Hrsg.: Cordula Krinner, Nina Sarubin, Kurt Wedlich, Sören Schmidt, Kathrin Schütz, Nikolai Egold, Dominic-Nicolas Gansen-Ammann, Ingo Zobel

Angewandt-wissenschaftliche Perspektiven der Psychologie: Abschlussarbeiten an der Hochschule Fresenius 2018

ISBN 978-3-75287-269-9

CIP-Medien, München 2018

Layout: Silvia Pohl

Herstellung und Bezugsadresse:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt, www.bod.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Inhalt

Neele Penning1, 3, Franka Metzner2, Sören Schmidt3 & Anna von Möllendorff1

Stabilisierung junger traumatisierter Flüchtlinge durch Emotionsregulation und Psychoedukation: Erste Erfahrungen mit dem STEP-Gruppenprogramm

Stabilization of young traumatized refugees by regulation of emotions and psychoeducation: Initial experiences with the STEP group program

ZUSAMMENFASSUNG

In der therapeutischen Behandlung von jungen Flüchtlingen mit Traumafolgestörungen sind psychoedukative Programme vielversprechende und notwendige Ansatzpunkte, um Wartezeiten auf einen Therapieplatz zu überbrücken und gleichzeitig erste Entlastung und Stabilisierung zu erwirken. In einer Machbarkeitsstudie zu dem kulturübergreifend einsetzbaren Sicherheit-Trainieren-durch-Emotionsregulation-und-Psychoedukation (STEP)-Gruppenprogramm wurden bei N=6 17- und 18-jährigen somalischen Flüchtlingen (N=3 weiblich) mit PTBS die wahrgenommene Belastung, Emotionsregulation, Copingstrategien und das Wissen über die PTBS im Prä-post-Vergleich mit Fragebögen erhoben. Ergänzend wurde die Zufriedenheit und die Relevanz der Intervention aus Sicht der Teilnehmerinnen untersucht. Es zeigte sich, dass die Teilnehmerinnen ihr Wissen über die PTBS nach ihrer Teilnahme am STEP-Gruppenprogramm signifikant besser einschätzten als vor der Intervention; die empfundene Belastung und die Emotionsregulationsstrategien hatten sich nicht signifikant verändert. Die Studie lieferte trotz eingeschränkter Generalisierbarkeit erste Hinweise dafür, welche Programminhalte für sie von besonderer Wichtigkeit sind und wo weiterer Anpassungs- und Forschungsbedarf besteht.

SCHLÜSSELWÖRTER

Flüchtlinge und Asylbewerber, Jugendliche und junge Erwachsene, PTBS, Trauma, Gruppenintervention

SUMMARY

Psychoeducative programs for young refugees with posttraumatic disorders are promising and necessary approaches to bridge waiting times for a therapy place, while at the same time achieving initial relief and stabilization. In a feasibility study on the crosscultural Safety Training Through Emotional Regulation and Psychoeducation (STEP) group program, n=6 17- and 18-year-old Somali refugees with PTSD (n=3 female) were interviewed on perceived stress, regulation of emotions, coping strategies, knowledge about PTSD before and after the intervention. In addition, the satisfaction and the relevance of the intervention from the participants' point of view were examined. It was found that the participants were significantly better informed about the PTBS after their participation in the STEP group program than before the intervention. The perceived mental stress and the emotion-regulation strategies had not changed significantly. Despite the limited generalizability, the study provided first indications for benefits, important components and further needs for adaptation and research.

KEYWORDS

refugees and asylum seekers, adolescents and young adults, PTSD, trauma, group intervention

Bürgerkrieg, Terrorismus, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen sowie politische, sexuelle und religiöse Verfolgung sind die Gründe, weshalb sich aktuell sehr viele Menschen dazu entschließen, ihr Heimatland zu verlassen und einen gefährlichen Fluchtweg auf sich nehmen, um in sicheren Staaten wie beispielsweise in Europa Schutz zu suchen (UNHCR, 2017). Im Jahr 2016 haben über 720.000 Menschen in Deutschland einen Asylerstantrag gestellt (BAMF, 2016). Etwa 60 % der asylsuchenden Menschen in Deutschland waren 2016 jünger als 25 Jahre; mehr als ein Drittel der Asylantragsteller war minderjährig und unter 18 Jahre alt (BAMF, 2016).

Ruf, Schauer und Elbert (2010) befragten N=104 7- bis 16-jährige Flüchtlingskinder nach traumatischen Erlebnissen im Heimatland und auf der Flucht und fanden, dass 41 % Zeuge von körperlichen Angriffen gewesen waren, 38% einen Krieg erlebt hatten, jeweils 26% innerfamiliäre Gewalt erlebt beziehungsweise eine Leiche gesehen hatten, 21 % vom gewaltsamen Tod oder einer schweren Verletzung einer geliebten Person erfahren hatten, 15% selbst Opfer eines körperlichen Angriffs geworden waren und 5% sexuellen Missbrauch erlebt hatten. Geflüchtete Kinder und Jugendliche, deren Psyche aufgrund eines bisher nicht vollständig gefestigten Welt- und Selbstbilds entwicklungsbedingt besonders verletzlich ist (Fischer & Riedesser, 2009), stellen eine besonders gefährdete Gruppe für Traumafolgestörungen dar (Metzner, Reher, Kindler & Pawils, 2016). Eine aktuelle Übersichtsarbeit zeigt, dass weltweit etwa ein Drittel der Geflüchteten infolge der häufig traumatischen Erfahrungen im Heimatland und während der Flucht sowie aufgrund der Belastungen durch psychosoziale Stressoren im Aufnahmeland psychische Erkrankungen wie eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder eine Depression entwickelt (Lindert, von Ehrenstein, Wehrwen, Brähler & Schäfer,2017; Walg, Fink, Großmeier, Temprano & Hapfelmeier, 2017).

