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Nr. 3061

 

Die Dunkle Schwere

 

Ein Oxtorner im Einsatz – und im Kampf mit sich selbst

 

Michael Marcus Thurner

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Adriano

2. Monkey

3. Daan Gudati

4. Wno Traekknor

5. Daan Gudati

6. Wno Traekknor

7. Daan Gudati

8. Wno Traekknor

9. Daan Gudati

10. Monkey

11. Wno Traekknor

12. Daan Gudati

13. Wno Traekknor

14. Daan Gudati

15. Monkey

16. Daan Gudati

17. Wno Traekknor

18. Daan Gudati

Fanszene

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Er wurde vorwärts durch die Zeit katapultiert und findet sich in einem Umfeld, das nicht nur Terra vergessen zu haben scheint, sondern in dem eine sogenannte Datensintflut fast alle historischen Dokumente entwertet hat.

In der Milchstraße spielen die Cairaner eine maßgebliche Rolle; die Liga Freier Galaktiker und die Arkoniden sind nur noch von untergeordneter Bedeutung. Der unsterbliche Arkonide Atlan hat beschlossen, an dieser Situation etwas zu ändern. Vor allem versucht er dem Geheimnis des hermetisch abgeschlossenen Arkonsystems auf den Grund zu gehen, das nur noch als die »Bleisphäre« bekannt ist.

Auch Lordadmiral Monkey von der USO ist einem Geheimnis der Cairaner auf der Spur: Es geht um einen angeblich besessenen designierten Konsul. Als dieser seinem Gewahrsam entkommt, kennt er nur ein Ziel: DIE DUNKLE SCHWERE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Zemina Paath – Die Thesan begleitet den Lordadmiral.

Monkey – Der Lordadmiral lässt zumindest den Anflug von Gefühl erkennen.

Daan Gudati – Der Kommandant der RATBER TOSTAN beschäftigt sich gedanklich mit einem Aufstand.

Wno Traekknor – Der Stellvertretende Kommandant gerät in eine Notlage.

1.

Adriano

 

»Du musst das nicht tun«, sagte POSY über die primitive Sprachausgabe, die dem Bioplasmaanteil des Schiffs angeschlossen war.

»Lass gut sein«, erwiderte Adriano. »Es macht mich glücklich, dich zu pflegen.«

Er versenkte einige seiner Arme vorsichtig im Bioponblock und sandte geringe Strommengen durch die leicht blubbernde Masse.

»Ich empfinde nichts«, behauptete POSY, wie die Positronik der RATBER TOSTAN nach dem Wegbegleiter des Namenspaten benannt worden war. »Außerdem muss ich mich auf den Kampf konzentrieren.«

Die Positronik spürte etwas, dessen war Adriano sicher. Andernfalls hätte sie ihm niemals erlaubt, sie zu pflegen.

Adriano hatte keine Ahnung, warum sie flunkerte. Es interessierte ihn auch nicht. Die Hauptsache war, dass er bleiben durfte und nicht zurück auf die Medostation musste.

Der Kampf war dafür verantwortlich, dass Adriano sich zurückgezogen hatte. In den sichersten Raum des Schiffs. In der Nähe der Biopositronik konnte ihm nichts geschehen.

Er wollte nicht in die Station, selbst wenn er gebraucht wurde.

Sigarin Sic war an diesem Tag der diensthabende Mediker. Ein Ara, dessen schroffe Art nur durch sein angsterregendes Äußeres übertrumpft wurde. Sics Spitzkopf wurde ständig von einem Tätowierroboter bearbeitet, von der Schädelspitze bis hinab zum Kinn. Der fingergroße Roboter entfernte alte Bilder und schuf neue. Meist waren es Darstellungen unvorstellbarer Grausamkeiten.

»Du wirst zu tun bekommen«, sagte POSY auf einmal.

