Johann Friedrich Kind: Der Freischütz

 

 

Johann Friedrich Kind

Der Freischütz

Libretto der Oper von

Carl Maria von Weber

 

 

 

Johann Friedrich Kind: Der Freischütz. Libretto der Oper von Carl Maria von Weber

 

Neuausgabe mit einer Biographie des Autors.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

Antonín Machek, Alois Jelen in der Rolle von Max, 1826

 

ISBN 978-3-7437-0035-2

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-86199-582-1 (Broschiert)

ISBN 978-3-86199-583-8 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Komponiert von Carl Maria von Weber. Uraufführung am 18.06.1821, Königliches Opernhaus, Berlin.

 

Der Text dieser Ausgabe folgt:

Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Romantische Oper in drei Aufzügen, mit einer Einführung von Karl Schönewolf, Leipzig: Reclam, [o. J.].

 

Die Paginierung obiger Ausgabe wird in dieser Neuausgabe wortgenau mitgeführt und macht dieses E-Book auch in wissenschaftlichem Zusammenhang zitierfähig. Das Textende der Vorlagenseite wird hier durch die Seitennummer in eckigen Klammern mit grauer Schrift markiert.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Personen

 

Ottokar, böhmischer Fürst (Bariton)

 

Kuno, fürstlicher Erbförster (Baß)

 

Agathe, seine Tochter (Sopran)

 

Ännchen, eine junge Verwandte (Sopran)

 

Kaspar, erster Jägerbursche (Baß)

 

Max, zweiter Jägerbursche (Tenor)

 

Ein Eremit (Baß)

 

Kilian, ein reicher Bauer (Baß)

 

Brautjungfern (Sopran)

 

Samiel, der schwarze Jäger (Sprechrollen)

 

Erster fürstlicher Jäger (Sprechrolle)

 

Zweiter fürstlicher Jäger (Sprechrolle)

 

Dritter fürstlicher Jäger (Sprechrolle)

 

Jäger und Gefolge, Landleute und Musikanten, Erscheinungen

 

Zeit: Kurz nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges.[38]

 

Erster Aufzug

Nr. 1. Introduktion.

 

Platz vor einer Waldschenke, sogenanntem Schenkgiebel, die geräumig, doch bloß mit Schoben gedeckt ist. Im Hintergrunde eine Vogelstange, von Volksgetümmel umgeben. Böhmische Bergmusik.

 

Erster Auftritt

Kilian. Max. Landleute.

 

Max sitzt allein im Vordergrunde an einem Tisch, vor sich den Krug. In dem Augenblicke, da der Vorhang aufgeht im 11. Takte, fällt ein Schuß, und das letzte Stück einer Sternscheibe fliegt herunter.

 

DAS VOLK ruft. Ah, ah, brav, herrlich getroffen!

 

Jubelt und klatscht.

 

MAX bis jetzt die geballte Faust vor der Stirn, schlägt damit heftig auf den Tisch, ausrufend. Glück zu, Bauer!

CHOR DER LANDLEUTE.

Viktoria! Viktoria! der Meister soll leben,

Der wacker dem Sternlein den Rest hat gegeben!

Ihm gleichet kein Schütz von fern und von nah!

Viktoria! Viktoria! Viktoria!

 

Allgemeiner Jubel. Die Stange wird herabgelassen.

 

MAX. Immer frisch! Schreit! schreit! Er stampft mit der Büchse auf den Boden und lehnt sie an einen Baum. War ich denn blind? Sind denn die Sehnen dieser Faust erschlafft?

 

Es ordnet sich ein Zug. Voran die Musikanten, den folgenden Marsch spielend; dann Bauernknaben, die[39] das letzte Stück der Scheibe auf einem, alten Degen und mancherlei neues Zinngerät als Gewinn tragen. Hierauf Kilian, als Schützenkönig, mit gewaltigem Strauß und Ordensband, worauf die von ihm getroffenen Sterne befestigt sind. Schützen mit Büchsen, mehrere mit Sternen auf Mützen und Hüten; Weiber und Mädchen folgen. Der Zug geht im Kreise herum, und alle, die bei Max vorbeikommen, deuten höhnisch auf ihn, verneigen sich, flüstern und lachen. Zuletzt bleibt Kilian vor Max stehen, wirft sich in die Brust und singt.