Die PTBS zählt zu den häufigsten Traumafolgestörungen bei jungen Geflüchteten (Lorenz, 2013; Bronstein & Montgomery, 2011). Die Hauptsymptome der PTBS sind Formen des Wiedererlebens, Vermeidungsverhalten und Übererregung (Dilling, Momvour & Schmidt, 2013). An PTBS erkrankte Kinder und Jugendliche leiden häufig unter Schlafstörungen, Albträumen, Dissoziationen, Konzentrationsschwierigkeiten, sich aufdrängenden Erinnerungen an die traumatischen Erlebnisse und Flashbacks (Dilling et al., 2013). Bei kleineren Kindern lassen sich Verhaltensänderungen wie das als Regression bezeichnete „Verlernen“ bereits beherrschter Fähigkeiten, wie zum Beispiel das Sprechen oder das Trocken- beziehungsweise Saubersein, beobachten (Steil & Straube, 2002). Bronstein und Montgomery (2011) fanden in ihrem systematischen Literaturreview zur PTBS-Prävalenz bei Flüchtlingskindern weltweit Häufigkeiten zwischen 19% und 54%. Metzner und Kollegen (2016) zeigten in ihrer Übersichtsarbeit zur Häufigkeit der PTBS bei in Deutschland lebenden geflüchteten Kindern und Jugendlichen in nicht-klinischen Stichproben ähnlich hohe PTBS-Raten zwischen 14% und 60%. Bei jungen Geflüchteten wurden in den Studien einheitlich deutlich höhere PTBS-Prävalenzen gefunden als bei nicht-geflüchteten Minderjährigen, bei denen die PTBS-Prävalenz in Deutschland zwischen 1% und 2% liegt (Essau, Conradt & Petermann, 1999).

Psychische Erkrankungen wie die PTBS führen häufig zum sozialen Rückzug der betroffenen Kinder und Jugendlichen und können sich negativ auf den Spracherwerb sowie die Schulleistungen auswirken, sodass sie ein großes Hindernis für die Integration und Stabilität im Exilland darstellen können (Brakemeier, Rump, Spies & Schouler-Ocak, 2016; von Lersner, Rieder & Elbert, 2008). Die drohende Chronifizierung der psychischen Traumafolgeerkrankungen sowie häufig auftretende komorbide Störungsbilder wie Substanzmissbrauch und das hohe Risiko für Suizidalität begründen zudem den Bedarf, jungen psychisch erkrankten Geflüchteten möglichst schnell psychotherapeutische Hilfe anzubieten (Reher & Metzner, 2016; BPtK, 2015; Ruf, Schauer & Elbert, 2010; von Lersner et al., 2008). Die psychotherapeutische Versorgung von psychisch erkrankten Flüchtlingen generell ist in Deutschland allerdings bislang unzureichend und wird vor allem durch Spezialambulanzen getragen (Metzner et al., 2016; Gesundheitsministerkonferenz, 2015). Nur ein geringer Teil der geflüchteten Menschen mit behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung (BafF, 2015). Ruf et al. (2010) fanden beispielsweise bei 20 an PTBS erkrankten Kindern von Asylbewerbern in Deutschland eine Behandlungsrate von 5%. Gründe für die Unterversorgung von psychisch erkrankten Geflüchteten sind vor allem sprachliche und organisatorische Barrieren, da beispielsweise Asylbewerber die Gesundheitsversorgung in Deutschland zunächst nur eingeschränkt nutzen können und die Finanzierung von Dolmetschern für die Psychotherapie nicht geregelt ist (Metzner et al., 2016; Reher & Metzner, 2016; Classen, 2011; Schepker & Toker, 2009). Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen bzw. der Psychiatrie oder die Angst davor, als „verrückt“ zu gelten, können die Betroffenen zudem daran hindern, Psychotherapien in Anspruch zu nehmen (Schmid, Tetzer, Rensch & Schlüter-Müller, 2012; Schepker & Toker, 2009). Die wenigen bundesweit existierenden psychosozialen Behandlungszentren und die niedergelassenen Therapeuten, die junge Geflüchtete mit Traumafolgestörungen behandeln, haben aufgrund ihrer begrenzten Kapazitäten häufig Wartezeiten von mehreren Monaten (BPtK, 2015).