»Wie bitte?«

»Die Kämpfe sind beendet, aber eine neue Krisensituation entsteht. Ich weiß noch nicht, wie ich mit ihr umgehen soll. Mag sein, dass ich dich brauchen werde. Wirst du mich unterstützen?«

»Ich weiß nicht so recht ...«

»Ich habe dir erlaubt, in meiner Nähe zu bleiben, obwohl du eigentlich auf deiner Station sein solltest. Nicht zum ersten Mal schütze ich dich, Adriano. Ohne mich wärst du längst zu persönlichkeitsverändernden Service- und Reparaturarbeiten auf eine Posbi-Welt beordert worden. Aber ich wollte nie, dass dein Charakter zerstört wird.«

»Ich weiß. Ich bin dir sehr dankbar dafür, POSY.«

»Dann beweise es. Mag sein, dass ich auf dich angewiesen bin.«

Auf ihn? Auf den feigsten Posbi, dessen metallener Leib jemals mit Leben erfüllt worden war?

2.

Monkey

 

Er stürmte in die Zentrale der NIKE QUINTO, vorbei an den Offizieren, vorbei an Kommandantin Parand Illyria. Er zog seinen Schutzanzug aus, überreichte ihn einem wartenden Roboter, warf sich in den eigens für ihn konzipierten Sitz und ließ sich von der Hauptpositronik die wichtigsten Informationen liefern.

Der Rechner kannte Monkeys Eigenarten. Seine rasche Auffassungsgabe. Also hüllte er den Lordadmiral der USO in eine Wolke aus Holoschirmen, die allesamt mit Daten und Bildern vollgestopft waren.

»Der Lineare Faden?«, fragte Monkey.

»Steht«, antwortete die Positronik.

»Entfernung zur RATBER TOSTAN?«

»1,1 Lichtminuten.«

»Dranbleiben! Unter allen Umständen.«

Er sichtete Informationen. Manche waren irrelevant, manche ergaben bloß durch Querverbindungen mit Bildern oder aufgezeichneten Unterhaltungen einen Sinn.

Monkey arbeitete ruhig und konzentriert. Er wusste, dass Zemina Paath ihn dabei beobachtete. Sie blieb still, aber er konnte ihre Nähe fühlen. Ihr Interesse an seinem Tun. Ihre prüfenden Blicke.

Sie wollte ihn durchschauen.

Das hatten schon andere versucht. Aber bei der Thesan bestand die Gefahr, dass sie ihm in einer besonderen Weise näherkam als jedes andere Wesen.

Monkey beendete seine Arbeit und wischte mit einer Handbewegung die Holos beiseite. Sie verschwanden eines nach dem anderen.

»Nun?« Er wandte sich Paath zu. »Was willst du wissen?«

»So gut wie alles.«

»Ich weiß viel, aber nicht alles.«

»Also schön. Fangen wir mit dem Linearen Faden an.«

Monkey hielt inne und tat, als müsste er nachdenken. Er zoomte näher auf Paaths zartes Gesicht, das von strahlend blauen Augen beherrscht wurde. Dann auf die Finger. Sie faszinierten ihn.

Die Kuppen waren bis auf die Daumen von Fingerhüten bedeckt. Von runden, viereckigen, achteckigen. Zweifellos technisches Spielzeug, das er mehrmals versucht hatte zu durchschauen. Doch selbst in der feinsten Auflösung seiner Kunstaugen zeigte sich nichts, das er einer spezifischen Funktion zuordnen konnte.

Die beiden äußeren Finger von Paaths linker Hand fehlten. Darin lag die Unvollkommenheit in der Perfektion seiner Begleiterin. Sie war zweifelsohne hübsch nach terranischen Maßstäben. Aber erst dieser Mangel gab ihr das Besondere.

»Hast du genug gesehen?«, fragte Paath. »Oder möchtest du auch noch meine Kehrseite mustern?«

»Ich frage mich nach wie vor, wie es dir gelungen ist, den Gleiter über Zarut vor dem Absturz zu bewahren. Wie ist es dir gelungen, ihn mithilfe deiner Fingerhüte zu steuern?«

»Ich habe keine Ahnung. – Willst du von meiner Frage nach dem Linearen Faden ablenken?«

»Nein. Ich versuche bloß, dich zu verstehen. Dich zu entmystifizieren.«

»Das war das Verwirrendste, das heute jemand zu mir gesagt hat.« Paath zeigte ein Lächeln, wurde aber gleich wieder ernst. »Nun? Bekomme ich eine Antwort?«

»Selbstverständlich.« Monkey gab der Positronik einen Befehl.

