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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart

Impressum

Die Fallgeschichten in diesem Buch sind anonymisiert, verdichtet und modifiziert. Wir haben dafür Sorge getragen, die Identität unserer Klienten in den Geschichten gut zu schützen.

Wir wissen, dass es Unternehmerinnen und weibliche Führungskräfte gibt. Im Sinne einer verbesserten Lesbarkeit der Texte haben wir uns meist für die männliche Variante entschieden.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Print:ISBN: 978-3-7910-4417-0Bestell-Nr.: 10310-0001
ePDF:ISBN: 978-3-7910-4419-4Bestell-Nr.: 10310-0150
ePub:ISBN: 978-3-7910-4418-7Bestell-Nr.: 10310-0100

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Umschlagentwurf: Goldener Westen, Berlin
Umschlaggestaltung: Kienle gestaltet, Stuttgart
Satz: Claudia Wild, Konstanz

Februar 2019[2]

Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart
Ein Unternehmen der Haufe Group

Vorwort

Während man einen Konzern in gewisser Weise als einen Staat begreifen kann, der, strikt geführt von einer Zentrale, in vielfältigsten Verflechtungen seine Kultur bis in die letzte Peripherie weiterträgt, kann man sich mittelständische Unternehmen als Individuen vorstellen. Um ein Bild aus der Medizin zu wählen: Alle Menschen haben die gleiche Anatomie, die gleichen Organe und die gleiche Physiologie, und doch ist jeder Mensch absolut einzigartig. Will man dem einzelnen Menschen gerecht werden, ist es unabdingbar zu respektieren, dass er sich, bei aller Ähnlichkeit, von allen anderen Menschen unterscheidet. Das Gleiche gilt nach unserer Erfahrung für mittelständische Unternehmen. Sie unterscheiden sich alle fundamental in Bezug auf Größe, Reife, Kraft, Geschichte und Charakter.

Beim sogenannten Mittelstand handelt sich meist um kleine Einheiten, wie z. B. Handwerksbetriebe, er reicht aber hin bis zu Global Playern mit über tausend Mitarbeitern, die dann manchmal in gewisser Weise schon Konzerncharakter aufweisen.

Abgesehen davon unterscheiden sich mittelständische Unternehmen, ebenso wie Menschen, ganz erheblich bezüglich ihrer aktuellen Lebenssituation. Es macht einen großen Unterschied, ob ein Unternehmen in einem relativ sicheren Kontext, mit begehrten und damit gewinnbringenden Produkten existiert und entsprechend angstfrei blüht, oder aber ob eine Wandlungsphase ansteht, weil zum Beispiel der Markt für das Produkt eingebrochen ist.[3]

Ein weiterer sehr wichtiger Faktor ist die Biografie eines Unternehmens. Mittelständische Unternehmen sind oft über Generationen in der Hand einer oder mehrerer Gründerfamilien. Das hat unter anderem Konsequenzen für die Stabilität der Unternehmenskultur, die auch bei Generationswechseln häufig nur graduell verändert wird. Eine solche gewachsene Unternehmenskultur haben Start-ups naturgemäß nicht. Die einen entwickeln ihre Unternehmenskultur manchmal rasch als durchaus konstruktives Nebenprodukt einer innovativen Euphorie. Andere bedürfen zu deren Entwicklung einer erfahrenen Unterstützung.

Ein weiterer wesentlicher Faktor in der Biografie mittelständischer Unternehmen ergibt sich aber auch aus dem Umstand, dass diese oft verkauft werden, manche sogar mehrfach. Wenn ein Konzern zum Beispiel einen Zulieferbetrieb kauft, dann überträgt er auf dieses Tochterunternehmen in aller Regel die konzerneigene Unternehmenskultur. Das führt zu einer initialen Verunsicherung der Mitarbeiter, manchmal bis hin zur Auflehnung. Diese Konflikte ebben aber in der Regel angesichts der Stabilität der Konzernkultur mit der Zeit ab. In anderen Fällen, wenn zum Beispiel ein Unternehmen in eine Holding übernommen wird, kann es vorkommen, dass die Käufer die gegebene Unternehmenskultur als wertvoll erachten und erhalten wollen. In diesen Fällen bleibt zumindest auf Mitarbeiterebene vieles beim Alten. Wir hörten von Unternehmen, die schon fünf Mal verkauft wurden und deren Mitarbeiter sagen, dass es eigentlich ganz egal ist, wer Eigentümer ist. Oder es gibt Fälle, wo es seitens des neuen Eigentümers zu erheblichen kulturellen Veränderungen mit entsprechender Destabilisierung der Mitarbeiterschaft kommt. Die Konsequenz ist oft, dass viele Mitarbeiter kündigen. Dies kann den Verlust von Know-how-Trägern bedeuten, aber manchmal ergeben sich dadurch auch echte Verbesserungen. Auf alle Fälle kann gesagt werden, dass mittelständische Unternehmen nach ihrem Verkauf die individuelle Dynamik ihrer Gründerfamilie verlieren. Das kann Fluch und Segen sein. Ähnlich wie der Tod der Eltern bedeutet ein Eigentümerwechsel aber, selbst wenn die Kultur erhalten bleibt, zumindest eine vorübergehende Veränderung der Unternehmensatmosphäre, bei deren Bewältigung die Mitarbeiter sehr von entsprechenden Unterstützungsmaßnahmen profitieren.[4]