Psychoedukative (Gruppen-)Programme, das heißt systematische, didaktisch-psychotherapeutische Interventionen, um PatientInnen und Angehörige über Krankheiten, deren Verlauf und Behandlung aufzuklären (Bäuml & Pitschel-Walz, 2008), stellen einen vielversprechenden und notwendigen Ansatz für junge Geflüchtete mit Traumafolgestörungen dar, die lange Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken und gleichzeitig bei starker psychischer Belastung eine erste Entlastung und Stabilisierung zu erwirken. Durch Psychoedukation können Betroffene, die ihre Symptome häufig als „beängstigend, unverständlich und zum Teil beschämend“ (Liedl, Schäfer & Knaevelsrud, 2010, S. 1) empfinden oder das Gefühl haben, den Verstand zu verlieren, über Ursachen, Symptome und Folgen der Traumafolgestörungen aufgeklärt werden, Strategien zum Umgang mit den Symptomen im Alltag erlernen und eine erste Form der Entlastung erleben (Liedl et al., 2010; Krüger, 2008). Psychoedukation umfasst die Hilfe zur Selbsthilfe (Liedl et al., 2010) und ermöglicht das Erleben von Orientierung, Transparenz und Sicherheit, was insbesondere für traumatisierte Menschen nach dem Erleben von Kontrollverlust und Grenzübertretungen von großer Bedeutung ist (Krüger, 2008). Die klinische Erfahrung zeigt, dass die Behandlungen von geflüchteten Kindern und Jugendlichen mit Traumfolgestörungen erfolgreicher verliefen, wenn die PatientInnen und ihre Familien vor der Therapie an psychoedukativen Veranstaltungen teilgenommen hatten (Krüger, 2008). Durch das neu erworbene Wissen über Traumata, Traumafolgen und Copingstrategien können die Jungen und Mädchen ihre bis dahin unverständlichen Gefühle und Verhaltensweisen einordnen und annehmen. Neben der Psychoedukation der engsten Bezugspersonen sowie von weiteren Familienangehörigen kann für eine integrierte Versorgung auch der Einbezug des weiteren sozialen Umfeldes, wie zum Beispiel Lehrer oder Jugend- und Erziehungshilfen, in die Psychoedukation elementar sein. Durch Psychoedukation kann das soziale Umfeld des erkrankten Kindes oder Jugendlichen aufgeklärt und für die Thematik sensibilisiert werden, so dass es Symptome wie beispielsweise aggressives Verhalten als Hinweis für Übererregung und mentale Abwesenheit als Dissoziation und Form des Wiedererlebens im Rahmen einer PTBS erkennt und angemessen auf das Verhalten reagieren (Krüger, 2008).

Psychoedukation wird oft in Gruppensettings angeboten, da so mehr PatientInnen in derselben Zeit behandelt werden und von den Vorteilen von Gruppen profitieren können (Strauß & Mattke, 2012). Die jungen, an PTBS erkrankten PatientInnen, die sich oft stigmatisiert und ausgegrenzt fühlen und aufgrund von Angst-, Schuld-, Schamoder Ohnmachtsgefühlen zur sozialen Isolierung neigen, können im Gruppensetting erleben, dass es anderen Menschen ähnlich geht und dadurch Erleichterung erfahren (Strauß & Mattke, 2012; Wöller, 2010). Yalom (2015) beschrieb diesen positiven Gruppeneffekt als „Universalität des Leidens“.

Sloan, Feinstein, Gallagher, Beck und Keane (2013) fassten in einer Meta-Analyse sechzehn Studien zur Effektivität von Gruppeninterventionen zur Behandlung der PTBS bei Erwachsenen zusammen und fanden für Gruppeninterventionen zwar im Vergleich zu anderen Interventionen wie Beratungsangeboten keine Überlegenheit, aber höhere Effekte als in den Wartekontroll-Gruppen. Auch wenn die Effekte von Gruppeninterventionen bei PTBS-PatientInnen deutlich geringer sind als die Effekte von evidenzbasierten Individualtherapien, können Gruppeninterventionen als ein erster Versorgungsschritt eine hohe Relevanz für traumatisierte junge Geflüchtete haben (Cahil, Rothbaum, Resick & Folette, 2009).

Publizierte Psychoedukationsprogramme für junge, an PTBS erkrankte Flüchtlinge konnten im Rahmen einer Literaturrecherche bisher allerdings nicht identifiziert werden. Aus diesem Grund wurde in der Flüchtlingsambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), in der seit 1998 in Kooperation mit der Stiftung Children for Tomorrow in Hamburg lebende, geflüchtete Kinder und Jugendliche mit Traumafolgestörungen behandelt werden, die psychoedukative Intervention „Sicherheit-Trainieren-durch-Emotionsregulation-und-Psychoedukation“ (STEP) für diese Patientengruppe entwickelt. In der vorliegenden Arbeit wurde dieses Gruppenprogramm im Rahmen einer Machbarkeitsstudie mit dem Ziel, eine erste Einschätzung zur Wirksamkeit des STEP-Programms auf wahrgenommene Belastung, Emotionsregulation, Copingstrategien und das Wissen über PTBS bei geflüchteten Minderjährigen zu treffen, untersucht. Angenommen wurde, dass die geflüchteten PatientInnen nach dem STEP-Gruppenprogramm eine Verbesserung in Bezug auf das Wissen über die PTBS, die wahrgenommene Belastung und die Emotionsregulation zeigen.

METHODE

Stichprobe

Untersucht wurden 15- bis 19-jährige PatientInnen der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche am UKE, bei denen eine PTBS diagnostiziert wurde. Nach dem diagnostischen Prozess wurden N=10 PatientInnen, durch ihre behandelnden Therapeuten zur STEP-Gruppe angemeldet. Insgesamt nahmen N=7 Teilnehmerinnen bis zum Ende des Gruppenprogramms an den Sitzungen teil. Gründe für das Abbrechen des Programms waren parallele Schultermine oder persönliche Konflikte zwischen den PatientInnen. In einem weiteren Fall lagen bis zum Ende des Gruppenprogramms die notwendigen Daten nicht vollständig vor, sodass die Daten letztendlich von N=6 Teilnehmerinnen in die Untersuchung eingeschlossen werden konnten. Diese PatientInnen hatten an mindestens fünf der insgesamt sechs Termine des STEP-Gruppenprogramms teilgenommen. Alle Teilnehmerinnen stammten aus Somalia und kamen als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland (N=3 weiblich). Die Teilnehmerinnen verfügten über geringe Deutschkenntnisse. Jeweils drei PatientInnen waren zum Zeitpunkt der Intervention 17 beziehungsweise 18 Jahre alt. Ausschlusskriterien für die Teilnahme an dem STEP-Gruppenprogramm waren psychotische Erkrankungen, akute Suizidalität und das Vorliegen einer schweren depressiven Episode.

