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Die Autorinnen

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Sabine Kühnert, Dipl. Psych., ist seit 1999 Professorin für Pflegewissenschaft an der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) in Bochum und leitet dort seit 2013 den Studiengang Gesundheits- und Pflegemanagement. Zuvor war sie lange Jahre Geschäftsführerin des Instituts für Gerontologie an der Technischen Universität Dortmund. An der Evangelischen Hochschule (RWL) lehrt sie zu gerontologischen Themen in den Studiengängen, Soziale Arbeit, Heilpädagogik/Inklusive Pädagogik, Pflegewissenschaft und Gesundheits- und Pflegemanagement. Ihre gerontologischen Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in den Bereichen Angehörigenarbeit, Demenzversorgung und altengerechte Quartiersentwicklung. Sie ist Reviewerin für die Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie und als Gutachterin in verschiedenen Forschungsförderprogrammen tätig.

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Helene Ignatzi, Dipl. Sozialgerontologin und Dipl. Sozialarbeiterin (FH), ist seit 2015 Professorin für Handlungslehre und Methoden der Sozialen Arbeit an der Evangelischen Hochschule Nürnberg (EVHN). Seit Oktober 2018 ist sie als Vizepräsidentin der EVHN für den Geschäftsbereich Internationales verantwortlich. Zu ihren Lehr- und Forschungsschwerpunkten gehören Care-Migration, Demenz, Ehrenamt sowie sozialraumorientierte und internationale Soziale Arbeit. Von 2008 bis 2015 lehrte sie als Lehrkraft für besondere Aufgaben und Professorenvertretung im Fachbereich Soziale Arbeit Bildung und Diakonie an der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) in Bochum. Zuvor war sie über 20 Jahre in der stadteilorientierten und ambulanten Altenarbeit sowie Migrationsarbeit beim Deutschen Roten Kreuz, Kreisverband Bochum e. V. tätig.

Sabine Kühnert, Helene Ignatzi

Soziale Gerontologie

Grundlagen und Anwendungsfelder

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-030815-2

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-030816-9

epub:    ISBN 978-3-17-030817-6

mobi:    ISBN 978-3-17-030818-3

Vorwort zur Reihe

 

 

 

Mit dem so genannten »Bologna-Prozess« galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin »berufliche Handlungsfähigkeit« zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.

Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.

Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor/innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese(r)-freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.

 

Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln

Zu diesem Buch

 

 

 

Die Menschen in Deutschland werden älter und sie werden anders alt als noch vor wenigen Jahrzehnten. Zugleich machen ältere Menschen einen immer größeren Anteil der Gesellschaft aus – ein Trend, der um das Jahr 2035, mit dem Eintritt der sog. Babyboomer-Generation ins Rentenalter, voraussichtlich seinen Höhepunkt erreichen wird. Diese Entwicklungen stellen die Sozialpolitik und v. a. die Praxis der Sozialen Arbeit vor neue Herausforderungen. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen werden mit neuen Adressatengruppen und vielfältigeren Aufgaben zu tun haben, für die spezifische Konzepte und Kompetenzen gebraucht werden.

Bereits heute reagiert die Soziale Arbeit in ihren Handlungsfeldern auf die soziodemografischen Veränderungen mit neuen sozialpädagogischen Betreuungs- und Versorgungskonzepten. In der Eingliederungs- und Altenhilfe werden neue Ansätze, die den Bedürfnissen älterer Menschen mit Behinderung und/oder mit Demenz gerecht werden, erprobt, ebenso wird seit einigen Jahren die interkulturelle Öffnung verstärkt umgesetzt. Die sozialraumorientierte Altenarbeit setzt ihren Schwerpunkt mehr und mehr auf Partizipation, Selbstbestimmung und Selbstorganisation der »jungen Alten«. Betätigungsfelder für ein bürgerschaftliches Engagement interessierter Senioren werden erschlossen und vielfältige Bildungsangebote flächendeckend etabliert. Inzwischen klassisch gewordene Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit, wie z. B. die Suchthilfe, die Straffälligenhilfe, das Streetworking oder die klinische Soziale Arbeit, stellen sich auf eine immer älter werdende Klientel ein. Dies führt in der Praxis der Sozialen Arbeit zu einer weiteren Spezialisierung und Ausdifferenzierung ihrer Arbeitsfelder. Arbeitsschwerpunkte sind neu zu bestimmen oder zu verlagern. Ebenso müssen Ressourcen neu verteilt und weitere Handlungsfelder erschlossen werden. Neben den sozialpädagogischen und sozialarbeiterischen Kompetenzen wird v. a. ein gerontologisches Fachwissen der Praxisakteure dringend erforderlich und zunehmend an Bedeutung gewinnen.

An wen richtet sich das Lehrbuch?

Das vorliegende Lehrbuch »Soziale Gerontologie« richtet sich insbes. an Studierende der Sozialen Arbeit. Die im Buch behandelten Themenstellungen wie auch die zur Veranschaulichung herangezogenen Praxisbeispiele orientieren sich an den Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit mit älteren Menschen. Dieser Band kann aber auch als Basistext in gerontologischen Grundlagenveranstaltungen der Gesundheits- und Pflege- sowie angrenzender Studiengänge eingesetzt werden, um Studierenden das erforderliche Basiswissen zu vermitteln. Nicht zuletzt wendet sich diese Fachlektüre an Praktiker und gerontologisch Interessierte, die ihr Wissen zu Fragen des Alter(n)s erweitern oder vertiefen möchten.

Was ist das Ziel des Lehrbuchs?

Die Zielsetzung des Lehrbuchs besteht darin, Studierende der genannten Studiengänge für die Zielgruppe der älteren Menschen, für ihre Lebenswelten und ihre Bedürfnisse zu sensibilisieren, sie mit den wissenschaftlichen Grundlagen der Gerontologie vertraut zu machen und die Herausforderungen der Praxis zu skizzieren. Mit seinen theoretischen Erläuterungen und anwendungsbezogenen Praxisbeispielen versteht sich das Buch als ein ›Werkzeug‹, das die Fachexpertise Studierender erweitert, ihr Selbstbewusstsein, sich für Ältere einzusetzen, stärkt und ihre Reflexionsfähigkeit fördert. Praktiker soll die Lektüre zu einem Dialog zwischen der Praxis und der Wissenschaft einladen, ihre Fachexpertise vertiefen und zur Weiterentwicklung der Sozialen Altenarbeit sowie zum interdisziplinären Denken und Handeln anregen.

Was sind die Inhalte des Lehrbuchs?

