), S. 83 ff.
Die betreffenden Personennamen können, müssen aber nicht Heiligennamen sein. Auf sie weist besonders Albrecht Greule hin, zumal ja das Christentum die Religion der Romanen war, während die meisten Namenforscher Hagionyme nicht in Betracht ziehen.
So zählt z.B. Diepolder (1957), S. 366 f. bis 800 110 -ing-, 10 -heim-, 29 -hausen und 44 -dorf-Namen.
In der bayerisch-österreichischen Namenforschung ist es üblich, den Namen entsprechend seiner bair.-ahd. Form und seinen Ortsnamenschreibungen als Parschalk zu verschriftlichen.
Vgl. Wiesinger (2002).
Vgl. Reitinger (1982), bes. S. 343 ff.
Vgl. Kloiber (1951) und Abbildungen von Kämmen bei Reitinger (1982).
Der Versuch von Haubrichs (2006), S. 454, die (M 65–67) Parzham-Orte als weitere rom.-dt. Mischnamen zu erklären, muss als gescheitert gelten, wenn sie in der Zusammenstellung auch angeführt werden.
Zu den Krems-Namen vgl. Wiesinger (1995).
Vgl. OÖONB 7 (2001).
Vgl. dazu Schwarz (1926), Pol. Bez. Linz, S. 1-30 und Kouril (1950). Eine weitere Anzahl hier auftretender, doch nicht genannter -ing-Namen erweist sich als unecht.
Vgl. Wiesinger (1980).
So sind nach HELSON 2 z.B. Brückl erst 1577 als Prügglen und Sommerau 1560 als Sumerau bezeugt, während es für mehrere Orte vor dem 19. Jh. keine urkundlichen Zeugnisse gibt.
Das südlich von Bad Feilnbach gelegene Stipfing entstand erst im 16. Jh. und ist benannt nach 1538 Hans und Erhart Stipfinger (freundliche Mitteilung von Wolfgang Janka, 21. Dezember 2018).
Die urkundlichen Angaben zu Aidling, Altofing und Kutterling nach dankenswerter Mitteilung von Wolfgang Janka aus den Sammlungen an der Kommission für bayerische Landesgeschichte an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, alle weiteren nach Reitzenstein (2006).
Das in der geographischen Abfolge stehende (116) Valléy fügt sich nicht in die Lautverhältnisse der Umgebung, so dass sich die Annahme, es handele sich um hochmittelalterliche Übertragung des Burgennamens aus Frankreich, bestätigt.
Vgl. zum Folgenden Kouril (1950) und Musil (1953) sowie Wiesinger (1977) mit Auflistung der in den Ortsnamen enthaltenen bair.-ahd. Personennamen.
Vgl. dazu Later (2012/14) und Deutinger (2012/14).
Nach Althochdeutsches Lesebuch, zusammengestellt von Wilhelm Braune, 17. Aufl. bearb. von Ernst A. Ebbinghaus. Tübingen 1994, S. 9.
Vgl. Reitzenstein in Blätter f. oberdt. Namenforschung 51 (2014), S. 224 f.
Die von Schiffmann (1922), S. 164 angegebene und teilweise übernommene Dialektaussprache mit Sekundärumlaut als 'ādɒs entspricht weder der urkundlichen Überlieferung ohne jegliche Schreibungen mit <ä, æ, e> noch den Erhebungen für das OÖONB. Vielmehr handelt es sich bei 'atɒsē mit hellem a um die umgangs- und standardsprachliche Aussprache nach der Schreibung, aus der Schiffmann wohl seine Angabe abgeleitet und dialektisiert hat.
Da an einem westlicheren Bach, der bei Gonetsreith von links in die Breitsach mündet, der Ort Schwarzenbach liegt und dieser Bach zumindest früher diesen Namen getragen hat, könnte Souvent eine Verwechslung unterlaufen sein, sollte der sachlich naheliegende Name nicht zweimal verwendet worden sein.
Während Krahe (1964), S. 57 f. auf Grund mehrerer idg.-vspr. GewN idg. *oudh- ansetzt, gibt Pokorny im IEW, S. 80 *audh- an.
Zu Fruen vgl. Wiesinger (2005), S. 197.