Instrumente

Mittels eines Fragebogens wurden Alter, Geschlecht sowie Einschätzungen der PatientInnen zu acht Aspekten, die im Gruppenprogramm im Fokus standen, erhoben:

  1. Wissen über PTBS (eine Frage),
  2. der Kenntnisstand über Übungen (eine Frage),
  3. das Gefühl „verrückt“ zu werden (eine Frage),
  4. das Gefühl von anderen verstanden zu werden (eine Frage),
  5. der Belastungsgrad (eine Frage),
  6. das Verstehen von Emotionen (drei Fragen),
  7. die Regulation von Emotionen (drei Fragen) sowie
  8. Widerstandfähigkeit gegenüber negativen Emotionen (drei Fragen).

Die Items zur Erhebung des Wissens über PTBS und des Kenntnisstandes über Übungen wurden selbst entwickelt. Zum einen wurde danach gefragt, ob die Teilnehmerinnen wüssten, was eine PTBS ist und zum anderen, ob sie Übungen kennen würden, die ihnen helfen, wenn es ihnen schlecht geht. Der Kenntnisstand konnte über die Antwortmöglichkeiten „nein“, „ein wenig“ und „ja“ angegeben werden.

Die Abschnitte 3) bis 5), die vor allem die wahrgenommene Belastung betrafen, wurden mit Items wie „In der letzten Woche hatte ich das Gefühl, dass jemand anderes versteht, wie es mir geht“, „In der letzten Woche hatte ich das Gefühl, als ob ich verrückt werden würde“ und „In der letzten Woche haben mich meine Erlebnisse aus der Vergangenheit sehr belastet“ abgefragt. Die drei Fragen zu den empfundenen Belastungen waren an den Items der deutschen Version des Harvard Trauma Questionnaire (HTQ) von Maercker (1995) angelehnt und sollten auf einer vierstufigen Likert-Skala von 0 („stimme gar nicht zu“) bis 3 („stimme sehr stark zu“) beantwortet werden.

Die drei Aspekte zum Bereich der Emotionsregulation (Verstehen von Emotionen, Regulation von Emotionen, Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Emotionen) wurden jeweils anhand von drei Items auf einer vierstufigen Likert-Skala von 0 („trifft überhaupt nicht zu“) bis 3 („trifft (fast) immer zu“) erfasst. Die Skalen der Emotionsregulation entstammen dem Fragebogen zur Selbsteinschätzung Emotionaler Kompetenzen (SEK-27) von Berking und Znoj (2008), wurden jedoch im Hinblick auf die Patientengruppe modifiziert und sprachlich vereinfacht. Die Auswahl der einzelnen Items richtete sich nach der Zielsetzung des Gruppenprogramms. Die psychometrische Güte wurde in den zugrundeliegenden diagnostischen Instrumenten als gut bezeichnet (Berking & Znoj, 2008; Maercker, 1995). Für die selbstentwickelten Items lassen sich noch keine psychometrischen Kennwerte berichten.

Bei der Post-Messung wurde zusätzlich eine selbstentwickelte Skala zur Erhebung der Zufriedenheit mit dem Gruppenprogramm und dessen Relevanz eingesetzt. Die Zufriedenheit mit den einzelnen Übungen sollte anhand von Schulnoten zwischen 1 (sehr gut) und 6 (ungenügend) bewertet werden. Die Zufriedenheit mit dem Zeitraum des STEP-Gruppenprogramms wurde mit einem Item abgefragt, bei dem die Antwortmöglichkeiten „zu lang“, „zu kurz“ oder „genau richtig“ zur Verfügung standen. Die Relevanz des STEP-Gruppenprogrammes für die eigene Problematik wurde mit einem Item abgefragt („Die Probleme, die in der Gruppe besprochen wurden, kenne ich von mir selber.“). Als Antwortmöglichkeit konnte „nein“, „ein wenig“ oder „ja“ angegeben werden. Zudem wurde gefragt, ob die PatientInnen motiviert seien, eine Einzeltherapie zu beginnen („Nach der Gruppe möchte ich gerne eine (Einzel-) Therapie beginnen“). Auch hier galt das dreistufige Antwortformat.

Der eingesetzte Fragebogen wurde vor Beginn der Intervention in der ersten Sitzung sowie nach Abschluss des Programms in der letzten Sitzung ausgeteilt und lag den PatientInnen auf Deutsch vor. Ein Dolmetscher unterstützte die PatientInnen beim Lesen und Ausfüllen des Fragebogens. Das Ausfüllen des Fragebogens dauerte 25 bis 30 Minuten.

