Über Antje Szillat

© privat

Antje Szillat ist freie Autorin und hat zahlreiche Bücher für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene veröffentlicht. Sie ist selbst seit ihrer Kindheit eine versierte Reiterin und verbringt wie ihre Protagonistinnen viel Zeit mit ihren vier Pferden. Auch ihre Töchter sind mit Pferden groß geworden. Antje Szillat begleitet sie regelmäßig zu zahlreichen Turnieren.

Über das Buch

Einsatz für die drei Pferdefreundinnen!

 

Mila, Kata und Nelly verbringen jede freie Minute auf dem Gestüt Casparon bei ihren geliebten Pferden. Als dort über Nacht dreißig wertvolle Sättel aus der Sattelkammer verschwinden, ohne dass es erkennbare Einbruchspuren gibt, ist die Aufregung groß. Kata, die sich eigentlich auf das anstehende Turnier vorbereiten sollte, geht bald einer heißen Spur am Set nach. Doch ausgerechnet Leo, für den sie schon so lange schwärmt, stellt sich Kata und den Freundinnen in den Weg …

Impressum

Originalausgabe

© 2018 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Umschlaggestaltung: Carolin Liepins

 

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

eBook-Herstellung im Verlag (01)

 

eBook ISBN 978-3-423-43455-3 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-76226-7

 

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Website www.dtv.de/ebooks

ISBN (epub) 9783423434553







Für Rosé de la Sol – du Schönste von allen!
Deine Gangarten sind eine Augenweide – du bewegst dich
frei und leicht, fast schwebend.

LoveRosi

Prolog

 

Der braune Wallach hob die Nase aus dem Heu und spitzte die Ohren. Mit geblähten Nüstern machte er einen Schritt nach vorne und streckte den Kopf zur Stallgasse hinaus.

Im Hauptstall war es dunkel. Und auf den ersten Blick auch ruhig und friedlich. Hier war das gleichmäßige Heumalmen eines Pferdes zu hören, dort das entspannte Schnauben eines anderen, etwas weiter hinten das Klackern der Wassertränke. Doch in den meisten der geräumigen Boxen des Gestüts Casparon lagen die Pferde schlafend im Stroh oder dösten im Stehen.

Nur das empfindsame Gehör des Braunen hatte etwas wahrgenommen. Ein Geräusch, das ihn nun erneut aufhorchen ließ, ihn irgendwie zu beunruhigen schien, weil es nicht hierherpasste. Nicht um diese Uhrzeit, nicht mitten in der Nacht.

Motorgeräusche, die sich dem Gestüt von der Waldseite her näherten. Dann, unweit vom Hauptstall entfernt, das leise Zuschlagen einer Autotür. Kurz darauf fiel eine zweite mit einem dumpfen Klacken ins Schloss. Dann herrschte wieder Stille. Unheimliche Stille.

Noch einmal schnaubte der Wallach, während er sich in seiner Box umwandte. Im nächsten Moment streckte er seinen schönen Kopf zum Stallfenster hinaus und prustete. Die Luft war frisch und klar, doch in ihr lag bereits die Ankündigung eines heißen Spätsommertags.

Ein Schatten huschte von hinten am Hauptstall vorbei. Rascheln. Leise geflüsterte Worte. Die Ohren des Wallachs gingen vor und zurück, verrieten, wie angespannt er war. Als ahnte er die Gefahr, die sich im Schutz der nächtlichen Schwärze dem Stall näherte.

Das leise Surren einer Bohrmaschine erklang und nun begann das Tier so heftig mit dem Vorderhuf zu scharren, dass es das Stroh zur Seite fegte und mit dem Eisen über den Betonboden ratschte. Der Wallach wieherte laut.

»Verdammt«, fluchte eine dunkle Stimme. »Der blöde Gaul macht noch alle wach und versaut uns die ganze Tour.«

Gleichzeitig wurde das Boxenfenster des Pferdes von außen so abrupt zugedrückt, dass das Tier einen erschrockenen Satz nach hinten machte.

Verschreckt zog es sich in die hinterste Ecke seiner Box zurück und starrte in die Dunkelheit.

Kapitel 1

 

»Hey, Nelly! Jetzt bleib doch mal stehen!«

Nelly hatte sich gerade auf ihr Rad geschwungen, als Katas Stimme hinter ihr erklang.