Kommen wir zurück zu unserer Analogie mit dem Körper. Wenn auch alle Menschen die gleichen Organe haben, ist deren Zusammenspiel doch oft sehr unterschiedlich: flüssig, gesund und kräftig oder eben auch blockiert bis hin zu krank. Manche Organe sind voller Kraft, andere unterernährt bis verkümmert. In ihren guten Phasen erscheinen mittelständische Unternehmen wie kraftvolle Individuen, die vor Gesundheit strotzen, die sich entwickeln und die von einer Blüte zur nächsten schreiten. Andere Unternehmen erscheinen verunsichert, blasser, manche sterbenskrank. Ähnlich wie in der Medizin gibt es „gesundheitsbewusste“ Unternehmer, die auch und gerade in den Phasen der Stärke über die Gesundheit ihres Systems wachen, in dem Wissen, wie wichtig es ist, besonders die guten Mitarbeiter zu behalten. Sie ergreifen Maßnahmen, um diese zu unterstützen. Viele wissen auch, dass Gesundheit auf Dauer nur möglich ist, wenn Wachstumsprozesse organisch verlaufen. Was zu schnell wächst, geht oft unter, weil die Umgebungsstruktur nicht in der Lage ist, es zu ernähren. Weise Unternehmer haben die Demut, ihre eigene Endlichkeit zu erkennen. Sie sind offen für das Wissen und die Visionen ihrer Mitarbeiter, ebenso wie für deren Ängste. Und sie überhören auch nicht die Hilferufe im System, wenn etwas schiefläuft. Diese Unternehmer sind außerdem bereit, ihren eigenen Erkenntnisstand stets zu hinterfragen, sich fachlich zu qualifizieren und nicht zuletzt auch dafür, ihre eigene Person zum Gegenstand der Analyse zu machen. Entsprechend arbeiten sie daran, sich menschlich weiterzuentwickeln. Letzteres ist eine der für alle Beteiligten schönsten Einsatzmöglichkeiten von Coaching.[5]

Das fängt an bei der Fürsorge für das seelische Wohlbefinden der Mitarbeiter. Sie werden dadurch ermutigt, sich selbst achtsamer in ihrem beruflichen Alltag zu bewegen. Wachsende Selbstfürsorge bedeutet bewussteren Umgang mit sich selbst und den eigenen Kraftressourcen. Hier öffnet sich ein weites Feld, dessen gemeinsamer Effekt darin besteht, dass es vermutlich keine effizientere Burn-out-Prophylaxe gibt als dieses. Bezogen auf die Mitarbeiterbindung kann festgestellt werden, dass derartig unterstützte Mitarbeiter spüren, dass ihr Unternehmen ihnen Achtsamkeit und Wertschätzung entgegenbringt. Sie fühlen sich respektiert und haben es daher leicht, sich mit ihrem Unternehmen zu identifizieren und somit ein positives und stabiles Bindungserleben aufzubauen. Dieses wird umso ausgeprägter sein, je stärker neben der psychosozialen Gesundheitsvorsorge auch noch die Weiterentwicklung des Einzelnen in Bezug auf Fachlichkeit und Karriere Beachtung findet. Mitarbeiter, die sich diesbezüglich unterstützt fühlen, übertragen diese erlebte Achtsamkeit für ihre Person meist reibungslos auf ihre Kollegen, sodass eine freundschaftliche und tatkräftige gegenseitige Unterstützung entsteht. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die Effektivität der Arbeit, insbesondere aber auch für Tragfähigkeit und Belastbarkeit zu Zeiten von Arbeitsspitzen.[6]

Derartige Maßnahmen gehören in Konzernen teilweise schon seit Jahrzehnten zum selbstverständlichen Angebot für ihre Mitarbeiter. Viele mittelständische Unternehmen dagegen fokussieren ihre Personalentwicklungsmaßnahmen noch stark auf Skill-Trainings, die oft an der konkreten Psychodynamik der Mitarbeiter vorbeigehen und daher häufig ergebnislos verlaufen. In kleinen Unternehmen wie Handwerksbetrieben und zum Beispiel Anwaltskanzleien mag das auch angehen, weil, ein positives Betriebsklima vorausgesetzt, der tägliche persönliche und empathische Umgang miteinander ausreichend sein kann, damit jeder Einzelne Achtsamkeit und Wertschätzung erlebt und seinen Arbeitsplatz als wichtige Ressource empfindet, die ihm Sinn und persönliche Befriedigung bietet. In solch kleinen Unternehmen hat Coaching in aller Regel nur die Bedeutung von Teamentwicklung und Konfliktmanagement. Spätestens ab einer Unternehmensgröße von circa 50 Mitarbeitern besteht eine hochkomplexe, oft konfliktträchtige Interaktion zwischen unterschiedlichen, oft hierarchisch aufeinander bezogenen Subkulturen. Jede dieser Subkulturen hat ein eigenes Selbstverständnis und, was oft übersehen wird, eine eigene Sprache. Es ist für viele Führungskräfte eine große Herausforderung, diese Sprachen zu beherrschen. Ist dies nicht der Fall, drohen auf beiden Seiten Ratlosigkeit bis hin zur Entfremdung.[7]