Durchführung des STEP-Gruppenprogramms

Das Programm wurde für 15- bis 19-jährige Flüchtlinge konzipiert und entstand auf der Basis der langjährigen therapeutischen Erfahrungen mit jungen Geflüchteten in der Flüchtlingsambulanz für Kinder und Jugendliche am UKE. Es basiert auf Übungen aus imaginativen, kognitiv-behavioralen und dialektisch-behavioralen Therapieansätzen, die sich in der Einzel- und Kleingruppenbehandlung bewährt hatten (Firus, Schleier, Geigges & Reddemann, 2012; Hantke & Görges, 2012; Bohus & Wolf, 2008; Linehan, 1996). Ziel des STEP-Gruppenprogramms waren die emotionale Entlastung der PatientInnen durch die Vermittlung von Wissen über Traumata sowie über die Entstehung und Symptome einer PTBS und die Stärkung der Wahrnehmung und des Kontrollerlebens von der eigenen Anspannung durch (trauma-)therapeutische Übungen zur Emotionsregulation. Im STEP-Gruppenprogramm wurde berücksichtigt, dass Flüchtlinge aus verschiedenen Kulturkreisen stammen und das in Deutschland etablierte Verständnis von Gesundheit und Krankheit nicht vorausgesetzt werden kann (Schmid et al., 2012). Im Programm wurde auf lange erklärende Texte verzichtet und Arbeitsmaterial, wie beispielsweise Übungsblätter, in einfacher Sprache eingesetzt, so dass geringe Lese- und Schreibfähigkeiten keine Hürde für die Teilnahme darstellten. Die Arbeitsblätter lagen in deutscher Sprache vor.

Das Programm enthielt sechs Gruppensitzungen à 90 Minuten sowie eine 30-minütige Einzelsitzung. Aufgrund der psychoedukativen Ausrichtung und des vergleichsweise kurzen Behandlungszeitraums waren konkrete persönliche traumatische Erlebnisse in der Heimat und auf der Flucht explizit keine Inhalte des Gruppenprogramms. Diese waren Gegenstand nachfolgender psychotherapeutischer Interventionen im Einzelsetting. Die Sitzungen fanden einmal pro Woche nachmittags statt. Durchgeführt wurde das Gruppenprogramm durch eine approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und eine Psychologin. Bei allen Bausteinen der Psychoedukation und der emotionalen Stabilisierung im Programm wurde ein Dolmetscher eingesetzt, um den PatientInnen durch die Muttersprache Vertrautheit zu vermitteln und den Einstieg in die therapeutische Intervention zu erleichtern. Mit den Teilnehmerinnen und dem Dolmetscher wurde die Regel vereinbart, dass traumatische Erlebnisse nicht im Gruppenprogramm thematisiert bzw. nicht gedolmetscht werden.

Die sechs Gruppensitzungen beinhalteten jeweils eine Blitzlichtrunde („Wie geht es mir in diesem Moment?“, je ein positives und ein negatives Ereignis am Tag der Sitzung), das Einschätzen des eigenen Stresslevels auf einer Skala zwischen 0 (kein Stress) und 10 (sehr starker Stress) zu Beginn und zum Abschluss der Sitzung sowie ein erklärendes und ein aktives Element (siehe weiter unten).

Das in jeder Sitzung wiederkehrende zweimalige Einschätzen und Dokumentieren der eigenen Anspannung („Stresslevel“) wurde mithilfe einer Achtsamkeitsübung eingeleitet, die zu Beginn des Programms therapeutisch angeleitet und im Laufe des Programms von den Teilnehmerinnen soweit verinnerlicht wurde, dass sie sie selbständig durchführen konnten.

Psychoedukativ wurde im STEP-Gruppenprogramm beispielsweise auf die Metapher des Häschens und des Denkers nach Hantke und Görges (2012) zurückgegriffen, nach welcher basale, kortikal assoziiert Funktionen, wie zum Beispiel die Wahrnehmung von Emotionen, Kognitionen und deren sprachliche Weiterverarbeitung (Denker) mit Vorgängen im limbischen System (Verarbeitung von Emotionen, Koppelung mit/Bildung von Gedächtnisinhalten-Häschen) in Einklang gebracht werden sollen. Die Symptome der PTBS wurden über ein Gruppen-Quiz vermittelt und verinnerlicht. Weitere aktive Elemente in den Sitzungen waren unter anderem die Imaginationsübung „Mein innerer sicherer Ort“ nach Firus und Kollegen (2012), die 5-4-3-2-1- bzw. Sensory-Grounding-Übung (Hantke & Görges, 2012) sowie Skills auf sämtlichen Sinneskanälen nach Linehan (1996) sowie Bohus und Wolf (2008). Bis zur fünften Sitzung stellte jeder Teilnehmerinnen seinen eigenen „Notfallkoffer“ für Anspannungssituationen und negative Gefühlszustände zusammen. Für das Erklären und Erarbeiten von Interventionen wurde auf kultur- und länderspezifische Elemente aus der Lebenswelt der PatientInnen zurückgegriffen. So wurde beispielsweise die Wirkung von Imaginationsübungen in einer Gruppe somalischer PatientInnen mit der Vorstellung, eine heimische, selbst gepflückte Mango zu verzehren, erfahrbar gemacht. Die Teilnehmerinnen führten während des Gruppenprogramms eine Therapiemappe, in der Arbeitsblätter gesammelt und individuelle Hilfsstrategien (wie z. B. der Notfallkoffer, Innerer Sicherer Ort) festgehalten wurden, die in den individualtherapeutischen Sitzungen aufgegriffen werden konnten.

Die PatientInnen bzw. ihre Sorgeberechtigten erklärten ihre Teilnahmebereitschaft für die Studie schriftlich. Die Teilnahme an der Studie wurde nicht vergütet.

