Shadow Warriors

Tag der Abrechnung 

Band 2

  

Stephen England


Übersetzt von Peter Mehler

  





This Translation is published by arrangement with Stephen England
Title: DAY OF RECKONING. All rights reserved. First Published 2012. All rights reserved.


Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.





Für alle Männer und Frauen, die mit Narben aus dem Krieg zurückkehrten, die man nicht sehen und noch weniger verstehen kann. Für all jene, die jeden Tag mit der Gewissheit leben müssen, dass nur die Toten das Ende des Krieges gesehen haben. Dieses Buch ist euch gewidmet. Möge Gott über euch wachen und euch beschützen, so wie ihr über diese Nation wacht.

 

Impressum


Deutsche Erstausgabe
Originaltitel: DAY OF RECKONING
Copyright Gesamtausgabe © 2020 LUZIFER-Verlag
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

 

Cover: Michael Schubert
Übersetzung: Peter Mehler

  

Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2020) lektoriert.

  

ISBN E-Book: 978-3-95835-500-2

  

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.



»Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?«

 

Matthäus 16:26

 

 

 

 

 

»Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.«

 

Friedrich Nietzsche, Jenseits von Gut und Böse / Zur Genealogie der Moral

 

Prolog

 

23. November
23:23 Uhr Ortszeit
Big Bend National Park
Texas

 

Niemand kam je freiwillig, um den Big Bend zu besuchen. So lautete zumindest ein Scherz, den man sich hier erzählte. Der Nationalpark war noch nie ein besonders beliebtes Urlaubsziel für Babyboomer gewesen, und seit der Rezession waren selbst die wenigen Besucher noch ausgeblieben.

Außer den Kojoten, dachte Emmanuel Gutierrez und schnalzte leise mit der Zunge seiner Stute zu, während diese ihren Weg über das felsige Gestein und um einen Busch Kaktusfeigen herum suchte. Kojoten … aber nicht die vierbeinige Sorte, sondern jene Schmuggler, die ein paar Meilen weiter südlich illegale Einwanderer über den Rio Grande führten.

Er hatte das Lagerfeuer vor etwa einer Stunde bemerkt, eine unbedacht in den Himmel lodernde Flamme – zweifellos ein Kojote oder eine Gruppe von Einwanderern, die sich eine Mahlzeit aufwärmten, bevor sie weiterzogen. Die Nacht war kalt und wolkenlos, der Mond schien auf das felsige Terrain herab und die Temperaturen schwebten nur wenige Grad über dem Gefrierpunkt. Seine Remington-870-Schrotflinte hing locker in einem Gewehrholster vor seinem Sattel in Griffweite – mit einem nichttödlichen Sandgeschoss im Lauf und fünf Schrotpatronen dahinter.

Der dreiundfünfzigjährige Officer der Border-Patrol hatte schon alles erlebt. Vier Jahre Dienst an der Grenze zwischen den USA und Mexiko, davor zwei Einsätze in Afghanistan. Er hatte Freunde in Helmand zurücklassen müssen.

»Zac, bist du in Position?«, erkundigte er sich und drehte an dem Regler seines Funkgeräts herum, während er sein Pferd durch einen Salbeistrauch manövrierte. Er und sein Partner hatten sich aufgeteilt und näherten sich dem Lager nun von zwei Seiten.

»Beinahe, Manny. Sieht aus, als wären es neun, vielleicht zehn Männer. Ich werde zu Fuß weitergehen und sie ansprechen. Gib mir Rückendeckung und bleib im Sattel, falls einer auf den Gedanken kommt, abzuhauen.«

»Verstanden«, antwortete Gutierrez mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Es gab immer jemanden, der sich für besonders schlau hielt. Immer.

Er konnte das leise Murmeln ihrer Stimmen hören, als er die Anhöhe erklomm und dann den Hang hinabblickte, der in einer von Felsbrocken übersäten Schlucht endete.

Mach schon, Zac, dachte er bei sich, zog seine Remington aus dem Holster und legte sie in seinen Schoß. Als dunkle Silhouette, mit der er sich vor dem Nachthimmel abzeichnete, war es gut möglich, dass die Einwanderer ihn erblicken würden.

Und dann hörte er die Stimme seines Partners aus der Schlucht, die einen schroffen Befehl rief. Er sah, wie die Männer aufsprangen und Wasser über die Feuerstelle kippten.

Das metallene Funkeln eines Waffenlaufs tauchte unter einem Mantel auf und schimmerte im Mondlicht. »Die Hände dort, wo ich sie sehen kann«, rief er und gab seiner Stute die Sporen, den Hang hinabzutrotten, die Remington nun schussbereit in seinen Händen. Er sah, wie der Mann mit der Waffe aufblickte und den Reiter erst jetzt bemerkte.

Sah ihn zögern, sein Gesicht im Zentrum des Ghost-Ring genannten taktischen Visiers seiner Remington. Eine Hundertstelsekunde der Unentschlossenheit hing zwischen ihnen in der Nacht. Nicht lange genug.

Die Pistole kam gänzlich zum Vorschein, eine lange Waffe. Ende der Warnung. Gutierrez legte den Sicherungshebel um und die Schrotflinte stieß gegen seine Schulter, als er den Abzug drückte.

Es war zu dunkel, um zu sehen, ob er den Mann getroffen hatte, aber nichts hätte verhindern können, was dann geschah. Ein Geräusch wie von Feuerwerkskörpern explodierte und aus der Waffe des Einwanderers stoben Flammen. Vollautomatik, schoss es dem Officer durch den Kopf, während der Kugelhagel bereits die Erde um sein scheuendes Pferd aufriss. Er erkannte eine Kalaschnikow, wenn er eine hörte.

Etwas traf Gutierrez ins Bein. Grellweißer heißer Schmerz schoss durch ihn hindurch, während er rückwärts von seinem Pferd fiel, im Staub landete und die Beine unter ihm nachgaben. Er fluchte laut und kämpfte gegen die Panik an, die ihn zu überwältigen drohte.

Das war Afghanistan. Musste es sein. Sein Konvoi unter Beschuss, das ohrenbetäubende Rattern der Browning auf dem Dach. Mudschaheddin griffen an – und die Luftunterstützung war noch zwanzig Minuten entfernt.

Aber das hier war nicht Helmand – es war keine Luftunterstützung auf dem Weg zu ihnen und keine Ma Deuce auf dem Dach eines Humvee, die ihnen Unterstützungsfeuer geben konnte. Sie waren allein.

Er konnte die Schüsse automatischer Waffen aus der Schlucht hören – zusammen mit dem helleren Krachen von Zacs M-4. Der Klang des Krieges. Den Schmerz ignorierend, der durch sein blutendes Bein jagte, richtete er sich auf und griff nach seiner Schrotflinte. Eine weitere Salve prasselte auf die Felsbrocken um ihn herum ein und er warf sich hinter einem großen Stein in Deckung und presste das Funkgerät an seine Lippen.

