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1 Luisa Casati, gemalt von Augustus John (1919).

Judith Mackrell

Der unvollendete Palazzo

Liebe, Leidenschaft und Kunst in Venedig

Aus dem Englischen von Susanne Hornfeck und Andrea Ott

Mit zahlreichen Abbildungen

Insel Verlag

Inhalt

Einleitung

Luisa Casati. Das lebende Kunstwerk

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Doris Castlerosse. Die Salonnière

Kapitel 6

Kapitel 7

Peggy Guggenheim. Die Sammlerin

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Epilog

Danksagung

Quellenverzeichnis

Abbildungsnachweis

Register

Anmerkungen

Einleitung

An einem heißen Abend im September 1913 bildete sich auf dem Canal Grande in Venedig ein Verkehrsstau, da sich im östlichen Abschnitt des Kanals, dort, wo er sich Richtung Lagune weitet, Gondeln mit aufwendig kostümierten Partygästen drängten.

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2 Der Palazzo Venier dei Leoni Ende des 20. Jahrhunderts. Er beherbergt heute die Peggy Guggenheim Collection.

Am Ufer reihten sich vornehme Gebäude; in den oberen Stockwerken hingen gewaltige Kronleuchter, deren strahlendes Licht vom Wasser reflektiert wurde und die Fassaden zum Leuchten brachte. Aus dieser klassisch venezianischen Szenerie stach ein Bauwerk heraus wie ein abgebrochener Zahn. Der nur einstöckige Palazzo Venier dei Leoni schien sich im Zustand fortschreitenden Verfalls zu befinden, die weißen Steinmauern waren von Efeu überwachsen, im Dach klafften Löcher.

Und doch strebten die Gondeln ausgerechnet diesem Gebäude zu. Über dem Dach schimmerte eine Aureole aus goldenem Licht, Musik erklang, und auf der breiten Uferterrasse spielte sich ein spektakuläres Begrüßungsritual ab. Zwei Schwarze – eins achtzig groß und wie nubische Sklaven gekleidet – standen zu beiden Seiten der Landungstreppe; einer verkündete die Ankunft der Boote mit feierlichen Gongschlägen, der andere warf Metallspäne in ein Kohlebecken, worauf Funken weißen Lichts in den Nachthimmel stoben. Gleich dahinter die Gastgeberin, eine hochgewachsene, schlanke Frau im weiß-goldenen, durchscheinenden Gewand einer persischen Prinzessin. Sie stand in der Mitte einer großen, flachen Schale voller Tuberosen und empfing ihre Gäste, indem sie sich wortlos und ohne ein Lächeln des Erkennens bückte und jedem eine einzelne Blume reichte.

In den drei Jahren, in denen die Marchesa Luisa Casati den Palazzo Venier gemietet hatte, wurden sie und ihre Partys zur Legende. Obwohl von ausgeprägter, geradezu exzentrischer Schüchternheit, war sie dennoch überzeugt, dass sie eine Künstlerseele besaß und dazu berufen war, sich und ihre Umgebung in Kunstwerke zu verwandeln. Selbst in einer Stadt, die für ihren Karneval und ihre Maskeraden bekannt war, gab es nichts, was der Inszenierung der Feste bei der Marchesa gleichkam, und von jedem Gast wurde erwartet, dass er seine Rolle darin spielte. Während sie ernst und schweigend inmitten der Tuberosen stand, entstiegen den Gondeln an jenem Septemberabend blaublütige Prominenz und Honoratioren in Haremshosen, aber auch Künstler mittleren Alters mit Turbanen und falschen Bärten – eine farbenfrohe, selbstbewusste Schar aus Sklavenmädchen, Paschas und gestiefelten Korsaren.

