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Inhaltsverzeichnis

Ja - es hatte mich gepackt!

Dank an Heike, Sabine und Erik
für ihren großen Anteil am Gelingen dieser Reise
und somit an der Entstehung dieses Buches.

Für Dana, Emily, Julian, Tim, Jonas
und all die anderen Eurer Generation.

Euch wünsche ich, dass Ihr so viel wie möglich
von dieser wunderschönen Welt sehen
und kennen lernen werdet,
wenn Ihr erwachsen seid.

Ja - es hatte mich gepackt!

Man sagt gemeinhin, dass es nach dem ersten Aufenthalt in den USA nur zwei Alternativen gibt: Entweder du willst nie wieder dorthin - oder du willst immer wieder dorthin.

Mir ging es so wie den meisten Reisenden nach ihrem ersten USA-Aufenthalt. Ich wollte zurück in dieses Land, zu diesen Menschen, zu den Sehenswürdigkeiten, die die Natur bietet, und zu denen, die von Menschen geschaffen wurden.

Es gab jedoch ein kleines Hindernis: Verreist man als Single, so wird das Erlebnis meist getrübt durch die einfache Tatsache, dass da jemand fehlt, mit dem man seine Eindrücke, seine Emotionen und die ganz banalen Alltäglichkeiten einer solchen Reise teilen kann. Es macht definitiv nur halb so viel Spaß.

Doch ich hatte und habe das Glück, Freunde zu haben, die ebenso gern in die USA reisen wie ich.

Gemeinsam hatten wir bereits die Erlebnisse und Eindrücke der ersten Reise geteilt.

In dem Buch Vom Golden Gate zum Golden Nugget habe ich versucht, die Leser daran teilhaben zu lassen.

Mit diesem neuen Buch möchte ich meine dort bereits gemachte Ankündigung verwirklichen und von der zweiten Reise berichten, die uns im Jahre 2002 an die Ostküste der USA führte.

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Wiederum zu viert, jedoch in leicht veränderter Zusammensetzung der Reisegruppe, brachen wir am 12. Oktober erneut auf ins ‚Land der unbegrenzten Möglichkeiten‘.

Im Vorfeld hatten wir bei der Planung mehrere Faktoren berücksichtigen müssen. Einerseits standen uns lediglich 14 Tage für die Reise zur Verfügung. Das sprach gegen eine so ausgedehnte Tour wie beim ersten Besuch. Andererseits fand die Reise im Oktober statt, was wiederum auf Grund des zu erwartenden Wetters dafür sprach, ‚in die Sonne‘, also zum Beispiel nach Florida zu fahren.

Doch es sollte natürlich kein reiner Strandurlaub werden. Wir wollten auf jeden Fall viel zu sehen bekommen.

Schließlich fanden wir den optimalen Kompromiss: Anreise von Frankfurt/Main mit dem Flieger nach New York. Von dort weiter mit einem Mietwagen die Ostküste entlang bis nach Miami in Florida, von wo wir dann nach hoffentlich erlebnisreichen 2 Wochen den Heimflug nach Deutschland antreten wollten.

Doch schon der Beginn dieser Reise verlief unter vollkommen anderen Bedingungen als bei unserem ersten USA-Urlaub. Denn zwischen der ersten Reise im Sommer 2000 und dem nun bevorstehenden Urlaub hatte es den 11. September 2001 gegeben - ein Tag, der nicht nur das Reisen mit dem Flugzeug bis zum heutigen Tage verändert hat.

Die ersten Veränderungen bekamen wir bereits vor der Abfahrt von Dortmund zum Frankfurter Flughafen zu spüren. Es hieß zu nachtschlafender Zeit aufzustehen, denn die neuen Sicherheitsbestimmungen, insbesondere für USA-Flüge, machten es nun erforderlich, spätestens drei Stunden vor dem Abflug am Check-In zu sein.

Beim Einchecken ging es dann weiter. Jeder von uns wurde intensiv befragt, ob er seinen Koffer auch wirklich selbst gepackt, diesen vielleicht einmal kurz aus den Augen gelassen habe. Auch durften die Gepäckstücke keinesfalls verschlossen sein.

Für das Handgepäck gab es nun strenge Vorschriften darüber, was darin enthalten sein durfte, und auch dies wurde streng kontrolliert.

Nachdem wir das alles, natürlich auch in unserem eigenen Sicherheitsinteresse, mit Geduld über uns hatten ergehen lassen, ging es zur Personenkontrolle. Hier hieß es dann nicht mehr länger nur alles aus den Taschen zu holen und zum Durchleuchten in einem Körbchen auf das Röntgenband zu legen, nein, nun mussten wir auch die Schuhe ausziehen und Gürtel ablegen. Der Gang durch den Personenscanner endete unweigerlich vor einem Sicherheitsbeamten, der nochmals jeden Passagier manuell abtastete, auch wenn der Scanner gar kein Signal gegeben hatte.