In der ersten Generation stellt sich in vielen Unternehmen gar nicht die Frage, ob Coaching eine sinnvolle Ergänzung sein könnte, weil die oft charismatischen Unternehmensgründer Kraft ihrer eigenen Macht und Persönlichkeit ihre Mitarbeiter binden, faszinieren und daher im Interesse des Unternehmens führen können. Hier hat sich in den letzten Jahren viel getan, in der Weise, dass auch junge Unternehmer von vornherein beim Aufbau ihres Unternehmens professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen.

Nicht nur mittelständische Unternehmen sind in dem hier geschilderten Sinne Individuen, sondern auch und ganz besonders deren Führungskräfte. Diese müssen fast immer in die Herausforderungen, die als Unternehmer auf sie zukommen, hineinwachsen. Dabei sind sie sehr viel stärker als Mitarbeiter von Konzernen auf sich selbst angewiesen. Führungskräfte in Konzernen werden oft über längere Zeit in Entwicklungskreisen individuell und kompetent auf ihre Aufgaben vorbereitet und erst dann in eine hierarchische Position befördert, wenn sie dazu nach Einschätzung der Leiter dieser Kreise fachlich und menschlich qualifiziert sind. Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen dagegen treten ihre Rollen oft deutlich weniger vorbereitet an, was bei manchen zu heftigen persönlichen oder auch für das Unternehmen negativen Komplikationen führt.[8]

Gerade diese meist jungen Manager stellen oft fest, wie sehr sie sich weiterentwickeln, indem sie analoge Maßnahmen, wie oben für die Mitarbeiter geschildert, für sich selbst ergreifen.

Offen zu werden für die eigene emotionale Wahrheit und kompetenter zu werden im Erkennen der eigenen Grenzen und Ressourcen ist eine wesentliche Voraussetzung, speziell auch um notwendige Wandlungsphasen im Unternehmen souverän und kraftvoll ertragen und tragen zu können. Genauso gilt, dass, in Phasen der Stärke viel leichter als in Krisenzeiten, das Miteinander der Mitarbeiter und der interdisziplinären Substrukturen unterstützt werden kann. Je gesünder ein Unternehmen ist, desto freudiger sind die Einzelnen bereit, ihr kreatives Potenzial auch auf Gruppenebene einzubringen, was solche Teams in ihrer Kohärenz sehr stärkt und eine Bereitschaft erzeugt, auch mit anderen Teams und interdisziplinär interessiert, achtsam und hilfsbereit zusammenzuarbeiten.[9]

Dieser ganze Bereich prophylaktischer Personal- und Organisationsentwicklungsmaßnahmen bestätigt auf Unternehmensebene den alten Satz von Sebastian Kneipp: „Wer in guten Zeiten nicht bereit ist, täglich ein wenig für seine Gesundheit zu tun, wird in schlechten Zeiten jeden Tag viel für seine Krankheiten tun müssen.“

Es ist erfreulich, dass in den letzten Jahren, vielleicht auch unter dem Druck des immer spürbarer werdenden Fachkräftemangels und der immer bewusster erkannten Notwendigkeit zur Mitarbeiterbindung, die Bereitschaft vieler mittelständischer Unternehmen gestiegen ist, solche vorsorglichen Coaching-Maßnahmen zu implementieren.

Häufig ist es natürlich so, dass diese Vorbeugung vernachlässigt wird, oft aus verständlichen finanziellen Nöten heraus, sodass erst der Leidensdruck durch mehr oder minder heftige Störungen im Unternehmen ins Bewusstsein ruft, dass ein komplexes System wie ein mittelständisches Unternehmen ähnlich einer Maschine regelmäßiger Wartung bedarf. Das Funktionieren der Substrukturen muss regelmäßig überprüft werden. Kleinere Funktionsstörungen können dabei oft nahezu mühelos mit endlichem Aufwand behoben werden. Um bei der Medizin-Metapher zu bleiben: Es ist sinnvoll, alle ein bis zwei Jahre einen organisationalen Gesundheitscheck zu machen. Nur so kann man sicher sein, dass ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist.