Das Lehrbuch umfasst 15 Kapitel und ist in einen Grundlagen- und einen anwendungsbezogenen Teil untergliedert. Ihnen vorangestellt ist eine Einführung (Teil I) zu den Trends der älter werdenden Gesellschaft und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Praxis der Sozialen Arbeit. Der Grundlagenteil (image Teil II: Kap. 3–9) liefert einen verständlich aufbereiteten Überblick über zentrale gerontologische Fragestellungen:

•  Gerontologie als Wissenschaft

•  Entwicklung im Alter

•  Altersbilder

•  Kognitive Entwicklung im Alter

•  Lebensqualität und Wohlbefinden

•  Lebenslagen und Lebenslagenansatz als eine Strukturierungsdimension zur Arbeit mit älteren Menschen

Theorien und Forschungsergebnisse werden anhand von (realen, anonymisiert erzählten) Fallbeispielen anschaulich erläutert und es werden Möglichkeiten für einen Theorie-Praxistransfer aufgezeigt. Angesichts der konkreten Herausforderungen einer alternden Gesellschaft werden in Teil III dieses Lehrbuchs (image Teil III, Kap. 10–14) die folgenden anwendungsbezogenen Themen behandelt:

•  Wohnen und Wohnumfeldgestaltung im Alter

•  Bildung im Alter

•  Soziale Beziehungen im Alter

•  Gesundheit, Krankheit und Pflegebedürftigkeit

•  Migration und Alter

Das abschließende Kapitel 15 stellt anhand aktueller Konzepte und Ansätze den Bezug des gerontologischen Wissens zur Praxis der Sozialen Arbeit her. Dabei werden die Heterogenität der Adressatengruppen und die Komplexität und Vielschichtigkeit der Altenarbeit sichtbar. Ebenso werden Schnittstellen zu anderen Professionen und Bezugshandlungsfeldern aufgezeigt. Hier wie in allen anderen Kapiteln folgt das Buch einem disziplinübergreifenden Ansatz.

Dieses Buch zu schreiben wäre nicht möglich gewesen ohne zahllose inspirierende Gespräche mit Kollegen, Studierenden und Freunden. Allen Menschen, die uns bei diesem Buchprojekt unterstützt und begleitet haben, möchten wir herzlich danken. Ein besonderer Dank gilt Frau Sandra Zapf, Herrn Simon Brakensiek, Frau Anna Verena Franzen und Frau Chantal Jux für die Unterstützung bei der Durchführung der Recherchen und der Erstellung der Abbildungen.

Wir wünschen allen Lesern eine interessante und anregende Lektüre. Und es würde uns freuen, wenn das Buch über die Vermittlung von Fachwissen hinaus auch dazu anregen könnte, über das Alter(n) in unserer Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch über das eigene Altern nachzudenken!

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

 

Prof. Dr. Sabine Kühnert
Prof. Dr. Helene Ignatzi

Inhalt

 

 

 

  1. Vorwort zur Reihe
  2. Zu diesem Buch
  3. Teil I Soziale Arbeit in Bezug auf Alter
  4. 1 Aktuelle und zukünftige soziodemografische Veränderungen
  5. 2 Konsequenzen der soziodemografischen Veränderungen für die Praxis der Sozialen Arbeit
  6. Teil II Gerontologische Grundlagen
  7. 3 Gerontologie als Wissenschaft
  8. 3.1 Gegenstandsbereich der Gerontologie
  9. 3.2 Gerontologie als Wissenschaftsdisziplin
  10. 4 Entwicklung im Alter
  11. 4.1 Begrifflichkeiten und Verständnis von Entwicklungsprozessen im Alter
  12. 4.2 Die verschiedenen Dimensionen des Alterns
  13. 5 Alternstheorien
  14. 5.1 Einführung: Kennzeichen guter Theorien
  15. 5.2 Ausgewählte Alternstheorien im Überblick
  16. 6 Altersbilder
  17. 6.1 Definition und Erscheinungsformen von Altersbildern
  18. 6.2 Entstehung und Wirkungen von Altersbildern
  19. 7 Kognitive Entwicklung im Alter
  20. 7.1 Kognitive Leistungsfähigkeit: Ergebnisse gerontologischer Forschung
  21. 7.2 Intelligenzentwicklung im Alternsverlauf
  22. 7.3 Zur Veränderbarkeit kognitiver Leistungsfähigkeit im Alter
  23. 8 Lebensqualität und Wohlbefinden im Alter
  24. 8.1 Begriffsklärungen und Begriffsabgrenzungen
  25. 8.2 Ergebnisse empirischer Forschung und konzeptionelle Überlegungen
  26. 8.3 Instrumente zur Erfassung von Lebenszufriedenheit und Lebensqualität im Alter
  27. 9 Lebenslagen und Lebenslagenansatz
  28. 9.1 Geschichtliche Entwicklung des Lebenslagenkonzepts
  29. 9.2 Begriffsbestimmungen von ›Lebenslage‹ und ›(Handlungs-)Spielraum‹
  30. 9.3 Anwendungsbereiche des Lebenslagenkonzepts
  31. Teil III Anwendungsbereiche
  32. 10 Soziale Beziehungen im Alter
  33. 10.1 Zugangswege und Bereiche zur Beschreibung sozialer Beziehungen im Alter
  34. 10.2 Theoretische Zugänge zur Analyse von sozialen Beziehungen/Familienbeziehungen
  35. 10.3 Daten und Fakten zur sozialen Verankerung im Alter
  36. 11 Wohnen und Umweltgestaltung im Alter
  37. 11.1 Zur Bedeutung des Wohnens und von Umweltfaktoren
  38. 11.2 Wohnsituation, Wohnbedürfnisse und Wohnwünsche älterer Menschen
  39. 11.3 Selbstständig Wohnen trotz Hilfebedarf?
  40. 12 Bildung im Alter
  41. 12.1 Geragogik, Lernen und Bildung und Lebenslanges Lernen
  42. 12.2 Formen und Funktionen von Bildung
  43. 12.3 Bildungstypen im Alter
  44. 12.4 Bildungsorte, Bildungsformen und Lernfelder im Alter
  45. 12.5 Bildungsbeteiligung im Alter
  46. 12.6 Bürgerschaftliches Engagement und ältere Menschen
  47. 12.7 Qualitätsstandards und -kriterien in der Altersbildung
  48. 13 Gesundheit, Krankheit und Pflegebedürftigkeit
  49. 13.1 Definitionen und statistische Daten
  50. 13.2 Gesundheitsbeeinträchtigungen und Pflegebedürftigkeit im Erleben der Betroffenen
  51. 13.3 Zusammenarbeit zwischen professionellen und informellen Helfern – einige Hinweise zur Verringerung von Konflikten
  52. 14 Migration und Alter
  53. 14.1 Begriffsbestimmung: Personen mit Migrationshintergrund
  54. 14.2 Migration in Deutschland in Zahlen
  55. 14.3 Begriffsbestimmung: Migration, Transmigration, Integration
  56. 14.4 Migrationstypen und Migrationsformen
  57. 14.5 Kulturelle und kollektive Identität
  58. 14.6 Lebenslagedimensionen älterer Menschen mit Migrationshintergrund
  59. 14.7 Verbleib, Rückkehr, Pendeln
  60. 15 Gerontologie in der Praxis der Sozialen Arbeit
  61. 15.1 Altenhilfe, Altenarbeit – Begriffsbestimmung, rechtliche Grundlagen
  62. 15.2 Anwendungsbereiche der sozialen Gerontologie – Aufgaben und Schnittstellen
  63. 15.3 Entwicklung der sozialen Gerontologie in weiteren Praxisfeldern der Sozialen Arbeit
  64. 15.4 Konzepte und Ansätze an der Schnittstelle zwischen sozialer Gerontologie und Migration
  65. Literaturverzeichnis
  66. Stichwortverzeichnis