 

KILIAN.

Schau' der Herr mich an als König!

Dünkt Ihm meine Macht zu wenig?

Gleich zieh Er den Hut, Mosjeh!

Wird Er, frag' ich, he, he, he?

MÄDCHEN aushöhnend, Rübchen schabend, mit den Fingern auf Max deutend.

Hehehehehehehehehehe!

MÄNNER.

Wird Er – frag' ich? Wird Er – frag ich?

Gleich zieh Er den Hut, Mosjeh!

Wird Er, frag' ich, wird Er, hehehe?

KILIAN.

Stern und Strauß trag' ich vorm Leibe!

Kantors Sepherl trägt die Scheibe!

Hat Er Augen nun, Mosjeh?

Was traf Er denn, he, he, he?

 

Chor wiederholt die letzten Zeilen.

 

KILIAN.

Darf ich etwa Eure Gnaden

's nächste Mal zum Schießen laden?

Er gönnt andern was, Mosjeh!

Nun, Er kommt doch, he, he, he?

 

Chor wie oben.

 

MAX springt auf, zieht den Hirschfänger und faßt Kilian bei der Brust.

Laßt mich zufrieden, oder –!

 

Getümmel, auf Max eindringend.[40]

 

Zweiter Auftritt

Kuno. Kaspar und mehrere Jäger mit Büchsen und Jagdspießen. Die Vorigen.

 

KUNO. Was gibt's hier? Pfui, dreißig über einen! Wer untersteht sich, meinen Burschen anzutasten?

KILIAN von Max losgelassen, aber noch furchtsam. Alles[40] in Güte und Liebe, werter Herr Erbförster, gar nicht böse gemeint! Es ist Herkommen bei uns, daß, wer stets gefehlt hat, vom Königsschuß ausgeschlossen und dann ein wenig gehänselt wird – alles in Güte und Liebe.

KUNO heftig. Stets gefehlt? Wer? Wer hat das?

KILIAN. Es ist freilich arg, wenn der Bauer einmal über den Jäger kommt – aber fragt ihn nur selbst.

MAX beschämt und verzweifelnd. Ich kann's nicht leugnen; ich habe nie getroffen.

KASPAR für sich. Dank, Samiel!

KUNO. Max! Max! Ist's möglich? Du, sonst der beste Schütze weit und breit! Seit vier Wochen hast du keine Feder nach Hause gebracht, und auch jetzt –? Pfui der Schande!

KASPAR. Glaube mir, Kamerad, es ist, wie ich gesagt habe: Es hat dir jemand einen Weidmann gesetzt, und den mußt du lösen, oder du triffst keine Klaue.

KUNO. Possen!

KASPAR. Das meine ich eben, so etwas ist leicht gemacht; laß dir raten, Kamerad! Geh am nächsten Freitag auf einen Kreuzweg, zieh mit dem Ladestock oder einem blutigen Degen einen Kreis um dich und rufe dreimal den großen Jäger –

KILIAN. Gott bewahr' uns! Einen von des Teufels Heerscharen!

KUNO. Schweig, vorlauter Bube! Ich kenne dich längst. Du bist ein Tagedieb, ein Schlemmer, ein falscher Würfler – hüte dich, daß ich nicht noch Ärgeres von dir denke. Kaspar macht eine kriechende Bewegung, als wolle er sich entschuldigen. Kein Wort, oder du hast auf der Stelle den Abschied! Aber auch du, Max, sieh dich vor! Ich bin dir wie ein Vater gewogen; es freut mich, daß der Herr Fürst Sohnesrecht auf den Eidam übertragen will, aber, wenn du morgen beim Probeschuß fehltest, müßt' ich dir doch das Mädchen versagen. Wollt ihr in der Irre herumlaufen?

MAX. Morgen! morgen schon!

EINIGE JÄGER. Was ist das eigentlich mit dem Probeschuß? Schon oft haben wir davon gehört.[41]

KILIAN. Ja, auch wir. Aber noch hat uns niemand die rechte Bewandtnis zu sagen gewußt.

ANDERE JÄGER. O erzählt's uns, Herr Kuno!

KUNO. Meinetwegen! Zum Hoflager kommen wir noch zeitig genug. Setzt sich.