Einer der häufigsten Gründe, weshalb sich die Eigentümer oder die Personalverantwortlichen mittelständischer Unternehmen auf die Suche nach einem Coach begeben, ist jedoch der, dass es an irgendeiner Stelle im Unternehmen eine gravierendere Störung, wenn man so will, eine Krankheit gibt. Auch hier lässt sich wieder ein Vergleich mit dem Organismus ziehen. Es gibt Krankheiten, die relativ leicht zu behandeln sind. Ein paar wenige systemische oder auch kognitive Interventionen reichen aus, und der Sand im Getriebe ist fortgespült. Leider ist es häufig aber so, dass krankhafte Symptome Ausdruck einer schon lange stattfindenden Entwicklung sind, die nicht von heute auf morgen zu verändern ist. Hier braucht es oft längerfristige strukturelle Interventionen mit entsprechender externer Begleitung. Da alle Unternehmen im Wesentlichen und zuvorderst aus Menschen bestehen, sind Wandlungen in deren Bezügen zueinander fast immer die Sollbruchstelle für potenzielle Krisen, manchmal für Fehlentwicklungen bis hin zu Katastrophen.[10]

Die vermutlich häufigste Ursache für eine Krise im Unternehmen stellt, neben mangelnder Innovationskraft und betriebswirtschaftlichen Fehlentscheidungen, der Generationswechsel oder der Eintritt von Familienmitgliedern ins Unternehmen dar. Im besten Fall ist der Generationswechsel ein von Respekt und Achtsamkeit getragenes Ritual mit oft initiatischem Charakter. Oft ist es aber so, dass die Alten nicht gehen wollen oder den Jungen der Mut fehlt, die Position einzunehmen, die ihnen als der nunmehr signifikanten Generation zusteht. Häufig sind mittelständische Unternehmen in den Händen mehrerer Familienstämme, sodass im Umfeld von Führungswechseln ausgeprägte Stammesfehden die Existenz des Unternehmens schlimmstenfalls für alle gefährden können.[11]

Wenn wir weiter in der Analogie zur Medizin bleiben, wird vielleicht verständlich, weshalb es sinnvoll sein kann, bei bestimmten Fragestellungen in mittelständischen Unternehmen einen Coach zu beauftragen, der sich auf den Umgang mit diesen besonderen Systemen spezialisiert hat. In der Medizin ist es so, dass der Allgemeinmediziner eine Fülle von Krankheiten behandeln kann. Eine wichtige Funktion besteht aber darin, für seine Patienten der Lotse zu den Fachspezialisten zu sein. Bezüglich des Generationswechsels hieße dies, dass es sehr sinnvoll erscheint, einen Begleiter zu haben, der dies schon in mehreren ähnlich gelagerten Fällen erlebt hat, der die speziellen Fallgruben, die einer Familie zum Verhängnis werden können, kennt und achtsam um sie herumführen kann. Er sollte das spezielle, psychodynamische Wissen bereithalten, ebenso wie seine eigene integrative Kraft, um die in solchen Fällen immer vorhandenen Interessenskonflikte zwischen verschiedenen Gruppen unparteiisch und doch konfrontativ miteinander versöhnen zu können. Hier handelt es sich um eine der häufigsten Fragestellungen für Coaching in familiengeführten mittelständischen Unternehmen.

Eine der großen Stärken solcher Unternehmen, leider auch eines der großen Risiken, besteht darin, dass wesentliche Entscheidungen untrennbar mit der Person des Eigentümers (oder des Repräsentanten der Eigentümerfamilien oder dem Gesellschafter) verknüpft sind. Der Eigentümer ist also immer persönlich involviert. Floriert das Unternehmen oder ist es ihm gelungen, es aus einer schwierigen Phase herauszuführen, ist er der strahlende Held. Trifft er eine Fehlentscheidung, ist er für jedermann sichtbar in seinem Versagen und selbst als Person der oft gnadenlosen Kritik seiner Belegschaft und der Öffentlichkeit ausgeliefert.[12]

In dieser Gemengelage, die in diesem Buch in unterschiedlichen Facetten mit einer Fülle potenzieller Unterstützungsmaßnahmen beleuchtet wird, ist es menschlich nur zu verständlich, dass Unternehmer oft ratlos sind, sich manchmal hilflos fühlen. Dabei entstehen heftige Selbstzweifel bis hin zu der Idee, die Rolle als Unternehmer durch Verkauf hinter sich zu lassen. Gespräche mit Kollegen und Freunden führen oft in die Irre, weil nicht selten die Frage aufkommt: Wie vertrauenswürdig ist der andere? Gerade Freunde neigen dazu, zu ermutigen und damit eventuell die Augen vor dem eigentlich ernsten Problem zu verschließen.