 

 

 

 

Teil I     Soziale Arbeit in Bezug auf Alter

 

Die soziodemografische Entwicklung und der Strukturwandel des Alters haben entscheidende Konsequenzen für die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit. Diese Phänomene lösen Veränderungen in den bisherigen klassischen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit aus, indem sie eine Anpassung an die veränderten gesellschaftlichen und sonstigen Umstände fordern, wie z. B. an durchschnittlich älter werdende Adressaten und die daraus resultierenden Bedarfe und Bedürfnisse. Es zeigt sich das Erfordernis einer Erneuerung und Weiterentwicklung der existierenden sowie die einer Erschließung neuer Arbeitsfelder und Zielgruppen. Dieses Kapitel skizziert die gesellschaftlichen Veränderungen und ihre Konsequenzen für die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit. Hierzu werden folgende Fragen beantwortet:

•  Welche gesellschaftlichen Tendenzen bestimmen gegenwärtig und zukünftig den groben Rahmen für sozialpädagogische und sozialarbeiterische Interventionen? (image Kap. 1)

•  Welche Konsequenzen haben die demografische Entwicklung und der Strukturwandel des Alters in Deutschland und welche Veränderungen resultieren daraus für die bisherigen klassischen Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit? (image Kap. 2)

1          Aktuelle und zukünftige soziodemografische Veränderungen

 

 

Nachfolgend werden demografische Trends wie die Veränderungen im Altersaufbau der deutschen Bevölkerung, die zeitliche Ausdehnung der Altersphase bzw. Verjüngung, Differenzierung und Feminisierung des Alters, Hochaltrigkeit, Demenz und Pflegebedürftigkeit, Migration und kulturelle Differenzierung, Lebensformen und Singularisierung bzw. Veränderungen in der Familienstruktur skizziert, die Einfluss auf die Lebensbedingungen älterer Menschen nehmen.

Veränderungen im Altersaufbau der deutschen Bevölkerung

Bei der Betrachtung des Altersaufbaus der deutschen Bevölkerung zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Das Verhältnis der Anzahl junger und alter Menschen hat sich seit dem 19. Jahrhundert zugunsten der Älteren verschoben. Lag der Anteil der unter 20-Jährigen 1871 bei 43 % und der der über 65-Jährigen oder Älteren bei 5 %, liegen die Anteile heute bei 18 % bzw. 21 %. Somit ist heute jede fünfte Person in Deutschland mindestens 65 Jahre alt. Diese Entwicklung wird sich zukünftig noch weiter verstärken, so dass die älteren Menschen das Bild der deutschen Gesellschaft noch mehr prägen werden. Bis zum Jahr 2060 wird der Anteil der unter 20-Jährigen um 16 % zurückgehen und der Anteil in der Gruppe der über 65-Jährigen und Älteren weiter auf 34 % ansteigen (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2016, S. 12). Diese Entwicklung wird zum einen durch die steigende Lebenserwartung begünstigt und zum anderen durch die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre, die sog. »Baby-Boomer-Generation«, die ab 2020 in den Ruhestand hineingleiten wird (Statistisches Bundesamt, 2011, S. 11).

Zeitliche Ausdehnung der Altersphase/Verjüngung des Alters

Die steigende Lebenserwartung und der zum Teil frühere Berufsausstieg, wie er sich durch Vorruhestandregelungen, die Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer sowie Berufs- und Arbeitsunfähigkeit ergibt, können zur Ausdehnung der Altersphase führen.

Bereits heute werden 45-Jährige als ältere Arbeitnehmer bezeichnet. Obwohl sie sich nicht alt fühlen, müssen sie sich mit ihrem Alterungsprozess auseinandersetzen. Dies trifft noch stärker auf die über 55-Jährigen zu, die aufgrund ihres kalendarischen Alters auf dem Arbeitsmarkt auf Probleme stoßen, sei es bei der beruflichen Umorientierung oder bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz oder nach neuen Chancen in ihrer beruflichen Karriere (Karl, 2012, S. 24).

Die Lebensphase ›Alter‹ kann 30 Jahre und länger dauern. Menschen, die heute regulär in den Ruhestand gehen, haben i. d. R. noch ein Viertel ihres Lebens vor sich. Kommen ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben und ein hohes Sterbealter hinzu, kann die Altersphase sogar 50 Jahre andauern. Sie ist die zweitlängste zusammenhängende Lebensphase nach dem mittleren Erwachsenalter und umfasst – je nach den individuellen Gegebenheiten – eine Altersspanne vom 55. bzw. 60. Lebensjahr bis zum Alter von 105 Jahren und mehr (Kruse & Lehr, 1999).

Hochaltrigkeit/Pflegebedürftigkeit/Demenz

Die demografische Alterung schlägt sich besonders deutlich in den Zahlen der Hochbetagten bzw. Hochaltrigen nieder. Hervorzuheben ist die Entwicklung der Zahl der Hochaltrigen ab 80 Jahren. Heute leben in Deutschland über 4,5 Millionen Hochaltrige (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2016, S. 18). Ihre Zahl wird in den nächsten Jahren kontinuierlich weiter ansteigen, von 6 % heute auf voraussichtlich 12 % im Jahr 2060. Jeder Achte wird dann mindestens 80 Jahre alt sein (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, 2016, S. 12f.).