Gleich darauf entstand ein komplexes dreidimensionales Datenholo, ergänzt durch mehrere Bilder. Die Darstellungen ließen sich beliebig drehen.

»Der Lineare Faden ist ein spezielles Transpondersignal, das die NIKE QUINTO und die RATBER TOSTAN miteinander verbindet«, sagte Monkey. »Das Signal hat eine Reichweite von etwa zwanzig Lichtjahren. Der Lineare Faden beruht auf onryonischer Linearraumtechnologie und sorgt, sobald er aktiviert wird, für einen steten Austausch ultrakurzgeraffter Impulse.«

»Ich vermute, dieser Austausch kann ausschließlich zwischen der QUINTO und der TOSTAN stattfinden?«

»Darüber möchte ich nicht reden.«

»Weil du misstrauisch bist? – Du zeigst mir soeben den grundsätzlichen Aufbau des Gerätes und des Datenaustauschs, aber über die Einsatzmöglichkeiten willst du nichts sagen?«

Monkey schwieg. Er vertraute Zemina Paath. Aber es gab Dinge, die die Thesan nichts angingen.

»Also schön.« Paath gab ein Geräusch von sich, das einem Seufzer ähnelte. »Weiter, bitte.«

»Die Impulse des Linearen Fadens sind auf einen bestimmten Empfänger geeicht. Es kommt zu unregelmäßigen Frequenzwechseln im Millisekundenbereich. Einzelne Impulse des Fadens können also von Schiffen im Linearraum aufgefangen, aber nicht als Teil einer Sequenz identifiziert werden.«

»So, wie ich euch Milchstraßenbewohner kennengelernt habe, trägt der Lineare Faden einen komplizierten fachspezifischen Namen?«

»Frequenzvarianter Positions-Kommunikator.«

»Ich ahnte es. Ihr seid Spezialisten im Erfinden solcher Begriffe – und vereinfacht sie ja dann doch wieder.«

»Gibt es für deinen Koffer etwa keinen technischen Begriff?«

»Der Paau ist der Paau«, antwortete Zemina Paath. »Oder soll ich ihn Transvariablen Lokationsvariabilitätsverschieber mit angenehmem Duft und persönlicher Note nennen? Wäre dir das lieber?«

Ein Scherz? Paath machte einen Scherz?

Monkey war für Witze nicht empfänglich. Aber etwas in der Art der Thesan berührte ihn. Also zog er die Mundwinkel ein klein wenig nach oben.

»Ist es das, was ich mir denke? Monkey lächelt? Ich fasse es nicht ...«

Er wandte sich Illyria zu. »Gibt es Neues von der RATBER TOSTAN?«, fragte er die Schiffskommandantin.

»Negativ.«

»Wir bleiben so nahe wie möglich dran.«

»Warum meldet sich Daan Gudati nicht bei uns?«, fragte Illyria. Sie klang ratlos.

Daan Gudati. Kommandant der RATBER TOSTAN. Ungemein kompetent. Ein Halboxtorner mit besonderen analytischen Fähigkeiten.

»Wir müssen davon ausgehen«, sagte Monkey, »dass die RATBER TOSTAN gekidnappt wurde. Die Umstände sind unbekannt.«

Monkey rekapitulierte die Ereignisse. Er hätte dies bereits unmittelbar nach seiner Ankunft in der Schiffszentrale machen müssen. Zemina Paath hatte ihn abgelenkt.

Daan Gudati hatte auf Monkeys Geheiß hin die NIKE QUINTO informieren sollen, dass das Nuruschiff mit der Eigenbezeichnung JAHR 94 gestoppt werden müsse.

Illyria nickte. So weit war sie informiert.