In sehr vielen Fällen ist es wichtig, sich selbst Zeit einzuräumen und darauf zu achten, vorschnelle Entscheidungen zu vermeiden, um einen wirklich guten Weg zu finden. Nicht selten ist es auch nötig, blitzschnell eine Chance oder auch eine Gefahr zu erkennen und entsprechend zu entscheiden. Gerade diese Situationen konfrontieren die Entscheider mit dem gesamten Spektrum ihrer Ambivalenz. Manche tragen diese Verantwortung souverän, andere fühlen sich überfordert, entwickeln Ängste und Zweifel und wünschen sich einen Verbündeten, mit dem sie sich angstfrei und schnell austauschen können.[13]

Erfreulicherweise hat sich bei ganz vielen Unternehmern in den letzten zwei Jahrzehnten die Schwelle, professionelle Hilfe und Beratung in Anspruch zu nehmen, deutlich gesenkt.

Im vorliegenden Buch werden eine Reihe von Coaches, die sich auf die Beratung von mittelständischen Unternehmen spezialisiert haben, ihre jeweilige Sichtweise zu konkreten Fragestellungen schildern und Einblick in ihre Verfahren geben. Alle Coaches sind Mitglieder im Fachausschuss Mittelstand des Deutschen Bundesverbandes Coaching e. V. (DBVC). Diese Feldkompetenz versetzt sie in die Lage, unabhängig von ihren Coaching-Verfahren, mit mittelständischen Unternehmern sachlich auf Augenhöhe zu arbeiten. Jeder, der einmal die Hilfe eines Coaches in Anspruch genommen hat, macht die Erfahrung, wie wesentlich es ist, ob die Themen, die im Coaching bearbeitet werden sollen, im Erfahrungsbereich des Coaches abgebildet sind.

Im Verlauf des Buches wird deutlich werden, dass sich die Methoden, die die Autoren beschreiben, hinsichtlich ihrer Wirkungen, der erwartbaren Effekte, aber auch der Grenzen der Verfahren unterscheiden. Das Buch soll somit vermitteln, dass es verschiedene Methoden gibt, ein Problem anzugehen, und dabei helfen, den für die entsprechende Fragstellung am besten geeigneten Weg für das Unternehmen zu finden. Aus unserer Sicht kann jedes der geschilderten Verfahren in den meisten Situationen bestens geeignet sein, Entwicklungsprozesse in Unternehmen kurzfristig enorm zu unterstützen. Selbstverständlich wissen wir aber auch, dass kein Verfahren die Antwort auf alles ist.[14]

Wir haben die dreizehn Beiträge der Autoren inhaltlich in drei thematische Teile zusammengefasst, wobei kein Teil als vollständige Abhandlung konzipiert ist.

Im ersten Teil, den Kapiteln eins bis drei, geht es um eine Einführung in allgemeine Grundlagen des Coachings im Mittelstand, von den Besonderheiten, über Analyse von Bedarf oder Einsatzfeldern, bis hin zur wirtschaftlichen Betrachtung. Im zweiten Teil, den Kapiteln vier bis zwölf des Buches, beschäftigen sich die Autoren mit konkreten Anwendungsfeldern und praktischen Beispielen. Es sind die Coaching Klassiker im Mittelstand wie Generationswechsel, Mitarbeiterbindung, Führung, Krisenintervention, Persönliches Coaching, Teambegleitung bis hin zu strategischer Ausrichtung. Im Schlussteil, Kapitel dreizehn, werden Coaching-Prozesse unter dem Fokus der Vitalität des einzelnen Mitarbeiters und des Unternehmens nochmals tiefer betrachtet.

Während im Teil zwei dem Leser eher in einer Art Buffetstruktur angeboten wird seine Themen zu finden, empfehlen wir dennoch, das Buch von vorn nach hinten zu lesen, dies insbesondere für Leser, die sich über die Wirkungsweise von Coaching tiefer orientieren möchten.

Lassen Sie uns im Folgenden einen kurzen Überblick gewinnen, was Sie in den einzelnen Kapiteln inhaltlich erwartet:[15]

Das 1. Kapitel widmet sich ganz allgemein der Frage, was Coaching speziell im Mittelstand ist. Hierfür geben Wolfgang Krahé und Heinz-Jürgen Weigt einen generellen Überblick darüber, welche existenziellen Ebenen Coaching bei der Arbeit in mittelständischen Unternehmen berührt.

Als Beispiel zur Analyse und Bewältigung von Problemen und Konflikten werden die Autoren im 2. Kapitel das Bridging-Verfahren vorstellen, das als systemisch/analytischer Ansatz in ihrer Arbeit zur Anwendung kommt.

Anschließend wird im 3. Kapitel diskutiert, ob sich Coaching für ein mittelständisches Unternehmen überhaupt rechnet. Anhand einer Fallstudie weist Wolfgang Filbert sehr anschaulich nach, dass Coaching-Maßnahmen für mittelständische Unternehmen überschaubare Kosten mit sich bringen und unmittelbar wirksam sind. Sie verändern die gesamte Führungskultur und stärken die Verbundenheit der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und ihre Motivation. Beispielsweise werden Krankenfehltage deutlich seltener, die Produktionsqualität steigt und Zahlungseingänge werden beschleunigt. In dem Praxisbeispiel wurde bei einem Einsatz von 21.000 € ein Mehrwert von über 100.000 € für das Unternehmen erwirtschaftet. Hier sei auch erwähnt, dass gerade Kleinunternehmen wie Handwerksbetriebe die Coaching-Kosten durch öffentliche Fördergelder deutlich vermindern können.