Mit fortschreitendem Alter steigt das Risiko der Pflegebedürftigkeit und Demenzerkrankung. Im Jahr 2015 waren insgesamt 2,9 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig i. S. des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI, Statistisches Bundesamt, 2015, S. 39). 1,6 Millionen Menschen sind zurzeit von einer Demenzerkrankung betroffen. Sollte perspektivisch kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingen, wird sich die Krankenzahl bis zum Jahr 2050 auf rund drei Millionen erhöhen (Deutsche Alzheimer Gesellschaft e. V., 2016a, S. 1f.). Sowohl zur Pflegebedürftigkeit als auch zur Demenz liefert Kapitel 13.1 weitere vertiefende Daten und Fakten.

Migration/Kulturelle Differenzierung des Alters

Die Gruppe von Menschen mit Migrationshintergrund ist mit einem Durchschnittsalter von 35 Jahren wesentlich jünger als die Bevölkerungsgruppe ohne Migrationshintergrund (47 J.). Nur 1,5 Millionen (9 %) Menschen mit Migrationshintergrund sind 65 Jahre und älter. Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren allerdings stetig anwachsen (Bundeszentrale für politische Bildung, 2016, S. 65). Kapitel 14 beleuchtet vertiefend das Thema der alternden Menschen mit Migrationshintergrund und skizziert die daraus resultierenden Herausforderungen für die Soziale Arbeit (image Kap. 14).

Lebensformen im Alter: Veränderungen in der Familienstruktur/Singularisierung im Alter

Die Haushalte in Deutschland werden zahlenmäßig immer kleiner. Sinkende Geburtenzahlen und die Zunahme der Lebenserwartung sind Faktoren, die diese Entwicklung begünstigen. V. a. die Zahl der Einpersonenhaushalte nimmt seit den 1950er Jahren stetig zu. Aber auch die Anzahl der Zweipersonenhaushalte weist Zuwächse auf. Dagegen nimmt die Zahl der Haushalte mit drei und mehr Personen kontinuierlich ab. Nicht nur junge, sondern auch ältere Menschen leben häufiger allein. In Zukunft wird eine Fortsetzung des Trends zu kleineren Haushalten, insbes. die Zunahme von Ein- und Zweipersonenhaushalten im Seniorenalter, erwartet, verursacht durch sinkende Alterssterblichkeit, höhere Lebenserwartung der Frauen und die ansteigende Lebenserwartung bei Männern (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2011, S. 28f.). Weiterführende Daten und Fakten zur sozialen Verankerung im Alter bietet Kapitel 10.3.

Steigende Frauenerwerbsquoten

Die Zahl erwerbstätiger Frauen ist in der letzten Zeit in Deutschland deutlich gestiegen. Im Jahr 2001 gingen etwa 62 % Frauen einer berufsförmigen Beschäftigung nach, 2011 waren es bereits 71 %. Trotz des starken Anstiegs sind Frauen weiterhin deutlich seltener erwerbstätig als Männer. Das betrifft alle Altersgruppen (Statistisches Bundesamt, 2012, S. 6). Ein Anstieg der Frauenerwerbsquote ist ein Indiz für die Absenkung der familiären Pflegepotenziale.

2          Konsequenzen der soziodemografischen Veränderungen für die Praxis der Sozialen Arbeit

 

 

In diesem Unterkapitel wird versucht, auf der Grundlage der zuvor aufgezeigten Entwicklungen bzw. Trends eine Standortbestimmung der Sozialen Altenarbeit in einer alternden Gesellschaft vorzunehmen. Dabei werden die Herausforderungen, aber auch die Chancen beschrieben, die einerseits in den Potenzialen des Alters, andererseits – und eng damit verbunden – in der Weiterentwicklung und Professionalisierung der Wissenschaft und Praxis der Sozialen Arbeit gesehen werden. Zugleich werden die Schnittstellen zu anderen Professionen und Handlungsfeldern identifiziert. Zunächst wird auf folgende Fragen eingegangen:

•  Welche Konsequenzen haben die demografische Entwicklung und der Strukturwandel des Alters in Deutschland für die bisherigen klassischen Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit?

•  Welche Veränderungen ergeben sich hinsichtlich der Entwicklung und Erschließung neuer Arbeitsfelder und Zielgruppen?

Zur Beantwortung dieser Fragen wird als Grundlage die Einteilung der Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit nach Chassé & Wensierski (2008) sowie nach Bieker & Floerecke (2011) herangezogen (image Tab. 1). Die Tabelle macht deutlich, dass es unterschiedliche Ansätze zur Einteilung der Bedarfssituationen für Soziale Arbeit gibt. Mit Sternchen ist markiert, wo Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit voraussichtlich verändert werden müssen, um auf die mit dem demografischen Wandel einhergehenden neuen Herausforderungen antworten zu können.

Tab. 1: Überblick über Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit

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Bei der Betrachtung der Übersicht in Tabelle 1 fällt auf, dass die bisher maßgeblichen Autoren zur Beschreibung der Arbeitsfelder von Sozialer Arbeit die Bereiche der Altenarbeit und der Altenhilfe relativ allgemein darstellen. In der Praxis der Sozialen Arbeit findet aber aufgrund des soziodemografischen Wandels seit längerem eine Spezialisierung und Differenzierung dieser Arbeitsfelder statt. Die Soziale Arbeit mit älteren Menschen hat sich inzwischen zu einer Querschnittsaufgabe entwickelt, die viele Bereiche berührt.

Folgen der Schrumpfung bzw. des Zuwachses der Bevölkerung

Der seit Jahrzehnten andauernde zahlenmäßige Rückgang der Bevölkerung bedeutet nicht zwangsläufig den Rückgang sozialer Probleme. Vielmehr wirkt er sich auf alle Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit aus und bestimmt nicht nur die Bedarfe an Fachkräften und ehrenamtlichen Mitarbeitenden, sondern v. a. die Zielgruppenorientierung und Schwerpunktsetzung der Arbeit. So kann die Schrumpfung der Einwohnerzahlen zum Personalabbau in den Kindertagesstätten oder zur Zusammenlegung bzw. Schließung von Schulen führen. (Allerdings ist diese Entwicklung stark abhängig von weiteren Faktoren, etwa gesellschaftlichen Entwicklungen wie dem Anstieg der Frauenerwerbsquote, und von familienpolitischen Maßnahmen.) Der Rückgang der Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter hat eine direkte Auswirkung auf die sozialen Sicherungssysteme und die Zahl der Pflegenden, zumal bei dem gleichzeitigen Anstieg der Lebenserwartung. Der auf die verstärkte Einwanderung 2015 zurückzuführende geringfügige Anstieg der Bevölkerungszahl bringt einen gestiegenen Bedarf an sozialarbeiterischem bzw. sozialpädagogischem Personal in der Sozialen Arbeit mit geflüchteten Menschen. Diese wenigen Beispiele zeigen, dass die Veränderung der Bevölkerungszahl immer vielschichtige und komplexe Folgen für die Soziale Arbeit hat, die differenziert und multiperspektivisch betrachtet werden sollten.