Erstaunt drehte sie sich zu ihrer Freundin um. »Hä? Was machst du denn hier? Ich dachte, du bist auf Klassenfahrt?«

Kata winkte ab. »Hör mir bloß damit auf.« Sie verzog ihr hübsches Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. »Dieses bekloppte Landschulheim hat dichtgemacht … oder anders: Es wurde dichtgemacht.«

Nelly verstand kein Wort. »Warum das denn?«

»Ganz einfach, am Freitag sind dort wohl ein paar Leute vom Ordnungsamt aufgetaucht. Routinemäßige Kontrolle oder so. Dabei haben die dann aber diverse Mängel festgestellt und beschlossen, die Anlage sofort zu schließen. Doch der eigentliche Knaller daran ist, dass die Betreiber es nicht einmal für nötig gehalten haben, die Schulen zu verständigen. Als wir heute Vormittag dort angekommen sind, standen da bereits drei Busse mit Schülern und Lehrern von anderen Schulen, die ebenso ahnungslos waren wie wir.«

»Was? Das gibt es ja gar nicht.« Nelly war wirklich baff.

Kata sog die Luft scharf zwischen den Zähnen ein. »Leider doch. Es hat eine Ewigkeit gedauert, bevor sich mal einer von denen dort blicken ließ und erklärt hat, was Sache ist.«

»Und dann?«

»Dann gab es erst einmal einen Riesenstress, weil sich natürlich alle Lehrer mächtig aufgeregt haben. Anschließend sind wir wieder in den Bus und die ganzen dreieinhalb Stunden zurück zur Schule gefahren.«

»Au Backe«, murmelte Nelly. »Was für ’ne Pleite.«

»Du sagst es.«

»Und fahrt ihr jetzt woandershin?«

Kata zuckte mit den Schultern. »Bestimmt. Nur natürlich nicht sofort. Es muss ja erst einmal etwas Neues gefunden werden und dann geht es auch noch um das Geld, das bereits an das Landschulheim gezahlt wurde.«

»Das klingt überhaupt nicht schön«, fand Nelly.

Aber Kata konnte schon wieder lächeln. Sie hakte sich bei ihrer Freundin unter und meinte: »Hat aber auch was Gutes, denn jetzt muss ich wenigstens nicht fünf ewig lange Tage ohne meine geliebten Hottis und besten Freundinnen auskommen.«

Nelly grinste. »Stimmt. Das ist wirklich ein großer Trost.«

»Und wo wolltest du gerade hin?«

»Aufs Gestüt«, erklärte Nelly.

Nun war es Kata, die staunte. Nelly wohnte in unmittelbarer Nähe des Gestüts Casparon, quasi nur einmal um die Ecke. »Mit dem Rad?«

»Ich will direkt nach dem Reiten noch zum See fahren. Es ist ja heute wieder so brüllend heiß und ich habe mich mit ein paar Leuten aus meiner Klasse dort verabredet.«

Schmollend schob Kata die Unterlippe vor. »So so, kaum bin ich mal weg, schon suchst du dir andere beste Freunde, was?!«

Nelly sah sie erschrocken an. »Quatsch, ich-ich …«

»Mensch, Nelly«, lachte Kata, »nun guck nicht gleich so schuldbewusst. Ich wollte dich doch nur ärgern. Wow, aber echt krass, wie schnell du ein schlechtes Gewissen bekommst.«

Nelly buffte ihr gespielt ärgerlich gegen den Oberarm. »Bestimmt, Kata, bestimmt habe ich Angst vor dir.«

Kata warf ihr ein Luftküsschen zu. »Ja, ja, Schatz, ich liebe dich auch.«

Kurz darauf schlenderten die beiden Mädchen Seite an Seite durch das schmale Fußgängertor des edlen Gestüts Casparon. Nelly stellte ihr Rad in den Ständer neben dem Haupteingang, der zu der imposanten Reithalle führte, und folgte dann Kata, die bereits in den Hauptstall vorgegangen war. Die Pferde der beiden Mädchen, Flying Dutchman und Showgirl, hatten ihre Paddockboxen zwar in einem kleineren Nebentrakt, der rechts vom Hauptstall abging und auch über einen eigenen Eingang verfügte, doch durch den Hauptstall gelangte man ebenfalls dorthin. Kata nahm häufig den kleinen Umweg durch den Hauptstall, um zu sehen, wer sonst noch so alles auf dem Hof war. Außerdem konnte man von hier aus einen Blick in die Reithalle werfen und gleich mal die Lage checken, ob es zu voll war, um auch noch dort zu reiten. Bei der Hitze, die nun schon seit Monaten herrschte, zog es selbst die überzeugtesten Frischluftfanatiker in die kühle und vor allem fliegen- und stechmückenfreie Reithalle.