Das Manuskript von J. E. Lamprecht: Archäologische Streifzüge und Untersuchungen verschiedener Umwallungsorte des unteren Innviertels von ca. 1880 befindet sich im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz. Der entsprechende Auszug ist zugänglich im Internet: https://de.wikipedia.org/wiki/Burgstall_Stra%C3%9Fwitraun. Zugriff 15.1.2017.
Das Wort pfudeln kommt nach Aussage der Dialektwörterbücher und der Wörterbuchsammlungen im Bairischen von Bayern und Österreich nicht vor. Vereinzeltes lautlich nicht passendes pudeln ‚sich wälzen‘, besonders als einpudeln ‚wälzen der Hühner im Sand‘ scheint jüngeren Datums zu sein.
Bei endbetonten Siedlungsnamen wird der Akzent mit Akut über dem Vokal angezeigt.
Souvent schreibt irrtümlich Simtbach.
Das von Schiffmann als Vitring interpretierte urkundliche Viting von 1277 wird nun vom Herausgeber der Garstener Traditionen Siegfried Haider zu Vitzing emendiert und auf den Ort Vitzing, Gem. Gunskirchen, PB Wels-Land bezogen.
Wahrscheinlich hieß der Unterlauf des Spumbaches ursprünglich Sulz(en)bach.
Vgl. Lausberg III (1972), S. 216 ff.
Vgl. Wiesinger ( 2011), S. 216 ff.
Vgl. Kranzmayer, Eberhard: Zur Ortsnamenforschung im Grenzland. In: Zeitschrift für Ortsnamenforschung 10 (1934). Wiederabdruck in: Eberhard Kranzmayer: Kleine namenkundlichen Schriften (1929‒1972), anläßlich seines 100. Geburtstages am 15. Mai 1997 hrsg. von Maria Hornung. Wien 1997 (Schriften zur diachronen Sprachwissenschaft 5), S. 58-90, hier S. 80 ff.
Vgl. Dauzat, Albert / Rostaing, Charles: Dictionaire étymologique des noms de lieux en France, Paris 1963, S. 331. Négre, Ernest: Toponymie générale de la France, vol. Ier, Genève 1990, Nr. 6584.
Der Versuch von Hörburger (1982), S. 39 f. Lidáun mit 1209 amne qui vocatur Lintovvesbach zu verbinden, lässt sich weder etymologisch noch lautlich aufrecht erhalten, denn dieser Name bedeutet deutlich erkennbar „Lindaubach“ mit mhd. linte ‚Linde‘ und ouwe ‚Au‘, wobei nicht nur dieser Name auch sonst vorkommt, sondern Linden an den weniger feuchten Außenrändern von Auen auftreten.
In Niederösterreich tritt der GewN Loich (1307 Levch) auf, der ebenfalls auf antik-lat. *Leuca (< idg. *Leukā) zurückgeht, aber bereits früh mit den ältesten Akten der Zweiten Lautverschiebung von lat. <c>/[k] zu bair.-frühahd. <hh>/[χχ] integriert wurde.
Vgl. dazu Krahe, Hans: Lexikon altillyrischer Personennamen, Heidelberg 1929, S. 77 und 151. Die Belege lauten Morcus bei Livius, Ab urbe condita, XLIV 23, 4 und Μόρκος bei Polybios, Historia XXIX 3, 9 und 11, sowie inschriftlich.
Vgl. Dopsch, Heinz: Hohensalzburg im Mittelalter. In: Zwik, Eberhard (Hrsg.): 900 Jahre Festung Hohensalzburg, Salzburg 1977, S. 96.
Vgl. Reiffenstein (2000).
Vgl. HELSON 1 (2015), S. 148.
Vgl. Koller, Heinrich: Hallein im frühen und hohen Mittelalter. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde 116 (1976), S. 1-116, hier S. 24 ff.
In seiner Bearbeitung von Hörburger (1982), S. 35, Anm. 1 entscheidet sich Ingo Reiffenstein für das Lehnwort, im HELSON aber für davon unabhängige Integration.
Vgl. Anreiter, Peter, u. a.: Die Gemeindenamen Tirols. Herkunft und Bedeutung. Innsbruck 2009, S. 109 ff.
Vgl. Kaufmann (1968), S. 70.