»Hier spricht Charlie Patrol, wir werden beschossen. Ich wiederhole, wir werden beschossen. Benötigen Hilfe.«

Rauschen. Hier draußen an der Grenze durfte man sich nicht auf Empfang verlassen. Nicht, wenn man ihn am dringendsten benötigte.

Er stemmte sich hoch und zog die Heckler&Koch-Halbautomatik Kaliber .40 aus seinem Hüftholster. Lehnte sich gegen den Felsbrocken und zielte auf die schattenhaften Umrisse in der Schlucht unter ihm.

Wieder war eine abgehackte Salve zu hören, dann verstummte Zacs Gewehr. Die Stille des Todes. Gutierrez schoss, bis der Schlitten seiner H&K in zurückgezogener Position verharrte und ein leeres Magazin anzeigte. Kugeln pfiffen um seinen Kopf herum.

Mit einem Druck seines Daumens ließ er das Magazin herausschnappen. Metall klapperte über die Steine, als es herausfiel. Mit den Fingern tastete er nach der Tasche an seinem Gürtel. Eine Kugel bohrte sich durch das Fleisch in seinem Arm und wirbelte ihn halb herum, während eine zweite Kugel in seine Brust einschlug. Der Border-Patrol-Officer sackte nach hinten zusammen, seine Pistole glitt ihm aus den Fingern.

Dunkelheit. Die Sterne schienen um seinen Kopf zu kreisen, während er am Boden lag. Nichts von alledem schien real. Wie lange hatte das Feuergefecht gedauert? Zwei Minuten? Drei? Nicht lange, alles andere als lange, verglichen mit den Jahren des Krieges, die er überlebt hatte.

Und doch lag er im Sterben.

Gutierrez hustete, Blut besprenkelte seine Lippen. Stimmen, dann Schritte, die sich den Felsen näherten.

Sie suchten. Nach ihm.

Die Stimmen waren jetzt näher und unterhielten sich in ihrer Sprache. Das war kein Spanisch, wurde ihm in einem Moment plötzlicher Klarheit bewusst. Aber er hatte sie schon einmal gehört … irgendwo.

Er schloss seine Augen, versuchte sich zu erinnern, während Zweifel an seinem Gehirn nagten.

Und dann war er wieder in Afghanistan, transportierte Vorräte nach Norden, entlang der pakistanischen Grenze. Hörte ihrem Übersetzer zu, wie er sich mit den Dorfbewohnern unterhielt. Über die Monate hinweg hatte er sogar selbst ein paar Worte aufgeschnappt. Worte auf … paschtunisch.

Aber das war nicht Afghanistan. Er war zuhause. In den Vereinigten Staaten.

Flackernd schlug Gutierrez die Augen auf, sah in das Gesicht eines dunkelhäutigen, bärtigen jungen Mannes und in den Lauf einer Pistole in dessen Händen.

Er hörte eine weitere Stimme aus der Ferne, die etwas auf paschtunisch fragte. Es dauerte einen Moment, bis die Frage seinen sich immer mehr verdunkelnden Verstand durchquerte, dann fiel ihm die Übersetzung dafür wieder ein. »Ist er tot?«

Über ihm schüttelte der Pakistani den Kopf und zog den Hammer seiner Pistole zurück. »Nein.«

 

Kapitel 1

 

13. Dezember

05:25 Uhr Ortszeit
CIA-Hauptquartier
Langley, Virginia

 

Der Raum war spartanisch eingerichtet, weiße Wände auf drei Seiten und eine Einweg-Glasscheibe, die in Hüfthöhe der verbliebenen vierten Wand begann. Genau in der Mitte des Raums stand ein Klapptisch mit jeweils einem Stuhl auf jeder Seite unter einem Paneel hell leuchtender Glühbirnen direkt darüber an der Decke.

Nur drei Männer befanden sich in dem Raum. Der Erste war ein junger asiatischer Techniker, der vornübergebeugt an einem Lügendetektor arbeitete, der an dem Tisch befestigt war. Der zweite Mann war Mitte fünfzig, korpulent, in einem dunklen Anzug, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, und dem konstant gelangweilten Blick eines Bürokraten ins Gesicht gemeißelt. Sein Name war Lucas Henderson Ellsworth IV, und auf diesen war er stolz, genau wie auf seine Familiengeschichte, die bis nach Jamestown zurückreichte. Was seine illustren Vorfahren von seiner Position als Generalinspekteur der CIA gehalten hätten, ließ sich nur schwer sagen.

Der Mann, der vor ihm saß, war achtunddreißig Jahre alt, groß – einen Meter neunzig, laut seiner Personalakte –, schlank und drahtig, was seine Kraft und seine Fähigkeit, gewalttätig werden zu können, gut verschleierte. Stahlblaue Augen blickten Ellsworth aus einem glattrasierten, markantem Gesicht entgegen. Ein Lächeln hätte ihn vielleicht sogar gutaussehend erscheinen lassen, aber der Mann unter den Lampen lächelte nicht. Drähte aus dem Lügendetektor führten zu Elektroden an seinen Armen und einem Gurt um seine Brust.

Der Techniker und der Bürokrat tauschten ein paar Worte aus, dann verließ der Techniker den Raum und ließ die Tür mit der Endgültigkeit einer Zellentür hinter sich zufallen.

Ellsworth lächelte und öffnete die Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag. »Sie haben eine beeindruckende Karriere vorzuweisen, Mr. Nichols. Fünfzehn Jahre beim Clandestine Service, dazu sogar noch einige Jahre im früheren Directorate of Operations, vor der Gründung des NCS. Vor fünf Jahren mit dem Intelligence Star ausgezeichnet, für eine Operation, deren Details redigiert wurden. Höchst bedauerlich. Ich bin sicher, dass diese eine interessante Lektüre abgegeben hätten. Aber deswegen sind wir heute auch nicht hier.«

Der Mann vor ihm rutschte unruhig herum, über den Smalltalk ganz offensichtlich verärgert. »Ich habe schon darauf gewartet, dass Sie endlich zum Punkt kommen.«

»Natürlich. Lassen Sie mich Ihnen zuerst ein paar vorausgehende Fragen stellen, um einen Basiswert für die Maschine zu ermitteln. Ihr voller Name lautet?«

»Harold Nichols. Einen Mittelnamen hat man mir nicht gegeben.«

»Anfang Oktober dieses Jahres waren Sie und das Alpha Team der Special Activities Division an einer Operation im Mittleren Osten beteiligt. Sie sind der Anführer des Alpha Teams, nicht wahr?«

»Das ist korrekt.«

»Sehr gut. Darf ich Sie Harry nennen?«

»Meine Freunde nennen mich Harry«, antwortete der Mann gelassen und ohne jede Regung.

