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Thilo Koch

Tagebuch aus Washington 1

 

Saga

VORWORT

Amerika — es geht noch immer eine besondere und sonderbare Faszination davon aus. Hast Du es besser, Amerika, wie Goethe meinte? Ist das noch immer die Neue Welt, was Kolumbus vor 450 Jahren zum erstenmal sichtete? »Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten« — haben wir es da mit einem Mythos oder einer Wirklichkeit zu tun?

Ich sah die Vereinigten Staaten zum erstenmal 1951. Es war eine ausgedehnte Reise »from coast to coast«, und es war eine tiefgreifende Erfahrung. Abgestoßen und angezogen zugleich, kehrte ich aus den weiten Horizonten zwischen Atlantik und Pazifik in meine Berliner Enge zurück.

Neun Jahre später ging ich als Amerika-Korrespondent des Deutschen Fernsehens, des Norddeutschen und des Westdeutschen Rundfunks nach Washington. Ich kam gerade zurecht, um Chruschtschow mit dem Schuh auf seinen Tisch in der UNO-Vollversammlung trommeln zu sehen und um zu berichten vom Wahlkampf zwischen Nixon und Kennedy.

Dieses Washingtoner Tagebuch beginnt mit der Reportage von einem besonders kalten und besonders bedeutsamen Tage: der Amtseinführung des jüngsten Präsidenten in der Geschichte der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy. Meine Familie war gerade übergesiedelt. Die Kinder machten erste Gehversuche in amerikanischen Schulen. Ich begann meine regelmäßige Arbeit etwa gleichzeitig mit einem neuen Präsidenten der USA, der sich so besonders viel vorgenommen hatte.

Der erste Band meines Washingtoner Tagebuchs umfaßt das Jahr 1961, das erste Kennedy-Jahr. Es war zugleich mein erstes Amerika-Jahr. Ich kam aus Berlin; dort hatte ich mein ganzes bisheriges Leben als Journalist zugebracht. Berlin als Thema blieb mir treu. Ob in Washington selbst oder in Wien, bei der ersten Begegnung Kennedys mit Chruschtschow — die Berlin-Frage war ein Angelpunkt der amerikanischen Außenpolitik 1961, ein Angelpunkt besonders der deutsch-amerikanischen Beziehungen in jenem Jahr. Der Stoff dieser Tagebuchnotizen sind Kommentare und Berichte für den Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunk und Artikel für DIE ZEIT. Es handelt sich um Notizen vom Tage, manchmal mit Reflexionen über den Tag hinaus. Sie sind geschrieben im Machtzentrum »des Westens«.

Ein deutscher Journalist übermittelte sie aus Amerika nach Deutschland hinüber. Ihr Gegenstand ist nicht in erster Linie Amerika, sondern eher: amerikanische Politik in ihrer Bedeutung für uns Deutsche.

 

Washington, im Mai 1963

Thilo Koch