Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg

 

 

Richard Wagner

Die Meistersinger von Nürnberg

Textbuch – Libretto

 

 

 

Richard Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg. Textbuch – Libretto

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Vittore Carpaccio, Portrait eines Ritters, 1510

 

ISBN 978-3-7437-0042-0

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-8430-4596-4 (Broschiert)

ISBN 978-3-8430-4599-5 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Komponiert von Richard Wagner. Uraufführung am 21.06.1868, Königliches Hof- und Nationaltheater, München.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Richard Wagner: Die Musikdramen. Mit einem Vorwort von Joachim Kaiser, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1971.

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

 

Hans Sachs, Schuster

 

Veit Pogner, Goldschmied

 

Kunz Vogelgesang, Kürschner

 

Konrad Nachtigall, Spengler

 

Sixtus Beckmesser, Schreiber

 

Fritz Kothner, Bäcker

 

Balthasar Zorn, Zinngießer

 

Ulrich Eisslinger, Würzkrämer

 

Augustin Moser, Schneider

 

Hermann Ortel, Seifensieder

 

Hans Schwarz, Strumpfwirker

 

Hans Foltz, Kupferschmied, Meistersinger

 

Walther von Stolzing, ein junger Ritter aus Franken

 

David, Sachsens Lehrbube

 

Eva, Pogners Tochter

 

Magdalene, Evas Amme

 

Ein Nachtwächter

 

Meistersinger. Bürger und Frauen aller Zünfte. Gesellen. Lehrbuben. Mädchen. Volk

 

Nürnberg, um die Mitte des 16. Jahrhunderts[400]

 

Erster Aufzug

Erste Szene

Die Bühne stellt das Innere der Katharinenkirche in schrägem Durchschnitt dar; von dem Hauptschiff, welches links ab, dem Hintergrunde zu, sich ausdehnend anzunehmen ist, sind nur noch die letzten Reihen der Kirchenstuhlbänke sichtbar: Den Vordergrund nimmt der freie Raum vor dem Chor ein; dieser wird später durch einen schwarzen Vorhang gegen das Schiff zu gänzlich geschlossen.

 

In der letzten Reihe der Kirchstühle sitzen Eva und Magdalene; Walther von Stolzing steht, in einiger Entfernung, zur Seite an eine Säule gelehnt, die Blicke auf Eva heftend, die sich mit stummem Gebärdenspiel wiederholt zu ihm umkehrt.

 

DIE GEMEINDE.

Da zu dir der Heiland kam,

 

Walther drückt durch Gebärde eine schmachtende Frage an Eva aus.

 

willig deine Tauf nahm,

 

Evas Blick und Gebärde sucht zu antworten; doch beschämt schlägt Sie das Auge wieder nieder.

 

weihte sich dem Opfertod,

 

Walther zärtlich, dann dringender.

 

gab er uns des Heils Gebot:

 

Eva: Walther schüchtern abweisend, aber schnell wieder seelenvoll zu ihm aufblickend.

 

daß wir durch sein' Tauf uns weihn,

 

Walther entzückt; höchste Beteuerungen; Hoffnung.

 

seines Opfers wert zu sein.

 

Eva selig lächelnd; – dann beschämt die Augen senkend. Walther dringend – aber schnell sich unterbrechend.

 

Edler Täufer!

Christs Vorläufer!

 

Walther nimmt die dringende Gebärde wieder auf, mildert sie aber sogleich wieder, um dadurch sanft um eine Unterredung zu bitten.

 

Nimm uns gnädig an,

dort am Fluß Jordan!

 

Die Gemeinde erhebt sich. Alles wendet sich dem Ausgange zu und verläßt unter dem Nachspiele allmählich die Kirche. – Walther heftet in höchster Spannung seinen Blick auf Eva, welche ihren Sitz langsam verläßt und, von Magdalene gefolgt,[401] langsam in seine Nähe kommt. Da Walther Eva sich nähern sieht, drängt er sich gewaltsam, durch die Kirchgänger durch, zu ihr.