Ein Moment peinlicher Stille folgte, dann räusperte sich der Bürokrat. »Gut. Wir können jetzt beginnen, Mr. Nichols.«

Der Mann hob eine Hand vom Tisch und deutete auf die Drähte und das Equipment. »Was erhoffen Sie sich eigentlich von all dem?«

Ellsworth schien über die Frage nachzudenken, dann antwortete er: »Die Wahrheit, Mr. Nichols. Ich erhoffe mir, die Wahrheit herauszufinden.«

Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes, oder vielmehr die ironische, zynische Parodie eines Lächelns. »Ich werde Ihnen etwas verraten. Lügen ist mein Beruf. 2008 wurde ich in den Bergen des Hindukusch von einer Splittergruppe der Taliban geschnappt. Ich verbrachte drei Monate in Gefangenschaft, bis es einem Team gelang, mich zu befreien. Ich wurde jeden Tag gefoltert, um Informationen aus mir herauszubekommen. Es dauerte fünf Monate, bis ich wieder eine komplette Meile rennen konnte. An meinem Körper finden sich noch immer die Narben aus jenen Tagen. In all diesen Monaten erfuhren diese Männer nur das, was ich sie wissen lassen wollte. Desinformation, ohne dass sie es je bemerkten. Wenn Sie also glauben, dass dieser Maschine etwas gelingen könnte, wozu diese Männer nicht fähig waren, verschwenden Sie Ihre Zeit …«

 

 

05:42 Uhr Ortszeit

eine Stadtvilla
Fairfax, Virginia

 

Wie so oft schien der Wecker viel zu früh zu klingeln. David Lay öffnete seine Augen und starrte durch die Dunkelheit an die Decke, während der Alarm misstönend vor sich hin lärmte.

Ächzend schwang er seine Beine aus dem Bett und tastete nach dem leuchtenden Display. Mit zweiundsechzig Jahren war er nicht mehr so fit wie früher, was sicher damit zu tun hatte. Aber die Schlummertaste zu drücken war für den Direktor der Central Intelligence Agency keine Option.

Lay wickelte sich einen Morgenmantel um den Körper und öffnete die Tür, die zu dem Flur führte. Die Temperaturen waren in der vergangenen Nacht auf Minusgrade gefallen und ein Schneesturm zog von Westen heran, der den Vorhersagen zufolge fünf Zentimeter Neuschnee mit sich bringen würde. Der schwache Geruch von Rauch stieg ihm in die Nase und er beschleunigte seine Schritte auf seinem Weg in die Küche.

»Guten Morgen, Boss«, war die beinahe hellseherische Begrüßung des kleinen, stämmigen Mannes zu hören, der aus den Rauchschwaden trat, die den Herd umgaben.

»Na, zumindest haben Sie sich bemüht«, kommentierte Lay mit einem kritischen Blick auf den Stapel Pancakes, der sich auf der Kücheninsel türmte.

Peter Ramirez lachte und wedelte mit dem Pfannenwender in die Richtung des DCIA. »Die schmecken besser als sie aussehen, comprende?«

»Ich bin nicht sicher, ob mich das überzeugt«, lautete Lays Antwort. »Was gibt’s Neues aus Langley?«

»Die Stundenberichte liegen auf dem Tisch«, antwortete Ramirez und wandte sich wieder dem Ofen zu. Lay musterte die unpassende Wölbung einer Glock 21 im Holster unter der Schürze seines Leibwächters und schüttelte den Kopf.

Pete Ramirez war ein zweiunddreißigjähriger Ex-Navy SEAL, der sich nach einer Rückenverletzung während einer Mission auf Mindanao aus dem aktiven Dienst zurückziehen musste. Nach seiner Genesung war das massige, einen Meter achtundsechzig große Kampfschiff von einem Mann dem Secret Service beigetreten. Seit anderthalb Jahren diente er nun schon als Lays persönlicher Leibwächter und die beiden Männer kamen hervorragend miteinander aus. Der Leibwächter und seine Schutzperson.

»Irgendwelche Fortschritte mit Sergei Ivanovich?«

Ramirez schüttelte den Kopf. »Carters Team ist an der Sache dran, aber bisher haben sie noch nichts gefunden. Wenn sein Bild nicht auf diesen Überwachungskameras aufgetaucht wäre …«

»Sagen Sie mir nicht, dass wir uns keine Sorgen machen sollten, wenn ein ehemaliger Speznas-Söldner mit Verbindungen zur Mafia in Philly auftauchen kann, ohne dass wir auch nur die leiseste Ahnung davon haben, dass er sich überhaupt in diesem Land befindet.« Lay seufzte. »Das Bureau in die Sache einzuweihen, ohne erklären zu können, wie genau wir an diese Aufnahmen gelangt sind, wird eine meiner heutigen morgendlichen Freuden sein.«

Darüber hinaus fand sich in dem Stapel der stündlichen Berichte nichts, was erwähnenswert gewesen wäre, weshalb der DCIA ihn müde beiseitelegte und nach der Fernbedienung für den Fernseher griff.

»… und die Wahlschlacht hält auch zwei Monate nach der Wahl noch weiter an, nachdem Berichte über Wahlbetrug in New Mexico an die Öffentlichkeit gelangt sind. Es ist davon auszugehen, dass der Supreme Court sich innerhalb der nächsten beiden Wochen dieses Themas annehmen wird. Es wäre nach der erneuten Stimmenauszählung von 2000 in Florida zwischen dem ehemaligen Präsidenten George W. Bush und dem ehemaligen Vizepräsidenten Albert Gore das erste Mal, dass sich der oberste Gerichtshof in eine Präsidentschaftswahl einmischt. Seitdem Präsident Hancocks Führung vor Senator Richard Norton auf weniger als fünfzigtausend Stimmen geschrumpft ist, könnten die Vorwürfe, dass tausende Stimmen von illegalen Einwanderern abgegeben wurden, tiefgreifende Auswirkungen auf den Wahlausgang haben. Hier bei uns im Studio ist nun der Sprecher der Minderheitsfraktionen im Senat, Senator Scott Ellis aus Utah, mit dem wir uns über die möglichen Auswirkungen einer Entscheidung des Supreme Courts die Legitimation der Norton-Administration betreffend unterhalten wollen. Senator, Sie sprechen sich schon seit längerem …«

Mit einem verächtlichen Schnauben schaltete Lay den Fernseher aus. Außer einem Eingeständnis von Präsident Roger Hancock gab es nichts, was ihn an dieser Wahl interessierte. Und selbst dieses würde von irgendeinem dummen Kommentator ruiniert werden, der keine Ahnung hatte. Der nicht im Ansatz verstand, welcher Abgrund sich dahinter verbarg.

Aber vielleicht war das auch besser so. Das Land hatte schon genug durchmachen müssen …

 

 

06:01 Uhr

CIA-Hauptquartier
Langley, Virginia

 

Das Schicksal hat bestimmt, dass es so endet, Harry. Dem Willen Allahs kann man nicht entkommen.

Er hatte seit drei Tagen nicht geschlafen. Der klassische Schlafentzug vor einem Verhör, Standardvorgehensweise der Agency. Darauf war er trainiert.

Und genau das war es auch … ein Verhör. Der Lügendetektor war da, Ellsworth aber hielt sich nicht an die Vorschriften, wie dieses abzulaufen hatte. An die Standardabfolge von Ja/Nein-Fragen.

