Titel

Anton Kippenberg
Stefan Zweig

Briefwechsel 1905-1937

Ausgewählt von Oliver Matuschek und Klemens Renoldner

Herausgegeben und kommentiert von Oliver Matuschek unter Mitwirkung von Klemens Renoldner

Insel Verlag

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eBook Insel Verlag Berlin 2022

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Umschlaggestaltung: hißmann, heilmann, hamburg

Umschlagabbildung: Anton Kippenberg und Stefan Zweig, 1930, Foto: Deutsches Literaturarchiv Marbach

eISBN 978-3-458-79820-0

www.suhrkamp.de

Briefwechsel

Prolog

[1]  Stefan Zweig an den Insel-Verlag,1 Berlin, 4. Juni 1902
[Poststempel]

[Postkarte]

Sehr geehrter Herr,

ich möchte bitten, mir das in Ihrem Verlage erschienene Buch von Rudolf Kassner: »Der Tod und die Maske«2 zur baldigen Recension in der »Neuen Hamburger Zeitung« frdl. übersenden zu wollen. Wollten Sie mir in Hinkunft auch Ihre sonstigen Erscheinungen zustellen, so verpflichte ich mich gern, sie in hervorragenden Tageszeitungen, für die ich arbeite, zu besprechen. Hochachtungsvoll

Stefan Zweig

Berlin S. ‌W. 46 Bernburgerstrasse 203

1Diese Postkarte ist das erste bekannte Schreiben des 1881 in Wien geborenen Studenten Stefan Zweig an den Insel Verlag – in damaliger Eigenschreibweise meist »Insel-Verlag«. Dieser war im Oktober 1901 aus der zwei Jahre zuvor von Alfred Walter Heymel, Rudolf Alexander Schröder und Otto Julius Bierbaum im Berliner Verlag Schuster & Loeffler begründeten Literatur- und Kunstzeitschrift Die Insel hervorgegangen. Der in Leipzig ansässige Verlag wurde bis zu dessen Tod im Februar 1905 vom Buchhändler und Verleger Rudolf von Poellnitz als geschäftsführendem Gesellschafter geleitet. Zweigs späterer Korrespondenzpartner, der 1874 in Bremen geborene und zunächst als Buchhändler und Verlagskaufmann ausgebildete Anton Kippenberg, hatte sein Studium der Germanistik in Leipzig 1901 mit einer Dissertation über Die Sage vom Herzog von Luxemburg abgeschlossen. Er war, als Zweig diese Postkarte abschickte, Prokurist des Verlags Wilhelm Engelmann in Leipzig und wechselte erst 1905 zum Insel-Verlag.

2Rudolf Kassner: Der Tod und die Maske. Gleichnisse, Insel-Verlag, 1902.

3Stefan Zweig hielt sich seit Anfang April 1902 in Berlin auf, um dort sein im Herbst 1900 in Wien begonnenes Studium der Philosophie und Literaturgeschichte fortzusetzen. Er hatte 1901 den Gedichtband Silberne Saiten im Verlag Schuster & Loeffler in Berlin und Leipzig veröffentlicht und Buchbesprechungen für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen verfasst, in denen auch einzelne seiner lyrischen Werke gedruckt worden waren. Nun bemühte er sich von Berlin aus um weitere Kontakte zu deutschen Verlagen.

[2]  Stefan Zweig an den Insel-Verlag, Wien, 13. September 1902
[Poststempel]

[Postkarte]

Sehr geehrter Herr,

ich möchte bitten, mir die in Ihrem w[erten]. Verlage erschienenen »Altitalienischen Novellen« (2 Bd)1 freundlichst zur Recension übermitteln zu wollen. Die Belegexemplare meiner Besprechung in der »Neuen Hamburger Zeitung«2 über den von mir seinerzeit erbetenen Kassner sind Ihnen wohl von der Zeitung aus zugegangen. Ergebenst

Stefan Zweig

Wien I Rathhausstr 173

1Altitaliänische Novellen. Ausgewählt und übersetzt von Paul Ernst, Insel-Verlag, 1902.

2Die Rezension war am 5. Juli 1902 mit weiteren Buchbesprechungen Stefan Zweigs unter seinem Autorenkürzel »st. z–g.« in der Abendausgabe der Neuen Hamburger Zeitung, o. ‌S., gedruckt worden.

3Obwohl Stefan Zweig während seines Studiums, das er nach einem Semester in Berlin in seiner Geburtsstadt Wien fortsetzte, eigene Studentenzimmer anmietete, benutzte er für seine Korrespondenz die Anschrift seiner Eltern Ida und Moriz Zweig in der Rathausstraße im 1. Stadtbezirk.
Bis zum Jahr 1905 sind keine weiteren Schreiben an den Verlag oder von dort an ihn bekannt.