Aber irgendwann saßen wir doch im Flugzeug, wenn auch nicht mehr ganz so unbeschwert wie noch beim ersten Flug über den ‚großen Teich‘.

Es ist eine Sache, von einer verschärften Sicherheitslage zu hören, doch es ist etwas ganz anderes, wenn man zum ersten Mal das Gefühl vermittelt bekommt, sich mitten darin zu befinden.

Als wir schließlich in der Luft waren, änderten sich die Gedanken schnell und konzentrierten sich auf die vor uns liegenden zwei Urlaubswochen.

Gelöst und entspannt schmiedeten wir bereits die ersten Pläne, stöberten in unseren Reiseführern oder versuchten zu schlafen, um uns gegen die Zeitverschiebung und den uns dadurch bedingt bevorstehenden sehr langen Tag zu wappnen.

Doch der Moment, als die Flugbegleiterinnen die grünen Karten verteilten, die von allen Personen ausgefüllt werden müssen, die in die USA einreisen wollen, erzeugte erneut ein leichtes Gefühl der Beklemmung.

Hatten wir während des ersten Fluges noch über die wahrheitsgemäß zu beantwortende Frage „Haben Sie die Absicht, in den USA einen terroristischen Anschlag zu begehen“ gelacht und kurzzeitig mit dem Gedanken gespielt, hier spaßeshalber die Antwort „Ja“ anzukreuzen, blieb uns dieses Lachen nun im Halse stecken.

Wäre die jüngste Weltgeschichte anders verlaufen, hätten die Attentäter des 11. September hier wahrheitsgemäß geantwortet?

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Nach knapp neunstündigem Flug landete unsere Maschine gegen 17 Uhr Ortszeit auf dem New Yorker Flughafen Newark.

Schon beim Betreten des Ankunftsterminals fiel uns das auf, was uns während der gesamten Reise zum ständigen Begleiter werden sollte: Unzählige Sternenbanner, die Stars and Stripes, die Nationalflagge der USA, in allen Größen, aus Stoff, aus Plastik, gemalt auf Papier oder gedruckt auf Plakate.

Hoffnungen auf eine schnelle Einreise hatten wir uns gar nicht erst gemacht - und so wurden unsere diesbezüglichen Erwartungen auch nicht enttäuscht.

Jeder Passagier wurde zunächst gründlich in Augenschein genommen und dann fotografiert; schließlich mussten noch die Abdrücke des rechten und linken Daumens hinterlassen werden; der Pass und die Greencard wurden sorgfältig kontrolliert. Der Grund für die Reise wurde erfragt, genauso wie die Adresse der ersten Übernachtung.

Doch trotz aller sichtlichen Anspannung waren die Beamten durchaus freundlich und wünschten uns einen angenehmen Aufenthalt.

Lediglich die hinter den Personenkontrollen aufgereihten Sicherheitsposten mit MPs blickten recht grimmig drein und wurden auch prompt ungehalten, als der erste aus unserer kleinen Reisegruppe die Kontrolle passiert hatte und direkt dahinter stehen blieb, um auf die Freunde zu warten. Unmissverständlich machten sie klar, dass ein zügiges Weitergehen zwingend erforderlich sei.

Doch in einigen Metern Entfernung fanden wir vier dann wieder zusammen und gemeinsam ging es zum Gepäckband, um unsere Koffer abzuholen.

Nachdem auch das nach relativ langer Dauer erledigt war, begaben wir uns zum Ausgang des Flughafengebäudes. Hier begann dann die Suche nach dem Shuttlebus, der uns zum Mietwagenunternehmen bringen sollte. Nach einigem Suchen war die Haltestelle auch gefunden.

Doch vor dem Einstieg stand für mich etwas sehr Wichtiges auf dem Programm: Die erste Zigarette nach vielen entbehrungsreichen Stunden! Die letzte Zigarette hatte ich schließlich vor Betreten des Frankfurter Flughafens geraucht.

Ich wusste kaum noch, wie lange das inzwischen her war. Entsprechend gierig zog ich an dem Glimmstängel und inhalierte den Rauch tief und genussvoll - so intensiv, dass mir gleich schwindelig wurde. Ich erschrak: Waren das schon Anzeichen von Entzug?! Die Reise sollte mir ja vieles bescheren, aber mir das Rauchen abzugewöhnen stand nun wirklich nicht auf dem Programm…

Ich konnte meine Freunde überzeugen, noch einen Bus ohne uns fahren zu lassen - sie fuhren im 5-Minuten-Takt - und gleich die zweite Zigarette brachte das bekannte Wohlgefühl zurück - ich war erleichtert.