Als Nelly Kata kurz darauf folgte, rechnete sie nicht damit, in eine Menschentraube aus Einstellern, Gestütsmitarbeitern und zwei uniformierten Polizisten zu rennen.

»Was ist denn hier los?«, wollte sie von Kata erfahren, die allem Anschein nach schon voll im Bilde war. Zumindest meinte Nelly das an ihrem betroffenen Gesichtsausdruck zu erkennen. »Warum ist die Polizei hier?«

»Ruhe!«, rief in diesem Moment Cliff Barnes, der, seitdem der vorherige Gestütsleiter Ansgar von Bettner fristlos von den Casparons entlassen worden war, die Leitung des Anwesens übernommen hatte. Außerdem war er der Chef einer Tier-Stunt-Agentur, deren Filmpferde allesamt auf dem Gestüt standen. Das bot sich schon deshalb an, weil die DreamLand-FilmStudios direkt neben dem Gestüt lagen.

»Wenn alle durcheinanderreden, dann versteht man kein Wort.«

»Was ist passiert, Kata?«, wiederholte Nelly flüsternd ihre Frage.

»Es wurde eingebrochen«, zischte Kata nun zurück. »Im Hauptstall.«

»WAS?« Nelly rief so laut und entsetzt, dass Cliff Barnes, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger total nett und sympathisch war, sie vorwurfsvoll anguckte.

»Nelly, Kata, das gilt auch für euch!«

Verlegen nickte Nelly, während Kata ihr den Ellbogen in die Seite rammte.

»Den Pferden geht es aber gut, oder?«, raunte Nelly Kata dennoch zu.

Kata nickte. »Die Typen hatten es zum Glück nur auf die Sättel abgesehen. Die Pferde haben sie in Ruhe gelassen.«

»Puh …« Die Luft schoss wie aus einem geplatzten Luftballon aus Nelly heraus. Schließlich hörte man immer wieder aus allen möglichen Regionen von sogenannten Pferderippern. Der absolute Albtraum und die größte Angst eines jeden Pferdebesitzers. Das mit den Sätteln war natürlich auch schrecklich und vor allem nicht wirklich erklärbar.

»Wie ist das nur möglich?«, sprach nun Henrike, eine junge Frau, die zwei Pferde auf dem Gestüt stehen hatte, Nellys Gedanken aus. »Die Anlage ist doch jetzt wirklich erstklassig gesichert. Mit einer nagelneuen Alarmanlage und zusätzlichen Überwachungskameras ausgestattet. Die Tür zum Hauptstall ist mehrfach verriegelt, und um überhaupt nach 22 Uhr auf den Hof zu kommen, braucht man den richtigen Code. Ich verstehe das einfach nicht.«

»Deshalb ist die Polizei hier, Henrike«, gab Cliff Barnes zurück, »um eben genau diesen Fragen auf den Grund zu gehen.«

Nun ergriff einer der beiden Polizisten das Wort, ein dunkelhaariger, noch ziemlich jung aussehender Mann.

»So ist es. Wir werden jetzt zunächst das Videomaterial der letzten Nacht aus den Überwachungskameras auswerten und haben auch die Spurensicherung verständigt, die versuchen wird, den Vorgang zu rekonstruieren. Es wäre hilfreich, wenn Sie uns unterdessen eine Auflistung der entwendeten Sättel machen könnten. Idealerweise mit einem Foto oder, falls nicht vorhanden, zumindest einer Abbildung des Modells samt Circa-Preisangabe.«

Kata hob die Hand und wurde mit einem kurzen Kopfnicken vom dunkelhaarigen Polizisten zum Reden aufgefordert.