Folgen der Geburtenhäufigkeit und Sterblichkeit

Der durch die voranschreitende Alterung der Bevölkerung hervorgerufene Anstieg der Zahl der Sterbefälle wird voraussichtlich zur Ausweitung der Handlungsbedarfe an den Schnittstellen von professioneller Sozialer Arbeit, Pflege und Therapie führen, wobei die zentralen Arbeitsbereiche in den Hospizen und der Palliativversorgung liegen. Vermehrt wird Soziale Arbeit sich sterbenden und trauernden Menschen zuwenden, und zwar in deren Lebenswelt: in der eigenen Häuslichkeit, in Alten- und Pflegeheimen, Seniorenresidenzen, im Betreuten Wohnen und Service-Wohnen für Senioren, in Seniorenwohnanlagen, ambulanten Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz und diversen alternativen Wohnformen sowie geriatrischen Krankenhäusern und Kliniken –, dort wo hochbetagte, pflegebedürftige Menschen ihren Lebensabend verbringen und wo sie sterben.

In allen diesen Bereichen steigt zugleich der Bedarf an ehrenamtlichen Mitarbeitenden, die mit ihren anderen Möglichkeiten der emotionalen Begleitung in der ambulanten und stationären Trauer- und Sterbebegleitung unverzichtbar sind. Der Fokus der Sozialen Altenarbeit liegt hier auf der Koordination und Organisation der Sozialen Dienste, auf sozialpädagogischer Beratung und Begleitung von Angehörigen, Fachkräften und weiteren in diesen Prozess eingebundenen professionellen Akteuren sowie auf der Gewinnung, Qualifizierung, Vermittlung und Begleitung von Ehrenamtlichen.

Folgen der steigenden Lebenserwartung, der Veränderungen im Alters-aufbau, der Ausdehnung der Altersphase sowie der Verjüngung des Alters

Die Zunahme der Lebenserwartung und die Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung führen zu einem steigenden Bedarf an Sozialer Arbeit für ältere und alte Menschen in allen Handlungsfeldern und an den Schnittstellen zu den Professionen Pflege, Pädagogik, Medizin, Therapie, Psychologie, Wirtschaft, Gesundheitswesen, Technik und neue Medien. Diese Entwicklung ist zwingend verbunden mit einer Spezialisierung und Ausdifferenzierung der Hilfeangebote. Damit wächst auch der Bedarf an Menschen mit spezifischer sozialarbeiterischer, sozialpädagogischer und gerontologischer Fachkompetenz, und zwar sowohl im professionellen als auch im ehrenamtlichen Bereich. Aufgrund sinkender Pflegepotenziale in den Familien verlangt v. a. der Pflegebereich sozialpolitische Veränderungen und Lösungen. Soziale Arbeit an der Schnittstelle zur Pflege wird von den Änderungen direkt betroffen sein. Bspw. könnte den hier Tätigen bei vermehrtem Einsatz von Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund in der Pflege eine besondere Flexibilität und interkulturelle Kompetenz abverlangt werden. An der Schnittstelle zur Behinderten- bzw. Eingliederungshilfe ist die soziale Altenhilfe aufgrund der Zunahme der Lebenserwartung bei Menschen mit einer angeborenen oder im späteren Lebensverlauf erworbenen Behinderung gefragt, neue Ansätze und Konzepte für ihre nachberufliche Tagesgestaltung bzw. Betreuung im stationären sowie im ambulanten Bereich zu entwickeln. Aktuelle Modellvorhaben weisen hier bereits interessante Wege.

Durch die zeitliche Ausdehnung der Altersphase auf 30 bis 40 Jahre oder noch länger wird mit einer steigenden Heterogenität unter den Älteren bzgl. Alter, Geschlecht, Herkunft, Gesundheitszustand, Lebenslage, Lebensstil und Lebenslauf gerechnet. Diese Ausdifferenzierung der Zielgruppe der Älteren verlangt von Sozialer Arbeit bereits heute eine entsprechende Zielgruppenorientierung und vielfältige sozialpädagogische Ansätze. Zum einen geht es um die Nutzung der Potentiale der »jungen Alten« wie Kompetenz, Innovationskraft und Kreativität, indem ihre Autonomie, Selbstinitiative, Selbstorganisation und Partizipation gefördert werden. Dafür sind in der gemeinwesenorientierten und sozialraumorientierten Sozialen Arbeit vermehrt Angebote in den Bereichen Bildung, Ehrenamt, politisches und gesellschaftliches Engagement, Wohnen, Reisen, neue Medien, Wellness etc. zu initiieren. Zum anderen geht es um die Unterstützung Älterer in Krisensituationen und problematischen Lebensumständen, die z. B. durch frühe Entberuflichung und dadurch nicht erfüllte Berufsziele und persönliche Erwartungen sowie andere Verluste ausgelöst wurden. Hierzu gehören Bereiche wie Krisenhilfe, Suchthilfe, Obdachlosenhilfe etc.

Folgen der Hochaltrigkeit, Pflegebedürftigkeit und Demenz

Die Zunahme der Hochaltrigkeit und der oft damit einhergehenden Pflegebedürftigkeit, insbes. aufgrund von Demenz und anderer gerontopsychiatrischer Erkrankungen, erfordert in der Sozialen Altenarbeit zunehmend eine hohe Fachkompetenz in ihren originären Bereichen und an den bereits genannten Schnittstellen zur Pflege und Therapie. Aufgaben der Altenarbeit sind hier die Aufklärung und Sensibilisierung im Gemeinwesen bzgl. der Andersartigkeit von z. B. Menschen mit Demenz, um deren Akzeptanz in der Gesellschaft zu erhöhen, die Entwicklung von Netzwerken, die Gewährleistung von zugehender Beratung und Betreuung und die Förderung von ehrenamtlichem Engagement. Andererseits ist die Soziale Arbeit mit ihrem ganzheitlichen Blick auf das Individuum und sein Umfeld für die Organisation, Koordination, Vermittlung und Vernetzung der Hilfeangebote prädestiniert, sei es bei Pflegebedürftigkeit – vor dem Hintergrund sinkender familiärer Pflegepotenziale – oder bei weiteren Bedarfen.

