95Die internationale Rechnungslegung

In jedem Land gibt eine eigene Rechnungslegung mit eigenen Bilanzierungsstandards. Aus diesem Grund sind die Jahresabschlüsse japanischer, amerikanischer oder europäischer Unternehmen nicht unbedingt vergleichbar.

Um Investoren die Entscheidung über eine Beteiligung oder den Aktienkauf zu erleichtern, gab es in den letzten Jahren vermehrt Bestrebungen, die Bilanzierungsstandards anzunähern und vergleichbar zu machen. In der Europäischen Union wurde daher vor einigen Jahren ein einheitlicher euro­päischer Rechnungslegungsstandard eingeführt, der für alle Mitgliedsstaaten verbindlich ist.

Dieser neue Rechnungslegungsstandard heißt IFRS (International Financial Reporting Standards). Dieser Rechnungs­legungsstandard weicht in vielen Punkten von der herkömmlichen deutschen Bilanzierung nach dem Handelsgesetzbuch (HGB-Bilanzierung) ab und hat mehr Gemeinsamkeit mit dem in den USA üblichen Rechnungslegungsstandard (US-GAAP).

Sowohl der amerikanische Standard (US-GAAP oder Generally Accepted Accounting Principles) als auch der europäische IFRS stellen den Investor in den Mittelpunkt. Die Ertragskraft des Unternehmens wird stärker gewichtet, um potenziellen Investoren und Anlegern realitätsnahe Informationen zu liefern. Der Investor soll einen umfassenden Einblick in die Zukunftsaussichten des Unternehmens erhalten, deshalb betont der Jahresabschluss nach IFRS stärker die Vergleichbarkeit von Geschäftsjahren. Stille Reserven, wie sie 96in der HGB-Bilanzierung vorkommen, spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die Vermögensgegenstände sollen nicht vorsichtig zugunsten des Gläubigers, sondern realistisch für einen möglichen Investor bewertet werden.

Die deutsche Unterscheidung zwischen Steuerbilanz und Handelsbilanz gibt es weder bei IFRS noch im amerikanischen Rechnungslegungsstandard US-GAAP. Die Steuern werden dort in einem eigenen Verfahren ermittelt. Der Jahresabschluss nach IFRS verlangt zusätzliche Angaben wie beispielsweise eine Kapitalflussrechnung, die die Entwicklung des Cashflows genau wiedergibt.

Es gibt drei wichtige Rechnungslegungsstandards:

  • Die HGB-Bilanzierung

  • IFRS

  • US-GAAP

Ob ein deutsches Unternehmen einen Jahresabschluss nach IFRS oder HGB erstellen muss, ist genau geregelt. Einzelunternehmen, Personengesellschaften (wie beispielsweise die OHG, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts – GbR) und Kapitalgesellschaften (AG, GmbH), die keine Kapitalmarkt­orientierung haben (also nicht börsennotiert sind), erstellen ihren Jahresabschluss nach dem HGB.

Kapitalgesellschaften, die an der Börse notiert sind oder am Kapitalmarkt aktiv sind, indem sie beispielsweise eigene börsennotierte Anleihen herausgeben, müssen den Jahresabschluss nach HGB und IFRS erstellen. Der Einzeljahresabschluss des Unternehmens wird stets nach HGB erstellt. Der Konzernjahresabschluss hingegen erfolgt in IFRS.

97HGB

IFRS

Einzelunternehmen

Kapitalgesellschaften mit ­Kapitalmarktorientierung (z. B. Börsennotierung)
nur Konzernbilanz

Personengesellschaften

Kapitalgesellschaften ohne Kapitalmarktorientierung

Einzelunternehmen eines Konzerns (Einzelbilanzen)

Der IFRS-Jahresabschluss unterscheidet sich von dem Jahresabschluss nach HGB nicht nur in den Bewertungsmaßstäben, sondern auch im Umfang. Ein IFRS-Jahresabschluss umfasst:

  • Die Bilanz

  • Die Gewinn- und Verlustrechnung

  • Eigenkapital-Veränderungsrechnung

  • Die Kapitalflussrechnung

  • Den Anhang

  • Anlagespiegel (Sachanlagevermögen, Goodwill)

Zusätzlich müssen größere Unternehmen noch eine Segmentberichterstattung vorlegen, die sich auf die einzelnen Geschäftsfelder des Unternehmens bezieht. Auch in den Bewertungsmaßstäben gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen HGB und IFRS.

98Aspekt

HGB

IFRS

Prinzip

Gläubigerschutz
Vorsichtsprinzip

Investorenschutz
True and fair view

Steuerbilanz

Maßgeblichkeitsprinzip

Keine abgeleitete Steuerbilanz

Anlage-
vermögen

Anschaffungs- kosten

Anschaffungs- oder Wiederbeschaffungs-
kosten

Rückstellungen

Umfangreich, auch bei drohenden Verlusten

Bei hoher Wahrscheinlichkeit

Tochtergesell-
schaften im Konzernabsch-
luss

Keine Berücksichtigung (nur bei starker Abweichung)

Stets im Konzernabschluss berücksichtigt

Lang andauernde Projekte

Gewinnausweis im Jahr der kompletten Fertigstellung (Realisationsprinzip

Ausweis von Gewinnen bei Zwischenetappen möglich (Zwischenge-
winn­ausweis)

Beim IFRS steht, wie der Vergleich verdeutlicht, die realistische Einschätzung der Finanz-, Vermögens- und Ertragslage eines Unternehmens im Mittelpunkt. Die HGB-Bilanzierung hingegen betont die Bedeutung des Gläubigerschutzes und das kaufmännische Vorsichtsprinzip.