Nach dankenswerter Mitteilung von Wolfgang Janka, München, mit e-mail vom 28. September 2018 ist der von Irmtraut Heitmeier auf Walchenberg bezogene und mitgeteilte, von Jochum-Godglück (2012/14), S. 204 zitierte Beleg 12. Jh. Walhesberch (Tr. Au) falsch zugeordnet. Er bezieht sich wie predium … Walhesperch (Tr. Berchtesgaden) auf Grund der weiteren genannten Orte auf Waldsberg, Lkr. Mühldorf a. Inn und ist in der „Förstemann-Kartei“ richtig zugeordnet. Die von Wolfgang Janka erhobenen und mit e-mail vom 9. Oktober 2018 mitgeteilten urkundliche Belege von 1553, 1599 und 1601 stammen aus dem BayHStA Kurbayern, Geheimes Landesarchiv 1208, f. 67v, 186v und 297v. Der Beleg von 1689 befindet sich in BayHStA Kurbayern, Geheimes Landesarchiv 1209, f. 75v.
Sämtliche urkundliche Belege zu den Orten in Bayern, insbesondere die Richtigstellungen zu † Poscheltzried, sind Wolfgang Janka aus den Sammlungen des Instituts für bayerische Landesgeschichte, München, zu verdanken (e-mails vom 12. und 31. Juli 2018).
Schiffmann I (1935), S. 62 führt den Hof unter Parschall.
Ausführliche Auskünfte verdanke ich dem Altbürgermeister von Frankenburg, Herrn Martin Kaiser.
Schiffmann I (1935), S. 64 schreibt Paschersdorf, weil er die tatsächliche Schreibung ohne erwartbares s offenbar für einen Fehler hält.
Seit 15 Jahren werden die seit dem Frühmittelalter Deutsch redenden Baiern von den Archäologen zu Romanen erklärt. Als Beweis dafür dienen ihnen die aus der Spätantike ins Frühmittelalter tradierten und ins Bairisch-Althochdeutsche jener Zeit integrierten wenigen Gewässer- und Siedlungsnamen sowie deutsch gebildete romanisch-deutsche Mischnamen mit einem romanischen oder biblischen Personennamen und einem deutschen Grundwort. Ferner werden zum Beweis die wenigen deutschen, auf Romanen verweisenden Walchen-Namen und die aus einer bestimmten romanischen Rechtsordnung kommenden deutschen Parschalken-Namen herangezogen. In Bezug auf Herkunft, Bildung, Bedeutung und Lautentwicklung lassen sich jedoch besonders aus der Sicht der germanistischen Sprachwissenschaft, die sowohl die deutschen und die ins Deutsche integrierten fremdsprachigen Gewässer- und Siedlungsnamen erforscht als auch die Herkunft, Struktur und Entwicklung der deutschen Sprache und hier besonders des Bairischen untersucht, solche merkwürdigen Anschauungen in keinerlei Weise bestätigen. Ebenso wenig hält eine versuchte Herleitung des Namens der Baiern aus dem Lateinischen sprachwissenschaftlicher Prüfung stand.
Es ist daher die Aufgabe der germanistischen Sprachwissenschaft und Namenkunde, das aus der Spätantike aus dem Lateinischen und seiner Weiterentwicklung zum Romanischen stammende Namengut im bairischen Sprachraum, der von 13 v.Chr. bis 476 n.Chr. die Provinzen Raetia secunda und Noricum des römischen Weltreiches bildete, zusammenzustellen und mit den angemessenen sprachwissenschaftlichen Methoden kritisch zu untersuchen. Das geschieht vor allem im Hinblick auf die Zeit, wann die einzelnen Gewässer- und Siedlungsnamen in das Bairisch-Althochdeutsche vom 6. bis zur Mitte des 11. Jhs. und inselhaft auch noch in das sich anschließende Bairisch-Frühmittelhochdeutsche der 1. Hälfte des 12. Jhs. eingegliedert wurden. Daraus lässt sich schließen, wie lange an den betreffenden Orten das Romanische ungefähr weiterlebte, ehe es schließlich ganz dem Deutschen wich.