Im letzten Sommer vor dem Ersten Weltkrieg waren orientalische Feste der letzte Schrei, doch nur wenige hatten eine so stimmige Kulisse. Waren die Gäste der Marchesa erst einmal durch den verfallenden Säulenvorbau des Palazzos ins Innere gelangt, fanden sie sich in einer Szenerie wieder, die jede Vorstellung übertraf. Anstelle der düsteren Marmorwüste typischer Eingangshallen betraten sie einen goldfarbenen Salon voll von schimmernden Spiegeln und dem Geplapper eingesperrter Affen und Papageien. Hinter dem Salon tat sich ein verwilderter Garten auf, in dem sich zwischen golden bemalten Statuen weiße Pfauen, reinrassige Windhunde und ein halbzahmer Gepard tummelten. Kellner in vielfarbigem Brokat offerierten Champagnerflöten, eine schwarze Jazzband spielte Ragtime und Tango, und die Welt, die Luisa in jener Nacht in ihrem Palazzo erschuf, war ein ebenso illustrer Schmelztiegel von Ost und West wie die Geschichte der Stadt Venedig selbst.

***

Luisas Welt war grundverschieden von der Vision, die der Familie Venier vorschwebte, als sie den Palazzo Mitte des 18. Jahrhunderts in Auftrag gab. Die Veniers gehörten zu den bedeutenden Dynastien Venedigs. Ihre Ahnenreihe reichte zurück bis zu den Kaisern Valerian und Gallienus, die im Rom des dritten Jahrhunderts geherrscht hatten, und sie zählten bereits zu den Bewohnern der Stadt, als diese wenig mehr war als ein unsicherer insularer Außenposten, den man Schlamm, Sumpf und Meer abgetrotzt hatte.[1] 

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3 Der Entwurf für den Palazzo, Mitte des 18. Jahrhunderts: ein Denkmal für die stolze Venier-Dynastie.

In dem Maß, wie Venedig sich zu einer mächtigen Republik entwickelte, gewannen auch die Veniers an Einfluss. Ihre Familie gehörte zum eng verwobenen Kreis jener, deren Name im Goldenen Buch der Nobilität verzeichnet war. Das berechtigte sie dazu, hohe Ämter zu bekleiden, und sie stellten über die Jahrhunderte Dogen, Prokuratoren, Erzbischöfe, Admiräle und Konsuln. Den Höhepunkt ihres Ruhms erreichten sie 1571, als ihr bedeutendster Patriarch, der Admiral Sebastiano Venier, die venezianische Flotte zu einem denkwürdigen Sieg über die Türken führte. Der Admiral war bei der Schlacht von Lepanto bereits fünfundsiebzig Jahre alt, musste wegen seiner schlimmen Hühneraugen in Schlappen kämpfen und war zu schwach, um seine Arkebuse zu laden. Trotzdem war es sein Beschuss, der die ersten Opfer unter den Türken forderte; sein Mut sprang auf die gesamte Flotte über, sodass sie schließlich den Sieg errang. Die dankbare Stadt machte den Admiral zu ihrem Helden, Tintoretto porträtierte ihn – als weisen silberhaarigen Krieger in schimmernder Rüstung –, und er wurde einstimmig zum Dogen gewählt.

Als Händler waren die Veniers womöglich noch erfolgreicher und häuften sowohl innerhalb wie außerhalb der Stadt Reichtümer an. Und wenn Gerüchte kursierten, bei einigen ihrer Unternehmungen sei Korruption im Spiel oder Schiffe der Veniers seien an den Rändern des venezianischen Reichs in illegale Piratenmanöver verstrickt, so besaßen sie Geld genug, um ihren Ruf wiederherzustellen. Eine wachsende Zahl von Bauwerken, Kirchen, Straßen und Plätzen kündete vom Ruhm der Veniers in ganz Venedig, so auch der alte, mit Türmen versehene Palazzo am Dorsoduro-Ufer des Canal Grande, der ihnen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts als Hauptwohnsitz diente.

1749 war der Palazzo unterteilt worden, um Platz für weitere Zweige der Familie zu schaffen, und Nicolò Venier und sein Bruder schickten sich an, auch das unbebaute Nachbargrundstück zu übernehmen. Der Architekt Lorenzo Boschetti wurde beauftragt, ein neues, modernes Gebäude zu entwerfen, das dem Stolz der Veniers bestmöglichen Ausdruck verlieh: ein fünfstöckiger, neoklassizistischer Palazzo aus Stein mit Erdgeschoss, Mezzanin, zwei piani nobili und einem Dachgeschoss. Es sollte nicht nur eines der höchsten Wohnhäuser in diesem Abschnitt des Kanals werden, sondern auch das breiteste.