 

WALTHER.

Verweilt! – Ein Wort – ein einzig Wort!

 

Eva sich schnell zu Magdalene umwendend.

 

Mein Brusttuch ... schau! Wohl liegt's im Ort.

MAGDALENE.

Vergeßlich Kind! Nun heißt es: such!

 

Sie geht nach den Kirchstühlen zurück.

 

WALTHER.

Fräulein! Verzeiht der Sitte Bruch!

Eines zu wissen, Eines zu fragen,

was müßt ich nicht zu brechen wagen?

Ob Leben oder Tod? Ob Segen oder Fluch?

Mit einem Worte sei mir's vertraut: –

mein Fräulein, – sagt ...

MAGDALENE wieder zurückkommend.

Hier ist das Tuch.

EVA.

O weh! Die Spange?

MAGDALENE.

Fiel sie wohl ab?

 

Sie geht abermals suchend nach hinten.

 

WALTHER.

Ob Licht und Lust, oder Nacht und Tod?

Ob ich erfahr, wonach ich verlange,

ob ich vernehme, wovor mir graut: –

Mein Fräulein – sagt ...

MAGDALENE wieder zurückkommend.

Da ist auch die Spange.

Komm, Kind! Nun hast du Spang und Tuch ...

O weh, da vergaß ich selbst mein Buch!

 

Sie geht nochmals eilig nach hinten.

 

WALTHER.

Dies eine Wort, Ihr sagt mir's nicht?

Die Silbe, die mein Urteil spricht?

Ja oder nein! – ein flücht'ger Laut:

mein Fräulein, sagt –

 

Entschlossen und hastig.

 

seid Ihr schon Braut?

MAGDALENE die wieder zurückgekehrt ist und sich vor Walther verneigt.

Sieh da! Herr Ritter?

Wie sind wir hochgeehrt:

mit Evchens Schutze

habt Ihr Euch gar beschwert!

Darf den Besuch des Helden

ich Meister Pogner melden?

WALTHER leidenschaftlich.

O, betrat ich doch nie sein Haus!

MAGDALENE.

Ei! Junker, was sagt Ihr da aus?

In Nürnberg eben nur angekommen,[402]

wart Ihr nicht freundlich aufgenommen?

Was Küch und Keller, Schrein und Schrank

Euch bot, verdient es keinen Dank?

EVA.

Gut, Lenchen, ach! das meint er ja nicht;

doch von mir wohl wünscht er Bericht, –

wie sag ich's schnell? Versteh ich's doch kaum!

Mir ist, als wär ich gar wie im Traum! –

er frägt, – ob ich schon Braut?

MAGDALENE heftig erschrocken.

Hilf Gott! Sprich nicht so laut!

Jetzt laß uns nach Hause gehn; –

wenn uns die Leut hier sehn!

WALTHER.

Nicht eh'r, bis ich Alles weiß!

EVA zu Magdalene.

's ist leer, die Leut sind fort.

MAGDALENE.

Drum eben wird mir heiß!

Herr Ritter, an andrem Ort!

 

David tritt aus der Sakristei ein und macht sich daran, die schwarzen Vorhänge zu schließen.

 

WALTHER dringend.

Nein! Erst dies Wort!

EVA bittend zu Magdalene.

Dies Wort!

MAGDALENE die sich bereits umgewendet, erblickt David und hält an; zärtlich für sich.

David? Ei! David hier?

 

Sie wendet sich wieder zurück und zu Walther.

 

EVA zu Magdalene.

Was sag ich? Sag du's mir!

MAGDALENE zerstreut, öfter nach David sich umsehend.

Herr Ritter, was Ihr die Jungfer fragt,

das ist so leichtlich nicht gesagt.

Fürwahr ist Evchen Pogner Braut –,

EVA lebhaft unterbrechend.

Doch hat noch keiner den Bräut'gam erschaut!

MAGDALENE.