Korrespondenz 1905-1937

1905

[3]  Stefan Zweig an den Insel-Verlag, Wien,
13. Dezember 1905

Wien, I. Rathhausstrasse 171

Sehr geehrter Herr,2

ich möchte mir gestatten, an den Insel-Verlag mit einem Vorschlage heranzutreten. Ich kenne genau Ihre Verlagswerke und infolgedessen Ihre Bemühungen, das Erlesenste der Litteratur in erlesener Form darzubieten, selbst wenn es nicht dem breiten Publicum entgegenkommt.

So will ich einen alten Plan von mir Ihnen heute vorlegen und ich glaube, er wird Ihre Zustimmung finden. Es handelt sich um Dantes Vita nuova, die wunderbare Geschichte seiner Liebe mit allen den eingestreuten Sonnetten und Canzonen. Von der »Divina commedia« haben wir 23 Übertragungen wechselnden Wertes, von der Vita nuova nicht eine, die künstlerisch ernst zu nehmen wäre. Nun läge es in meiner Absicht, – gemäss etwa Rosettis in vielen Tausenden verbreiteten Übertragung »The new life«3 – für Deutschland eine Nachdichtung des »Neuen Lebens« zu schaffen (und bei Nachdichtungen darf ich mich wohl auf die Urteile berufen, die mir mein »Verhaeren«-Buch4 eingetragen hat.) Ich dächte an einen dichterisch nicht allzu sklavisch übertragenen Band, ausgestattet von einem Gotiker (etwa Melchior Lechter oder A. de Karolis, der die italienischen Ausgaben d'Annunzios' schmückte),5 eine luxurieuse, wenn auch nicht allzu kostspielige Ausgabe. Doch dies ist ja jetzt noch verfrüht, da mir Ihre Zustimmung fehlt.

Ich dächte, mehrere Monate der Arbeit zu widmen, sie aber dennoch rechtzeitig für Weihnachten abzuliefern, wäre auch bereit, vor Abschluss des Vertrages ein Capitel zur Probe zu übertragen. Dass ich als Honorar ein Equivalent für diese ganz ungewöhnlich schwere Aufgabe und für eine mehrmonatliche Mühe fordere, soll Sie nur überzeugen, dass ich nicht an eine gewöhnliche Übertragung, sondern an eine definitive deutsche Ausgabe denke.

Ihrer freundlichen Äusserung entgegensehend in Ergebenheit

Dr. Stefan Zweig

Wien, 13. Dezember 1905.

1Nach dem Ende seines Studiums, das er im Sommer 1904 mit der Dissertation Die Philosophie des Hippolyte Taine abgeschlossen hatte, lebte Stefan Zweig bis zum Frühjahr 1907 wieder in der Wohnung seiner Eltern.

2Möglicherweise war dieser Brief, dessen Kuvert mit der Anschrift nicht erhalten geblieben ist, bereits direkt an Anton Kippenberg gerichtet, der im selben Jahr in die Leitung des Insel-Verlags eingetreten war. Als Carl Ernst Poeschel 1906 aus der Geschäftsleitung und als Gesellschafter aus dem Verlag ausschied, wurde Kippenberg alleiniger Geschäftsführer. Im Vorjahr hatte er die gebürtige Hamburgerin Katharina von Düring geheiratet, die bald als Herausgeberin, Lektorin und zeitweilig auch als Stellvertreterin ihres Mannes in der Verlagsleitung arbeitete.

3Die unter dem Titel The New Life erschienene Übertragung von La vita nuova durch Dante Gabriel Rossetti war ab 1897 in verschiedenen Ausgaben in den USA und in Großbritannien publiziert worden.

4Émile Verhaeren: Ausgewählte Gedichte, in Nachdichtung von Stefan Zweig, Berlin, Schuster & Loeffler, 1904.

5Adolfo de Carolis hatte eine ganze Reihe von Werken Gabriele D'Annunzios im Verlag Fratelli Treves in Mailand illustriert und gestaltet.

[4]  Insel-Verlag an Stefan Zweig, [Leipzig], 30. Dezember 1905

30. Dez. 05

Herrn

Dr. Stefan Zweig,

Wien I.

Rathausstr. 17.

Sehr geehrter Herr Doktor!

Bitte, empfangen Sie den Ausdruck unseres verbindlichsten Dankes für Ihren freundlichen Brief vom 13. ds. Mts., dessen Beantwortung uns leider erst heute möglich ist.

Wir gestehen, dass uns Ihre Absicht, die Übertragung von Dantes »Vita nuova« zu bringen, sehr sympathisch ist, und bitten Sie, uns Ihre Bedingungen, die Sie uns stellen würden, bekannt zu geben. Wir werden später auf die Angelegenheit zurückkommen und dann auch von Ihrem liebenswürdigen Anerbieten, uns eine Probeübertragung vorzulegen, gern Gebrauch machen.

Inzwischen begrüssen wir Sie

in vorzüglicher Hochachtung

[Insel-Verlag]