Der Familie war klar, dass sie zwei, wenn nicht gar drei Jahrzehnte würde warten müssen, bis ihre Vision verwirklicht wäre. Gleich zu Beginn gab es eine Verzögerung – aus unbekannten Gründen legte Boschetti das Projekt in die Hände eines jüngeren Architekten, Domenico Rizzi, und erst 1752 konnte mit dem Bau der Fundamente begonnen werden. Wegen des sumpfigen Untergrunds war schon das ein schwieriges Unterfangen: Ein Wald von schlanken Pinienstämmen musste tief in den venezianischen Schlamm gerammt werden, um die dünne Holzplattform und den Unterbau aus Ziegeln zu tragen, auf denen das Gebäude errichtet werden konnte. So mancher aus dem Heer der Arbeiter, die auf der Baustelle den sommerlichen Moskitoschwärmen, dem herbstlichen Hochwasser und dem feuchten Winternebel trotzten, sollte die Vollendung des Gebäudes nicht erleben. Die Nachbarn von gegenüber, die Familie Corner, beobachteten indes vom anderen Kanalufer aus den Fortgang der Bauarbeiten mit Argwohn und Missgunst. Ihr Palazzo, in der Stadt als die Ca' Grande bekannt, war bislang der prächtigste in der Gegend gewesen, doch während der Palazzo der Veniers langsam über seine Fundamente hinauswuchs, wurde ihnen klar, dass sie von einem Gebäude von noch anmaßenderen Dimensionen in den Schatten gestellt werden würden.

Der Stolz der Familie Corner ebenso wie ihr Ausblick auf Venedig waren bedroht; sie bombardierten den Stadtrat mit Eingaben, das Bauvorhaben der Veniers solle verkleinert oder sogar ganz eingestellt werden. Die Arbeiten wurden dennoch fortgesetzt, bis der vordere Teil von Souterrain und Erdgeschoss fast fertig war. Die vier Säulen, die später den dreibogigen Portikus bilden sollten, standen bereits, und aus dem Sockel des Gebäudes ragten acht aus Stein gehauene Löwenköpfe, die alle gleich herrisch die Zähne fletschten.

An diesem Punkt kamen die Arbeiten am Palazzo Venier dei Leoni plötzlich zum Stillstand. Es gibt dafür viele Erklärungen, aber wie so oft bei venezianischen Überlieferungen lässt sich keine wirklich beweisen. Vielleicht hatte das Ausmaß des Gebäudes schließlich doch die Bedenken der Behörden geweckt und war für zu groß und für den Standort als zu gewagt befunden worden;[2]  ebenso denkbar wäre, dass die Veniers sich finanziell überhoben hatten und wegen geschäftlicher Verluste oder eines verlorenen Rechtsstreits das Projekt nicht wie geplant fortführen konnten. Es gibt auch Hinweise, dass der dynastische Ehrgeiz der Familie ausgebremst wurde, weil sie keine neue Generation von Söhnen und Erben hervorbrachte. Wie auch immer, das große Vorhaben konnte beim Tod von Nicolò Venier 1780 als gescheitert gelten. Der Bau verblieb als rudimentäre Version seiner ursprünglichen Dimension – einstöckig und nur zwei Räume tief. In dieser reduzierten Form machte er dem Namen der Veniers keine Ehre, und bald sprach man in Venedig abschätzig von il palazzo non finito, vom unvollendeten Palast.

