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Mit wem Sie es hier
überhaupt zu tun haben

Mein Name ist Harald Lesch. Ich bin Astrophysiker. Das heißt, ich beschäftige mich professionell mit den Dingen im Himmel. Ich bin zugleich Professor für Naturphilosophie an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten in München. Und daran können Sie schon erkennen: Ich beschäftige mich auch mit dem Wesen des Himmels und mit Gott. Nun, was hat ein Astrophysiker mit Gott zu tun? Astrophysik ist zunächst einmal ein klares Handwerk, das man lernen kann. Dieses Handwerk heißt Physik. Das heißt, man lernt Werkzeuge kennen und man lernt, diese Werkzeuge zu benutzen. Die Physiker benutzen diese Werkzeuge, um herauszufinden, woraus die Welt besteht, wie die Dinge zusammenhängen und welche Prozesse diese Welt bestimmen. Die Physik tut das auf eine ganz einfache Art und Weise, indem sie nämlich sagt: In der Welt geht es mit rechten Dingen zu! Unsere menschliche Vernunft kann einen Teil dieser Welt erkennen. Und trotz all der triumphalen Erfolge der Physik in den letzten 500 Jahren bleibt immer und immer noch die große Frage, die auch immer bleiben wird: Was steckt eigentlich dahinter? War es ein Gott, der dieses Universum schuf? Oder ist das Universum am Anfang nur eine quantenmechanische Fluktuation eines Quantenschaums gewesen? Nun, in diesem Teil der Welt, im christlich geprägten Abendland, haben wir uns für eine Geistesrichtung entschieden, die sehr stark mit dem christlichen Hintergrund zu tun hat. Und zu diesem christlichen Hintergrund gehört ein bestimmtes Gottesbild. Und dieses Gottesbild ist teilweise sehr kompliziert. Ich will jetzt keine Theologievorlesung halten. Deswegen habe ich mir gedacht: Ich erläutere Ihnen einfach mal ganz privat – wir sind ja unter uns – wie meine Gottesvorstellung so ist, damit Sie schon mal wissen, mit wem Sie es zu tun haben. Wenn ich Ihnen nachher was vom Universum erkläre, können Sie immer denken: »Der Mann hat ja merkwürdige Vorstellungen von Gott.« Also, ich bin Protestant. Ja. Ja, damit müssen Sie jetzt klarkommen. Ich bin Protestant. Das heißt, ich gehöre dem protestantischen Glaubensbekenntnis an. Und da steht zum Beispiel: »Ich glaube an Gott den Herrn, den Vater und Schöpfer des Himmels und der Erde.« – »Was ist damit gemeint? Wie kann sich denn der als Physiker mit so einem Glaubensbekenntnis auseinandersetzen?«, fragen Sie bestimmt. Na, ich werde es Ihnen gleich sagen. Ich habe, um es auf den Punkt zu bringen, ein außerordentlich naives Gottesbild. Ich kann mit kosmischen Spiritualitäten, die irgendwo im Hintergrund des Alls herumwabern, nur wenig anfangen. Ich verlange von meinem Gott, dass er mir behilflich ist. Jetzt nicht behilflich in dem Sinne, dass er mir unter die Arme greift, aber dass er mir wenigstens den Wertebereich angibt, innerhalb dessen ich mich zu verhalten habe. Für mich ist ein Gott oder mein Gott einer, der ganz klare ethische Vorgaben liefert: Wie hat der Mensch sich in der Welt zu verhalten? Der Wertekanon, der dazu gehört, wird zum Bespiel in den Zehn Geboten angeliefert. Also, man sollte sich vernünftig verhalten. Das kommt aber erst im Nachhinein. Das werde ich Ihnen nachher noch erklären, wie unsere Vorstellungen von Gott tatsächlich auch mit unserer eigenen Entwicklung zusammenhängen. Also, mein Gottesbild ist ein außerordentlich naives, es ist sehr persönlich. Ein persönlicher Gott, das ist ein Gott, mit dem ich was anfangen kann. Also ein Gott, der quasi-menschliche Eigenschaften hat, denn nur dann, wenn sich Gott verhält, wie der Mensch es kennt oder wenigstens im Prinzip kennen würde, kann er mit diesem Gott was anfangen. Was soll ich mit einem Gott, der Eigenschaften besitzt, die mir in keiner Art und Weise irgendwie nahekommen können? Also, Sie sehen schon, ich bin ein ziemlicher Romantiker, wie fast alle Astrophysiker Romantiker sind. Was aber außerordentlich bemerkenswert ist, ist die Tatsache, dass es immer wieder in der Geistesgeschichte des Abendlandes Versuche gegeben hat, Gott anders zu definieren, als ich das jetzt getan habe. Also durch dieses Persönliche: Der ist mir nahe, weil er eine Person sein könnte mit persönlichen Eigenschaften. Nikolaus von Kues ist ein Philosoph des ausgehenden Mittelalters und der beginnenden Neuzeit, also 15. Jahrhundert. Der hat sich damals Gedanken gemacht über Gott und sagte: »Bei Gott müssen alle Widersprüche zusammenfallen!« Also das Allergrößte und das Allerkleinste müssen bei Gott quasi in einen Topf zusammengehen. Selbst der Satz vom Widerspruch – na, jetzt kommt der Philosoph durch, Entschuldigung … Der Satz vom Widerspruch lautet: Eine Aussage kann nicht zugleich wahr und falsch sein. Selbst dieser Satz vom Widerspruch, der könne bei Gott keine Gültigkeit haben. Und von Kues gilt damit als einer der Begründer der sogenannten negativen Theologie, die also versucht, Gott dadurch zu definieren, was er alles nicht ist. Das ist natürlich sehr geschickt, denn damit umgeht man praktisch alle Probleme der genauen Definition. Man sagt immer deutlicher und deutlicher, was alles nicht Gottes Eigenschaft sein kann. Alle Rede von Gott führt offenbar immer wieder in große Widersprüche – nicht zuletzt deshalb, weil Gott auch ein Begriff ist, den wir Menschen gemacht haben und der in vielen Religionen ganz unterschiedlich gedacht wird. Oft ist er mit der Natur gleichgesetzt, also ein Pantheismus mit dem Glauben, dass Gott in der Natur liegt. Auch damit könnte man sich prima abfinden, denn gerade wir Naturwissenschaftler sind ja auf der Suche nach etwas, das eigentlich gar nicht zu unserem Aufgabenbereich gehört, nämlich nach dem Wesen der Natur. Wir möchten wissen: Was steckt denn nun dahinter? Also nicht nur dieser Satz von Faust: »Was die Welt im Innersten zusammenhält«, ist unsere Aufgabe, sondern auch das, was dahintersteckt. Ist das, was wir in den Naturwissenschaften herausfinden, schon alles? Oder gibt es da noch ein großes Netzwerk von Sinnzusammenhängen, an die wir aber möglicherweise mit unseren Messgeräten überhaupt nicht rankommen? Na ja, also ich würde sagen, wir fangen mal an. Nachdem Sie jetzt wissen, mit wem Sie es zu tun haben, nämlich mit einem protestantischen Christen, der Physik und Philosophie betreibt, können wir jetzt, glaube ich, mit dem Beginn des Kosmos anfangen.

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Der Beginn des Kosmos