Da das Bairische nicht auf Altbayern mit Ober- und Niederbayern und der Oberpfalz beschränkt ist, sondern auch in Österreich von Tirol im Westen bis ins Burgenland im Osten sowie in Südtirol in Italien gesprochen wird und bis 1945/46 auch noch in der damaligen Tschechoslowakei das Egerland sowie Südböhmen und Südmähren einschloss, wird in der Wissenschaft dieser staatenübergreifende sprachliche Großraum Baiern mit ai geschrieben und so auch hier. Der anfängliche Siedlungs- und Sprachraum der Baiern im Frühmittelalter beschränkte sich aber auf das Donau- und Voralpenland zwischen dem Lech im Westen und der Enns im Osten und reichte bis zur Südgrenze Bayerns als natürlicher Grenze am Alpenrand und schloss noch den Salzburger Flachgau mit Inseln im südlich anschließenden Salzachtal bis zum Paß Lueg ein. Wir beschränken unsere Untersuchung daher auf diesen anfänglichen bairischen Siedlungsraum. Obwohl die Baiern von ihren Anfängen in der 2. Hälfte des 6. Jhs. an auch bis ins Tiroler Pustertal vorstießen, steht ihr dortiges frühes inselhaftes Auftreten hier nicht zur Debatte.
Das Buch ist ein Gemeinschaftswerk der germanistischen Sprachwissenschaftler und Namenforscher Albrecht Greule, Universität Regensburg, und Peter Wiesinger, Universität Wien. Die von den beiden Autoren jeweils verfassten und gekennzeichneten Kapitel wurden zwar wechselseitig gelesen, diskutiert und abgestimmt, doch verantwortet jeder Autor seinen Beitrag. Besonders zu danken haben wir dem Verleger, Herrn Dr. Gunter Narr, der sich spontan bereit erklärt hat, das Buch in sein Verlagsprogramm aufzunehmen, als er von dessen Entstehung erfahren hat. Ebenso gilt unser Dank Frau Dr. Valeska Lembke für die sorgfältige editorische Betreuung. Verschiedene Auskünfte zu einzelnen Siedlungsnamen und Orten verdanken wir Johann Auer, Dünzling; Josef Egginger, Winhöring; und Johann Schober, Adelkofen. Vor allem aber danken wir für zahlreiche urkundliche Siedlungsnamenbelege und Auskünfte Dr. Wolfgang Janka, Kommission für Bayerische Landesgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Unser aufrichtiger Dank gilt ferner Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Metzelton, Wien, der sich, als er vom Buch hörte, spontan bereit erklärte, es aus romanistischer Sicht zu lesen, und uns entsprechende, auch berücksichtigte Hinweise gab. Technische Hilfe verdanken wir Dipl. Ing. Dr. Michael Wiesinger, Graz. Die Zeichnung der Karten 1–5 besorgte im kartographischen Standard nach den Entwürfen beider Autoren Mag. Michael Schefbäck, Wien, dem wir nicht nur für die mustergültige Ausführung, sondern auch für viel Geduld herzlich danken.
Möge das Buch viele interessierte Leser erreichen und den Baiern beider beteiligten Länder vermitteln, wie die germanistische sprachwissenschaftliche und namenkundliche Fachwelt das wenige ins Deutsche übernommene antik-romanische Namenerbe beurteilt und interpretiert.
Regensburg und Wien, Albrecht Greule
im Dezember 2018 Peter Wiesinger
Von Peter Wiesinger
Im Gegensatz zu den Namen germanischer Stämme, die später zu Deutschen wurden, wie der Alemannen, Franken, Hessen, Thüringer und Sachsen, die bereits den Römern bekannt waren und in ihrem Schrifttum seit dem 1. Jh. n.Chr. überliefert sind, tritt der Name der Baiern1 erst zwei Generationen nach dem Untergang des römischen Weltreiches erstmals 551 in der Gotengeschichte „De origine actibusque Getarum“ des Jordanes auf. Da das Werk des Jordanes auf der verlorenen Gotengeschichte des Cassiodor basiert, der Kanzler des Gotenkönigs Theoderich (475-526) war, wird bereits dort um 525 die Nennung erfolgt sein. Obwohl Jordanes eine Kriegssituation von Theoderichs Vater Theudimir in Pannonien von 469/70 beschreibt, schildert er jedoch das Lageverhältnis der Stämme, wie es zu seiner Zeit im heutigen deutschen Süden und in der Mitte bestand. So heißt es (280, 9ff.)2:
Nam regio illa Suavorum ab oriente Baiovaros habet, ab occidente Francos, a meridie Burgundiones, a septemtrione Thoringos.