Da auch zukünftig die meisten älteren Menschen den Wunsch haben werden, auch nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit den Alltag selbstständig oder mit Unterstützung von Angehörigen, Freunden, Nachbarn und/oder ambulanten Diensten zu gestalten, werden die bisherigen Aufgabenfelder der ambulanten Altenhilfe entsprechend anzupassen sein:

•  Unterstützung bei der Beantragung von Pflegeleistungen (inkl. Einstufung des Pflegegrads) und der Organisation von Pflege

•  Beantragung bzw. Übernahme gesetzlicher Betreuung

•  Beratung bei Wohnraumanpassung

•  Angehörigenberatung und -begleitung

•  Aufbau niedrigschwelliger Betreuungsangebote für Menschen mit einem erhöhten Betreuungsbedarf

•  Schulung von Angehörigen und Interessierten zu gesundheits- und pflegespezifischen Themen, zum Leistungsanspruch bei Pflegebedürftigkeit etc.

•  Suche nach einem geeigneten Heimplatz oder einer alternativen Wohnform

In den stationären und teilstationären Bereichen der Altenhilfe wird die Schwerpunktsetzung bei der Entwicklung von Angeboten für die Bedürfnisse von Hochaltrigen und Schwerstpflegebedürftigen sowie von Heimbewohnern mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen wie Demenz liegen.

Die Zunahme der Zahl älterer pflegebedürftiger Menschen berührt auch viele weitere Bereiche der Sozialen Arbeit. So erfährt die Soziale Arbeit mit Randgruppen, etwa die Drogensucht- oder Straffälligenhilfe, ebenfalls, dass die Klientel immer älter wird, womit auch in diesen Bereichen die Altenhilfe entsprechende konzeptionelle Veränderungen berücksichtigen muss. Ein besonderes Augenmerk sollte Soziale Arbeit auf die hochbetagten Frauen und ihre sozioökonomische Lage werfen.

Folgen der Migration und der ethnischen Differenzierung des Alters

Binnenmigration sowie Außenmigration und die daraus resultierende kulturelle Differenzierung beeinflussen ebenso die Praxis der Sozialen Arbeit. Die Ost-West-Wanderungen, die nach der Wende stattfanden, haben die regionalen Handlungsbedarfe verlagert und neue örtliche Zuordnungen geschaffen. Ethnische und kulturelle Differenzierung, die inzwischen auch in der Altersgruppe der über 65-Jährigen – der Arbeitsmigranten der ersten Generation und der (Spät-)Aussiedler – spürbar wird, hat in der Praxis der Altenhilfe und Altenarbeit zur Notwendigkeit einer interkulturellen Öffnung geführt und dies zur Querschnittsaufgabe gemacht. Zukünftig werden alle Bereiche der Altenarbeit und Altenhilfe hier einer Ausweitung bedürfen. Dies gilt sowohl für die gemeinwesenorientierte Altenarbeit mit der Schwerpunktsetzung auf präventive Angebote, Vernetzung, Empowerment und Stärkung des Ehrenamts, als auch für die ambulante, teilstationäre und stationäre pflegerische Versorgung durch die Altenhilfe.

Folgen der veränderten Lebensformen im Alter, der Familienstruktur, Singularisierung, Feminisierung und der steigenden Frauenerwerbsquoten

Derzeit überwiegt die Zahl der Frauen in der Altersgruppe der Hochaltrigen. Ausgehend davon, dass in Zukunft das hohe Alter noch mehr als heute von alleinlebenden Frauen, zunehmend aber auch Männern, geprägt sein wird, sollte die Soziale Arbeit v. a. die Bereiche der sozialen Beziehungen und der gesellschaftlichen Teilhabe in den Blick nehmen, etwa indem sie Angebote bereithält, die es Menschen ermöglichen, neue Kontakte zu knüpfen, Freundschaften zu schließen und Gemeinschaft zu erleben, um Vereinsamung oder Isolation zu vermeiden. In allen Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit mit Älteren müssen zunehmend auch männerspezifische Aspekte berücksichtigt werden. Des Weiteren wird Soziale Arbeit gefragt sein, wo es darum geht, die Pflege von älteren Angehörigen mit Berufstätigkeit und Familie zu verbinden. Angesichts einer steigenden Frauenerwerbsquote gilt es Konzepte zu entwickeln, die die Familien in diesem Zusammenhang unterstützen.

 

 

 

 

Teil II   Gerontologische Grundlagen

 

 

Professionelle soziale Arbeit mit älteren Menschen ist ohne Kenntnisse über bestehende und zukünftig sich entwickelnde Bedarfslagen und der Wünsche und Bedürfnisse älterer Menschen mit ihrer gesellschaftlichen, sozialen und individuellen biografischen Bedingtheit nicht denkbar. In den folgenden Kapiteln werden deshalb theoretische Grundlagen für die Planung und Umsetzung von Interventionen in unterschiedlichen Feldern sozialer Altenarbeit vermittelt, die

•  einen verstehenden Zugang zu Lebenswelten älterer Menschen erleichtern,

•  auf die Individualität und Verschiedenheit älterer Menschen verweisen,

•  Hilfestellung zur Identifikation von Unterstützungsbedarfen geben,

•  als Orientierungen und Begründungen für die Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen der sozialen Altenarbeit herangezogen werden und

•  die Bedeutsamkeit theoretischer Grundlagen für praktisches Handeln veranschaulichen.

