Über Antje Szillat

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Antje Szillat ist freie Autorin und hat zahlreiche Bücher für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene veröffentlicht. Sie ist selbst seit ihrer Kindheit eine versierte Reiterin und verbringt wie ihre Protagonistinnen viel Zeit mit ihren vier Pferden. Auch ihre Töchter sind mit Pferden groß geworden. Antje Szillat begleitet sie regelmäßig zu zahlreichen Turnieren.

Über das Buch

EINSATZ FÜR DIE DREI PFERDEFREUNDINNEN!

 

Nelly, Kata und Mila schweben im siebten Himmel: Sie dürfen ein Filmteam zu einem Außendreh begleiten und die Filmpferde betreuen. Am Set wartet jede Menge Arbeit auf die Mädchen und dann tobt auch noch ein Konkurrenzkampf zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen. Als sich herausstellt, dass eine der beiden gar nicht reiten kann, muss Ersatz her. Kata sieht ihr ähnlich – und wird plötzlich wider Willen zum neuen Filmstar im Sattel. Doch damit läuft noch längst nicht alles nach Plan …

Impressum

Originalausgabe

© 2019 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Umschlaggestaltung: Carolin Liepins

 

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eBook-Herstellung im Verlag

 

eBook ISBN 978-3-423-43524-6 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-76239-9

 

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/ebooks

ISBN (epub) 9783423435246





Für unsere schöne und stolze Filou, die uns gelehrt hat, dass es sich lohnt, niemals aufzugeben, und die uns dafür mit ihrem Vertrauen belohnt hat.

Prolog

Das dunkelhaarige Mädchen ritt auf seiner Fuchsstute langsam den geschwungenen Pfad entlang. Es überließ sich vollkommen dem schreitenden Tempo des Pferdes, während es seine Gedanken schweifen ließ.

Der schmale Weg machte einen großen Bogen. An manchen Stellen kamen sie dem Graben gefährlich nahe, aber das Mädchen vertraute seinem Pferd, sie waren ein eingeschworenes Team.

Das Mädchen ließ den Blick über das Tal wandern und klopfte dabei der Stute sacht den Hals. Das Tier schnaubte zufrieden und nickte leicht mit dem Kopf. Die Welt um die junge Reiterin und ihre schöne Fuchsstute war ruhig und friedlich, nahezu perfekt.

»Wenn es doch nur für immer so bleiben könnte«, sagte sie leise zu dem Pferd. Ein tiefer Seufzer entwich ihrer Kehle, während sie das Pferd über eine kleine Brücke lenkte, die über den Graben führte.

Ohne zu zögern, schritt das Pferd auf den schmalen Holzübergang. Doch als es mit dem linken Vorderhuf auf dem nassen Holz etwas ins Rutschen geriet, riss es erschrocken den Kopf hoch.

»Schon gut, Süße, gleich haben wir es geschafft«, redete das Mädchen mit sanfter Stimme auf den Fuchs ein und das Tier ließ sich wieder von ihr beruhigen.

Es geschah, als sie längst die andere Seite erreicht hatten und das Gestüt Casparon in nicht allzu weiter Ferne vor ihnen lag. Ein Vogel flatterte aus dem Gebüsch. Eigentlich kein Grund für die Stute zu erschrecken. Doch durch das Wegrutschen auf dem glitschigen Holzsteg war das Tier schon verunsichert. Der kleine Vogel war nun der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Bevor das Mädchen reagieren konnte, hatte die Fuchsstute ihm die Zügel aus den Händen gerissen und stürmte verängstigt los. Wie eine willenlose Marionette hing das Mädchen im Sattel des scheuenden Tieres, die Hände fest in der Mähne verschlungen. Das Pferd galoppierte wie um sein Leben, es lag nicht mehr in der Macht der Reiterin, es zu stoppen.

Sie hatten schon fast die Weggabelung erreicht. Rechts lag das Gestüt, der Weg nach Hause, den würde die Stute einschlagen. Doch das Tempo des Pferdes war zu hoch. Wenn es sich in die Kurve warf, dann würde es wegrutschen, womöglich sogar stürzen, das war dem Mädchen mehr als bewusst.