Er gierte nach Blut.

Diese Stimme. Sie verfolgte ihn in seinen Träumen. Um genau zu sein, hatte er schon seit langem nicht mehr richtig geschlafen. Er schloss für einen Moment die Augen und verbannte die Stimme aus seinem Kopf.

Ellsworth fuhr fort, und Harry hob den Kopf, um den Generalinspekteur anzusehen.

»Nachdem Hamid Zakiri das Alpha Team verließ und zum Feind überlief, erhielten Sie den Befehl, ihn zur Befragung zurückzubringen. Ist das korrekt?«

Du hast Befehl, mich lebend zu fassen, richtig?

Die Stimme eines toten Mannes, die aus dem Grab zu ihm sprach. Er konnte immer noch sein Gesicht sehen, dort in der Dunkelheit der Masjid al-Marwani, unter dem Tempelberg. Das Gesicht eines sterbenden Freundes. Das Gesicht eines Verräters …

»Haben Sie einen solchen Befehl erhalten?«, wiederholte Ellsworth gereizt, angesichts der Verzögerung. Normalerweise lag es nicht in der Verantwortung des Generalinspekteurs, eine Vernehmung wie diese selbst durchzuführen, aber er hatte hier noch ein Hühnchen zu rupfen.

»Ja«, antwortete Harry und sah Ellsworth mit einem kalten, eisigen Blick in die Augen.

Der nickte. »Und Sie entschlossen sich, diesen Befehl zu missachten. Nach seinem Mord an Ihrem Teamkameraden, Davood Sarami, wollten Sie lieber selbst den Henker spielen, nicht wahr?«

Er hat geschrien, als ich ihn erschoss, Harry. Und ich habe es genossen.

Ein unfreiwilliger Schauer lief Harry über den Rücken und er wendete den Blick ab. Selbst jetzt, zwei Monate später, konnte er noch immer den Zorn und die Wut spüren, die in ihm brannten. Sein Henker …

Ja, in diesem Punkt hatte er recht. Er konnte sich noch immer an den Spott in Hamids Augen erinnern, wie dieser hilflos vor ihm lag und die letzte Kugel erwartete. An die große Colt, die in seiner Hand zuckte. Jeder dieser Momente wiederholte sich endlos in seinem Geiste.

»Nein«, antwortete er, seine Emotionen nur mit Mühe unter Kontrolle haltend. »Zakiris Tod war unvermeidlich, die unausweichliche Konsequenz des Nahkampfes. Wenn ich ihn hätte nur verwunden können, hätte ich das getan. Er starb mit geladener Waffe in der Hand.«

Dunkelheit. Er sieht auf seinen Freund hinunter in jener düsteren Gebetshalle der Masjid. Nein, nicht seinen Freund – den Verräter, korrigierte er sich selbst. Sein Verstand hatte noch immer Mühe, diesen Umstand zu realisieren.

Eine Salve aus einer Maschinenpistole hatte Hamids Hüfte zerfetzt und er lag hilflos dort am Boden, als Harry ihn erreichte. Aber eine Waffe in seiner Hand?

Er hatte versucht, seine Glock zu erreichen. Harry hatte sie von ihm fortgetreten. Ihn entwaffnet …

»Hat es sich wirklich so zugetragen?«, hakte Ellsworth nach, dem die Skepsis ins Gesicht geschrieben stand. Harry hörte die Warnglocken läuten – aus den Resultaten der Maschine ließen sich Emotionen ableiten. Seine Emotionen. Kontrolle. »Ich werde Ihnen sagen, was ich denke, Mr. Nichols. Ich denke, es geschah vorsätzlich. Ich denke, Sie wollten ihn töten.«

Harry riss den Kopf nach oben und funkelte den Bürokraten finster an. »Ich wollte es? Ich wollte es?«, fauchte er, seine Stimme kaum mehr als ein Zischen. »Er war mein Freund.«

Doch als die Worte seinen Mund verließen, erkannte er seinen Fehler. Eine hübsch ausgelegte Falle, wie ihm beinahe losgelöst von jeglichen Emotionen klarwurde – oder dem völligen Fehlen derselben. Ellsworth war klüger, als er aussah.

»Das ist richtig«, erwiderte Ellsworth. »Er war Ihr Freund, nicht wahr? Und Ihr Rekrut, wenn mich mein Erinnerungsvermögen nicht täuscht. Sie haben ihn zur Agency gebracht, für ihn gebürgt. Ist das korrekt?«

»Ja.«

»Sagen Sie, Nichols, gibt es vielleicht noch einen anderen Grund, warum Sie ihn umbringen wollten?«

 

 

06:18 Uhr

Lays Residenz
Fairfax, Virginia

 

Das Geräusch eines startenden SUV-Motors drang im selben Moment in David Lays Ohren, als er gerade seine Krawatte fertig gebunden hatte. Zweifellos hatte Ramirez seine Suche nach Sprengstoffen beendet. Das war Teil der Morgenroutine, zusammen mit der stetig wechselnden Route zur Arbeit.

Lay verzog das Gesicht und richtete seinen Kragen. Wahrscheinlich war das Ganze nur Paranoia. Kein CIA-Direktor war je Ziel eines Attentats gewesen. Niemand hatte sich je auch nur die Mühe gemacht. Aber trotz allem hatte er auch nicht vor, der Erste zu werden. Und angesichts der vielen Feinde, die er sich in den letzten Monaten gemacht hatte …

Sein Blick fiel auf eine gerahmte Fotografie auf seinem Nachttisch. Das Gesicht einer jungen Frau Ende zwanzig lächelte ihn mit azurblauen Augen an. Sie hatte das Lächeln ihrer Mutter.

Seine Tochter Carol wieder in seinem Leben zu wissen – nach über zwanzig Jahren der Trennung – war für ihn ein größerer Segen als er verdiente. Seine Frau hatte ihn nur wenige Wochen nach Carols viertem Geburtstag verlassen, weil sie seiner langen Abwesenheit und der einsamen Nächte überdrüssig geworden war. Er konnte es ihr nicht verübeln.

Damals, gegen Ende des Kalten Krieges, war er ein aufstrebender junger CIA-Stabsoffizier gewesen. Jung und ungestüm. Patriotisch. Oder vielleicht auch nur übereifrig. Er wusste es immer noch nicht genau. Alles, was er wusste, war, dass er dafür seine Familie in Trümmern zurückgelassen hatte.

Selbst seine Tochter trug nicht mehr seinen Nachnamen, auch nicht nach ihrer kürzlichen Versöhnung. Und seine Frau war tot, vom Brustkrebs aus dem Leben gerissen. Es gab Zeiten, in denen Vergebung in unerreichbarer Ferne lag.