In sieben Kapiteln werden die folgenden Fragen diskutiert:

1.  Was kennzeichnet die Wissenschaftsdisziplin Gerontologie und womit beschäftigt sie sich? (image Kap. 3)

2.  Was passiert im Prozess des Älterwerdens? Wie verlaufen Altersprozesse und wovon werden sie beeinflusst? (image Kap. 4)

3.  Welche theoretischen Annahmen zu Verlauf und Bedingungen erfolgreichen Alterns werden in der Gerontologie diskutiert und welche Auswirkungen hat ein bestimmtes theoretisches Verständnis von Alterungsprozessen für die Gestaltung von Unterstützungsangeboten für ältere Menschen? (image Kap. 5)

4.  Welches Bild vom Alter und von älteren Menschen ist in unserer Gesellschaft erkennbar? Wie entstehen derartige Altersbilder und welche Auswirkungen haben Altersbilder auf ältere Menschen und auf die gesellschaftliche Stellung älterer Menschen? (image Kap. 6)

5.  Wie verändert sich die kognitive Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter? Können älteren Menschen schlechter lernen als jüngere und lässt sich dagegen etwas tun? (image Kap. 7)

6.  Sind Zufriedenheit und Wohlbefinden auch in schwierigen Lebenssituationen z. B. bei Pflegebedürftigkeit möglich? Was beeinflusst Lebensqualität im Alter? (image Kap. 8)

7.  Inwieweit lassen sich soziale Ungleichheit im Alter anhand des Lebenslageansatzes erfassen? Eignet sich das Konzept der Lebenslagen als theoretische Grundlage für die Arbeit mit älteren Menschen? (image Kap. 9)

3          Gerontologie als Wissenschaft

 

 

In diesem Kapitel wird ein Überblick über den Gegenstandsbereich der Wissenschaftsdisziplin Gerontologie gegeben. Nach Bearbeitung dieses Kapitels sollten folgende Fragen beantworten werden können:

1.  Womit beschäftigt sich die Gerontologie?

2.  Welche verschiedenen Teildisziplinen lassen sich innerhalb der Gerontologie unterscheiden?

3.1       Gegenstandsbereich der Gerontologie

Mit dem Begriff Gerontologie wird ein Wissenschaftsfeld bezeichnet, das sich mit verschiedenen Dimensionen von Alternsprozessen wie dem kalendarischen, körperlichen, psychischen und gesellschaftlich sozialen Alter befasst (vgl. u. a. Karl, 1999, S. 22, Wahl & Heyl, 2015, S. 76).

Der Begriff Gerontologie hat seine Wurzeln in der griechischen Sprache. »Geront« bedeutet »alter Mensch« und »ologie« die damit verbundene Wissenschaft. Die Gerontologie ist eine vergleichsweise junge Wissenschaft, deren Gegenstand z. B. von Baltes & Baltes – zwei bedeutenden Entwicklungspsychologen und Gerontologen wie folgt beschrieben wird.

Definition Gerontologie

»Gerontologie beschäftigt sich mit der Beschreibung, Erklärung und Modifikation von körperlichen, psychischen, sozialen, historischen und kulturellen Aspekten des Alterns und des Alters, einschließlich der Analyse von alternsrelevanten und alterskonstituierenden Umwelten und sozialen Institutionen« (Baltes & Baltes, 1994, S. 8).

Die Bedeutung dieser Definition soll anhand des folgenden Fallbeispiels beschrieben werden.

Fallbeispiel

Herr Kämmer ist 64 Jahre, seit 35 Jahren verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter, die nicht mehr im Elternhaus leben. Herr Kämmer hat die letzten 25 Jahre in der Buchhaltung eines mittelständischen Unternehmens gearbeitet und seinen Beruf sehr gemocht. Nun ist dieses Unternehmen vor einem Jahr verkauft worden und da Herr Kämmer Schwierigkeiten mit seinem neuen Chef hatte, der auch eine Umstellung der Arbeit in der Buchhaltung vorgenommen hat, war er sehr froh, als ihm vor einem halben Jahr nahegelegt wurde, in den Ruhestand zu gehen. Er hat sich gefreut, dadurch mehr Zeit für seine Frau, die noch halbtags als Schulsekretärin arbeitet, und den gemeinsamen Garten zu haben. Er wollte seine Hobbies, Modellbau und Angeln, intensivieren und das Leben ohne Verpflichtungen genießen. Seit einem Vierteljahr fühlt er sich jedoch müde und antriebslos, sitzt häufig bis mittags in der Wohnung, liest Zeitung und fühlt sich alt und überflüssig, da fast alle seine Freunde wie auch seine Frau noch arbeiten. Er bekommt zunehmend Streit mit seiner Frau, die ihm vorwirft, er könne mehr unternehmen oder zumindest sich mehr im Haushalt engagieren.

Entsprechend der Definition von Gerontologie von Baltes & Baltes bedeutet

Beschreiben

die Beantwortung der Frage nach dem ›was‹, ›wann‹ und ›wie‹, d. h., was sind die Probleme von Herrn Kämmer, wann hat sein Gefühl der Überflüssigkeit begonnen, wie reagiert er auf den eigentlich herbeigesehnten Ruhestand, wie fühlt er sich …

Erklären

die Beantwortung der Frage nach dem ›warum‹, d. h., warum gelingt es Herrn Kämmer nicht, seinen Ruhestand so wie erhofft zu gestalten, warum hat er Schwierigkeiten, warum entstehen in der Ehe Spannungen …

Modifizieren

die Beantwortung der Frage: ›Was ist zu tun, um eine Veränderung in einer oder mehrerer der in der Definition angesprochenen Dimensionen zu erreichen‹, d. h., auf welches Problem ist vordringlich einzugehen, welche Ziele sollen verfolgt werden, was wären Hilfen für Herrn Kämmer.

In der Definition wird weiterhin zwischen dem Altern als dynamischem Prozess von Veränderungen und dem Alter als statischem Moment und Ergebnis von Alternsprozessen unterschieden. Altern und Alter manifestieren sich auf verschiedenen Ebenen, die jeweils unterschiedlich verlaufen, auch wenn sie sich gegenseitig bedingen (image Kap. 4).

Aus der Definition wird ebenfalls deutlich, dass sich Alter und Altern in verschiedenen Dimensionen vollziehen. Das kalendarische Alter kann deshalb keine eindeutige Auskunft darüber geben, wie ein älterer Mensch sich fühlt und wie die Funktionsfähigkeit seines Organismus ist. Unterschieden werden folgende Dimensionen:

•  Körperliches Altern (körperliche Funktionsfähigkeit)

•  Psychisches Altern (subjektives Alterns- und Altersempfinden)

•  Soziales Altern (individuelle und gesellschaftliche Rollenerwartungen und Rollenzuschreibungen an ein bestimmtes Lebensalter)

•  Historisches Altern (Altern im geschichtlichen Kontext und Veränderungen im Umgang mit älteren Menschen in verschiedenen historischen Epochen)

•  Kulturelles Altern (Altersbilder und die Stellung älterer Menschen in einer Gesellschaft)

Weiterhin verweist die Definition von Baltes & Baltes darauf, dass Altern nicht allein ein individuelles ›Schicksal‹ darstellt, sondern immer auch Umfeldfaktoren auf Alternsprozesse einwirken und diese positiv oder auch negativ beeinflussen können (altersrelevant) bzw. Alternsprozesse auslösen können (alterskonstituierend). Übertragen auf das Fallbeispiel bedeutet dies, dass Herr Kämmer sich wahrscheinlich deshalb ›alt‹ und nicht mehr gebraucht fühlt, da er als Folge der veränderten Arbeitsbedingungen seine Berufstätigkeit aufgegeben hat. Durch den plötzlichen Übergang von einer bisher als erfüllend erlebten Berufstätigkeit in ein Rentnerdasein muss er sich mit den durch die Berufsaufgabe verbundenen Statusveränderungen und den gesellschaftlich definierten Rollenerwartungen an Rentner auseinandersetzen. Hinzu kommt womöglich, dass er in seinem Wohn- und Lebensumfeld auch keine Betätigungsangebote findet, die ihn ansprechen.