Noch einmal unternahm es den Versuch, das durchgehende Pferd anzuhalten. Tatsächlich gelang es ihm, die Zügel aufzunehmen. Es stellte sich in die Steigbügel, lehnte sich weit nach hinten und zog dabei mit aller Kraft an den Zügeln. Doch es brachte nichts – das Pferd stürmte unbeeindruckt weiter auf die Weggabelung zu.

Dann ging alles ganz schnell. Die Stute warf sich nach rechts, geriet ins Taumeln und schwankte von links nach rechts, von rechts nach links. Durch die ruckartigen Bewegungen des Pferdes verlor das Mädchen nun endgültig den Halt. Es rutschte aus dem Sattel und landete unsanft auf dem harten Boden, während die Fuchsstute sich nun wieder fing und davongaloppierte.

Kapitel 1

»Nelly, du hast Besuch!« Ihre Mutter steckte den Kopf zur Zimmertür herein und lächelte ihr aufmunternd zu. »Es sind Kata und Mila … Sei nett zu ihnen, Nelly, sie können schließlich nichts dafür und machen sich Sorgen um dich.«

Gleichgültig zuckte Nelly mit den Schultern. Sie hatte keine Lust auf Besuch. Sie hatte keine Lust auf Gespräche, sie hatte zu absolut nichts Lust – sie wollte nur auf ihrem Bett liegen und gegen die weiß getünchte Decke starren. Die ganze Welt war doof und einfach nur ungerecht.

Doch Kata und Mila wollten das nicht kapieren und bombardierten Nelly mit Handynachrichten. Und weil sie nur knapp oder manchmal gar nicht antwortete, tauchten sie nun bei ihr zu Hause auf. Die beiden gaben sich wirklich die größte Mühe, Nelly irgendwie zu trösten. Sie wollten ihre Freundin endlich mal wieder lächeln sehen.

Nur war Nelly einfach nicht nach lächeln zumute. Sie hatte es in den letzten zwei Wochen irgendwie verlernt. In den ersten bangen Tagen nach dem blöden Reitunfall hatte es zunächst ganz, ganz schlecht um Showgirl gestanden. Dann hatte der Tierarzt Entwarnung gegeben und gemeint, er könne Showgirls schlimmen Sehnenschaden mit Hyaluronsäure-Injektionen behandeln. Ein kleiner Lichtblick. Nelly war überglücklich gewesen. Doch lange hatte die Freude nicht angehalten.

»Eine Injektion kostet um die hundertzwanzig Euro und ich schätze, wir müssen drei- bis viermal spritzen«, hatte Dr. Clausmann Nelly erklärt.

Wenn’s also schlecht lief, dann waren das insgesamt knapp 500 Euro, hatte Nelly sich ausgerechnet. Okay, das war eventuell noch irgendwie bezahlbar – Nelly hatte einiges gespart. Eigentlich für einen neuen Sattel, aber natürlich war Showgirls Gesundheit tausendmal wichtiger.

Doch dann hatte der Tierarzt noch hinzugefügt, dass das die reinen Medikamentenkosten wären. »Geh mal von ungefähr eintausend bis tausenddreihundert Euro aus.«

Seitdem war Nelly am Boden zerstört. So viel Geld konnte weder sie noch ihre Mutter aufbringen. Ihre Großeltern, bei denen Nelly und ihre Mutter im Dachgeschoss wohnten, brauchte sie erst gar nicht zu fragen. Die bezahlten schon die monatlichen Pensionskosten für Showgirl bei den Casparons. Dass es erst neulich wieder eine Erhöhung gegeben hatte, war nicht besonders gut bei Nellys Großeltern angekommen. Ihr Opa hatte sogar gemeint, Showgirl müsste doch nicht unbedingt in so einer exklusiven Anlage wie dem Gestüt Casparon stehen, sondern könnte doch auch bei irgendeinem Bauern auf die Weide.

»Nelly, hey, wir haben tolle Nachrichten für dich!«, verkündete Kata und kam ins Zimmer gewirbelt.

Mila folgte ihr. Ihre Wangen waren leicht gerötet, die blonde Lockenmähne mal wieder ungebändigt.