Ein Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Ramirez‘ Stimme. »Ich denke, wir sollten aufbrechen, Sir. Der Verkehr heute Morgen scheint interessant zu werden …«

 

 

06:27 Uhr

Einsatzzentrale des National Clandestine Service (NCS) 
Langley, Virginia

 

Manchmal war der frustrierendste Teil an einem Verrat, dass man das Warum dahinter nie erfuhr. Oder es keinen Sinn ergab. Carol Chambers strich sich ihre blonden Haare aus den Augen und klickte sich noch einmal durch die geöffneten Fenster auf dem Monitor an ihrem Arbeitsplatz. Nichts.

So hatte sie sich auch immer bezüglich ihres Vaters gefühlt. Vielleicht war die Suche nach dem Warum der Grund gewesen, weshalb sie sich der Agency angeschlossen hatte.

Etwas anderes konnte es nicht gewesen sein. Abgesehen von ihrem Abschluss am Massachusetts Institute of Technology war sie schlicht und ergreifend nur eine Hackerin, und auch wenn die CIA zumindest auf halblegalem Wege ihre Talente benötigen konnte, kannte sie doch einige Firmen, die sie deutlich besser bezahlt hätten.

»Immer noch keine Spur von dem Geld?«

Carol Chambers sah von ihrem Arbeitsplatz in der Einsatzzentrale auf. »Immer noch nichts, Ron. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Teheran ihm auch nur einen Cent bezahlt hat.«

Ron Carter nickte, mit einem ernsten Blick in seinem dunklen Gesicht. Der Afroamerikaner leitete die Abteilung Field Support and Analysis des NCS und war einer der besten Fotoanalytiker, die Langley je gesehen hatte.

»Dann haben wir es wohl mit einem Mann wahren Glaubens zu tun.«

»Kaum zu glauben, dass wir dachten, er wäre einer von uns.« Carol stieß ein langgezogenes Seufzen aus. Hamid Zakiris Geschichte war wahrscheinlich das größte geheimdienstliche Fiasko seit Bestehen der CIA.

Geborgen im Irak, oder zumindest hatte er sie das glauben lassen, war er als Folge der Operation Desert Storm als Kind in die USA gekommen. Nachdem er mit neunzehn Jahren in die US-Army eingetreten war, arbeitete er sich bis zu den Special Forces hoch, den legendären Green Berets.

Zakiri war in Afghanistan mit dem Bronze Star für Tapferkeit und dem Purple Heart für eine Beinverletzung in Tikrit im Irak ausgezeichnet worden. Und dort war er der CIA aufgefallen.

Sechs Jahre in der Armee, beinahe zehn Jahre im Clandestine Service. Sie hatten ihm vertraut. Selbst jetzt, mehr als zwei Monate nach seinem Verrat, war es immer noch schwer zu glauben, dass er ein iranischer Schläferagent gewesen war.

Die Akten die Operation betreffend waren versiegelt worden. Nur diejenigen, die ein Teil der Operation gewesen waren, kannten die ganze Wahrheit. Jene, die er betrogen hatte.

Die Welt hatte am Rande eines Krieges gestanden. Ein biologischer Anschlag auf die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem, vom Regime des iranischen Präsidenten Mahmoud F’Azel Shirazi orchestriert und von Mitgliedern der Hisbollah ausgeführt. Ein geschickt eingefädelter Plan, Israel in den Angriff hineinzuziehen und seine Zerstörung zu bewirken.

Die CIA hatte ein Einsatzteam in Stellung gebracht, um die Freisetzung der Pestbakterien zu stoppen, aber sie hatten nicht geahnt, dass ihnen jemand aus den eigenen Reihen in den Rücken fallen würde.

Am Ende konnte der Angriff vereitelt werden, aber zu einem furchtbaren Preis. Ein weiterer Stern an der Wand, für den gefallenen Offizier Davood Sarami. Getötet von einem muslimischen Glaubensbruder.

Carter ergriff wieder das Wort. »Widmen wir uns erst einmal einer anderen Aufgabe«, sagte er und legte ihr einen USB-Stick auf den Tisch. »Sergei Ivanovich Korsakov.«

»Ehemals Speznas, richtig?«, erkundigte sich Carol und ordnete ihre Gedanken. »Scheint mir schon einmal auf unserem Radar aufgetaucht zu sein.«

»Hundert Punkte. Ist er auch. Nach seiner Entlassung aus der russischen Armee in 2000 mauserte er sich zu einer Art Söldner mit engen Verbindungen zur russischen Mafia und einem halben Dutzend anderer ähnlich dubioser Organisationen in ganz Osteuropa. Seit dem Attentat auf den Finanzminister der Ukraine vor drei Jahren, mit dem er in Verbindung gebracht wird, war er verschwunden.«

»Bis er vor zwei Tagen plötzlich in Philly wieder auftauchte.«

Der Analyst nickte. »Ich gebe dir und Danny die Leitung in dieser Sache. Der DCIA hat für 0800 eine Telefonkonferenz anberaumt, in der wir Haskel und seinen Leuten berichten werden, was wir wissen. Sieh zu, dass wir irgendwas für ihn haben.«

»Ist nicht sowieso das FBI dafür zuständig?«, fragte Carol und gestattete sich ein amüsiertes Lächeln in Bezug auf Carters Anspielung. FBI-Direktor Eric Haskel war in Langley alles andere als beliebt.

»Das stimmt. Wir schnüren es wie ein großes Weihnachtsgeschenk zusammen und überreichen es ihnen. Wenn du es besonders hübsch zurechtmachst, werden vielleicht die Götter der Bürokratie in Zukunft auf uns herablächeln.«

 

 

06:31 Uhr

 

»Wann haben Sie Hamid Zakiri das erste Mal getroffen?«

»2004«, antworte Harry knapp. »In Tikrit.«

Ellsworth schüttelte den Kopf. »Ich meine das erste Mal, als Sie ihn rekrutierten. Oder war es genau andersherum? Sie waren dafür verantwortlich, dass er den Clandestine Service infiltrieren konnte. Was hat man Ihnen dafür im Gegenzug geboten? Geld?«

Zorn flackerte in Harrys Augen auf und schwelte dort unter der Oberfläche. Ein weiterer Gefühlsausbruch würde ihm nichts nützen. »Er rettete mir im Irak das Leben. Ich hielt ihn für einen Patrioten – ich hielt ihn für einen von uns.«

Der Generalinspekteur fuhr fort, als hätte Harry die Frage nicht beantwortet. »Haben Sie ihn nicht deswegen getötet? Damit nur einer von Ihnen den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen muss?«

»Genug!« Harry sprang auf, hieb mit beiden Händen auf den Tisch und beugte sich zu Ellsworth herüber. Die Welt schien um die beiden Männer zusammenzuschrumpfen und beinahe konnte er die Angst im Atem des Bürokraten riechen, so wie den Alkohol. Das Gefühl war übermächtig, beinahe berauschend. Er hätte dem Mann im Handumdrehen das Genick brechen können, und sie beide wussten es. Nichts hätte ihn dann retten können.