Die JAHR 94 war von der Welt Zarut geflohen. Mit an Bord hatte sich der designierte cairanische Konsul des Sternsüdlichen Konsulats befunden, Orpard Surrutaio. Dieser wurde offenbar von einer Macht geplagt, die gegen die Cairaner arbeitete, und war deswegen in einer bizarren Sicherheitsverwahrung gewesen, in der man ihm ein vollkommen fremdes stellares Umfeld vorgegaukelt hatte. Und nun war er aus der Unterstadt und vom Planeten Zarut selbst entkommen.

Die Cairaner hatten zwei Tomopaten auf Surrutaio angesetzt – zwei der gefährlichsten Wesen der Milchstraße hetzten nun den unseligen Konsul. Ihr Auftrag war es. zu verhindern, dass Surrutaio mit den Phersunen Kontakt aufnahm, was immer man sich darunter auch vorstellen mochte ...

»Wer sind denn diese Phersunen eigentlich? Ist irgendwas bekannt?«, fragte Illyria, als Monkey zu Ende gesprochen hatte. Sie klang genervt.

»Ich habe einige ... Erinnerungen an die Phersunen«, antwortete Paath an Monkeys Stelle. »Sie sind vage und unbestimmt. Aber doch klar genug, um ein ungutes Gefühl in mir zu erzeugen. Die Phersunen haben gewaltiges Unheil über das Galaxien-Geviert gebracht, aus dem die Cairaner stammen.«

»In dem sich derzeit Perry Rhodan herumtreibt.« Illyria nickte. »Es geht also um größere Zusammenhänge, und die Phersunen spielen eine eher üble Rolle.«

»Richtig.« Mehr brauchte Illyria nicht zu wissen.

Monkey kehrte zu seinem Bericht zurück. Er erzählte von den dramatischen Ereignissen, die vor knapp einer Stunde stattgefunden hatten. Vom Kampf zwischen der JAHR 94 und der RATBER TOSTAN. Von dem Absturz jenes Gleiters, in dem Zemina Paath und er das Nuruschiff verfolgt hatten. Von der Rettungstat der Thesan und der Explosion der JAHR 94. Davon, dass einzelne Rettungskapseln zur RATBER TOSTAN übergewechselt und zu Monkeys Erstaunen aufgenommen worden waren. Einfach so.

Anschließend hatte die RATBER TOSTAN beschleunigt und reagierte nicht auf Funkanrufe. Etwas ging auf dem Schlachtkreuzer vor, das Monkey nicht richtig einordnen konnte.

Der designierte Konsul Surrutaio galt als besessen. Vielleicht war er mit einem Hypno in Berührung gekommen, der ihn in seinem Sinne lenkte?

»Sie bekommen noch eine ausführliche Dokumentation, Illyria«, versprach Monkey der Schiffskommandantin. »Das Wichtigste ist, dass wir an der RATBER TOSTAN dranbleiben. Die Mixtur von einem Geisteskranken, zwei von Cairanern gedungenen Tomopaten, einem möglichen Mutanten und einer terranischen Besatzung in Geiselhaft verheißt Unheil.«

Illyria nickte und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Sie unterhielt sich mit der gatasischen Pilotin Yervas Toi und anschließend mit anderen Besatzungsmitgliedern der Zentrale.

Monkey klinkte sich aus der Besprechung aus. Er legte ein schalldichtes Feld um Zemina Paath und sich.

»Du weißt mehr über die Phersunen, als du Kommandantin Illyria erzählt hast«, behauptete er.

»Es gab diese gedankliche Auseinandersetzung mit dem Hirnfragment eines anderen Thesan. Das war eine höchst unangenehme Angelegenheit, die mich längere Zeit, nun ja, aus der Bahn geworfen hat.«

»Dennoch müssen wir darüber reden. Was hat es mit den Phersunen auf sich?«

»Sie dürfen unter keinen Umständen auf die Milchstraße aufmerksam gemacht werden. Das ist der Kern dessen, was ich an Erinnerungen behalten habe und empfinde.«

»Die Phersunen sind Feinde der Cairaner, Ladhonen und Shenpadri. Jener Mächte, die die Milchstraße besetzt halten. Sie sind die Feinde unserer Feinde.«