Jenes Land der Suawen hat nämlich im Osten die Baiowaren, im Westen die Franken, im Süden die Burgundionen, im Norden die Thüringer zu Nachbarn.
Da das Werk des Jordanes erst in Handschriften des 8.–12. Jhs. überliefert ist, schwanken die lateinischen Nennungen des Baiernnamens als Baibari, Baiobari, Baiovari, Baioarii, von denen Baiovari der zugrundeliegenden germanischen Namenform am nächsten kommt.
Erst eineinhalb Jahrzehnte nach Jordanes erfolgt 565 die nächste Nennung der Baiern. Sie bringt der Dichter und spätere Bischof von Poitiers Venantius Fortunatus in dem um 576 verfassten Vorwort zur Edition seiner Gedichte. Er brach im Spätsommer 565 von Ravenna aus über die Alpen zu einer Wallfahrt zum Grab des hl. Martin nach Tours in Gallien (Frankreich) auf und schreibt dazu (Pr. 4)3:
praesertim quod ego impos de Ravenna progrediens Padum, Atesim, Brintam, Plavem, Liquentiam Teliamentumque tranans, per Alpem Iuliam pendulus montanis anfractibus, Drauum Norico, Oenum Breonis, Liccam Baiuaria, Danuuium Alamania, Rhenum Germania transiens
zumal ich Dilettant, von Ravenna aufbrechend, den Po, die Etsch, die Brenta, den Piave, die Livenza und den Tagliamento durchschwamm, durch die Julischen Alpen auf schwankendem Steg, die Drau in Noricum, den Inn bei den Breonen, den Lech in Baiern, die Donau in Alemannien, den Rhein in Germanien durchschritt.
Als Variante zum Ländernamen Baiuaria (lies Baiwaria) ist auch Bauuaria (lies Bawaria) überliefert.
Im 4. Buch seines 575/76 gedichteten Versepos „De virtutibus Martini Turonensis“, der Vita des hl. Martin von Tours, nennt Venantius Fortunatus dann die umgekehrte Abfolge der Reiseroute (IV, 640ff.) mit dem Volksnamen:
Si tibi barbaricos conceditur ire per amnes,
Ut placide Rhenum transcendere passis et Histrum,
Pergis ad Augustam, quam Virdo et Licca fluentant.
Illic ossa sacrae venerabere martyris Afrae.
Si vacat ire viam, necque te Boioarius obstat,
Qua vicina sedent Breonium loca, perge per Alpem,
Ingrediens rapido qua gurgite volvitur Oenus.
Wenn du die Möglichkeit hast, die barbarischen Ströme zu queren,
also den Rhein und die Donau in Ruhe durchschreiten zu können,
machst du nach Augsburg dich auf, wo Wertach und Lech sich ergießen.
Dort verehr die Gebein der heiligen Blutzeugin Afra.
Steht es dir frei, von da weiterzuziehen, und stört dich kein Baier,
geh durch die Alpen, wo nah die Orte des Breonenstammes liegen.
und betritt sie, wo der Inn sich mit reißendem Gischt wälzt.