»Sie haben doch keine Vorstellung, wie es dort draußen ist, außerhalb dieser Wände«, flüsterte er mit einem drohenden Unterton in der Stimme. »Da draußen, wo ein Fehler mit dem Tod enden kann und nicht einfach nur mit einer Verwarnung und einem Klaps auf die Hand. Da draußen gibt es niemanden, dem Sie vertrauen können. Niemandem außer Ihrem Team. Und manchmal nicht einmal denen.«

Hände ergriffen ihn am Arm und zogen ihn sanft auf seinen Stuhl zurück. Sicherheitsleute, wie ihm nach und nach bewusst wurde, während er den zitternden Ellsworth anstarrte. Vielleicht genügte es, aber es würde hier nicht aufhören. Vielleicht hörte es niemals auf …

 

 

06:35 Uhr

Virginia

 

Der Mann rieb die Handflächen aneinander. Die Heizung des Toyota Corolla schaffte es kaum, die Kälte aus dem Wagen zu vertreiben. Es musste jeden Moment soweit sein, dachte er und warf einen Blick auf die Glock in der Seitentasche der Tür. Man hatte ihm versichert, dass die Waffe sauber wäre und man sie unmöglich zu ihm zurückverfolgen könne.

Er ließ seinen Blick über den Parkplatz wandern und sah zu, wie ein State Trooper aus Virginia mit einem dampfenden Becher Kaffee in der Hand aus einem Gemischtwarenladen trat und zu seinem Streifenwagen zurückkehrte.

Ein Gauner in Polizeistiefeln, dachte der Mann, ohne die Pistole an der Hüfte des Troopers aus den Augen zu lassen. Ihre Zeit würde noch früh genug anbrechen … und dann würde Amerika sich wieder erheben.

»Er ist auf der Straße«, informierte ihn eine Stimme in seinem Ohr, und er griff nervös nach oben, um die Lautstärke seiner Bluetooth-Lautsprecher herunterzudrehen. Fast so, als hätte er Angst, dass die Polizei es hören könnte.

Diesen Mann zu treffen … hatte seinem Leben einen neuen Sinn gegeben. Ein Ziel. Seit Jahren hatte er hilflos und frustriert mit ansehen müssen, wie sich die Globalisten zusammenfanden, Pläne schmiedeten und ihm sein neugefundenes Land wegnahmen. Dreiste Unternehmen und Bankiers, in der Gewissheit, siegreich zu sein. Juden, die in den dunklen Winkeln dieser Welt intrigierten.

Und dann war er in sein Leben getreten … ein Mann wie kein anderer, den er je gekannt hatte. Und alles, was er benötigte, war seine Hilfe.

Wenn du eine Schlange bezwingen willst, dann stich ihr die Augen aus, hatte der Mann voller Weisheit erklärt. Voller Zuversicht.

Und wer diente dieser Neuen Weltordnung als Augen? Die NSA, die CIA – und die Männer, die diese leiteten. Männer wie David Lay.

»Bin unterwegs«, flüsterte er in seinen Ohrhörer, der Mund plötzlich ganz ausgetrocknet, und startete die Limousine. »Sic Semper Tyrannus.«

Tod den Tyrannen.

Es dauerte einen Moment, bis er die Stimme seines Freundes hörte – die bestärkende Stimme, die ihn auf seinem Weg führte. »Für die Freiheit, mein Bruder.«

 

 

06:38 Uhr

Auf der I-495 in der Nähe von Tyson’s Corner
Virginia

 

»Was sollte das denn bedeuten?«

Der Fahrer erlaubte sich ein Lächeln, während er aus den getönten Fenstern des Dodge Durango auf den vorbeifahrenden Verkehr hinausblickte. Ihr Fahrzeug stand auf dem Seitenstreifen der Interstate. Ein abgenutztes T-Shirt hing flatternd im kalten Winterwind zwischen Tür und Fenster und signalisierte, dass der Wagen zurückgelassen worden war – vielleicht mangels Sprit oder wegen technischer Probleme.

Oder wartete, was eher zutreffend war.

»Nur so eine Redensart, Pavel«, antwortete der Fahrer und erhaschte für einen kurzen Moment den Blick seines Partners im Rückspiegel. Sieben Wochen der Planung, die sie nun zu diesem Tag geführt hatten. Kürzer, als es ihm persönlich lieb gewesen wäre … aber den Amerikaner zu rekrutieren hatte sich als einfachster Teil herausgestellt. Ein nützlicher Idiot.

Völlig gefangen von seinen Fantasien über eine neue Weltordnung, mit ihm als Freiheitshelden, war ihm zu keinem Zeitpunkt der Gedanke gekommen, dass sie ihn nur benutzten. Dass er vielmehr nur ein Bauer in einem viel größeren Spiel war.

Oder dass er in den nächsten zwanzig Minuten sterben würde.

 

 

06:39 Uhr

Virginia

 

»Gerade wird ein Unfall mit zwei Fahrzeugen auf der Hauptroute gemeldet«, bemerkte Ramirez. »Offenbar ist jemand zu nah aufgefahren und ist dann auf dem Eis ins Rutschen gekommen. Diese saublöden Pendler.«

Ein Lächeln huschte über Lays Gesicht. Der Schnee war gar nicht so schlimm, aber die Leute in Virginia waren nicht daran gewöhnt. Er hatte seine Jugend in Vermont verbracht und dort Autofahren gelernt. Da hatte es Schnee gegeben. »Dann nehmen wir die Alternativroute?«

Der SEAL nickte. »Ist ein wenig länger, aber die andere wird durch den Unfall sicher verstopft sein. Außerdem sind wir sie seit zwei Tagen nicht mehr gefahren, also sollte es keine Probleme geben.«

Typisch Ramirez, immer ganz auf die Sicherheit bedacht, dachte der DCIA bei sich. Es mochte Zeiten gegeben haben, in denen er die Bedenken einfach abgetan hätte. Aber nicht in diesen Tagen.

 

Hinter ihnen fädelte sich der Toyota in den fließenden Verkehr ein. »Ich hab sie«, meldete der Mann über die kabellosen Kopfhörer seines Handys. Er zog die Glock aus der Seitentasche der Tür und legte sich die Waffe aus Polymer mit schwitzigen Fingern in den Schoß. Er verfluchte seine Angst. »Sie fahren die Route Drei entlang, dieselbe wie vor zwei Tagen. Was soll ich tun?«

»Bleib einfach an ihnen dran«, hörte er die ruhige Stimme sagen. »Ich erkläre dir unterwegs alles. Alles wird gut.«

 

 

06:43 Uhr

Ein Appartement
Manassas, Virginia

 

Sein verschwommenes Bild im Spiegel war das erste, was Thomas Parker an diesem Morgen erblickte. Plötzlich drehte sich alles um ihn herum und er streckte die Hand aus und klammerte sich an den Rand des Waschbeckens.

Eine Welle aus Übelkeit war über ihn geschwappt. Er würgte. Ihm war schlecht, sehr schlecht. Er griff nach dem Wasserhahn, drehte das kalte Wasser auf, ließ es sich über seine Hände laufen und spritzte sich etwas davon ins Gesicht. Über seinen schmerzenden Kopf.