Den Bräut'gam wohl noch niemand kennt,

bis morgen ihn das Gericht ernennt,

das dem Meistersinger erteilt den Preis ...

EVA enthusiastisch.

Und selbst die Braut ihm reicht das Reis.

WALTHER verwundert.

Dem Meistersinger?

EVA bang.

Seid Ihr das nicht?

WALTHER.

Ein Werbgesang?

MAGDALENE.

Vor Wettgericht.

WALTHER.

Den Preis gewinnt?

MAGDALENE.

Wen die Meister meinen.

WALTHER.

Die Braut dann wählt? ...

EVA sich vergessend.

Euch – oder keinen!

 

Walther wendet sich, in großer Erregung auf und ab gehend, zur Seite.[403]

 

MAGDALENE sehr erschrocken.

Was, Evchen! Evchen! Bist du von Sinnen?

EVA.

Gut' Lene, laß mich den Ritter gewinnen!

MAGDALENE.

Sahst ihn doch gestern zum ersten Mal?

EVA.

Das eben schuf mir so schnelle Qual,

daß ich schon längst ihn im Bilde sah!

Sag, trat er nicht ganz wie David nah?

MAGDALENE höchst verwundert.

Bist du toll! Wie David?

EVA.

Wie David im Bild.

MAGDALENE.

Ach! – meinst du den König mit der Harfen

und langem Bart in der Meister Schild?

EVA.

Nein! Der, des Kiesel den Goliath warfen,

das Schwert im Gurt, die Schleuder zur Hand,

das Haupt von lichten Locken umstrahlt,

wie ihn uns Meister Dürer gemalt!

MAGDALENE laut seufzend.

Ach, David! David!

DAVID der hinausgegangen und jetzt wieder zurückkommt, ein Lineal im Gürtel und ein großes Stück weißer Kreide an einer Schnur schwenkend.

Da bin ich: wer ruft?

MAGDALENE.

Ach, David! Was Ihr für Unglück schuft!

 

Beiseite.

 

Der liebe Schelm! Wüßt er's noch nicht?

 

Laut.

 

Ei, seht, da hat er uns gar verschlossen?

DAVID zärtlich.

Ins Herz Euch allein!

MAGDALENE feurig.

Das treue Gesicht! –

Ei, sagt! Was treibt Ihr hier für Possen?

DAVID.

Behüt es! Possen? Gar ernste Ding:

für die Meister hier richt ich den Ring.

MAGDALENE.

Wie? Gäb es ein Singen?

DAVID.

Nur Freiung heut:

der Lehrling wird da losgesprochen,

der nichts wider die Tabulatur verbrochen:

Meister wird, wen die Prob nicht reut.

MAGDALENE.

Da wär der Ritter ja am rechten Ort! –

Jetzt, Evchen, komm! Wir müssen fort!

WALTHER schnell zu den Frauen sich wendend.

Zu Meister Pogner laßt mich euch geleiten!

MAGDALENE.

Erwartet den hier, er ist bald da.

Wollt Ihr Evchens Hand erstreiten,

rückt Zeit und Ort das Glück Euch nah. –

 

Zwei Lehrbuben kommen dazu und tragen Bänke herbei.

 

Jetzt eilig von hinnen![404]

WALTHER.

Was soll ich beginnen?

MAGDALENE.

Laßt David Euch lehren

die Freiung begehren. –

Davidchen! Hör, mein lieber Gesell:

den Ritter hier bewahr mir wohl zur Stell!

Was Fein's aus der Küch

bewahr ich für dich,

und morgen begehr du noch dreister,

wird hier der Junker heut Meister.

 

Sie drängt Eva zum Fortgehen.

 

EVA zu Walther.

Seh ich Euch wieder?

WALTHER sehr feurig.

Heut abend gewiß!

Was ich will wagen,

wie könnt ich's sagen?

Neu ist mein Herz, neu mein Sinn,

neu ist mir Alles, was ich beginn.

