couverture
Karoline Sander
Mit Filmbildern
Reisefieber
„Hurra!“, jubelt Conni. „Meine erste Reise ohne Mama und Papa! Mit Anna,
Simon ... und du darfst natürlich auch mit.“ Sie greift nach Teddy und wirbelt ihn
durch die Luft.
Conni ist furchtbar aufgeregt. Endlich ist es so weit! Heute fahren sie mit der gan-
zen Kita-Gruppe zur alten Burgmühle. Mit dem Bus! Das wird bestimmt toll. Aber
vorher muss Conni noch ihre Sachen packen.
„Was brauche ich alles?“ Conni hüpft durch ihr Zimmer. „Das ... und das ...
Sie schnappt sich ihre Schuhe, die Haarbürste und ihr Lieblings-T-Shirt. Der Stapel
auf ihren Armen wird immer größer. Das passt doch nie im Leben in einen einzigen
Koffer! Am besten, sie nimmt zwei Koffer mit. Und ihren Rucksack.
Conni bleibt stehen und überlegt. Fehlt noch was? Richtig, Zahnbürste und
Zahnpasta! Conni flitzt ins Bad. Da fällt ihr plötzlich etwas ein. Das Wichtigste
hätte sie ja fast vergessen!
„Mama!“, ruft sie so laut, dass es quer durchs Haus schallt. „Weißt du, wo Mau
ist?
„Mau ist hier unten, mein Schatz“, antwortet ihre Mutter aus dem Erdgeschoss.
Warum?
Vorsichtig balanciert Conni den Gepäckstapel durch den Flur in Richtung
Treppe. Puh, ganz schön schwer! „Mau, komm her!
Conni schnauft. Ihre Arme tun weh. Außerdem versperren ihr die vielen Sachen die
Sicht. Jetzt fällt auch noch Teddy runter und kullert die Treppe hinab. Mist! Conni
tastet mit dem Fuß nach der obersten Stufe. Der Stapel auf ihren Armen schwankt
gefährlich, während sie sich langsam nach unten bewegt. Eine Stufe und noch eine ...
„Was zum Kuckuck!“, ruft Papa verblüfft von unten, als er das viele Gepäck sieht.
„Ich bin fast fertig“, verkündet Conni stolz. Sie lugt um den Stapel herum. Neben
Papa sitzt Mau und blickt Conni neugierig entgegen. „Ich brauch nur noch ...
In diesem Moment springt Jakob auf seinem Hüpfball in den Flur. „Hopp, hopp,
hopp ...“, singt er fröhlich und hüpft mit seinem Ball direkt neben Mau. Erschro-
cken maunzt der Kater auf, macht einen großen Satz – und landet genau auf dem
Gepäck-Turm, den Conni vor sich herträgt.
„Pass auf, Conni!“, warnt Papa.
Der Stapel schwankt immer heftiger.
„Vorsicht, Schätzchen!“, ruft Mama.
Oh nein! Connis Fuß verfehlt die letzte Stufe, sie stolpert und das Gepäck rutscht
ihr aus den Armen. Conni verliert das Gleichgewicht. Mama und Papa wollen sie
auffangen, aber Conni hat zu viel Schwung. Sie reißt ihre Eltern um und alle landen
auf dem Boden – zusammen mit der Haarbürste, acht T-Shirts, drei Schlafanzügen,
vier Bilderbüchern, einer Skihose, Zahnbürste, Zahnpasta, Schuhen, Buntstiften
und den restlichen Sachen.
Autsch!, schimpft Papa.
Wenigstens ist Mau weich gelandet. Auf Papas Kopf!
Kichernd nimmt Conni ihren Kater auf den Arm.
„Da bist du ja!“ Conni streicht Mau über das getigerte
Fell. „Weißt du was? Wir machen eine Reise.
„Miau!“ Der Kater schmiegt sich schnurrend an sie.
Conni seufzt zufrieden. „Jetzt hab ich alles!
Wenig später sitzt Conni auf ihrem Bett, lässt die Beine baumeln und sieht dabei zu,
wie Mama ihren Koffer neu packt. Mau hat sich auf Connis Schoß zusammengerollt
und hält ein Nickerchen.