»Kata ist wie von einer wilden Hummel gestochen vom Gestüt bis zu dir gerannt.« Mila schnaufte theatralisch und wischte sich dabei mit dem Handrücken ein paar Schweißperlen von der Stirn. »Und ich musste hinterher …« Mila gab sich die größte Mühe, Nelly ein wenig aufzuheitern. Sie tat ihr schrecklich leid. Doch selbst die anschauliche Beschreibung, wie sie hinter Kata her die Straße entlanggehetzt war, mit Seitenstichen, nach Luft japsend, und wie sie dabei fast eine Oma mit Dackel umgerannt hatte, konnte Nelly nicht einmal ein klitzekleines Schmunzeln entlocken.

»Es ist der Oberknaller und du wirst einfach nur happy sein«, versprach Kata, während sie neben Nelly aufs Bett plumpste. »Nelly, halt dich fest, wir drei werden nämlich am Donnerstag direkt nach der Schule Leo und seinen Vater an einen sehr coolen Set, wo wir den Superstars beim Drehen zusehen können, begleiten. Freitag ist ja zum Glück Feiertag. Wir haben also ein langes Wochenende.« Kata legte eine bedeutungsvolle Pause ein, in der Nelly sie nur ansah, wenig Freude, erst recht keine Euphorie im Blick, bevor sie jubelte: »Die Hauptrolle spielt übrigens Josh Foller! Na, Nelly, was sagst du? Ist das eine Kracherhammerwahnsinns-Nachricht?!«

Josh Foller. Wow. Trotz des Kummers wegen Showgirl, ein Wochenende lang Josh Foller beim Drehen zusehen dürfen, das war ohne Frage der absolute Jackpot.

Josh Foller hatte in den letzten drei, vier Jahren eine beachtliche Karriere als Jungschauspieler hingelegt. Nach seiner ersten Rolle als unsicherer Teenager, den er fast zwei Jahre in einer deutschen Daily-Drama-Serie gemimt hatte, war er inzwischen in diversen Kinofilmen neben absoluten Superstars zu sehen gewesen. Und nun spielte er die männliche Hauptrolle in einer Neuverfilmung des Klassikers Black Beauty.

Nelly war Fan, nein, Nelly war mehr, sie schwärmte total für den wahnsinnig gut aussehenden blondhaarigen Josh. Seine blauen Augen waren der Hammer. Und wenn er lächelte, dann hatte er diese unfassbar süßen Grübchen auf den Wangen.

»Und, Nelly, bist du begeistert oder bist du superbegeistert?«, wollte Kata grinsend von ihr erfahren.

Nelly schluckte schwer. Und wie begeistert sie war – wie verrückt. Nur, das änderte ja nichts an der Tatsache, dass sie auf gar keinen Fall mitfahren konnte. Und erst recht nichts an ihrem Frust. Im Gegenteil, der wurde dadurch nur noch schlimmer.

»Das wird bestimmt spannend für euch«, murmelte sie niedergeschlagen.

Kata riss die Augen auf. Dann umfasste sie Nellys Oberarme und zwang sie, ihr direkt ins Gesicht zu sehen. »Jetzt mal unter besten Freundinnen Klartext gesprochen. Das mit Showgirl ist richtig, richtig kacke. Es tut mir wahnsinnig leid, dass sie sich so schwer verletzt hat, und erst recht, dass deine Mutter meint, die Spritzentherapie käme aufgrund der hohen Kosten nicht infrage. Ich habe dir angeboten, meine Eltern wegen der Kohle zu fragen. Das hast du abgelehnt und ja, das verstehe ich sogar ein bisschen. Aber das bedeutet doch nicht, dass Showgirl verloren ist.«

Mila pflanzte sich auf Nellys andere Seite. »Genau, ich habe das nämlich auch so verstanden, dass die Spritzen die Heilung der kaputten Sehne beschleunigen, aber dass Showgirl auch ohne diese Hyaluronsäure-Injektionen wieder gesund wird. Nur, dass es eben etwas länger dauert.«

»So ist es«, übernahm nun wieder Kata das Wort. »Ich habe sogar mal gehört, dass die konventionelle Behandlung, nämlich einfach mal ein paar Monate auf die Weide oder aufs Paddock stellen, sogar langfristig die bessere Therapie sein soll.«

Nelly traten die Tränen in die Augen. »Ja, klar, ohne die Spritzen geht es auch. Aber es dauert eine halbe Ewigkeit. Showgirl ist nicht mehr die Jüngste. Wenn sie über Monate nicht trainiert werden kann, dann baut sie Muskulatur ab und bekommt Rückenprobleme und …«