Im 4. Kapitel schildert Birgitta Fildhaut verschiedene Coaching-Ansätze. Insbesondere zeigt sie auf, dass die Lösung vordergründiger Konflikte manchmal in der Erkenntnis der dahinterliegenden, auch psychodynamischen Zusammenhänge liegt. Hierhin gehört auch der beschriebene Vater-Sohn-Konflikt, den ein Jungunternehmer überwinden musste, indem er wagte, aus dem Schatten des Vaters herauszutreten, um dann als eigenständige Persönlichkeit erfolgreich zu sein. Die Vielschichtigkeit von Coaching verdeutlicht Fildhaut[16] noch an einem dritten Beispiel: ein Unternehmer im Vorfeld der Unternehmensübergabe, der schließlich einen Modus findet, um die Nachfolge durch Umwandlung in eine GmbH zu erleichtern.

Sehr berührend und aufschlussreich ist die Schilderung von Britta Reinhardt im 5. Kapitel über ihre Erfahrungen als Unternehmer-Tochter und die Auswirkungen auf die Geschicke des Unternehmens. Ganz sicher wird dieser Aufsatz bei vielen Lesern Assoziationen zu ihrem eigenen Leben zum Klingen bringen. In sehr vielen Unternehmerfamilien spielt das Unternehmen für die Kinder schon in jüngsten Jahren eine große Rolle als Identitätsgeber. So, wie es hier geschildert wird, toben sich im Umfeld dieser Schwellensituationen alle möglichen psychodynamischen Konflikte um Auflehnung, Konkurrenz und Unterwerfung aus.

Im 6. Kapitel schließt sich Gudrun Happich mit dem Thema Mitarbeiterbindung an – einem Anliegen, das angesichts eines Arbeitsmarktes, der leergefegt von kompetenten Fachkräften ist, gerade in mittelständischen Unternehmen existenzielle Bedeutung hat.[17]

Im 7. Kapitel, stellt Gudrun Happich die aktuellen Transformationsprozesse des Führungsverhaltens im Mittelstand angesichts einer sich rasant verändernden Arbeitswelt sehr konkret dar. Hier geht es nicht zuletzt um den Abbau hierarchischer Strukturen und den Verzicht auf Weisung und Kontrolle. Die Beziehung zwischen Mitarbeitern und Führung spielt dabei eine bedeutende Rolle. Entsprechend geht es um Wertschätzung, Achtsamkeit und Eigenverantwortung. Anhand eines eindrücklichen Beispiels schildert die Autorin einen Unternehmer, der lernt, Kontrolle abzugeben und die Rolle einzunehmen, die für ihn authentisch ist.

Das Thema Wertschätzung und Mitarbeiterbeteiligung führt Cornelia Seewald im 8. Kapitel weiter aus. Anhand einer ganzen Reihe von Beispielen schildert sie, welche umfassenden Konsequenzen sich ergeben können, wenn Mitarbeiter gut begleitet werden und Förderung erfahren. So entsteht das Potenzial für Wachstum und Motivation. Widrigenfalls gehen wertvolle Mitarbeiter verloren. Die Autorin gibt einige sehr konkrete Empfehlungen, wie Mitarbeiter gut gefördert und im positiven Sinne an das Unternehmen gebunden werden können, dabei punktet der Mittelstand mit Beteiligungs- und Wertschätzungskultur.

Birgitta Fildhaut schildert im 9. Kapitel anhand eines ausführlichen Beispiels die Konfliktsituation zweier Frauen, die beide so lange unter ihrer Situation leiden, bis die zugrunde liegenden psychodynamischen Konfliktfelder den beiden bewusst werden und dadurch ein realer Prozess der Konfliktklärung und damit -lösung möglich wird. Das erzwungene Fortbestehen von Konflikten ist mittelfristig eine der häufigsten und auch gravierendsten Ursachen für Burn-out. Es muss immer mitbedacht werden, dass hinter dem äußerlich Sichtbaren ein deutlich mächtigeres Thema verborgen sein kann.[18]

Im 10. Kapitel beschreibt Jasmin Messerschmidt anhand von konkreten Beispielen mit Geschäftsführern und Führungskräften von kleinen und mittleren Unternehmen, wie es über professionell gestaltete Coaching-Prozesse gelingt, den tatsächlichen Beratungsbedarf zu erfassen und wirksam an den eigentlichen, tiefergehenden Ursachen von Unzufriedenheit und Führungsschwierigkeiten zu arbeiten. Insbesondere zeigt sie auf, wie die Arbeit mit Bildern, die „Kommunikation“ zwischen Verstand und Gefühl bzw. Kopf und Bauch in Gang bringt und so unbewusste Wertvorstellungen und Handlungsgrundsätze ins Coaching einbezogen werden können.