Der in lateinischen Varianten überlieferte Name der Baiern, im Nominativ Singular in antiker Tradition Boioarius bei Venantius Fortunatus und im Nominativ Plural variabel überliefert als Baibari, Baiobari, Baiovari, Baioarii bei Jordanes, basiert in der Zeit um 500 westgermanisch auf dem Singular *Baiawari aus (ur)germ. *Baiowarjaz und dem Plural *Baiawarja aus (ur)germ. *Baiowarjōz. Die gotischen Entsprechungen dieser Zeit wären *Baiawarjis und *Baiawarjōs.4 Es ist ein Determinativkompositum, dessen Grundwort sich zum Verbum (ur)germ. *warjan in got. warjan, altnord. verja; altsächs. und altengl. werian und ahd. wer(r)en in der Bedeutung ‚wehren, schützen, abhalten, verteidigen‘ stellt und als entsprechendes Substantiv (ur)germ. *warjaz in got. wair, altnord. ver; altsächs., altengl. und ahd. wer ‚Mann‘ lautet. Sein eigentlicher Sinn ist ‚Wehrmann, Schützer, Verteidiger‘, der Land und Leute vor Feinden schützt und Angreifer abwehrt. Das Bestimmungswort geht auf den Namen der keltischen Boier zurück, deren Siedlungsgebiet um Chr. Geb. Boiohaemum war, das 29/30 n.Chr. Velleius Paterculus in seiner „Römischen Geschichte“ (2, 109) festhält. 98 n.Chr. nennt Tacitus in seiner „Germania“ das Land dann Boihaemum (XXVIII Genitiv Boihaemi nomen). Der Name ist germanischer Herkunft und basiert auf germ. *Bai(o)haima, wobei sich der germanische Lautwandel von älterem o zu gemeingermanischem a um Chr. Geb. vollzog. Dabei ging betontes o einem unbetontem o voraus, das bald synkopiert wurde, was die beiden ältesten Überlieferungen spiegeln. Dieser Gebietsname lebt in Böhmen weiter, das bair.-mhd. Pēheim heißt und die ahd. Monophthongierung von germ. ai zu frühahd. ē vor h des 7./8. Jhs. aufweist. Dagegen ist im Stammesnamen der Diphthong bewahrt, so dass ihm kein ebenfalls Monophthongierung auslösendes w unmittelbar gefolgt sein kann. Es war vielmehr, wie die bei Jordanes überlieferten Varianten zeigen, mit dem Bindevokal -o- verschmolzen, so dass *Baioar entstand, dass dann im 8. Jh. der Lautverschiebung von B- zu P- unterlag und bair.-ahd. Peiar, Plural Peiara und abgeschwächt Peier, Peigir ergab. Insgesamt bedeutet der Baiernname also unmittelbar ‚Wehrmänner von/aus Baia‘, was immer unter Baia zu verstehen ist. Doch wird ihm in Verbindung mit Boiohaemum als angenommene Klammerform *Bai(o)[haim]warjōz kurzerhand die Bedeutung „Männer aus Böhmen“ beigelegt. Wenn auch jüngere lateinische Nennungen am o von Boi- festhalten, so handelt es sich um Schreibtradition des festverwurzelten Namens des keltischen Stammes, der den Römern als Eindringlingen in ihr Land seit dem 3. Jh. v.Chr. bekannt war. So heißt es z.B. nach Aussage des gegen 645 entstandenen 2. Teiles der „Vita Columbani“ des Jonas von Bobbio, als Eustasius († 618) sein Missionswerk bei den Baiern beginnen wollte, er zog ad Boias, qui nunc Baioarii vocantur (II, 8). So nennt die Baiern auch die frühestens Ende des 6. Jhs. entstandene Fränkische Völkertafel.
Als der Sprachwissenschaftler und insbesondere Keltologe Kaspar Zeuß 1837 in seinem Buch „Die Deutschen und die Nachbarstämme“ erstmals den Namen der Baiern nach den Lautgesetzen der germanischen Sprachen richtig etymologisiert hatte,1 was bis heute linguistisch gegen so manche anderen Versuche allein zutreffend ist, stand für ihn fest, dass der Name der keltischen Boier auf die ihnen nachfolgenden Germanen übertragen worden ist und dass die Baiern aus Böhmen in ihre neuen Wohnsitze zu beiden Seiten der Donau eingewandert sind. In seinem folgenden Buch von 1839 „Die Herkunft der Baiern von den Markomannen gegen bisherige Mutmaßungen bewiesen“ wollte Zeuß gegenüber herrschenden anderen Meinungen seiner Zeit nachweisen, dass es die im böhmischen Becken siedelnden Markomannen waren, die um 500 nach Südwesten abzogen und in ihrem neuen Gebiet zu Baiern wurden. Damit war die sogenannte „Markomannentheorie“ geboren. Sie erwies sich allerdings, wie jüngere Forschungen zeigten, historisch als unhaltbar, denn die Markomannen waren um 80 n.Chr. den Quaden nach Südosten gefolgt und siedelten im 2. Jh. im heutigen Südmähren und nördlichen Niederösterreich, ehe sie 396 als römische Föderaten in Pannonien Wohnsitze erhielten und dann im 5. Jh. aus der Geschichte verschwanden. Aus der „Markomannentheorie“ aber entwickelte sich die sogenannte „Einwanderungs-“ oder „Landnahmetheorie“, die mit einem germanischen Einwanderungsstrom in ein so gut wie siedlungsleeres Land nach dem Abzug der romanischen Bevölkerung rechnete. Sie lebte bis über die Mitte des 20. Jhs. fort, wobei ein Herkunftsgebiet Baia in unterschiedlichen Gegenden außerhalb Böhmens über Pannonien bis ans Schwarze Meer festzumachen versucht wurde.2 Diese Ansichten können hier aber übergangen werden, weil sie für den Forschungsstand der 1980er Jahre bedeutungslos geworden waren. Daneben aber bestand die nun modifizierte Ansicht einer Einwanderung von Elbgermanen aus Böhmen fort.