Eines nur weiß ich,

Eines begreif ich:

mit allen Sinnen

Euch zu gewinnen! –

Ist's mit dem Schwert nicht, muß es gelingen,

gilt es als Meister Euch zu ersingen.

Für Euch Gut und Blut,

für Euch

Dichters heil'ger Mut!

EVA mit großer Wärme.

Mein Herz, sel'ger Glut,

für Euch

liebesheil'ge Hut!

MAGDALENE.

Schnell heim! Sonst geht's nicht gut!

DAVID der Walther verwunderungsvoll gemessen.

Gleich Meister? Oho! Viel Mut!

 

Magdalene zieht Eva eilig durch die Vorhänge nach sich fort. Walther wirft sich, aufgeregt und brütend, in einen erhöhten, kathederartigen Lehnstuhl, welchen zuvor zwei Lehrbuben von der Wand ab, mehr nach der Mitte zu gerückt hatten.[405]

 

Zweite Szene

Noch mehrere Lehrbuben sind eingetreten: sie tragen und stellen Bänke und richten Alles zur Sitzung der Meistersinger her.[405]

 

ZWEITER LEHRBUBE.

David! Was stehst?

ERSTER LEHRBUBE.

Greif an's Werk!

ZWEITER LEHRBUBE.

Hilf uns richten das Gemerk!

DAVID.

Zu eifrigst war ich vor euch Allen;

schafft nun für euch, hab ander Gefallen!

VIER LEHRBUBEN.

Was der sich dünkt!

VIER LEHRBUBEN.

Der Lehrling Muster!

VIER LEHRBUBEN.

Das macht, weil sein Meister ein Schuster!

LEHRBUBEN.

Beim Leisten sitzt er mit der Feder!

LEHRBUBEN.

Beim Dichten mit Draht und Pfriem!

LEHRBUBEN.

Sein Verse schreibt er auf rohes Leder.

LEHRBUBEN mit der entsprechenden Gebärde.

Das – dächt ich – gerbten wir ihm!

 

Sie machen sich lachend an die fernere Herrichtung.

 

DAVID nachdem er den sinnenden Ritter eine Weile betrachtet.

Fanget an!

WALTHER verwundert.

Was soll's?

DAVID noch stärker.

Fanget an! – So ruft der Merker: –

nun sollt Ihr singen! Wißt Ihr das nicht?

WALTHER.

Wer ist der Merker?

DAVID.

Wißt Ihr das nicht?

Wart Ihr noch nie bei 'nem Singgericht?

WALTHER.

Noch nie, wo die Richter Handwerker.

DAVID.

Seid Ihr ein Dichter?

WALTHER.

Wär ich's doch!

DAVID.

Seid Ihr ein Singer?

WALTHER.

Wüßt ich's noch?

DAVID.

Doch »Schulfreund« wart Ihr, und »Schüler« zuvor?

WALTHER.

Das klingt mir Alles fremd vorm Ohr.

DAVID.

Und so grad hin wollt Ihr Meister werden?

WALTHER.

Wie machte das so große Beschwerden?

DAVID.

O Lene! Lene!

WALTHER.

Wie Ihr doch tut!

DAVID.

O Magdalene!

WALTHER.

Ratet mir gut!

DAVID setzt sich in Positur.

Mein Herr! Der Singer Meisterschlag

gewinnt sich nicht an einem Tag.

In Nüremberg der größte Meister

mich lehrt die Kunst Hans Sachs;

schon voll ein Jahr mich unterweist er,

daß ich als Schüler wachs.

Schuhmacherei und Poeterei,[406]

die lern ich da alleinerlei:

hab ich das Leder glatt geschlagen,

lern ich Vokal und Konsonanz sagen;

wichst ich den Draht erst fest und steif,

was sich dann reimt, ich wohl begreif.