Ein ebenfalls sehr persönliches Thema von Unternehmern und Führungskräften beschreibt Gudrun Happich im 11. Kapitel über Klarheit und Positionierung. Es geht darum, die eigene Unsicherheit, Unklarheit und Unzufriedenheit erfolgreich dadurch zu überwinden, indem die eigene, persönliche Überzeugung geschärft wird und somit in die Lage zu kommen, sich auch nach außen hin klar zu positionieren. Sie schildert dies am Beispiel eines Sohnes, der als Nachfolger des Vaters scheinbar freie Hand erhielt, dabei jedoch den Anspruch spürte, alles so zu machen, wie der Vater es getan hätte. Dieser Fall zeigt deutlich, dass die wesentliche Aufgabe des Coaches darin besteht, die oft vordergründig verwirrende Vielfalt menschlich zu tragen und diese gemeinsam mit dem Klienten achtsam und ohne Besserwisserei zu integrieren.[19]

Gerade letztere Geschichte macht noch einmal deutlich, wie sehr Unternehmerpersönlichkeiten in vielen Lebenssituationen geradezu dazu gezwungen sind, sich persönlich und menschlich permanent weiterzuentwickeln. Vieles, was auf den ersten Blick wie ein unüberwindliches Hindernis erscheint, bedeutet im Kern lediglich, dass man sich einer Entwicklung stellen muss, die auf eine nächsthöhere Stufe führt. Im Beitrag konkret die Weiterentwicklung vom Sohn zum (Geschäfts-)Mann.

Und dies ist nur eines von zahllosen Beispielen für Lebensschwellen eines Unternehmers oder einer Führungskraft, angefangen von der Entscheidung, überhaupt die Führungsrolle im Unternehmen zu übernehmen, über ein ganzes Leben verschiedener Wandlungs-, Krisen- und Innovationsschwellen hinweg, bis schließlich der eigene Ausstieg, bei aller Trauer, im Dienste des eigenen Selbst, aber auch im Dienste des Unternehmens erforderlich ist. Fast alle Schwellen lassen sich mit entsprechenden Schwellenhelfern müheloser und für alle Beteiligten konstruktiver bewältigen.

Im 12. Kapitel beschreiben Wolfgang Filbert und Friederike Höher die enorme Bedeutung von Resilienz, also der individuellen und kollektiven Überlebensfähigkeit in Unternehmen. Dieser wesentliche Aspekt wird wegweisend in deren Coaching-Verfahren, das sich der Integration der drei Aspekte P[20]erson, Resilienz und Organisation widmet und entsprechend PRO Coaching benannt ist. Auch in diesem Ansatz wird deutlich, wie wesentlich eine wertschätzende und respektvolle Unternehmenskultur, die geprägt ist von Empathie, erlebter Selbstwirksamkeit und Sinnerfahrung, für die Gesundheit, die Identifikation und die Motivation der Mitarbeiter ist. Dies bedeutet eine neue Führungskultur, bei deren Entwicklung vor allem die Führungskräfte aber auch die Belegschaft auf allen Ebenen kompetent mit angemessenen Coaching-Methoden begleitet werden sollten.

Im Schlusskapitel betrachten Wolfgang Krahé und Heinz-Jürgen Weigt die Coaching-Prozesse unter dem Blickwinkel der Vitalität. Hier wird deutlich, dass alle Coaching-Verfahren letztendlich dazu dienen, blockierte Energie bei Klienten und deren Unternehmen freizusetzen. Sie schildern anschaulich, auf welchen Ebenen und Brücken diese Energie fließt oder eben blockiert ist, sodass Sie als Leser schon ein Gefühl für Ihren eigenen Kontext bekommen können.

Wir hoffen, wir haben Sie jetzt neugierig gemacht auf dieses Buch. Lassen Sie sich von den einzelnen Beiträgen inspirieren und, wenn möglich, nehmen Sie sich die Zeit darüber nachzudenken, wie weit die geschilderten Themen sich auch in Ihrem Leben abbilden und was Sie aus den Lösungswegen, die geschildert werden, für Ihr eigenes Leben und Ihre Karriere ableiten können.

Erlauben Sie noch eine kurze Bemerkung: Die meisten geschilderten Prozesse sind typisch, aber keineswegs spezifisch für mittelständische Unternehmen. Jeder einzelne Mitarbeiter eines Unternehmens, vom Eigentümer bis zum Boten, befindet sich auf seinem ganz persönlichen Entwicklungsweg. Die beschriebenen Situationen und Konflikte inszenieren sich in jedem dieser Leben in den unterschiedlichsten Kontexten, aber von der Substanz her immer gleich.[21]

Eine der wertvollsten Früchte im Reifungsprozess eines gelebten Lebens ist die Empathie. Sie zeigt sich unter anderem darin, dass man immer präziser lernt, eigene Konflikte auch im Leben anderer wiederzuerkennen. Dies führt zwingend dazu, dass es leichter fällt, den anderen, meinen Mitarbeitern, meinen Kunden, meinen Chefs und ganz besonders meinen Freunden und Partnern achtsam und respektvoll zu begegnen.