3.2       Gerontologie als Wissenschaftsdisziplin

Analog zum Verständnis von Altern als multidisziplinärem Prozess wird in der Gerontologie als Wissenschaftsdisziplin eine Bündelung unterschiedlicher Einzelwissenschaften vorgenommen. Karl (1999, S. 24) unterscheidet drei verschiedene Zugänge, denen sich die Einzelwissenschaften wie folgt zuordnen lassen (image Abb. 1).

Gegenstand der Altersbiologie ist die Erforschung von physiologischen Gesetzmäßigkeiten und Ursachen von Alternsprozessen auf Zell- und Organebene. Fragen wie »Wodurch entstehen Alterungsprozesse? Lässt sich ihr Verlauf beeinflussen und kann die biologische Lebensspanne durch Interventionen verlängert werden?« sind Beispiele für Forschungsfragen der Altersbiologie. Ihre Erkenntnisse sind bedeutsam für die Altersmedizin, z. B. im Bereich der Demenzforschung, aber auch für die Bestimmung von Möglichkeiten und Grenzen von Interventionen bei altersbedingten Abbauprozessen.

Innerhalb der Altersmedizin lassen sich zwei große Teildisziplinen unterscheiden: die somatisch orientierte Geriatrie und die Gerontopsychiatrie als Spezialgebiet der Psychiatrie. In beiden Bereichen stehen die Erforschung des Auftretens, Verlaufs und die Therapie von im Alter auftretenden körperlichen

Images

Abb. 1: Gerontologie als Wissenschaftsdisziplin, eigene Darstellung

bzw. psychischen Erkrankungen im Zentrum der Forschung, z. B. die Frage nach der Entstehung und Vermeidung von Stürzen im Alter oder der Behandlung depressiver Erkrankungen älterer Menschen.

Die Alterspsychologie legt ihren Fokus auf die Untersuchung individuellen Erlebens und Verhaltens älterer Menschen und deren Einflussfaktoren. Forschungen zur Entwicklung der kognitiven Leistungsfähigkeit, zur Kompetenz, zum subjektiven Wohlbefinden im Alter, aber auch die Bewältigung von Krisenereignissen wie Verwitwung, Berufsaufgabe oder der Eintritt von Pflegebedürftigkeit sind Themen alterspsychologischer Forschungen. Neuere Forschungsansätze wie die der ökologischen Gerontologie versuchen allerdings eine Verknüpfung zwischen dem Individuum und seiner Umwelt herzustellen und deren wechselseitige Beeinflussung und Folgen für Wohlbefinden und Selbstständigkeit zu untersuchen.

Im Unterschied zur Alterspsychologie, die am alternden Individuum interessiert ist, befasst sich die Alterssoziologie v. a. mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen Altern sich vollzieht und die Einfluss auf gesellschaftliches wie individuelles Altern nehmen. Die Frage nach sozialen Ungleichheiten im Alter, der gesellschaftlichen Stellung älterer Menschen, des Strukturwandels des Alters oder nach Altersbildern und ihrer Entstehung sind Beispiele für spezifische alterssoziologische Fragestellungen.

Der bildungswissenschaftliche Zugang zu Altersfragen wird als Geragogik bezeichnet. Ihr Schwerpunkt liegt in der Anwendung pädagogischer und lernpsychologischer Erkenntnisse zur Gestaltung von Bildungsprozessen von älteren und für ältere Menschen einschließlich der Ermittlung lernfördernder und -hindernder Faktoren. Lernen in der nachberuflichen Lebensphase oder die Initiierung selbstgesteuerter Lernprozesse bei älteren Menschen sind Beispiele für Themen geragogischer Forschung.

Die von Karl (1999) dem geisteswissenschaftlichen Zugang zugeordneten Disziplinen der Philosophie und Theologie befassen sich u. a. mit Grundhaltungen und ethischen Fragestellungen, wie z. B. der Begründung von Positionen zum Verhältnis von Fürsorge und Selbstverantwortung in der Sterbebegleitung oder der Betreuung demenzkranker Menschen.

Betrachtungen der Geschichte des Alters (z. B. Borscheid, 1994) vermitteln Einblicke in gesellschaftliche Stellung älterer Menschen im Wandel der Zeit, die zur Erklärung gegenwärtiger Altersbilder und Rollenzuschreibungen an ältere Menschen herangezogen werden können. Zudem verdeutlichen sie den Einfluss gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und epochaler Ereignisse, wie der Mauerfall im Jahr 1989 oder das Erleben des Zweiten Weltkriegs, auf individuelle Alternsverläufe.

Mit der Bezeichnung »Sozialen Gerontologie« wird allerdings kein eigenständiger Disziplinbereich der Gerontologie bezeichnet. Soziale Gerontologie versteht sich vielmehr als anwendungsbezogene Wissenschaft mit einer sozial- und verhaltenswissenschaftlichen Ausrichtung (Karl, 2003, S. 7), wobei die Begriffsverwendung auch nicht einheitlich ist. Obwohl Überschneidungen zwischen Einzeldisziplinen bestehen, sind Interdisziplinarität in der gerontologischen Forschung und Theoriediskussion jedoch bislang noch wenig verbreitet. Dies zeigt sich auch in den Curricula gerontologischer Studiengänge. Trotz multidisziplinärer Ausrichtung der Studieninhalte prägen Einzeldisziplinen wie die Psychologie, Soziologie oder Sozialwissenschaften die Schwerpunktsetzungen in den Studieninhalten. Zwar wird von der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie eine Verständigung über die Kernbestandteile eines Gerontologiestudiums angestrebt, allerdings ohne großen Einfluss auf die Gestaltung der einzelnen gerontologischen Studiengänge.

4          Entwicklung im Alter

 

 

»Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten ›Sie haben sich gar nicht verändert.‹ ›Oh‹ sagte Herr K. und erbleichte« (Brecht, 1971, S. 26).