„Ihr seid doch nur drei Tage unterwegs.“ Mama räumt einen
Stapel T-Shirts, zwei Schlafanzüge und die Skihose zurück in
Connis Schrank. „Da brauchst du gar nicht so viele Sachen.
Ein Koffer genügt. Und ein Rucksack für die Busfahrt. Willst
du ein Kuscheltier mitnehmen?
„Mau ist mein Kuscheltier! Stimmt's?“ Conni umarmt den
Tigerkater, der schläfrig ein Auge öffnet und dann zustimmend
maunzt.
„Mau muss hierbleiben, Conni“, sagt Mama bestimmt. „Man
darf keine Tiere in die alte Burgmühle mitbringen.
„Was?“ Conni reißt die Augen auf. „Warum nicht? Das hat mir
niemand gesagt!
„Hast du denn gefragt?“, will Mama wissen.
Conni beißt sich auf die Lippe und schüttelt den Kopf. Wie hätte sie auch ahnen
sollen, dass Katzen nicht mitdürfen? Auf die Idee ist sie gar nicht gekommen ...
Es klopft und Papa schaut ins Zimmer. „Seid ihr fertig? Wir müssen los.
Mau kuschelt sich noch enger an Conni.
„Seht ihr?“ Anklagend blickt Conni von Mama zu Papa. „Er will mit!
Mama drückt Conni einen Kuss auf die Stirn und reicht ihr den Rucksack und
Teddy. „Pack Teddy ein, der möchte unbedingt zur alten Burg.
Missmutig stopft Conni ihren Teddy in den Rucksack. Wie soll sie es nur drei Tage
ohne Mau aushalten? Sonst ist er doch auch immer dabei! Warum verstehen Mama
und Papa nicht, dass Conni und Mau einfach unzertrennlich sind?
„Du darfst nicht mit, Mau.“ Connis Stimme klingt wackelig. „Du musst hierblei-
ben. Ich werd dich so sehr vermissen!
Der kleine Kater schaut ihr ernst in die Augen. Conni ist sich sicher: Er versteht
jedes Wort. Da fällt ihr Blick auf den Rucksack. Und plötzlich hat sie eine Idee. Ein
Lächeln huscht über ihr Gesicht. Ja, das könnte klappen!
Es geht los!
„Conni, wir warten!“, ruft Papa.
„Ich komme!“ Mit ihrem Rucksack auf dem Rücken läuft Conni die Treppe hi-
nunter. Ihr Herz klopft heftig. Ob ihr Plan funktioniert? Er muss einfach! „Ich hab
nur schnell noch Mau Tschüss gesagt. Jetzt kann's losgehen!
Papa steht im Flur, mit Jakob auf dem Arm. Mama greift nach Connis rotem Roll-
koffer und öffnet die Haustür.
„Der Rucksack sieht aber schwer aus.“ Papa runzelt die Stirn, als Conni an ihm
vorbeiflitzen will. „Soll ich ihn nehmen?
„Nein, nein.“ Conni schüttelt heftig den Kopf. „Ich schaff das schon.
Sie weicht Papas Blick aus.
Da ertönt ein Maunzen. Conni hält die Luft an. Der Rucksack bewegt
sich und da streckt Mau auch schon den Kopf heraus. Oh nein!
„Miau!“ Der Kater blickt mit Unschuldsmiene in die Runde.
„Mau!“, ruft Jakob. Er strampelt und Papa lässt ihn runter.
Conni seufzt. „Menno!“ Ihre Schultern sacken herab. Das war's! Eigentlich hätte sie
sich denken können, dass ihr Plan nicht funktioniert. Mau ist viel zu neugierig, um
still in seinem Versteck zu bleiben …
„Conni!“ Mama stemmt die Hände in die Hüften. „Kannst du mir bitte erklären,
wie Mau in deinen Rucksack kommt?
Conni wird rot. „Äh – keine Ahnung. Ich weiß es wirklich nicht. Ganz ehrlich!
Papa schüttelt den Kopf. Er versucht, ein ärgerliches Gesicht zu machen, aber dann
muss er doch grinsen. „Na, komm schon. Wir müssen uns beeilen.