Es wäre leichter für ihn gewesen, wenn er tatsächlich krank gewesen wäre. Das Wissen, dass seine Kopfschmerzen und seine Übelkeit von zu viel Alkohol in der letzten Nacht herrührten, half jedoch wenig, dass er sich besser fühlte.

So oder so musste er aber einen klaren Kopf bekommen, sonst würde er zu spät kommen. Die CIA wusste nichts von seinem Alkoholproblem, und dabei wollte er es auch belassen. Schließlich gehörte er einer Spezialeinheit an, und da wurden Fehler nicht toleriert. Denn Fehler konnten tödlich enden.

Sein Blick wanderte zu dem Klebezettel an dem Spiegel und der Telefonnummer, die darauf notiert war. Der Nummer von Harrys Pfarrer. Nichols, sein Teamführer, wusste um sein Problem, und das war seine Lösung dafür gewesen.

Thomas schnaubte verächtlich. Ja, und was für eine tolle Lösung! Als überzeugter Agnostiker, der er sein ganzes Leben über gewesen war, sah er keinen Sinn darin, seine Meinung diesbezüglich jetzt zu ändern. Der Verrat von Hamid Zakiri hatte seinen Zynismus nur noch stärker werden lassen. Genau wie sein Verlangen nach Alkohol.

Sie hatten sich ein Appartement geteilt, er und Hamid, was eine gute Möglichkeit gewesen war, die Lebenshaltungskosten in den Außenbezirken von Virginia niedrig zu halten. Das war hauptsächlich Zakiri zugutegekommen, nicht ihm. Er war in den Jahren vor dem elften September Manager einer Fortune-500-Technikfirma gewesen und hatte sein Geld klug angelegt.

So ziemlich die einzig kluge Sache, die er in seinem Leben getan hatte.

»Thomas?« Ihre Stimme hörte sich heute Morgen schriller an. Er blickte in den Spiegel und sah eine Brünette mit zerzausten Haaren und in einem seiner Hemden in der Badezimmertür stehen.

Betrunken hatte sie auch besser ausgesehen, realisierte er verärgert. An ihren Namen konnte er sich nicht mehr erinnern, wie überhaupt nur an sehr wenig von letzter Nacht. Die Agency würde ihm die Hölle heißmachen, wenn sie davon erfuhren.

Die CIA, die mit Argusaugen über die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften wachte, war von One-Night-Stands noch weniger erbaut als die meisten Eltern. Was das anging, glich die Agency einem Elternpaar mit einem millionenschweren Sicherheitsbudget.

Er senkte seinen Blick wieder in Richtung Waschbecken und versuchte ihre Stimme aus seinem Kopf zu verbannen. Er würde noch zur spät zur Arbeit kommen …

 

 

06:51 Uhr

Virginia

 

»Ziel nähert sich, noch etwa fünfhundert Meter. Bist du bereit?«

Sie spionieren uns hinterher, wir spionieren ihnen hinterher, pflegte der Mann zu sagen. Sie nehmen uns ins Visier … und wir sie. Alles, wovor Jones schon immer in Bezug auf die Schattenregierung gewarnt hatte, entsprach der Wahrheit. Die Tyrannen in Washington töteten seit Jahren Menschen … aber nun waren sie an der Reihe. Der Fahrer des Toyotas nickte nervös und überspielte seine Angst mit einem Lachen. »Ja. Ja, ich kriege das hin.«

»Dann sei leise und konzentriere dich«, lautete die ruhige Antwort. »Ich werde dich leiten. Dreihundert Meter.«

Für einen kurzen Moment nahm der Fahrer seinen Blick von dem Zielfahrzeug zwei Wagen voraus und sah noch einmal nervös auf die Glock hinunter. Er hatte noch nie einen Menschen getötet – aber hier ging es schließlich um Gerechtigkeit …

»Zweihundert Meter«, verkündete die Stimme in seinem Ohr. Der Fahrer setzte den Blinker, trat hart aufs Gas und schoss auf die Überholspur.

 

Defensives Fahren gehörte nicht zu den Trainings während der berüchtigten Hell Week der SEALS, aber der Secret Service hatte Ramirez alles beigebracht, was es darüber zu wissen gab.

Ein Fluch drang über seine Lippen, als er den Toyota im Außenspiegel auf der Fahrerseite erblickte, der rasch zu ihnen aufschloss. Eine mögliche Bedrohung.

Alarmiert von dem Wutausbruch seines Bodyguards sah Lay zu dem Rückspiegel auf. Die kleine Limousine füllte in diesem Moment sein Sichtfeld schon so gut wie aus, und er wusste, was das bedeutete. Sie waren hier …

Ihm blieb keine Zeit zu reagieren, keine Zeit für Schuldzuweisungen oder Zweifel. Alles passierte viel zu schnell.

Ramirez riss das Lenkrad hart nach rechts und trat aufs Gas, in dem Versuch, auf den Standstreifen ausweichen zu können.

Zu spät.

Die Limousine stieß heftig gegen die Fahrerseite des SUV und ließ ihn gegen die Leitplanke am rechten Straßenrand schlittern.

Aufprall.

Mit der Wucht eines Fausthiebes sprangen David Lay die Airbags entgegen und warfen ihn gegen die Rückenlehne. Benommen tastete er nach dem Verschluss des Sicherheitsgurtes. Ihm blieb nur wenig Zeit. Er hatte keine Vorstellung, wie wenig.

 

Die Männer in dem liegengebliebenen Durango beobachteten aus mehreren hundert Metern, wie sich die Kollision ereignete.

Der Fahrer nahm sein Hochleistungsfernglas von den Augen und warf einen Blick auf das Handy, das offen auf dem Sitz neben ihm lag. Ein einfaches Prepaid-Klapphandy, auf dessen Display bereits eine Nummer angezeigt wurde.

Ein grimmiges Lächeln huschte über sein Gesicht, dann streckte er seinen Zeigefinger aus … und drückte auf die Wähltaste.

 

Nein. Das war nicht der Plan gewesen, dachte der Mann und hieb auf die Airbags ein, die ihn gegen den Sitz des Toyotas pressten. Die Glock … wo war sie abgeblieben?

Durch das Beifahrerfenster und über den aufgeblähten Airbag hinweg konnte er die Leitplanke erkennen, in die er geprallt war, direkt vor dem SUV. Er fluchte, weil er wusste, dass jede Sekunde, die er hier herumstrampelte, seine Chancen auf Erfolg schmälerte. Dass sie erneut gewinnen würden …

Einen Moment später explodierte seine Welt in einem blendend weißen Lichtblitz. Flammen und Feuer …

 

Schweigend verfolgte der Fahrer des Durango, wie der im Fahrgestell des Toyotas eingebettete Sprengstoff detonierte und beide Fahrzeuge durch den endlos dichten Verkehr in Richtung Mittelstreifen beförderte.