***

Die Veniers waren nicht die einzige Familie im Venedig des ausgehenden 18. Jahrhunderts, deren Schicksal sich wendete. Jahrhundertelang hatte sich der venezianische Adel durch Handelsverbindungen in den Osten und mit Hilfe seines eigenen, ausgeklügelten Bankensystems bereichert. Doch im 16. Jahrhundert rissen Türken, Briten und Niederländer die Handelsrouten und das Zollwesen an sich, und seit die Wirtschaft der Stadt darniederlag, rühmte man diese nicht länger wegen ihrer Finanzkraft, sondern eher für ihre Spielhöllen, Bordelle und die Ausschweifungen während des Karnevals. Als Napoleons Truppen 1797 in Venedig einmarschierten und seiner tausendjährigen Unabhängigkeit ein Ende setzten, sahen manche darin die gerechte Strafe für Dekadenz und lose Sitten.

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4 »Il palazzo non finito« – das abgebrochene Bauvorhaben
der Veniers. Gravur von 1831.

Während der napoleonischen Besatzungszeit wurde die politische Macht des venezianischen Adels gebrochen; viele Familien verloren ihre Besitztümer und Residenzen. Falls die Veniers jemals vorgehabt hatten, den Bau ihres Palazzos fortzusetzen, so machten ihnen jetzt die Franzosen einen Strich durch die Rechnung; vollends zum Scheitern verurteilt waren solche Pläne nach der Übergabe Venedigs an das Kaisertum Österreich im Jahr 1815. Während der fünfzigjährigen österreichischen Besetzung verfiel die Stadt zusehends in Trostlosigkeit; die Wirtschaft brach zusammen, und die einst bedeutende Schiffsbauindustrie geriet in die Krise. Auch wenn die Stadt dadurch eine ganz eigene melancholische Schönheit erlangte, die besonders die romantisch gesinnten Touristen des 19. Jahrhunderts ansprach, so war die alltägliche Realität für die Venezianer umso härter. Ganze Stadtviertel versanken in Bedeutungslosigkeit, und ihre Bewohner litten unter Armut, Arbeitslosigkeit und chronischen Krankheiten.

Der unvollendete Palazzo war 1780 in den Besitz von Nicolòs Cousine Maria übergegangen – Tochter von Girolamo Venier, einem stolzen Patrizier und talentierten Amateurkomponisten. Maria hatte die Musikalität ihres Vaters geerbt, und als sie 1758 in die bedeutende Familie Contarini einheiratete, erschien zur Hochzeit eine reich illustrierte Sammlung mit Gedichten und Liedern. Es ist durchaus vorstellbar, dass Maria den Palazzo in der kurzen Zeit, da sie das Gebäude besaß, in einen Ort der Musik, der Konversation und des Lichts verwandelt hat, doch nach ihrem Tod scheint ihr Sohn Girolamo Contarini ihn dem Verfall preisgegeben zu haben. Weil das Gebäude unvollendet war, alterte es nicht gerade vorteilhaft. Im Souterrain richtete man eine billige Pension ein, während das Erdgeschoss mit der Zeit unbewohnbar wurde; Efeu drang tief in die zerfallenden Mauern ein, und Teile des Dachs gaben allmählich nach.

Alle paar Jahre drängten die Nachbarn die Behörden, das Gebäude abreißen zu lassen, dann aber wurde es von einer reichen französischen Aristokratin, der Comtesse Isabelle de la Baume-Pluvinel, gekauft und gerettet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Comtesse die benachbarte Ca' Dario erworben, eines der hübschesten Bauwerke an diesem Abschnitt des Kanals, mit zierlichen Säulen, steinernem Maßwerk, maurischen Bögen und prächtigen Marmorintarsien. Möglicherweise hatte auch die Comtesse Pläne für einen Ausbau des Palazzo Venier, doch 1910 sah sie sich durch ihre nachlassende Gesundheit gezwungen, einen Mieter für das Anwesen zu suchen. Sie dürfte sich gefragt haben, warum die extrem reiche Marchesa Casati so erpicht auf das verfallende Objekt war. Während die übrige Welt darin einen Schandfleck sah, betrachtete Luisa es als einen poetischen, geheimnisvollen Ort von ungeahntem Potential.