Die Formalitäten bei der Autovermietung waren unerwartet schnell erledigt, dennoch hatte sich bereits Dunkelheit übers Land gesenkt, als wir die Koffer im Mietwagen verstaut hatten und die Abfahrt uns das Gefühl vermittelte, dass der Urlaub jetzt endlich richtig losging.

Der Verkehr auf den Einfallstraßen in die Stadt hinein war an diesem Samstagabend noch immer so dicht und zäh fließend wie im Hauptferienreiseverkehr auf unseren heimischen Ruhrpott-Autobahnen.

Und auch hier wieder Sternenbanner an fast jedem Fahrzeug, vor und an jedem offiziellen Gebäude, aber auch an Wohnhäusern. Das sollte sich während unserer gesamten Reise nicht mehr ändern. Wir bekamen eine Ahnung davon, wie schwer das Land und seine Bewohner von den Anschlägen des 11. September getroffen worden waren.

Mit Hilfe der uns vom Reisebüro im Vorfeld übergebenen Straßenkarten gelangten wir ohne große Umwege zum Hotel Edison, 228 West 47th Street, in der Nähe des Broadways - und fanden sogar einen Parkplatz vor der Tür.

Wir ließen das Gepäck zunächst im Wagen und gingen mit unseren Reservierungsunterlagen zur Rezeption. Nach der freundlichen Begrüßung begann der Rezeptionist in seinem System zu suchen, was für unser Empfinden recht lange dauerte.

Schließlich wandte er sich mit einem bedauernden Lächeln wieder an uns und meinte, wir seien im falschen Hotel. Wir hätten zwar die Reservierung für dieses Hotel vorgenommen, aber man arbeite mit einem Partnerhotel, nur drei Blocks entfernt, zusammen, und dort seien die Zimmer für uns reserviert. Dann entschuldigte er sich freundlich für die Unannehmlichkeiten, die wir dadurch hätten, und zeichnete noch eine Skizze, wie wir zu dem anderen Hotel finden würden.

Wir waren inzwischen bereits hundemüde und so sank unsere Stimmung angesichts dieser Information natürlich auf den Nullpunkt, doch das änderte nichts. Wir stiegen also wieder in den Wagen und machten uns erneut auf den Weg.

Dank der guten Erklärung des jungen Mannes fanden wir das andere Hotel sehr schnell - und auch hier wieder einen Parkplatz fast vor der Tür. Erneut gingen wir zunächst ohne Gepäck zur Rezeption, was sich als Glücksfall erwies, denn dort erwartete uns bereits freundlich lächelnd eine junge Dame, die uns ohne große Umschweife erklärte, dass ihr Kollege aus dem ersten Hotel soeben angerufen habe. Nachdem wir fort waren hatte er zufällig in seinem System festgestellt, dass die Zimmer für uns doch in seinem Hotel reserviert seien und sie möge uns doch wieder zurückschicken.

Das schrie erst einmal nach einer Zigarette, auch wenn die Müdigkeit noch so groß war!

Wir beschlossen die Sache mit Humor zu nehmen und fuhren zurück zum ersten Hotel. Der junge Mann an der Rezeption entschuldigte sich viele Male und hatte auch die Eincheckunterlagen bereits fertiggestellt, so dass wir nunmehr zügig in unsere Zimmer gelangten.

Da es inzwischen schon Nacht geworden war, fielen wir schließlich vollkommen erschöpft in die Betten und schliefen augenblicklich ein.

New York musste noch ein wenig darauf warten, von uns erobert zu werden.

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Trotz der nur wenigen Stunden Schlaf und der Zeitverschiebung waren wir am nächsten Tag früh auf den Beinen. Da wir noch am späten Nachmittag unsere Weiterfahrt nach Washington antreten wollten, mussten wir uns sputen - so viel New York und so wenig Zeit…

Wir machten uns zu Fuß auf den Weg. Unser Auto wussten wir gut aufgehoben; die Schlüssel dafür hatten wir in der Nacht an der Rezeption abgegeben, wo man sich, für 29 Dollar pro 24 Stunden, um das Parken des Wagens gekümmert hatte.

Auf ein Frühstück im Hotel hatten wir verzichtet, das besorgten wir uns unterwegs stilecht in einem Starbucks, mit Coffee to go und einem Muffin ‚auf die Hand‘.

Über unser erstes Ziel an diesem Morgen hatte es überhaupt keine Diskussion gegeben.

Zunächst zu Fuß, trotz Nieselregens und kühler Temperaturen, dann per U-Bahn machten wir uns auf den Weg zum Ground Zero, dorthin, wo sich bis zum 11. September 2001 die Türme des World Trade Centers in den Himmel gereckt hatten.