Die Menschen waren so leicht hinters Licht zu führen, dachte er bei sich – wahrscheinlich, weil es stets leichter war, eine Lüge zu glauben, die ihr Weltbild bestätigte, als eine Wahrheit, die diesem entgegenstand.

Erzähle ihnen einfach, was sie hören wollen.

Das war das Geheimnis jeder erfolgreichen Rekrutierung gewesen. Er sah zu seinem Partner. »Das sollte genügen, meinst du nicht auch, Towarischtsch?«

Sein Kamerad nickte. Er streckte den Arm nach vorn und seine behandschuhte Hand schloss sich um den Zündschlüssel. Ein Ziel eliminiert.

Damit blieb noch eines.

 

Kapitel 2

 

07:01 Uhr

CIA-Hauptquartier
Langley, Virginia

 

Die Vernehmung dauerte bereits seit anderthalb Stunden an, als Harrys taktisches Satellitentelefon, das nur wenige Zentimeter von seiner Hand entfernt auf dem Tisch lag, zu brummen begann.

»Ignorieren Sie das«, befahl Ellsworth herrisch, dem die Verärgerung über die Störung anzuhören war.

Harry ignorierte ihn lächelnd, griff nach dem TACSAT und klappte es auf. »Nichols hier.«

Es war kein privater Anruf, und während er zuhörte, verschwand das Lächeln aus Harrys Gesicht. »In Ordnung, Boss«, sagte er schließlich. »Ich bin in fünf Minuten da.«

Er steckte sich das Telefon in die Hosentasche seiner Jeans, stand auf und riss sich dabei achtlos die Elektroden von seinem Arm, während der Generalinspekteur ihn sprachlos anstarrte.

»Wir sind hier fertig.«

Da schien Ellsworth seine Stimme wiedergefunden zu haben und schnellte wie ein Springteufel von seinem Stuhl auf. »Ich würde sagen, das sind wir nicht! Setzen Sie sich wieder hin, Nichols.«

Harry drehte sich zu ihm um und blickte dem Bürokraten gelassen in die Augen. »Gerade wurde Code MAGI erklärt – es gab einen Mordanschlag auf das Leben des DCIA. Ich werde das Sicherheitspersonal anweisen, Sie wieder in Ihr Büro zu eskortieren, Sir

»Warten Sie – was ist los?«, rief Ellsworth, aber Harry antwortet ihm nicht. Er griff sich sein Hemd von dem Regal neben der Tür, trat an das Sicherheitsbedienfeld und tippte dort den Code ein, den er früher an diesem Morgen Ellsworth hatte eingeben sehen.

Und dann war er auf dem Gang, knöpfte sich sein Hemd zu und eilte zu den Treppen. Krisenmodus …

 

 

05:07 Uhr Ortszeit

Apache-Reservat
New Mexico

 

Der Morgen war kalt. Eine kühle Brise wehte, als er in die Wüste hinauslief und immer wieder einen flüchtigen Blick gen Horizont warf, als könne er gar nicht erwarten, dass die Sonne aufging.

Jack Richards zog sich seinen Stetson in die Stirn und schob die Hände tiefer in die Taschen seines Mantels. Er hatte schon kältere Tage erlebt. Der große Mann erinnerte sich noch gut an die Berge Afghanistans, die erbitterte Kälte dort. Den Schnee. Damals war er Sprengstoffexperte bei der Marine Force Recon gewesen.

»Danke, dass du gekommen bist«, bemerkte der Mann neben ihm, und er drehte seinen Kopf, um zu seinem Halbbruder hinunterzublicken. »Ich war nicht sicher, ob du kommen würdest.«

Jack, oder Tex, wie ihn die meisten seiner Freunde nannten, quittierte den Kommentar mit einem wortlosen Nicken. Er war dafür bekannt, nur das Nötigste zu sprechen.

Und beinahe wäre er auch nicht hierhergekommen, aber es gab Bande, die stärker waren als Blut. »Wie ist Manny gestorben?«, fragte er und starrte auf das frische Grab hinunter. Ein kleines, schlichtes weißes Holzkreuz mit dem Namen Emmanuel Gutierrez darauf ragte aus dem oberen Ende des Grabes seines lebenslangen Freundes, einem Mann, der Richard nähergestanden hatte als die meisten Menschen seiner eigenen Familie.

»Seine Patrouille wurde vor drei Wochen in Big Bend vermisst. Er und ein anderer Officer. Ihre Leichen wurden schließlich am Achten dieses Monats gefunden. Erschossen. Die Untersuchungen dauern noch an … aber die meisten haben die Kartelle im Verdacht.«

Die Sommer im Reservat, dachte Richard, während seine tiefschwarzen Augen in die Wüste hinausstarrten. Er erinnerte sich an die langen Tage, an Football-Spiele und Mannys strahlendes Gesicht, wenn er die Arme in die Luft reckte, um einen Pass zu fangen.

Das waren goldene Tage gewesen. Bevor er mit Mitte zwanzig nach Texas ging. Lange, bevor sie in den Krieg gezogen waren.

»Tut mir leid«, flüsterte er und trat mit seinem Stiefel etwas von dem losen Dreck fort. Die Beerdigung war einen Tag zuvor gewesen, eine Zusammenkunft von Familie und Freunden, aber da war er unabkömmlich gewesen. Geschäftliches.

Richard war nur über seinen Großvater mütterlicherseits ein Mescalero. Sein Halbbruder hingegen war der Sohn ihrer Mutter und eines Vollblut-Apachen, den sie nach dem Tode seines Vaters geheiratet hatte. Trotzdem hatten sie die meiste Zeit ihrer Jugendjahre gemeinsam in diesem Reservat verbracht. Die beste Zeit …

»Wie lange hast du frei?«, drang die Stimme seines Halbbruders zu ihm, dessen Augen Tex‘ Gesicht absuchten.

Es gab so viele unausgesprochene Fragen zwischen ihnen … so vieles, das ungesagt geblieben war.

»Zwei Tage«, antwortete er und hob den Blick von Mannys Grab, um ihn über die Wüste schweifen zu lassen. Er erinnerte sich an einen ganz ähnlichen Morgen, vor langer Zeit – als er im Begriff war, erwachsen zu werden und einen Ausflug in die Wüste unternahm, um die Geister zu treffen, die ihn in seinem Leben den Weg weisen würden. Was er genau hier draußen erfahren hatte, würde er nie herausfinden. Doch er wusste mit Sicherheit, dass es noch Jahre gedauert hatte, bis er zu Gott gefunden hatte.

Das störende Brummen seines Satellitentelefons in seiner Jacke ertönte und er zog das TACSAT heraus und warf einen trägen Blick auf das Display.

»Das ist wichtig«, flüsterte er und legte seinem Halbbruder eine Hand auf die Schulter. Dann entfernte sich der Texaner ein paar Schritte und klappte das Telefon auf. »Richards.«

Bereits nach den ersten Worten wusste er Bescheid. Sein Urlaub war vorüber …

 

 

07:13 Uhr Ortszeit

NCS-Einsatzzentrale
Langley, Virginia