»Aber nicht die Freunde der Terraner. Würdest du zulassen, dass die Phersunen hierhergelangen, wäre es, als würdest du Feuer mit einem Atombrand bekämpfen.«

»Das sind Empfindungen von dir. Abstrakte Ängste und Gefühle, die du dir selbst nicht richtig erklären kannst, weil du sie nur aus Eyx Xunaths Bericht ableiten kannst.«

»Vertrau mir.«

»Ich vertraue auf logische Schlussfolgerungen.«

»Und auf Wahrscheinlichkeiten, nicht wahr? Wie groß schätzt du die Möglichkeit ein, dass ich richtigliege?«

»Fünfzig zu fünfzig.«

»Ein derartiges Risiko möchtest du also eingehen?«

Monkey schwieg. Paath hatte recht. Diese ganze Diskussion diente einzig und allein dazu, die Thesan aus der Reserve zu locken. Diese exotische Frau war so voller Rätsel und Geheimnisse, dass er nur schwer damit zurechtkam, sie um sich zu haben. Sie war ein Unsicherheitsfaktor bei all seinen Unternehmungen und Einsätzen.

Aber da war auch diese sonderbare Bindung, die Monkey zu Zemina Paath entwickelte. Im Grunde genommen blieb er stets allein und mochte niemand in seiner Nähe haben. Bei der Thesan war es anders. Das irritierte ihn.

Anders gesagt: Der Reiz, den sie auf vielerlei Ebenen auf ihn ausübte, gefiel ihm.

3.

Daan Gudati

 

Was für merkwürdige Gefühle. Was für ein sonderbarer Tagtraum!

Merkst du es? Fühlst du es?, fragte die wichtigste Stimme seines Traums. Sie kam von seiner linken Seite. So, als würde ein Erzähler auf seiner Schulter hocken und ihm die Welt ringsum erklären. Du bist von Feinden umgeben. Von Verrätern. Du musst dich vor ihnen in Acht nehmen.

Richtig. Er musste sich in Acht nehmen.

Sieh dir zum Beispiel den Krokodilähnlichen an. Siehst du sein falsches, zahnbewehrtes Grinsen? Er stellt Fragen, die an Beleidigungen heranreichen. Er zweifelt deine Kompetenz an. Er meint, du würdest falsche Entscheidungen treffen.

Der Krokodilähnliche meinte, er würde falsche Entscheidungen treffen. Wie konnte er es wagen? Er war der Schiffskommandant.

Wenn du das Krokodil länger gewähren lässt, wird es zur Meuterei aufrufen. Andere werden ihm folgen. Weil alle in der Schiffszentrale neidisch auf dich sind. Auf deine Stellung, deine Kompetenz, deine Führungspersönlichkeit. Sie werden dich stürzen wollen.

Sie würden ihn stürzen wollen. Diese Schufte!

Was willst du gegen diese Verräter unternehmen? Wie kannst du dich vor einer Meuterei schützen? Sag es mir, Daan!

Er musste sich vor einer Meuterei schützen. Er würde es tun, indem er ... er ...

Wer ist dein wichtigster Verbündeter? – Ich natürlich! Ich bin dein Freund. Dein Ratgeber. Der Einzige, der dich niemals betrügen würde. Nur auf mich kannst du dich verlassen.

Richtig. Auf seinen besten, treuesten Freund, der auf seiner Schulter saß, konnte er sich hundertprozentig verlassen. Er hatte kaum Gewicht, obwohl er korpulent war. Er lachte gerne, dabei geriet sein Kopfgeweih stets in Bewegung.

Du musst POSY überzeugen. Die Positronik der RATBER TOSTAN. Sie ist gut, sie ist wichtig. Sie wird auf dich hören. Weil du der großartigste Kommandant bist, den man sich nur vorstellen kann.

Der großartigste Kommandant war er. Eine Koryphäe sondergleichen. Gestählt in unzähligen Einsätzen, unterstützt vom einzig wahren Freund, den er jemals gehabt hatte.