Auswertungsstrategie

Die soziodemographischen Daten, die Angaben zum STEP-Gruppenprogramm und Rückmeldungen zur Zufriedenheit mit der Intervention wurden deskriptiv ausgewertet. Der Prä-Post-Vergleich der Einschätzungen zu den Programminhalten wurde aufgrund der kleinen Stichprobe und den nicht normalverteilten Messwerten mit dem non-parametrischen Vorzeichentest für verbundene Stichproben berechnet. Für die Berechnung der Prä-post-Unterschiede in den drei Skalen Regulation, Verstehen und Resilienz wurden die jeweils zu einem Summenwert addierten Messwerte verwendet. Das Signifikanzniveau wurde auf 5% festgelegt.

ERGEBNISSE

Der Prä-post-Vergleich der Testwerte im Vorzeichentest ergab, dass die Teilnehmerinnen ihr Wissen über die PTBS nach ihrer Teilnahme am STEP-Gruppenprogramm signifikant besser einschätzten als vor der Intervention (p=0,03; prä: Md=0,0; Range 0 - 1; post: Md=2,0; Range 2 (siehe Tabelle 1). Vor der Intervention (Md=1,00; Range 1 - 2) bewerteten die Teilnehmerinnen ihr Wissen zu Übungen zur Verbesserung der Stimmung schlechter als nach dem Programm (Md=1,50; Range 0 - 2), wobei die Unterschiede im Prä-post-Vergleich keine statistische Signifikanz erreichten. Nach der Intervention (Md=0,50; Range 0 - 1) hatten die PatientInnen weniger das Gefühl, „verrückt zu werden“, als vor der Intervention (Md=3,00; Range 0 - 3), ohne dass sich die Werte vor und nach dem Programm signifikant voneinander unterschieden (Vorzeichentest: p=0,125, n=6). Das Gefühl, von anderen verstanden zu werden, war bei den Teilnehmerinnen zum Zeitpunkt der Prä-Messung (Md=1,00; Range 0-3) genauso niedrig wie zur Post-Messung (Md=1,00; Range 1 - 2). Die eingeschätzte Belastung durch Erlebnisse in der Vergangenheit zum Zeitpunkt nach dem Programm (Md=3,00; Range 2 - 3) hatte sich im Vergleich zum Messzeitpunkt zu Beginn der Intervention nicht verändert (Md=3,00; Range 2 - 3). Hinsichtlich der Emotionsregulation zeigten sich zwar Verbesserungen in den Fähigkeiten Verstehen (prä: Md=4,0; Range 3 - 8; post: Md=5,5; Range 3 - 6), Regulation (prä: Md=3,0; Range 3 - 6; post: Md=4,5; Range 3 - 5) und Widerstandsfähigkeit prä: Md=1,0; Range 0 - 6; post: Md=2,5; Range 1 - 3), die allerdings keine statistische Signifikanz erreichten (siehe Tabelle 1). Die Hypothese in Bezug auf das Wissen zur PTBS konnten bestätigt werden, während die Hypothesen zu Veränderungen der wahrgenommenen psychischen Belastung und zur Emotionsregulation nicht bestätigt werden konnten.

Zur Akzeptanz und Bewertung des STEP-Gruppentrainings gaben alle PatientInnen an, die besprochenen Beschwerden von sich selber zu kennen. Alle Teilnehmerinnen bewerteten den Zeitraum der Gruppe über sieben Wochen als „genau richtig“. Insgesamt wurden die Übungen als „sehr gut“ bewertet (Md=1,00, Range 1 – 3). Fünf der sechs PatientInnen waren motiviert, nach der STEP-Gruppe eine Einzelpsychotherapie zu beginnen, während ein Patient unsicher war, ob er eine Einzelpsychotherapie beginnen wolle. Die Zufriedenheit mit dem Zeitraum des Gruppenprogramm wurde von allen Teilnehmerinnen als “genau richtig“ eingeschätzt. Von den sechs PatientInnen bejahten alle Jugendliche die Frage nach der Relevanz des STEP-Gruppenprogrammes für die eigene Problematik. In den Nachbesprechungen im Einzelsetting gaben die jungen Flüchtlinge an, dass die Regel, traumatische Erlebnisse in der Heimat und auf der Flucht nicht berichten zu dürfen, wesentlich zu ihrer Bereitschaft an der Gruppe teilzunehmen beigetragen hat.

Tab. 1: Ergebnisse des Vorzeichentests zum Prä-post-Vergleich der Einschätzungen zu den Inhalten des STEP-Gruppenprogramms (n=6)

Inhalte des STEP-Gruppenprogramms Prä-Messung Post-Messung Negative Differenz positive Differenz Bindungen P
Md Range Md Range
Wissen über PTBSa 0.00 0 - 1 2 2 0 6 0 0,031
Wissen zu Übungena 1,00 1 -2 1,50 0 - 2 1 2 3 1,000
Gefühl verrückt zu werdenb 3,00 0 - 3 0,50 0 - 1 4 0 2 0,125
Gefühl verstanden zu werdenb 1,00 0 - 3 1,00 1 -2 1 2 3 1,000
Belastung durch Erlebnisse in der Vergangenheitb 3,00 2 - 3 3,00 2 - 3 2 2 2 1,000
Verstehen von Emotionenc 4,00 3 - 8 5,50 3 - 6 2 3 1 1,000
Regulation von Emotionenc 3,00 3 - 6 4,50 3 - 5 1 4 1 0,375
Widerstandsfähigkeit gegenüber negativen Emotionenc 1,00 0 - 6 2,50 1 -3 3 3 0 1,000

Anmerkungen: Md = Median, a = 0 („nein“), 1 („ein wenig“), 2 („ja“), b = 0 („stimme gar nicht zu“) bis 3 („stimme sehr stark zu“), c =, 0 („stimmt überhaupt nicht“) bis 3 („stimmt (fast) immer“) (summenwerte zwischen 0 und 9).