Genau jene Empathie ist es, deren Stärkung und Differenzierung im Kern das Ziel aller Coaching-Maßnahmen ist. Empathie hilft Führungskräften dabei, sich zu orientieren und achtsam zu sein. Auf der kollegialen Ebene ist sie die Grundvoraussetzung für funktionierende Teamarbeit. Sie ist eine der wesentlichen Eigenschaften erfolgreicher Verkäufer, und Marketing lebt davon, mit Empathie die Entwicklungen relevanter Märkte zu erahnen.

 

Dr. Wolfgang Krahé und Heinz-Jürgen Weigt

Teil 1: Einführung

Teil 1: Einführung

Wer ein mittelständisches Unternehmen besitzt, beziehungsweise verantwortlich darin tätig ist, dem dürften die aktuellen Definitionen mittelständischer Unternehmen ebenso vertraut sein wie deren statistischer Anteil an der gesamten Unternehmenslandschaft und deren enormer Beitrag für Arbeitsplätze und zum Bruttosozialprodukt. Wir wollen dies hier nicht wiederholen und lieber unsere Überzeugung bekunden, dass jedes mittelständische Unternehmen vor allem einzigartig ist und deshalb keine Definition duldet, die es abstrahiert. Hinzu kommt, dass die Definitionen mittelständischer Unternehmen außerordentlich vielfältig sind, angefangen bei der Mitarbeiterzahl bis hin zu den Umsätzen und der Art der Produkte.[22]

 

 

 

Wir wollen uns auch nicht mit einer neuerlichen Aufzählung von Coaching-Ansätzen aufhalten. Dafür gibt es multiple Lehrbücher, zum Beispiel das von Christopher Rauen1. Tatsache ist, dass praktisch aus jeder therapeutischen Schule auch eine Coaching-Variante abgeleitet wurde. Entsprechend variiert die Theorienbildung hinter den einzelnen Coaching-Verfahren zwischen einem psychoanalytischen Pol auf der einen Seite und einem lerntheoretischen auf der anderen Seite. Dazwischen leuchten die anderen Spektralfarben, insbesondere die humanistische Psychologie und die Hypnotherapie. Jede dieser Schulen nimmt für sich zudem den aktuell sehr beliebten systemischen Ansatz in Anspruch. Hinzu kommt, dass der berufliche Hintergrund der Coaches außerordentlich heterogen ist. Ärzte und Psychologen haben sich von der Psychotherapie herkommend in die Coaching-Welt eingearbeitet und verfügen über mehr oder minder profunde Kenntnisse in Bezug auf die Geschäftswelt. Den anderen Pol bilden Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und so fort, die aus der Personalarbeit kommend sich Kenntnisse in Bezug auf psychodynamische und psychotherapeutische Themen erarbeitet haben. Naturgemäß reklamiert praktisch jede dieser Gruppierungen den Anspruch, eine umfassende Lösung gefunden zu haben, was nie der Fall ist.[23]

Wahrscheinlich ist das einzig Wesentliche in Bezug auf Coaching der Umstand, dass hier das Gleiche gilt wie auch für die Psychotherapie: Je erfahrener Coaches sind, die miteinander verglichen werden, desto mehr ähnelt sich ihr Vorgehen aneinander an und desto stärker verschwinden die Unterschiede zwischen den Schulen.

Umgekehrt ist es häufig so, dass gerade junge Coaches aufgrund der fehlenden Erfahrung besonders auf das Handwerkszeug ihrer Methoden angewiesen sind. Das soll jetzt keine Entwertung der Anfänger sein. Es ist absolut legitim, die Reise in die Coaching-Welt mit Tools abzusichern. Ein guter Coach ist und bleibt auch immer unsicher angesichts der Komplexität seiner Tätigkeit.

Coaching lässt sich genauso wenig abstrahieren wie mittelständische Unternehmen. Alle bekannten Definitionen sind unvollständig.

Alles, was zählt, ist die Begegnung zwischen einem konkreten, individuellen und einzigartigen mittelständischen Unternehmer beziehungsweise einem Mitarbeiter in einem solchen Unternehmen und dem ebenso ganz speziellen Coach, der seine Lebenserfahrung, seine berufliche Kompetenz und seine spezifische Biografie auf dem Weg zum Coach in seine Arbeit einbringt. Wesentlich ist, ob sie angesichts dieser Individualität spürbar miteinander in Resonanz treten können und das persönliche Angebot dieses speziellen Coaches in diesem speziellen Unternehmen also sinnvoll, vertrauenswürdig und erfolgversprechend erscheint.[24]

1Rauen, Christopher: Coaching. 3. Aufl., Göttingen 2014.