Luisa wurde, wie so viele vor ihr, von einem Fantasiebild angezogen. Sie sah in Venedig einen Ort von überirdischer Schönheit – eine im Meer schwimmende Stadt, wo fester Stein sich in Wasser und Licht aufzulösen schien – und war fasziniert von seiner magischen Andersartigkeit. Über Jahrhunderte hatte Venedig vor allem Dichter und Künstler angelockt, denn die Stadt versprach ein Entkommen aus der Eintönigkeit und den Zwängen des normalen Lebens. Als Byron sich 1816 dort niederließ, begrüßte er die Stadt als »die grünste Insel meiner Fantasie«; als Proust eintraf, verkündete er, seine Träume hätten nun eine Adresse. Und auch Luisa hoffte, dort ihr »Heterotopia« zu finden, eine Parallelwelt, die ihr eine Flucht aus der Langeweile des Mailänder Adels ermöglichte. Der unvollendete Palazzo sollte für sie zur Bühne werden, auf der sie als theatralische Figur agieren konnte.

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5 Karneval im Venedig des 17. Jahrhunderts.

***

Luisa mietete den Palazzo für vierzehn Jahre, und während dieser Zeit avancierten sie und ihre Partys zu einem der vergänglichen Wunder der Stadt. Als sie schließlich die Stadt verließ, war es der Reiz des venezianischen Lebens mit seinem Versprechen von Freiheit und Neubeginn, der zwei weitere Frauen in den Bann des Palazzos zog. Für Doris, Lady Castlerosse, bot Venedig die Möglichkeit, sich gesellschaftlich neu zu etablieren, nachdem ihr Mann sie verlassen hatte und ihr Privatleben in Verruf geraten war. Mit ihrer Jugend, ihrem Esprit und ihrer erstaunlichen erotischen Ausstrahlung war es Doris gelungen, in der Londoner Gesellschaft aufzusteigen, doch um die Mitte der 1930er Jahre war ihr Ruf beschädigt, das Älterwerden forderte seinen Tribut, und sie sah sich zu einem Neuanfang gezwungen. Venedig war in dieser Hinsicht nachsichtiger als London, und mit dem Geld eines reichen Liebhabers verwandelte Doris den Palazzo in einen luxuriösen Sommersalon, in dem sie Hof zu halten gedachte.

Der Zweite Weltkrieg zerschlug ihre Pläne, und das Anwesen blieb verwaist und verwahrlost, bis Peggy Guggenheim es Ende 1948 zu Gesicht bekam. Nach zwei kaputten Ehen und einer Serie von unglücklichen Liebschaften war Peggy ruhelos und einsam, besaß aber eine beachtliche Sammlung moderner Kunst, in die sie einen Großteil ihres Erbes und ihrer Energie investiert hatte. In der hart umkämpften New Yorker Kunstszene hatte sie schlechte Erfahrungen gemacht und war nun auf der Suche nach einer wohlwollenderen, weniger kritischen Umgebung. Nachdem sie den Palazzo gekauft hatte, ließ sie die Überreste des pompösen Dekors der Vorbesitzerin entfernen und verwandelte das Gebäude in einen Schaukasten für ihre Kunst. Sie sollte bis zu ihrem Tod, gut dreißig Jahre später, bleiben. Bis heute beheimatet der Palazzo die Peggy Guggenheim Collection.

Als Nicolò Venier den Palazzo in Auftrag gab, hätte er sich nicht im Traum die jeweiligen Lebensentwürfe vorstellen können, die Luisa Casati, Doris Castlerosse und Peggy Guggenheim dort verwirklichten. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass dieser Palazzo, der ursprünglich eine patriarchale Dynastie verherrlichen sollte und mit ihr zerfiel, schließlich von drei unabhängigen, alleinstehenden Frauen vor dem Vergessen bewahrt wurde. Luisa machte ihn einschlägig bekannt, Doris machte ihn schick, und Peggy verwandelte ihn nicht nur in eines der bedeutendsten Museen der Welt, sondern auch in eines der beliebtesten und meistbesuchten Gebäude Venedigs.

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6 »Eine im Meer schwimmende Stadt« – Venedig.
Fotografie von 1913.

Luisa Casati

Das lebende Kunstwerk