DISKUSSION UND AUSBLICK

Das psychoedukative STEP-Gruppenprogramm entstand aus der Notwendigkeit heraus, an PTBS erkrankte junge Geflüchtete emotional bereits vor dem Beginn einer hochfrequenten Einzelpsychotherapie zu entlasten, weil aufgrund der begrenzten Kapazitäten eine lange Wartezeit auf einen Therapieplatz bestand. Ziel war es, durch Psychoedukation und therapeutische Übungen zur Emotionsregulation eine Zuspitzung der PTBS-Symptomatik während der Wartezeit auf einen Therapieplatz zu verhindern und bereits in diesem Zeitraum eine erste emotionale Stabilität herzustellen (Liedl et al., 2010, Krüger, 2008). Zusammengestellt wurden Interventionen, die das Ziel verfolgten, Kenntnisse zum Störungsbild der PTBS und zum Umgang mit aversiven Emotionen zu vermitteln (Firus et al., 2012; Hantke & Görges, 2012; Bohus & Wolf, 2008; Linehan, 1996). Durch die Diagnostik und die Berücksichtigung von Aufnahmekriterien wurde sichergestellt, dass die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Lage waren, an einem Gruppenprogramm teilzunehmen. Ein Dolmetscher mit sprachlicher und kultureller Expertise stellte die kommunikative Brücke zwischen den Gruppenleiterinnen und den GruppenTeilnehmerlnnen her.

Die Machbarkeitsstudie zum STEP-Gruppenprogramm lieferte erste Hinweise für Veränderungen bei den Teilnehmerinnen, aber auch für notwendige Anpassungen im Programm. Es ließ sich feststellen, dass die Teilnehmerinnen von dem Gruppenprogramm tendenziell profitierten, da sie sowohl ihr Wissen über die PTBS signifikant steigern konnten als auch mehr über Emotionsregulation gelernt hatten, wobei dieses Ergebnis nur in der Richtung, nicht aber im Sinne eines signifikanten Befunds interpretiert werden darf. Da die emotionale Belastung durch vergangene Erlebnisse bei den Teilnehmerinnen durch das Programm nicht verändert werden konnte, muss in weiteren Untersuchungen überprüft werden, ob über die Psychoedukation hinaus eine Bearbeitung symptomauslösender Traumata Ziel von ersten stabilisierenden Interventionen wie dem STEP-Gruppenprogramm sein kann (oder sollte), was in der hier beschriebenen Konzeption bewusst ausgeklammert wurde. Mit Blick auf die hier ermittelte gute Akzeptanz des Programms, die letztendlich auch daher rührte, dass traumatische Erlebnisse auf Seiten der Teilnehmerinnen zunächst nicht aufgegriffen wurden, ist allerdings dann nicht auszuschließen, dass die Akzeptanz der Maßnahme abnimmt, was wiederum zu einer geringeren Compliance im Rahmen der Behandlung führen kann. In Anbetracht der Kürze der Zeit einer solchen Maßnahme scheint ein wesentliches Ziel bereits dann erreicht, wenn die Bereitschaft steigt, überhaupt an einer weiterführenden Psychotherapie teilzunehmen, was bei der vorliegenden Patientengruppe der Fall war. Diese Befunde decken sich mit den Ergebnissen von Krüger (2008), nach denen die Teilnahme an einem psychoedukativen Programm zu einem positiveren Verlauf einer anschließenden Traumatherapie führt. Ein Ziel zukünftiger Untersuchungen könnte ein stärkerer Fokus auf das Kontrollgefühl über die wiederkehrenden Erinnerungen und den damit verbundenen negativen Affektzuständen sein, welches durch das Einüben der Emotionsregulationsstrategien durch Psychoedukation gesteigert werden kann.

Ein Teil der Jugendlichen gab als wesentlich für ihre Teilnahmebereitschaft bei der STEP-Gruppe an, dass das Besprechen vergangener traumatischer Erlebnisse explizit ausgeklammert wurde. Somit konnten Ängste, die sich auf die erneute Auseinandersetzung mit den belastenden Erlebnissen bezogen, frühzeitig abgebaut werden. Berichte von Flashbacks, Erinnerungen oder traumaassoziierten Albträumen musste der Dolmetscher frühzeitig unterbrechen und übersetzen, um der Gruppenleitung die Möglichkeit zu geben, das Gespräch in die Gegenwart beziehungsweise zu lösungsorientierten Ansätzen zu lenken. Bei den Teilnehmerinnen zeigte sich eine hohe Motivation für die (inter-)aktiven Elemente des Gruppenprogramms. Hier ist anzunehmen, dass auch das Wissen um ähnlich belastende Erlebnisse bei den weiteren GruppenTeilnehmerlnnen eine unterstützende Rolle spielt und sich das Gefühl, mit den subjektiv erlebten traumatischen Erfahrungen allein zu sein, verringert (Yalom, 2015; Strauß & Mattke, 2012; Wöller, 2010).