Über die Frage der Ethnogenese der Baiern – der neue Terminus statt Stammesbildung – wurde in den 1980er Jahren von den beteiligten Disziplinen der germanistischen sprachwissenschaftlichen Namenkunde, der Archäologie und der Geschichtswissenschaft ein weitgehender Kompromiss erzielt. Die Ergebnisse wurden im Jubiläumsjahr 1988 in der großen Doppelausstellung des österreichischen Bundeslandes Salzburg und des Freistaates Bayern in Mattsee und Rosenheim „Die Bajuwaren“ mit dem auf den wesentlichen Zeitraum hinweisenden Untertitel „Von Severin bis Tassilo 488–788“ präsentiert und im Ausstellungskatalog zusammengefasst. Diese äußerst erfolgreiche Doppelausstellung sahen rund 270.000 Besucher, nicht weniger als 64.000 Kataloge wurden verkauft1 und die Medien Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen und Journale vermittelten einer breiten Öffentlichkeit die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Gegenüber verschiedenen, immer wieder aufkommenden, jedoch linguistisch unhaltbaren, weil die lautgesetzlichen Entwicklungen des Germanischen nicht beachtenden Erklärungen des Baiernnamens2 ging man weiterhin von der linguistisch einzig richtigen, oben dargelegten Erklärung des Baiernnamens aus und verband sie mit der Bedeutung „Männer aus Böhmen“. Aber gegenüber der älteren „Landnahmetheorie“ änderte sich die Auffassung über die Ethnogenese. So hatte der Erlanger germanistische Sprachwissenschaftler Ernst Schwarz 1969 in seiner Abhandlung „Die Naristenfrage in namenkundlicher Sicht“ gezeigt, dass im anfänglichen bairischen Raum von Ober- und Niederbayern, Salzburg und Oberösterreich eine größere Anzahl von Gewässernamen und eine geringere von Ortsnamen indogermanisch-voreinzelsprachlicher oder keltischer Herkunft auftritt. Im selben Sinn einer romanischen Namenkontinuität ließ Schwarz ein Jahr später die Studie „Baiern und Walchen“ folgen. Die Tradierung all dieser Namen von den Römern und Romanen zu den Baiern war nur dann möglich, wenn Siedlungskontinuität und damit der Fortbestand zumindest einer geringen romanischen Bevölkerung in die bairische Frühzeit gegeben war, worauf auch noch die auf Romanen Bezug nehmenden romanisch-deutschen Mischnamen mit einem romanischen Personennamen sowie die wenigen deutschen Walchen- und Parschalken-Namen hinweisen. Es können also nicht, wie es aus der Vita Severini hervorgeht, wegen ständiger barbarischer Überfälle und Bedrängnisse nach dem Tod des Mönches Severin († 482) 488 alle Romanen nach Italien abgezogen sein, sondern es muss eine romanische Restbevölkerung geblieben sein.
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Durch das Zusammenwirken von Namenforschung, Archäologie und Geschichtswissenschaft wurde also in den 1980er Jahren eine schlüssige Erklärung der bairischen Stammesbildung und Frühgeschichte bis ins 6. Jh. erzielt. Diese Forschungsergebnisse hatten rund zwei Jahrzehnte Bestand.