»Handelt es sich nur um die Sattelkammer im Hauptstall? Ich meine, ist schon jemand drüben in den beiden anderen Trakten gewesen und hat nachgeschaut, ob dort die Spinde auch aufgebrochen wurden?«

»Ja!«, gab der Polizist zurück. »Es dreht sich nur um die Sattelkammer im Hauptstall.«

Kata nickte. »Okay, gut …«

»Gut?!«, wurde sie daraufhin von Simone, der etwas älteren und leicht untersetzten Besitzerin des Trakehners Catch me angeranzt. »Ich weiß wirklich nicht, was daran gut sein soll, dass uns hier im Hauptstall die Sättel geklaut wurden. Meiner zum Beispiel war nagelneu und hat ein Vermögen gekostet. Und dann kommt noch hinzu, dass ich ihn nicht versichert habe, weil ich absolut davon überzeugt war, dass so etwas hier nicht passieren könnte.« Sie hatte sich regelrecht in Rage geredet. Ihre Wangen glühten knallrot, ihre Augen funkelten Kata empört an.

»So habe ich das doch überhaupt nicht gemeint«, versuchte Kata klarzustellen. »Nur eben … na ja, ich bin halt einfach erleichtert, dass mein Sattel noch da ist.«

Simone schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. »In deinem Fall hätte es nun aber bestimmt keine Arme getroffen.«

Bevor Kata etwas erwidern konnte, hob Cliff Barnes beide Hände und rief laut: »Es bringt absolut niemandem etwas, wenn wir uns jetzt gegenseitig irgendwelche Vorwürfe machen.«

Es wurde zustimmend gemurmelt, bis Cliff erneut das Wort ergriff. »Diejenigen, die das große Glück haben, ihren Sattel noch zu besitzen, bitte ich, die Stallgasse zu verlassen. Die anderen sind jetzt so freundlich und kommen der Aufforderung von Kriminalobermeister Henschel nach.«

Nelly umfasste Katas Unterarm und zog sie mit sich aus dem Stall auf den Hof.

»Simone hat doch wohl ’nen Knall!«, regte Kata sich draußen auf.

Nelly winkte ab. »Lass sie doch reden und hör da einfach nicht hin.«

Kata stemmte die Hände in die Hüften. »Nö, lass ich nicht. Das nervt nämlich. Ständig muss ich mir irgendwelchen Unsinn anhören. Ob es nun ums Reiten geht, unsere Pferde oder sonst was. Und jetzt bin ich sogar noch daran schuld, dass ihr Sattel und nicht meiner geklaut wurde.«

Nelly zuckte mit den Schultern. »Na ja, die sind halt neidisch. Das ist doch nicht neu für dich. Du reitest fantastisch, Fly ist megatalentiert. Ihr beiden kommt von kaum einem Turnier ohne eine Schleife zurück, meistens sogar der goldenen, und dann führst du jetzt auch noch diesen Junioren-Förder-Cup an. Tja, und zu allem Überfluss sind deine Eltern auch noch reich …«

Wütend stampfte Kata mit dem Fuß auf. »Ja, das ist alles richtig, aber Fly habe ich selbst ausgebildet. Er hat kein Vermögen gekostet und ich habe da auch noch niemals einen Profibereiter oder so draufsitzen gehabt. Dass wir jetzt so erfolgreich sind, das haben wir uns selbst erarbeitet.«

Versöhnlich legte Nelly den Arm um Katas Schulter. »Kata, reg dich ab. Ich weiß das, du weißt das, Leo, Mila – alle wissen es. Aber die Leute sind nun mal so. Vergiss das Gelaber und freu dich, dass es mit Fly so toll läuft und dass unsere Sättel noch da sind.«

Nachdenklich nickte Kata. »Hm … hast ja recht. Aber mir jetzt wieder gleich ’nen Strick draus drehen wollen, nur weil mein Sattel nicht geklaut wurde. Ich meine, Nelly, du hattest doch auch Glück. Aber zu dir hat keiner gesagt, dass es ja wurscht wäre, weil du dir locker ’nen neuen kaufen kannst.«

Nelly grinste. »Weil’s ja auch so nicht ist. Wenn mein Sattel weg wäre, müsste ich ohne reiten. Meiner ist nämlich auch nicht versichert und einen neuen, pfff, meine Mutter zeigt mir ’nen Vogel. Die mosert eh ständig, dass das mit dem eigenen Pferd eigentlich echt nicht geht, weil alles so viel Geld kostet und so. Wenn Showgirl nicht schon so eine alte Lady wäre und meine Großeltern nicht regelmäßig den Schmied bezahlen würden, ich sag’s dir, meine Mutter hätte sie längst verkauft.«