Mama hebt Mau aus dem Rucksack und setzt ihn auf den Boden. „Los jetzt!“ Sie
schiebt Conni aus der Tür, bevor sie Mau zum Abschied noch einmal kraulen kann.
Langsam folgt Conni Mama, Papa und Jakob über den Gartenweg. Ihr Rucksack
fühlt sich jetzt viel leichter an, aber ihr Herz ist furchtbar schwer. Sie hätte Mau so
gern mitgenommen! Am Gartentor dreht sie sich um. Mau sitzt in der Küche auf der
Fensterbank und sieht ihr nach.
Traurig winkt Conni ihm zu. „Tschüss, Mau!
Der Kater tapst mit der Pfote gegen die Scheibe. Es sieht aus,
als würde er zurückwinken.
Papa ruft. Seufzend geht Conni weiter. Nach ein paar Schrit-
ten wirft sie einen allerletzten Blick zurück, aber jetzt ist die
Fensterbank leer. Und Mau verschwunden. Enttäuscht lässt
Conni die Schultern hängen.
„Vergiss nicht, die Gartenpforte zuzumachen“, ermahnt
Papa sie.
„Ja, ja“, murmelt Conni. Mit gesenktem Kopf schlurft sie
hinter den anderen her. Das fängt ja gut an!
Vor dem Kindergarten warten bereits die anderen Kinder mit ihren Eltern neben
einem Reisebus. Anna ist mit ihrem Vater gekommen, Semire mit ihrer Mutter und
Laura mit ihrem Opa. Lars und Simon sind auch schon da. Alle reden aufgeregt
durcheinander und überall stehen Koffer und Taschen auf dem Bürgersteig.
„Conni!“ Anna reißt strahlend die Arme hoch. „Spät wie immer!“ Lachend rennt
sie Conni entgegen und nimmt ihre Hand. „Hi!“ Doch als sie die düstere Miene
ihrer Freundin bemerkt, blinzelt sie besorgt. „Ist alles okay?
Conni schluckt, dann nickt sie. „Hallo, Anna. Klar ... alles super.
„Ich kann's kaum erwarten, die Burg zu sehen“, sprudelt es aus Anna hervor. Ihre
Augen blitzen voller Vorfreude und ihre Wangen sind vor Aufregung gerötet.
Conni muss lächeln. Annas Begeisterung ist ansteckend und gleich geht es Conni
ein bisschen besser. Auch wenn sie sich immer noch nicht vor-
stellen kann, Mau erst in drei Tagen wiederzusehen.
„Komm!“ Anna greift nach Connis Arm und gemeinsam laufen
sie zum Bus.
Eine Frau mit kurzen braunen Haaren erscheint zwischen den
Kindern und Eltern. Das ist Hanne, Connis Erzieherin. Sie
klatscht in die Hände.
„Alle mal herhören! Wir haben einen neuen Praktikanten.
Er wird uns in den nächsten Wochen unterstützen und auf
unserer kleinen Reise begleiten. Manche von euch kennen ihn
vielleicht schon vom Probetag. Bitte begrüßt mit mir Lennart!
„Hallo, Lennart!“, rufen die Kinder im Chor.
Conni mustert den Mann neben Hanne. Er ist groß, hat breite Schultern und sieht
ziemlich kräftig aus. Der kann bestimmt drei Kinder auf einmal hochheben!
Doch da taucht hinter dem Mann auf einmal ein schlaksiger Junge auf. Er ist so
dünn wie eine Bohnenstange und trägt eine große Brille. Unsicher lächelt er in die
Runde.
„Hallo, alle zusammen! Ich freue mich schon auf unsere
Reise aufs Land, auch wenn ich ja eigentlich ein Stadtjunge
durch und durch bin.
Verwirrt blickt Conni zwischen den beiden hin und her.
Wenn der schlaksige Junge Lennart ist, dann muss der
große Mann wohl der Busfahrer sein. Tatsächlich fängt der
auch gerade an, das Gepäck zu verstauen. Selbst Lennarts
schweren Koffer wirft er in den Gepäckraum, als wäre er
leicht wie eine Feder.