Vor dem Hintergrund der häufig bei PTBS-Patientlnnen auftretenden Konzentrationsproblemen und Erschöpfung wurde der Anteil an frontaler Theorievermittlung in den Gruppensitzungen in den Nachmittagsstunden auf das Notwendige reduziert. Theoretische Inhalte, die zur Erweiterung des Wissens über Traumata und PTBS beitragen sollten, wurden bildhaft und durch interaktive Methoden vermittelt. Die Wiederholung von Inhalten vergangener Sitzungen bewährte sich als fester Programmbestandteil, um das Gelernte zu verfestigen. Als große Unterstützung erschien auch die während des gesamten Gruppenprogramms geführte Therapiemappe für Arbeitsblätter und individuelle Hilfsstrategien. Um eine Vermittlung der Inhalte an PatientInnen mit geringen Deutschkenntnissen ohne Einsatz eines Dolmetschers möglich zu machen, bedarf es der Umwandlung beziehungsweise Übersetzung der eingesetzten Arbeitsblätter. Empfehlenswert erscheint der Einsatz von Dolmetschern für mindestens zwei der Sitzungen, um ein Verständnis für das Störungsbild als Grundlage für die weiteren Interventionen zu gewährleisten. Auch gilt es, den Teilnehmerinnen Raum für eigene Assoziationen zu geben, um die Verknüpfung der neu gelernten Inhalte mit bereits bekanntem Wissen und Erfahrungen zu erleichtern.

Eine weitere Anpassung stellt ein intensiverer Einbezug von Bezugspersonen in das Gruppenprogramm für geflüchte Jugendliche und junge Erwachsene dar. Geplant werden sollte in Zukunft eine Doppelstunde mit betreuenden Personen, die im Vorfeld über das STEP-Programm aufgeklärt und in Übungen eingewiesen werden sollten, um die Jugendlichen engmaschiger begleiten und unterstützen zu können.

EINSCHRÄNKUNGEN

Die Ergebnisse dürfen aufgrund des geringen Stichprobenumfangs nur unter Vorbehalt interpretiert werden. Demzufolge soll auch das methodische Vorgehen als ein erster Versuch verstanden werden, Veränderungen der Problembelastung durch das STEP-Programm auf Seiten der PatientInnen abzubilden. Nachfolgende Studien sollten unbedingt auf einen größeren Stichprobenumfang zurückgreifen, um etwaige Effekte der Intervention anhand parametrischer Verfahren darzustellen. Berücksichtigt werden muss zudem, dass sich die hier berichteten Erfahrungen ausschließlich auf die Arbeit mit somalischen PatientInnen beziehen. Die gewonnenen Erfahrungen sollten daher anhand größerer Stichproben, auch mit PatientInnen aus anderen Ländern, geprüft werden, was gegenwärtig im Rahmen weiterer Datenerhebungen in der Flüchtlingsambulanz UKE erfolgt.

Als große Herausforderung zeigten sich die sprachlichen Unterschiede zwischen den geflüchteten PatientInnen. Eine wortwörtliche Übersetzung der Therapiematerialien in die Muttersprache der PatientInnen war nicht ausreichend, um bei den Teilnehmerinnen ein umfassendes (Störungs-)Verständnis zu erreichen. Kulturell bedingte Störungsbzw. Heilungsmodelle sowie Dialekte innerhalb des Herkunftslandes machten den Einsatz eines erfahrenen Dolmetschers notwendig, der die Trainingsinhalte nicht nur sprachlich, sondern auch in ihrer Bedeutung vermitteln konnte. Da sich dieser Vermittlungsprozess nur schwer standardisieren lässt, müssen Verzerrungen der in der deutschen Sprache entwickelten Programminhalte bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden. Als interessante Forschungsfrage ergibt sich daraus, welche Bestandteile des Programms bei einer Weiterentwicklung ohne DolmetscherInnen auskommen, ohne dass qualitative Einbußen in Kauf genommen werden müssen.

Die sprachlichen Herausforderungen müssen auch bei der Diagnostik der psychischen Belastungen bei den PatientInnen als relevant angenommen werden. Die eingesetzten diagnostischen Verfahren wurden für den deutschen Sprachraum entwickelt und mit Hilfe eines Dolmetschers in die Muttersprache der PatientInnen übersetzt. Dabei war es teilweise notwendig, die Aussagen inhaltlich anzupassen. Für die eingesetzten Instrumente, die strukturell nicht mehr in vollem Umfang den Originalversionen entsprachen, muss die psychometrische Güte ermittelt werden. Da dies aufgrund des geringen Stichprobenumfangs in der vorliegenden Studie nicht realisiert werden konnte, sollten Instrumente bzw. Sprachversionen entwickelt werden, deren psychometrische Konzeption Menschen mit Flucht- bzw. Migrationshintergrund einschließt.

FAZIT FÜR DIE PRAXIS

Das dolmetschergestützte STEP-Gruppenprogramm stellt eine vielversprechende Intervention für geflüchtete Jugendliche und junge Erwachsene mit PTBS dar, um in der häufig langen Wartezeit auf einen Therapieplatz bereits Wissen über die als sehr belastend erlebten Symptome zu erwerben und Strategien zur Entlastung und Emotionsregulation kennen zu lernen. Wirksamkeitsbelege in Bezug auf die psychische Belastung und Strategien zur Emotionsregulation stehen für das Gruppenprogramm noch aus. Die hohe Akzeptanz und Zufriedenheit bei den an PTBS erkrankten jungen Geflüchteten verweisen angesichts des Mangels an Therapieplätzen und der nicht ungeklärten Finanzierung von DolmetscherInnen für geflüchtete PatientInnen auf das große Potential dieses auf imaginativen, kognitiv-behavioralen und dialektisch-behavioralen Therapieansätzen basierenden, ressourcenschonenden Gruppenprogramms.

Das Programm ist nicht auf das ambulante Setting der Flüchtlingsambulanz reduziert und kann zumindest in Teilen und unter Begleitung von qualifizierten Psychologinnen auf andere klinische Settings übertragen werden.

LITERATURVERZEICHNIS

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