Mit einem beklemmenden Gefühl näherten wir uns dem riesigen komplett von einem Bauzaun umgebenen Areal im Herzen von Lower Manhattan, das noch 13 Monate zuvor ein weltweit bedeutendes Wirtschafts- und Handelszentrum gewesen war, wo tausende von Menschen ihrer täglichen Arbeit nachgingen.

Jetzt gaben einzelne Lücken im Bauzaun den Blick frei in eine riesige Grube, auf deren Grund Dutzende LKWs und unzählige Bauarbeiter damit beschäftigt waren, dieses Gelände für einen Neuanfang aufzubereiten.

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Ground Zero im Oktober 2002

Wenn man die Bilder aus den Tagen unmittelbar nach den Anschlägen gesehen hatte, diese gewaltigen Berge von Trümmern und Schutt, so konnte man sich nicht einmal annähernd ausmalen, welche extremen Anstrengungen die unzähligen Helfer in den vergangenen Monaten unternommen haben mussten, um das Areal in so relativ kurzer Zeit in den Zustand zu versetzen, wie er sich uns nun darbot.

Ohne Kenntnis der Hintergründe hätte man das alles für eine ganz normale Großbaustelle halten können. Doch die vielen Sternenbanner, die überall aufgehängt waren, aber weit mehr noch die unzähligen Blumen, Kerzen, Gedenkplakate und vereinzelt auch noch Suchaufrufe mit Fotos von Vermissten sprachen eine ganz andere Sprache.

Und obwohl es hier von Menschen, überwiegend Touristen, wimmelte, herrschte eine ungewöhnliche Stille. Wenn überhaupt jemand redete, dann mit gedämpfter Stimme.

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Gedenkstätte zum 11. September

Auch uns ging es nicht anders. An diesem Ort zu sein, hier zu stehen, wo so viele Menschen auf so schreckliche Weise ihr Leben verloren haben, überwältigt wohl jeden.

Selbstverständlich sollen an dieser Stelle die Todesopfer, die weltweit leider immer wieder durch Katastrophen, Unglücke und andere schlimme Ereignisse ums Leben kommen, keineswegs herabgewürdigt werden. Doch diese Anschläge, die fast jeder live im Fernsehen wie einen Katastrophenfilm mit angesehen hat, waren so einzigartig, dass sie wohl bei jedem, der sie miterlebte, eine ganz besondere Betroffenheit und Trauer auslösten.

Die umliegenden Gebäude trugen noch immer deutlich sichtbare Spuren der Anschläge. Viele Hochhäuser waren vollständig mit engmaschigen Netzen verhangen, die den Blick auf die zerstörten Fassaden verbargen.

Signalfarbene Absperrbänder vor mit Brettern vernagelten Schaufenstern fanden sich zahlreich in fast jeder der angrenzenden Straßen.

Wir verharrten noch eine Weile schweigend vor einer der vielen provisorischen Gedenktafeln für die Opfer.

Schließlich setzten wir langsam und nachdenklich unseren Weg durch Manhattan fort, der uns auch an der wohl unvermeidlichen Kehrseite der Anschläge vorbeiführte:

Etwas abseits von Ground Zero versuchten zahlreiche Souvenirhändler, sich beim Kampf um Kunden gegenseitig zu übertreffen.

Bot der eine zwei T-Shirts mit WTC-Motiv zum Preis für eins an, konnte man beim nächsten bereits 3 Stück zum Preis für eins erwerben. Auch andere, überall auf der Welt übliche Souvenirs wie Kugelschreiber, Feuerzeuge, usw., wurden angeboten - und von den Touristen natürlich auch gekauft.

Auf unserem Weg zur Wall Street stießen wir weiterhin überall auf Fahnen, Blumen, Kerzen und Fotos, die an die Opfer des 11. September 2001 erinnerten.

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Überall Zeichen der Trauer und des Gedenkens

Vor einer Feuerwache spürte ich dann einen dicken Kloß im Hals, denn allein von dieser Wache waren 12 Feuerwehrmänner bei ihrem Einsatz in den brennenden Türmen ums Leben gekommen. Insgesamt starben mehr als 340 Feuerwehrleute.

Mein Bruder ist ebenfalls Feuerwehrmann und in diesem Moment, angesichts der Fotos der Männer, die diesen Einsatz nicht überlebt hatten, erschreckte mich die Vorstellung, dass auch ihm einmal etwas Ähnliches bevorstehen könnte.

Wir gingen weiter und gelangten schließlich in die Wall Street, die entgegen unseren Erwartungen lediglich eine recht kleine, schmale Straße ist.

Auch die Börse wäre nicht unbedingt sofort zu erkennen gewesen, hätte nicht ein großes Sternenbanner ihre Front geschmückt.

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Die New Yorker Börse