Gudati meinte, schon seit jeher mit seinem Freund in Kontakt gewesen zu sein. Aber etwas schien nicht zu stimmen. Er fühlte Zweifel. Misstrauen kam auf ...

... und wurde fortgespült. Wie meterhoher Schwefelschnee, der auf der heimatlichen Ranch von Druck und Glut unterirdischer Magmakammern weggebrannt wurde.

Das Krokodil namens Wno Traekknor war ein Feind. Ganz klar. Er musste ihn unter Kontrolle bringen.

Mach es so, dass POSY damit einverstanden ist. Du wirst die Positronik brauchen. Erzähl ihr von deinem Verdacht, und mach von deinen Befugnissen als Schiffskommandant Gebrauch. Aber sieh zu, dass sie deine Kompetenz nicht anzweifelt!

Selbstredend. POSY durfte ihn nicht anzweifeln. Warum auch? Er tat das Richtige.

Gudati berührte die Sensortaste des Alarms. Das Zentraleschott öffnete sich, ein TARA schwebte ins Innere des Raumes. Er beorderte die Maschine zu sich und achtete dabei auf die Reaktionen der anderen Besatzungsmitglieder. Wie verhielten sie sich? Wer von ihnen steckte mit dem Krokodil unter einer Decke?

»Verhafte Wno Traekknor!«, befahl er leise. »Ich habe Beweise, dass er an einer Meuterei beteiligt ist.«

Der TARA wandte sich an ihn und fragte mit POSYS Stimme, ebenso leise: »Was für Beweise?«

»Sie stehen in Zusammenhang mit den Vorgängen auf Zarut.«

Sag der Positronik, dass die Beweise auf eine Beeinflussung des Krokodils hinweisen. Wäre das nicht ein besonders amüsanter Schachzug?

Ja, das wäre ein besonders amüsanter Schachzug.

»Es besteht die Gefahr, dass Traekknor von einem Fremden geistig übernommen wurde«, sagte er zu POSY. »Die Art und Weise, wie die Rettungskapseln der explodierenden JAHR 94 an Bord geholt wurden, war zu unbedarft. Unprofessionell. Das riecht nach Sabotage und Verrat. Jemand an Bord der RATBER TOSTAN muss aktiv mitgeholfen haben.«

»Du selbst hast mir die Anweisung dazu gegeben, Kommandant.«

»Traekknor und ich haben uns vor wenigen Minuten unter einem geschützten Akustikfeld über dieses Thema unterhalten. Du erinnerst dich, POSY?«

»Ich erinnere mich an alles.«

»Dann erinnerst du dich gewiss an die Unterhaltung?«

»Das erlauben meine Kontrollroutinen nicht. Ich bin verpflichtet, das Recht auf Intimsphäre zu gewährleisten.«

»Traekknor hat mich unter dem Akustikfeld mit einem Strahler bedroht. So, dass es deine Kameras nicht erfassen konnten.«

»Ich halte diese Möglichkeit für unrealistisch ...«

»Du bist verpflichtet, meinen Befehlen zu folgen. Ich werde Beweise für meine Anschuldigungen innerhalb der nächsten Stunde vorlegen. So, wie es Vorschrift ist. Und jetzt befolge meinen Befehl!

Sollten andere Mitglieder der Zentralebesatzung für den Topsider Partei ergreifen, werden sie ebenfalls abgeführt. Es ist eine Verschwörung im Gange. Ich brauche bloß ein wenig Zeit, um die Vorgänge in ihrem gesamten Umfang zu durchschauen.«

POSYS Zögern war augenfällig. Aber die Positronik gehorchte.

»Ja«, sagte der TARA knapp.

Der TARA setzte sich in Bewegung. Auf seinen Stellvertreter Wno Traekknor zu.

POSY traut dir nicht, flüsterte Gudatis Freund ihm zu. Kann es sein, dass die Positronik ebenfalls etwas gegen dich hat? Positroniken können entarten. Nicht wahr?

Ja. Positroniken konnten entarten. Sie waren störungsanfällig. Es gab immer wieder Fälle von Rechnern, die sich gegen ihren Kommandanten stellten. So hatte es ihm jemand erzählt.