„Okay, Kinder, bitte einsteigen!“, ruft Hanne. „Verab-
schiedet euch von euren Eltern.
Laura verzieht das Gesicht. „Oje, drei Tage ganz ohne Mama und Papa ...
„Juchhu, es ist so weit!“ Anna hüpft auf und ab.
Der Busfahrer greift nach der letzten Tasche. „Alles an Bord? Dann kann's ja los-
gehen.“ Er drückt die Kofferraumklappe nach unten.
Schnell umarmt Conni Mama, Papa und Jakob.
„Bis bald, Conni!“ Mama drückt Conni ganz fest. „Hab
eine Menge Spaß.
Papa gibt Conni einen Kuss. „Mach's gut und genieß
die Zeit ohne uns.
„Tschüss!“ Conni lächelt ihren Eltern und Jakob noch
einmal zu, dann steigt sie mit Anna in den Bus. In der
Tür dreht sie sich um. „Und passt gut auf Mau auf!
Die anderen Kinder drängeln sich bereits auf der hin-
tersten Bank. Conni kniet sich zwischen Anna und
Semire auf einen Sitz und winkt aus dem Fenster. Da
schließt der Busfahrer auch schon die Tür und startet
den Motor.
„Bis bald! Viel Spaß“, ruft Annas Vater. „Macht nicht
zu viel Quatsch!
Semires Mutter schwenkt ein Taschentuch. „Güle güle! Und Zähneputzen nicht
vergessen!
Alle Kinder rufen durcheinander und winken.
Tschüss, Papa!
Bis bald, Mama!
Auf Wiedersehen, Opa!
Güle güle!
Lars reibt sich die Hände.
„Das wird ein Riesenspaß!
Der Bus fährt an. Mama läuft noch ein paar Schritte
nebenher und Conni winkt wie verrückt. Dann wird
der Bus schneller. Der Kindergarten, die Eltern und
Geschwister bleiben zurück und werden immer kleiner.
Conni winkt, bis Mama, Papa und Jakob nicht mehr zu
sehen sind.
Wer fürchtet sich schon
vor Gespenstern?
Conni und Anna suchen sich zwei freie Plätze an einem
Vierertisch. Gegenüber sitzen Lars und Simon und hinter
ihnen macht es sich Lennart bequem.
Conni wirft einen Blick aus dem Fenster. Draußen ziehen
Häuser, Straßen und Menschen vorbei.
„Ich sag's dir, das wird supertoll!“ Anna strahlt über das
ganze Gesicht.
Conni seufzt. Sie muss an Mau denken. Ob er sie schon
vermisst?
Anna wirft Conni einen mitfühlenden Blick zu und
stupst sie aufmunternd an. „Na komm! Dein Mau wird bestimmt auch mal ohne
dich zurechtkommen.
Aber da ist Conni sich nicht so sicher. Hoffentlich vergessen Mama und Papa nicht,
ihn zu füttern. Und wer kuschelt jetzt mit Mau und krault ihn zwischen den Ohren,
wenn Conni nicht da ist? Wer passt auf, dass Jakob ihn nicht ärgert? Conni schluckt
und blinzelt schnell die Tränen weg, die ihr in die Augen steigen. Sie sinkt tiefer
in den Sitz und stellt sich vor, Mau würde auf ihrem Schoß liegen und zufrieden
schnurren.
Plötzlich gibt es einen Ruck, als der Bus unsanft durch ein Schlagloch fährt.
Und da
„Mau?“ Conni richtet sich auf und spitzt die Ohren.
Was war das? Da war doch gerade ein seltsames Geräusch. Zwar nur ganz leise, aber
es klang fast wie Mau, wenn er sich über etwas ärgert.
Conni wirft einen Blick zu Anna, doch die hat sich ihre Ohrstöpsel in die Ohren
gesteckt und hört Musik. Offenbar hat sie nichts mitbekommen.
Conni lehnt sich zurück und schüttelt den Kopf. Fast muss sie über sich selbst
lachen. Mau – so ein Quatsch!
Da holpert der Bus wieder über etwas.
MAUUU!
Conni erstarrt. „Aber das kann doch nicht sein!“, murmelt sie verwirrt. „Höre ich
etwa wirklich Mau?