»… und du siehst das Ganze einfach viel zu schwarz, Nelly«, schnitt Kata ihr das Wort ab. »Der Unfall hätte weitaus schlimmere Folgen haben können. Du hast dir lediglich einen großen blauen Fleck zugezogen und Showgirl sich diese Sehnenverletzung, als sie in der engen Kurve mit dem rechten Hinterbein umgeknickt ist. Was aber nicht bedeutet, dass sie eingeschläfert werden muss. Sieh es doch einfach auch mal positiv.«

Nelly schniefte. »Kann ich aber gerade nicht. Showgirl tut mir so leid. Und ich mache mir schreckliche Vorwürfe, weil ich einfach nicht besser aufgepasst habe.«

Tröstend schlang Mila von hinten die Arme um Nelly. »Ach Süße, nun weine doch nicht. Kata hat recht, alles hätte viel schlimmer sein können. Und du kannst absolut nichts dafür, dass Showgirl gescheut hat und dir durchgegangen ist.«

Kata tupfte Nelly mit dem Zeigefinger die Tränen von den Wangen. »Das passiert dem erfahrensten Reiter. Schließlich sind Pferde Fluchttiere, und auch wenn Showgirl sonst ein tiefenentspanntes Lamm ist, so was kann immer vorkommen. Denk mal daran, wie oft Fly mir schon im Gelände abgegangen ist.«

»Genau«, bestärkte Mila sie. »Und du hörst jetzt endlich auf, dir Sorgen oder gar Vorwürfe zu machen.«

Nelly holte tief Luft. Es war wirklich gut, zwei so tolle Freundinnen wir Kata und Mila zu haben. Vielleicht hatten sie auch irgendwie recht. »Karl hat gemeint, er würde Showgirl zu den beiden Rentnern der Casparons in die Offenstallanlage stellen, sobald der Tierarzt grünes Licht gibt. Dann kann sie selbst entscheiden, wie viel Bewegung gut für sie ist«, gestand sie ihren Freundinnen.

Der Stallmeister hatte Nelly erst vorgestern diesen Vorschlag gemacht und ihr dabei aufbauend die Schulter getätschelt. Doch Nelly konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sich ihre immerhin schon knapp zwanzigjährige Stute da wirklich erholen würde, und hatte deshalb noch niemandem davon erzählt.

»Das ist doch super«, fand Mila und auch Kata nickte begeistert.

Nelly zuckte unentschlossen mit den Schultern. »Ja, vielleicht hört sich das im ersten Moment so an. Nur … nur, Showgirl war noch niemals im Offenstall. Ich weiß überhaupt nicht, ob sie sich dort zurechtfindet. Sie hat ja dann keine eigene Box mehr und muss sich einen größeren Laufstall mit anderen Pferden teilen. Und wenn sie mit denen nicht klarkommt, dann steht sie womöglich immer draußen. Tag und Nacht, bei Wind, Regen, Schnee …«

Kata wischte Nellys Bedenken mit einer wegwerfenden Handbewegung zur Seite. »Unsinn, Nelly. Showgirl wird ihren neuen Stall lieben. Die Offenstallhaltung ist im Grunde genommen das Beste, was wir für unsere Pferde tun können. Wenn die Casparons mehr Plätze hätten, ich würde Fly sofort in den Offenstall stellen. Paddockbox und im Sommer den ganzen Tag Weide, im Winter mehrere Stunden in den großen Auslauf, das ist schon super. Showgirl wird sich ganz schnell eingewöhnen und happy sein. Wollen wir wetten?!«

Mila teilte Katas Meinung und redete der geknickten Nelly ebenfalls gut zu – und so ganz allmählich huschte tatsächlich so etwas Ähnliches wie ein Lächeln über Nellys Gesicht.

»Ausprobieren kann ich es ja mal …«, murmelte sie. »Zumal Karl auch meinte, dass die Casparons für den Platz im Offenstall etwas weniger Pacht verlangen. Das wäre natürlich super und würde meine Mutter bestimmt ein wenig besänftigen, weil die Tierarztrechnung auch ohne die Spritzentherapie ganz schön heftig ausgefallen ist.«

Kata und Mila nickten synchron.