Den Pfriemen schwingend

im Stich die Ahl,

was stumpf, was klingend,

was Maß, was Zahl –

den Leisten im Schurz,

was lang, was kurz,

was hart, was lind,

hell oder blind,

was Waisen, was Milben,

was Klebsilben,

was Pausen, was Körner,

was Blumen, was Dörner, –

das Alles lernt ich mit Sorg und Acht:

wie weit nun, meint Ihr, daß ich's gebracht?

WALTHER.

Wohl zu 'nem Paar recht guter Schuh? –

DAVID.

Ja, dahin hat's noch gute Ruh!

Ein »Bar« hat manch Gesätz und Gebänd:

wer da gleich die rechte Regel fänd, –

die richt'ge Naht

und den rechten Draht,

mit gut gefügten Stollen

den Bar recht zu versohlen.

Und dann erst kommt der Abgesang,

daß der nicht kurz, und nicht zu lang,

und auch keinen Reim enthält,

der schon im Stollen gestellt.

Wer Alles das merkt, weiß und kennt,

wird doch immer noch nicht Meister genennt.

WALTHER.

Hilf Gott! Will ich denn Schuster sein?

In die Singkunst lieber führ mich ein!

DAVID.

Ja – hätt ich's nur selbst schon zum Singer gebracht!

Wer glaubt wohl, was das für Mühe macht!

Der Meister Tön und Weisen,

gar viel an Nam und Zahl,

die starken und die leisen,

wer die wüßte allzumal!

Der kurze, lang und überlang Ton,

die Schreibpapier-, Schwarz-Dintenweis';[407]

der rote, blau und grüne Ton;

die Hageblüh-, Strohhalm-, Fengelweis';

der zarte, der süße, der Rosenton;

der kurzen Liebe, der vergess'ne Ton;

die Rosmarin-, Gelbveigleinweis',

die Regenbogen-, die Nachtigallweis';

die englische Zinn-, die Zimtröhrenweis',

frisch Pomeranzen-, grün Lindenblühweis';

die Frösch-, die Kälber-, die Stieglitzweis',

die abgeschiedne Vielfraßweis';

der Lerchen-, der Schnecken-, der Bellerton;

die Melissenblümlein-, die Meiranweis',

gelb Löwenhaut-,

 

Gefühlvoll.

 

treu Pelikanweis',

 

Prunkend.

 

die buttglänzende Drahtweis'!

WALTHER.

Hilf Himmel! Welch endlos Tönegeleis!

DAVID.

Das sind nur die Namen; nun lernt sie singen,

recht wie die Meister sie gestellt.

Jed' Wort und Ton muß klärlich klingen,

wo steigt die Stimm und wo sie fällt;

fangt nicht zu hoch, zu tief nicht an,

als es die Stimm erreichen kann.

Mit dem Atem spart, daß er nicht knappt,

und gar am End Ihr überschnappt;

vor dem Wort mit der Stimme ja nicht summt,

nach dem Wort mit dem Mund auch nicht brummt.

Nicht ändert an Blum und Koloratur,

jed' Zierat fest nach des Meisters Spur.

Verwechseltet Ihr, würdet gar irr;

verlört Ihr Euch, und kämt ins Gewirr: –

wär' sonst Euch Alles auch gelungen,

da hättet Ihr gar versungen! –

Trotz großem Fleiß und Emsigkeit,

ich selbst noch bracht es nicht so weit:

so oft ich's versuch, und's nicht gelingt,

die Knieriem-Schlagweis' der Meister mir singt.

Wenn dann Jungfer Lene nicht Hilfe weiß,

sing ich die eitel Brot- und Wasserweis'.

Nehmt Euch ein Beispiel dran,

und laßt vom Meisterwahn![408]

Denn Singer und Dichter müßt Ihr sein,

eh Ihr zum Meister kehret ein.

WALTHER.

Wer ist nun »Dichter«?

LEHRBUBEN während der Arbeit.

David! Kommst her?

DAVID zu den Lehrbuben.

Wartet nur! Gleich! –

 

Schnell wieder zu Walther sich wendend.